Vorlesung 4 Differentialgeometrie: Grundlagen 19 Beweis. Sei κ : I R gegeben, I. Existenz: Definiere θ : I R durch θ(s) = κ(t) dt und setze T (s) = e iθ(s). Offenbat hat T (s) Länge 1 und es gilt T (s) = κ(s)it (s) also ist it (s), T (s) = κ(s). Nun kann man γ(s) als Integral über T (s) erklären: ( T (t) dt = cos(θ(t)) dt, ) sin(θ(t)) dt. Eindeutigkeit: Sei nun δ : I R 2 eine weitere bogenlängenparametrisierte Kurve, deren Krümmung ebenfalls κ sei. Wir zeigen, das sich δ von γ nur um eine euklidische Bewegung unterscheidet. Sei d = γ( ) δ( ) und A = SO(2) die orthogonale Abbildung, die die ON Basis (δ, Jδ ) auf (γ, Jγ ) abbildet. Setze M(x) = Ax + d und γ = Mδ. Betrachte nun f(s) = 1 2 ( γ (s) γ (s) 2 + J γ (s) Jγ (s) 2 ). Dann ist d f(s) = κj γ(s) κjγ(s), ds γ (s) γ (s) κ γ(s) κγ(s), J γ (s) Jγ (s) = 0 und f( ) = 0. Also f = 0 und γ γ = 0. Weiter ist aber γ( ) γ( ) = 0 und wegen d γ(s) ds γ(s) 2 = 2 γ (s) γ (s), γ(s) γ(s) = 0 folgt γ = γ. Bemerkung. Es genügt C k für die Krümmungsfunktion zu fordern. Das folgende Beispiel zeigt, das auch einfache Vorgaben zu Ergebnissen führen können, die nicht mehr durch elementare Funktionen darstellbar sind. Beispiel 2.5 (Klothoide) Gesucht ist eine bogenlängenparametrisierte Kurve γ : R R 2 mit linearer Krümmung κ(s) = as, a 0. Dem Hauptsatz folgend setzt man an: e aiσ2 /2 dσ und erhält im wesentlichen die imaginäre Errorfunktion: 1 i 2 ( π Erfi 1+i ) 2 a s a 19
20 Differentialgeometrie: Grundlagen Vorlesung 4 2.5 Neue Kurven aus alten I: Evolvente und Evolute Definition 2.14 Sei γ : I R 2 bogenlängenparametrisierte Kurve und I. δ : I R 2, δ(s) = γ(s) + (s o s)γ (s) heißt Evolvente von γ. Bemerkung. δ entsteht durch Abwickeln von γ. δ ist nicht eindeutig. Die Wahl von gibt eine ein-parameter-familie von Evolventen. Es gilt δ, γ = γ γ + ( s)γ, γ = 0. δ schneidet also die Tangen von γ senkrecht. 20
Vorlesung 4 Differentialgeometrie: Grundlagen 21 Beispiel 2.6 Kreisevolvente (Übung). Definition 2.15 Sei γ : I R 2 bogenlängenparametrisierte Kurve mit Krümmung κ 0. Die Spur der Krümmungskreismittelpunkte η : I R 2, heißt Evolute von γ. η(t) = γ(t) + 1 κ(t) Jγ (t) Bemerkung. η ist tangential an die Normalen von γ. Beispiel 2.7 Die Evolute der Zykloide. Die Zykloide ist gegeben durch: γ(t) = (t sin(t), 1 cos(t)) (vergl. Beispiel 2.2). Für die Ableitungen gilt: γ(t) = (1 cos(t), sin(t)) γ(t) = (sin(t), cos(t)) det( γ(t), γ(t)) = cos(t) 1. Benutzt man die Formel für die Krümmung in allgemeiner Parametrisierung erhält man für η: γ(t) 2 η(t) = γ(t) + i γ(t) = (t sin(t + π), 1 cos(t + π)) det( γ(t), γ(t)) Die Evolute der Zykloide ist also wieder eine (translatierte) Zykloide. Man beachte jedoch, das wir hier eine stetige Fortsetzung der Kurve genommen haben, da die Zykloide ja nicht regulär, ihre Evolute also nicht überall erklärt ist. 21
22 Differentialgeometrie: Grundlagen Vorlesung 4 Satz 2.16 Die Evolute einer Evolvente einer Kurve γ ist wieder die ursprüngliche Kurve γ. Beweis. Sei γ : I R 2 bogenlängenparametrisierte Kurve, I. Setze δ(t) = γ(t) + ( s)γ (t) und η(t) = δ(t) + 1 κ δ (t) Jδ (t). Für δ gilt: δ = γ γ + ( s)jκγ und δ = ( s)κ 2 γ + (( s)κ κ) Iγ Weiter ist det( δ, δ) = κ 3 ( s) 2, also κ δ = sign κ/( s). Damit folgt η = γ(s) + ( s)γ + s (s sign κ i2 0 s)κγ s κ = γ 2.6 Neue Kurven aus alten II: Traktrix und Darboux- Transformation Definition 2.17 Sei γ : I R 2 reguläre Kurve, t 0 I, p R 2. Die Kurve τ : I R 2, die gegeben ist durch 1. τ(t 0 ) = p 2. τ γ = const 3. τ (τ γ) heißt (allgemeine) Traktrix zur Leitkurve γ. 22
Vorlesung 4 Differentialgeometrie: Grundlagen 23 Man kann sich die Traktrix wie folgt vorstellen: Bewegt man das Vorderrad eines Fahrrades auf der Kurve γ, so bewegt sich das Hinterrad auf einer Traktrix von γ. Bemerkung. Die Parallelität bedeutet τ = λ(τ γ). Wir berechnen λ. Es gilt d dt τ γ 2 = 0 τ γ, τ γ = 0. Damit erhält man λ(τ γ) γ, τ γ = 0 λ τ γ, τ γ = γ, τ γ. Das ergibt für λ γ, τ γ λ = τ γ 2 und man erhält als Differentialgleichung für τ τ = γ, τ γ (τ γ). τ γ 2 Als die Traktrix bezeichnet man meist die Traktrix einer Geraden (siehe Übung). Bemerkung. Die Traktrix einer Kurve ist i. a. nicht regulär. Definition 2.18 Sei γ : I R 2 reguläre Kurve τ : I R 2 Traktrix von γ. Dann heißt γ : U R 2 mit Darboux-Transformierte von γ. γ := γ + 2(τ γ) = 2τ γ Lemma 2.19 Ist γ nach Bogenlänge parametrisiert, so ist jede Darboux- Transformierte γ wieder nach Bogenlänge parametrisiert (also insbesondere regulär). Beweis. Sie γ : I R 2 bogenlängenparametrisierte Kurve und γ : I R 2 Darboux-Transformierte von γ. Es gilt dann für v = 1/2( γ γ), v = const, v d (γ + v) und v v. Nun ist dt γ 2 = γ, γ = γ + 2v, γ + 2v = = γ, γ + 4 γ, v + 4 v, v = 1 + 4 γ + v, v = 1 23