Konstruktivismus. Sprech- und Sichtweisen der Wissenschaft 1

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Transkript:

Sprech- und Sichtweisen der Wissenschaft 1 Konstruktivismus Wie die meisten organisationswissenschaftlichen Basistheorien ist auch der Konstruktivismus nicht als einheitliche Doktrin bzw. Denkschule oder ausformulierte Konzeption entstanden. Vielmehr handelt es sich um eine Entwicklungsrichtung in einigen sozialwissenschaftlichen Disziplinen, deren gemeinsames Fundament in der Kritik an der realistischen Konzeption vom menschlichen Erkennen und den daraus resultierenden Konsequenzen für das wissenschaftliche Forschen besteht. Die realistische Auffassung unterstellt die Existenz einer unabhängigen, d.h. objektiven, ontologischen Welt, in der Wissen die Wirklichkeit exakt widerspiegelt. Es gibt demnach eine Wahrheit im Sinne einer absoluten Gültigkeit menschlichen Wissens Menschen müssen die Realität nur erkennen; sie existiert schon, bevor Menschen sie entdecken. Der Konstruktivismus (oder die Wirklichkeitsforschung wie von Glasersfeld treffender sagt) versteht sich nicht als eine neue Weltanschauung. Im Gegenteil, er greift die schon in unterschiedlichsten Argumentationen früher geprägte, zum Realismus konträre Weltanschauung auf, daß Zweifel an der Übereinstimmung von Wissen und Wirklichkeit angebracht sind: Wissen ist nicht das Ergebnis eines Abbildens im Sinne eines Entdeckens der äußeren Wirklichkeit, sondern das Ergebnis eines Erfindens von Wirklichkeit. Folglich gibt es keine Wahrheit menschlichen Wissens, denn um die absolute Gültigkeit einer Aussage nachweisen zu können, müßte es Menschen möglich sein, diese mit der Realität (also einer ontologischen Welt) zu vergleichen. Menschen können in diesem Verständnis aber nur Vorstellungen mit Vorstellungen vergleichen, da sie nicht in einer Welt, sondern mit ihr leben und sich so die Welt in ihren Vorstellungen konstruieren. Als hilfreiche Unterscheidung zur Abgrenzung der realistischen Position wird durch von Glasersfeld (1997) in Anlehnung an die Darwinistische Evolutionstheorie die begriffliche Trennung von Stimmen und Passen für die Klärung des Verhältnisses von Wissen und Wirklichkeit eingeführt. Im realistischen Verständnis beschreibt Stimmen den obigen Sachverhalt, daß menschliches Wissen als Ergebnis einer Erkenntnis mit der wirklichen Welt deckungsgleich und demzufolge wahr ist. Passen im konstruktivistischen Sinne bezeichnet eine eher funktionale Verbindung zwischen Wissen und Wirklichkeit: Wissen wird hier nicht mit dem Attribut wahr oder nicht wahr belegt, sondern danach beurteilt und beibehalten, ob es brauchbar, relevant, lebensbefähigend ist mit anderen Worten: ob es sich im menschlichen Erleben bewährt. Wissen hat in diesem Sinne die Funktion, einen gangbaren Weg zum jeweiligen Ziel zu finden. Watzlawick hat diesen Grundgedanken einmal wie folgt metaphorisch illustriert: Ein Kapitän, der in dunkler, stürmischer Nacht eine Meeresenge durchsteuern muß, deren Beschaffenheit er nicht kennt, für die keine Seekarte besteht und die keine Leuchtfeuer oder andere Navigationshilfen besitzt, wird entweder scheitern oder jenseits der Meeresenge wohlbehalten das sichere, offene Meer wiederge-

2 Sprech- und Sichtweisen der Wissenschaft winnen. Rennt er auf die Klippen auf und verliert Schiff und Leben, so beweist sein Scheitern, daß der von ihm gewählte Kurs nicht der richtige Kurs durch die Enge war. Er hat sozusagen erfahren, wie die Durchfahrt nicht ist. Kommt er dagegen heil durch die Enge, so beweist das nur, daß sein Kurs im buchstäblichen Sinne nirgends anstieß. Darüber hinaus aber lehrt ihn sein Erfolg nichts über die wahre Beschaffenheit der Meeresenge; nichts darüber, wie sicher oder wie nahe er der Katastrophe in jedem Augenblicke war: er passierte die Enge wie ein Blinder. (Watzlawick 1997:14f) Das eigentlich Neue am Konstruktivismus ist nun, daß er diese Weltanschauung in den Stand einer wissenschaftlichen Theorie (im methodologischen Sinne ein neues Paradigma) erhebt. Eine Theorie wird von den Konstruktivisten als nötig erachtet, weil Menschen die Welt, die sie erleben, unwillkürlich aufbauen und weil sie nicht darauf achten, wie sie es tun. Der Konstruktivismus wird als eine Theorie vom Erkennen begriffen und untersucht die Art und Weise, wie der menschliche Intellekt operiert: Wer wissenschaftlich forscht, will etwas erkennen, will wissen, wie etwas «ist» oder «funktioniert». Wissenschaftliches Erkennen unterscheidet sich von alltäglichem sicher in der Methodik, häufig aber auch im Anspruch auf «Wahrheit» dieser Erkenntnis. In der Geschichte hat es viele Versuche gegeben, das menschliche Erkennen selbst zu begreifen. Die Annahmen über die Art,(...) wie Wissen erworben und das erworbene Wissen weitergegeben wird, sind in sogenannten Erkenntnistheorien formuliert worden. (Burla/Alioth/Frei/Müller 1995:20) Ergebnis konstruktivistischer Überlegungen ist ein Modell des menschlichen Erkenntnisvorganges, das erklärt, wie es Menschen aufgrund ihres Erlebens möglich ist, ein mehr oder weniger verläßliches Bild der Welt für sich zu bauen. Erkennen wird so nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt. In den verschiedenen konstruktivistischen Ansätzen werden jedoch unterschiedliche Schwerpunkte bei der Betrachtung des Erkenntnisvorganges gesetzt. Beispielsweise wird in einigen Ansätzen nach dem Wie des Erkenntnisvorganges gefragt, in anderen mehr nach seinen Inhalten und Gegenständen. Folgende allgemeine Aussagen bzw. Prämissen lassen sich aber zum Konstruktivismus formulieren: Konstruktion von Wirklichkeit (1) Das menschliche Gehirn erzeugt ein Bild der Welt; es erstellt kein Abbild im Sinne einer 1:1 - Fotografie. Das bedeutet: Das Bild der Welt, wie es jeder bei sich aufgebaut hat, ist ein Ergebnis individueller kognitiver Leistung. Erkennen ist ein kon-

Sprech- und Sichtweisen der Wissenschaft 3 struktiver Akt. Alle Wissensbestandteile über die Welt und der Menschen über sich selbst sind Konstruktionen. (2) Der Konstruktivismus leugnet aber nicht die Wirklichkeit, sondern sagt nur, daß die Aussagen über die Wirklichkeit dem eigenen Erleben entspringen: Menschen haben die Welt in der sie leben sich selbst zu verdanken und sie nicht nur, wie in der realistischen Auffassung, zu entdecken. Menschliche Sinne (3) Menschliche Wahrnehmungen sind Sinneserfahrungen. Die Welt ist dem menschlichen Erkennen nicht direkt zugänglich; sie wird indirekt über die Sinne und deren Qualität wahrgenommen. Die Schranken der Welt, an denen unsere Unternehmen scheitern, bekommen wir nie zu Gesicht. Was wir erleben und erfahren, erkennen und wissen, ist notwendigerweise aus unseren eigenen Bausteinen [den Sinnen und Sinneserfahrungen; Anmerkung der Verfasserin] gebaut und läßt sich auch nur auf Grund unserer Bauart erklären.(v. Glasersfeld 1997:35) Wahrheit und menschliches Wissen (4) Der Zweifel an der Wahrhaftigkeit menschlicher Sinnesorgane hat zur Folge, daß es keinen unmittelbaren Zugang zur Welt da draußen außer über den Prozeß der Wahrnehmung gibt. Menschen werden demzufolge nicht imstande sein festzustellen, ob ihre Wahr-Nehmungen genaue Abbildungen eines Objekts sind oder nicht; sie sind vom direkten Zugang zur Welt abgeschnitten und haben es mit bloßen Sinneserfahrungen zu tun. Wahr ist, was Menschen je nach Situation als wahr definieren. (5) Der Konstruktivismus nimmt Abschied von absoluten Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriffen und bindet alles Wissen an den Menschen und seine Handlungen. Wirklichkeit und Wahrheit sind also keine Berufungsinstanzen mehr. Berufen kann man sich als Beobachter/Beschreiber der Welt nur noch auf die verwendeten Unterscheidungen jede Beobachtung beginnt mit einer Unterscheidung, einer Differenzierung, einer Verletzung, einer Zerstörung von Einheit: Beobachtungen fokussieren auf bestimmte Ausschnitte und erzeugen so einen Rest den ausgegrenzten, weggelassenen Teil der Beobachtung.

4 Sprech- und Sichtweisen der Wissenschaft Objektivität und menschliches Wissen (6) Mit dem Konstruktivismus wird nicht nur dem Objektivitätscharakter unseres Wissens eine Absage erteilt, sondern auch nachgewiesen, daß auch bzw. gerade die Subjektabhängigkeit unserer Wirklichkeitskonstruktion erfolgreiches Handeln in einer sozial akzeptierten, scheinbar objektiv erfaßbaren Welt erklären kann. Wirklichkeit als soziales Phänomen (7) Menschen entwickeln subjektive Wahrnehmungen mit Bezug auf andere Menschen. Durch die Interaktion mit ihnen bestätigen und gleichen sie ihre subjektiven Wahrnehmungen an und entwickeln so Konstruktionen bzw. Wirklichkeiten, die sozialen Ursprungs sind. (8) Erkennen als Vorgang und Wissen als dessen Produkt ist also nicht das Ergebnis passiven Empfangens, sondern aktiver sozialer Auseinandersetzung zwischen Menschen. Erfolgreiches Handeln mit anderen Menschen ist für die Sicherung des Überlebens notwendig. Menschen sind deshalb darauf angewiesen, den Aufbau und damit auch die Veränderung ihrer individuellen Konstruktionen so vorzunehmen, daß erfolgreiches Kommunizieren und Kooperieren möglich wird. Sprache als Kommunikationsmittel (9) Die Abstimmung der Konstruktionen erfolgt in kommunikativen Prozessen. Sprache ist in diesem Prozeß nur ein Kommunikationsmittel, wenngleich eines der wichtigsten. (10) Kommunikation ist nicht wie ein informationstechnischer Austausch zwischen Sendern und Empfängern als unmittelbare 1:1-Übertragung vorstellbar. Die Wiedergabe von Erfahrungen erfolgt vielmehr mittelbar über Sprache und nach ihren Grenzen und Möglichkeiten. Brauchbarkeit menschlichen Wissens (11) Weil unser Wissen nicht eine Wirklichkeit widerspiegelt, ist der Maßstab für die Generierung und Verwendung von Wissen nicht seine Wahrheit, sondern seine Brauchbarkeit, Relevanz und Lebensfähigkeit. Menschliches Wissen ist brauchbar, relevant, lebensfähig, wenn es den fortlaufenden menschlichen Erfahrungen stand-

Sprech- und Sichtweisen der Wissenschaft 5 hält und befähigt, Vorhersagen zu machen und Handlungen durchzuführen oder zu verhindern. (12) Menschen benutzen ihre Konstruktionen so lange, wie sie ihnen ein Überleben ermöglichen. (Und eben auch nur solange neue, stärkere Erfahrungen nichts Gegenteiliges beweisen.)