Herr Doktor, mein Nabel ist verrutscht.

Ähnliche Dokumente
Herzlich willkommen! Kultursensible Pflege und Betreuung. Mag. a Petra Dachs Integra, 2008

Serviceteil Stichwortverzeichnis 174

Kulturspezifische Behinderungsbilder - ein Überblick. Wiltrud Wystrychowski, Diplom-Psychologin

Psychosoziale Gesundheit

Was ist Gesundheit? Teil 1a: Theorien von

Wann ist Gewalt Gewalt?

Patientenkompetenz - Selfempowerment

Interkulturelle Elterngespräche führen

Lassen sich Lebensqualität und Behinderung überhaupt miteinander vereinbaren?

Interkulturelle Öffnung

Arbeitskreis Selbsthilfe und Migration der Berliner Selbsthilfekontaktstellen. Projekt Selbsthilfe und Migration 1

WS 3: Transkulturelle Pflegeanamnese und medizinethnologische Konzepte in der Anwendung

Arbeit und Kultur. Workshop Rheinfelden Dr. C. Nigg 21.Oktober 2009

Inklusion Beitrag von Bildungseinrichtungen zur gesellschaftlichen Implementierung von kultursensiblen Elementen

Willkommen beim Treff Sozialarbeit

Interkulturelles Kooperationsmanagement in der Entwicklungszusammenarbeit

Interkulturelle Öffnung und kultursensible Arbeit Leitlinien für die Praxis

BIENVENUE HERZLICH WILLKOMMEN WELCOME

eidam & partner. die auslands-experten. interkulturelles training. coaching. consulting. elearning.

Spirituelle Evaluation im Patientengespräch anhand des Modells STIW

Selbstverletzendes Verhalten

Mitarbeitermotivation in China und Deutschland

HEALTH4YOU Stärken & Ressourcen Heft

Psychosomatik: Schnittstelle zwischen Pädiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie

Pflegeleitbild. Gedanken zur Pflege

Britta Lenk-Neumann. Bayerisches Zentrum für Transkulturelle Medizin e.v.

Wie gehen (ältere) Menschen mit Veränderungen um?

Frauenselbsthilfe nach Krebs e.v.

Traumatisierung & Kultur Resilienz. Dr. med. Frauke Schaefer Barnabas International

Gesundheitsressourcen älterer Menschen stärken!

Kinderliedertour der BZgA im Rhein-Sieg-Kreis Rhein-Sieg-Kreis Unterwegs nach Tutmirgut. Tutmirgut Gesundheitsförderung

Leitbild des Universitätsklinikums Bonn

Diversity - Vielfalt der Menschen und Arbeitswelt 4.0

Flüchtlinge integrieren. Interkulturelles Grundwissen für engagierte Deutsche

Interkulturelle Elternarbeit. Donnerstag, Uhr Uhr Referentin: Julia Fübbeker, HÖB Papenburg

Von der Scham zur Selbstachtung

Hong Liu-Kiel (Autor) Mitarbeitermotivation in China und Deutschland Ein interkultureller Vergleich auf der Basis von Laborexperimenten

Grundlagen der Sportpädagogik (WS 2004/05) Dietrich Kurz Universität Bielefeld Abteilung Sportwissenschaft

Gelsenkirchen, den 14.November 2013 BAGSO - Fachtagung Reinhard Streibel AWO Bezirk Westliches Westfalen, Dortmund

Störungen im Anpassungsprozess aus klinischer Perspektive

Aus Sicht der Chinesischen Medizin: Psychosomatische Erkrankungen

Interkulturelle Kompetenz und Vorbereitung der Mitarbeiter: Ein Schlüssel nachhaltiger Integration

Berufskunde und Ethik. Dipl. Lehrgang. Mag. Semra Safron

Das muslimische Krankheitsverständnis

Soziale Arbeit im Gesundheitswesen

PSG I, II, III: Wie geht es der Pflege?

Haltungen und Prinzipien interkultureller Arbeit als Herausforderung für die Arbeit mit UMF

Grundbegriffe klären, Themenfeld abstecken. Auseinandersetzng mit Kulturalität in der. Transkulturelle pflegeethische Prinzipien

Interkulturelle Kompetenz

Psychoedukation. Monika Bohrmann. BAK Symposium Interventionen in der ambulanten psychosozialen Krebsberatung. DKK 2018, Berlin 23.

Interkulturelle Kommunikation am Beispiel der Beziehung zwischen Deutschen und Chinesen hei einem internationalen Unternehmen

NEUE AUSBILDUNG ENERGIEARBEIT

Workshop. Palliative Care in der Grundversorgung

Zur Treue gehören immer zwei! Gemeinschaftliche Therapieverantwortung im Arzt-Patienten-Verhältnis

Ein Gesundheitskonzept und dessen Einflüsse auf Prävention, Arbeitsmedizin und Beratung. -Adelheid Kraft-Malycha-

Messinstrument: Einsatz: Rechteinhaber:

Einführung in die ICF

Veränderte Kindheit? Wie beeinflusst der aktuelle Lebensstil die psychische Gesundheit von Kindern?

a) Was waren wichtige, prägende, stärkende, ermutigende und aufbauende, aber auch belastende Lebensereignisse?

Gönüllü. Besuche, Begleitung und Betreuung von Menschen mit Demenz

Gesundes Arbeiten in sozialen Berufen Erfahrungen, Impulse und Unterstützungsangebote der BKK Diakonie

Dei-Wer-City oder Treptow-Köpenick Dorf?

Wie steht es um die Gesundheit der Migrationsbevölkerung?

Thema / Inhalt allgemeine Leistungsziele spezifische Leistungsziele Lehrmittel: Kapitel Semester

Ein Modell zur Gesundheits- und Krankheitsentwicklung Das Konzept der Salutogenese. Florian Schmidt, Marius Runkel, Alexander Hülsmann

Tätigkeit einer Gesundheitsmanagerin

Dennis Danielmeyer Vortrag 8. Oktober 2016 in Nürnberg

DIE GESUNDHEIT UNSERER MITARBEITER IST UNBEZAHLBAR. EINE PRIVATE VORSORGE- UNTERSUCHUNG NICHT.

Geflüchtete Kinder - Herausforderungen und Chancen kultureller Vielfalt in der frühen Bildung

Herzlich Willkommen : zum Impulsforum: Mit der Referentin: Constanze Blenig, Karlsruhe

Die Energetische Medizin

Theatertherapeutische Pilotgruppen

Auf der Slackline des Lebens!

Interkulturelle Öffnung von Behörden und Organisationen als Basis von Integrationsarbeit am Beispiel Bundeswehr.

Handbuch Interkulturelle Kompetenz

Lehrer-Schüler-Interaktion

Chronisch kranke Kinder und Jugendliche Bedürfnisse und Krankheitsbewältigung

Übersteigerte Krankheitsängste und Krankheitsverleugnung zwei ungünstige Bewältigungsstile

Grundsätze Organisations-Entwicklung

Kulturdimensionen nach G. Hofstede und E. Hall. Allgemeine Norm, Familie und Bildung

Praxis der Psychosomatischen Grundversorgung

Psychotherapie durch psychologische Gesundheitsförderung

Schullehrplan FBC - BB

Interkulturelle Kompetenz Qualitätsanforderung auch in der Beistandschaft? Interkulturelle Trainings in der Verwaltung - das Beispiel Bremen

energetische Behandlungen kann der Fluss dieser Energien aktiviert und harmonisiert werden.

Inhalt. 3 Soziale und individuelle Vorstellungen von Krankheit und

Meet The Expert - Bewältigungsstrategien. DGBS Jahrestagung Sep. 2017

Management - Strategische Unternehmensführung

8. Schweizerische Tagung für Systemische Beratung & Familientherapie

Fachstelle für Prävention von sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen

Gesund alt werden im Quartier

Leitbild AHS Linz Schulverein der Kreuzschwestern

Thema Burnout. - Soziologische Perspektiven

DAS TEAM RUND UM DIE PATIENTINNEN UND PATIENTEN

Betriebliches Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe. Wolfram Gießler BiG Bildungsinstitut im Gesundheitswesen Essen

Herausforderungen und. Stolpersteine in der stationären. Dr. phil. Natalie Friedrich

Würde: die spirituelle Innenseite

Navigationssystem zur Werteorientierung. Bedeutung der Werteorientierung in der Mitarbeiterführung

Transkript:

Herr Doktor, mein Nabel ist verrutscht. Interkulturelle Kompetenz in der Gesundheitsförderung Institut für Kooperationsmanagement Wittelsbacherstraße 6 93049 Regensburg iko-abt@email.de iko- Institut für Kooperationsmanagement an der Universität Regensburg

Gesundheitsförderung u Maßnahmen und Aktivitäten, mit denen die Stärkung der Gesundheitsressourcen und - potenziale der Menschen erreicht werden u Prozess der Befähigung von Menschen, ihre Kontrolle über Determinanten der Gesundheit zu erhöhen und somit die Gesundheit zu stärken u Gesundheit wird dabei in einer ganzheitlichen Sichtweise als körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden definiert, das durch individuelle, soziale und gesellschaftliche Hintergründe beeinflusst wird u Gesundheit ist also weniger ein Zustand oder Ziel, als vielmehr eine Ressource des täglichen Lebens Definition Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/gesundheitsf%c3%b6rderung

Gesundheit Ihr Ziel: Rauf auf den Baum! Maßnahmen sind für alle gleich! http://bidok.uibk.ac.at/library/niedermair-schule4e08.png 3

Erklärung von Verhalten Person Genetische Anlagen, big five (Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit, Extra/Inroversion, Neurotizität, Gewissenhaftigkeit), individuelle Umwelt, Entwicklungsstand, Bildung, Fertigkeiten, Sozialisationsergebnisse. Hygienefaktoren wie Resilienz, Selbstwirksamkeit, Alter, Geschlecht, Behinderung Situation Kultur sozioökonomischer Status, Gesundheit, Sicherheit, Status, Milieu, Migration, Gruppe, Aufgabe, Flucht, Trauma, Ausmaß der soziale Unterstützung, Sprachbarrieren individuell, kollektivistisch, direkt, indirekt, mono-polychron, sachorientiert, beziehungsorientiert,.

Was ist Kultur? u Kultur ist ein Regelsystem, das in einer Gesellschaft gilt. u Kultur wird in der Gruppe verhandelt. u Kultur ist dynamisch und veränderbar. u Kultur drückt sich in Symbolen aus. u Kultur stiftet Identität und erzeugt ein Zusammengehörigkeitsgefühl. u Kultur ist uns nicht immer bewusst.

Kulturen und Wertorientierungen Kulturen geben unterschiedliche Antworten in Bezug auf u Menschliche Natur (gut-schlecht) u Verhältnis Mensch-Umwelt (Unterwerfung-Harmonie) u Zeitorientierung (Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft) u Aktivität (Sein-Handeln) u Beziehungs-Management (Individualismus-Kollektivismus)

Interkulturelle Kompetenz u Bewusstsein über die eigene kulturelle Prägung (Kulturbrille) u Verstehen der kulturbedingten Handlungsund Denkweisen der Anderen u Fähigkeit, die Perspektiven zu wechseln u Fähigkeit, die unterschiedlichen Perspektiven in eigenes Handeln umzusetzen u Fähigkeit, die innere Logik einer fremden Kultur anzuerkennen und wertzuschätzen Kurz: Sich selbst und den anderen kennen lernen! Dieses Wissen in Handlungen umsetzen!

Interkulturelle Öffnung

Wo liegen die Zugangsbarrieren? Selber kümmern Fehlende Sprachkenntnisse Komm- Struktur Mangelndes Vertrauen in die Mitarbeiter der Organisation Kann er/sie was? Beratungsstil, Ursachenzuschreibung, Selbstverantwortung Kulturell unpassende Methoden Fehlender Zugang zu Informationen Kulturelle Vorbehalte und Hemmungen ggü. Prozessen Gerätemedizin, Vorsorge (nach S. Gaitanides)

Ebenen der interkulturellen Öffnung Gesellschaft Organisation Einrichtung Individuum

Kulturelle Unterschiede bezüglich. u Erklärungsmodelle, Klassifikationen u Ursachenzuschreibung u Medizin u Bedeutung der Organe (Traurigkeit im Herz (dt.), dem Bauch (türk.), der Niere (Oastasien)?) u Krankheitsverhalten u Verantwortungen

Interkulturelle Hilflosigkeit In den 1980er Jahren wurden von deutschen ÄrztInnen in Überweisungsblättern Diagnosen wie u Ganzkörpersyndrom, u Südländerkrankheit u Türkischer Totalschaden u Mamma-Mia-Syndrom u Maghrebinischer Ausnahmezustand u Neogriechische Gastritis gefunden (Collatz 1985) Ausdrücke ärztlicher Hilflosigkeit, die durch eine Ausbildung ohne interkulturelle Inhalte gefördert wird.

Wirksame deutsche Kulturstandards in der Gesundheitsförderung Wertschätzung von Strukturen und Regeln Sachorientierung Regelorientierte, internalisierte Kontrolle direkte Kommunikation Zeitplanung Individualismus Literatur. Schroll-Machl, S. (2002). Die Deutschen - Wir Deutsche. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Krankheit und andere Kulturen oftmals ganzheitlich geprägtes Krankheitsverständnis (Einheit von Körper und Seele) leibnah und ganzheitlich (Türkei): am ganzen Körper krank, können keine exakten Angaben zu den Symptomen machen Krankheit kommt von Außen: böser Blick, Dämonen kulturspezifische Krankheitssyndrome z.b. susto (Lateinamerika), Symptome: Antriebslosigkeit, Schwäche, Appetitlosigkeit, Diarrhöe, Fieber bis hin zu Tod. Ursache: Seelenverlust, Nabelfall (Türkei): Bauch- und Magenbeschwerden, Übelkeit, Schwäche, Müdigkeit

Krankheit und andere Kultur Krankheit stellt eine Strafe Gottes dar, die Genesung ist ebenfalls von ihm abhängig Krankheit ist karmisch bedingt, Ursache liegt in einem früheren Leben Krankheit ist eine Daseinsform, die den ganzen Menschen betrifft. Es kann nie nur ein Organ erkranken Starke Scham bei sexuellen Themen, bei Erkrankungen im Genitalbereich Beschwerdebeginn wird als Krankheitsbeginn verstanden, daher wirken anamnestische Fragen seltsam auf die PatientInnen Ertragen von Krankheit ist keine Tugend, erhöhte Klagsamkeit

Dimensionen Kultur Gesundheit/Krankheit Kollektive Bewältigung Externe Ursache Strafe, Schicksal, Karma planbar Waschungen, Rituale, handeln Trennung Körper- Geist-Seele Experte ZDF Böse Blicke Allergien Kompaß Experte Mensch Seele-Geist- Körper Einheit Geräte, Messungen Geschenk Individuelle Bewältigung sein Pech, selber Schuld Interne Ursache

Gesundheitsförderung u Maßnahmen und Aktivitäten, mit denen die Stärkung der Gesundheitsressourcen und - potenziale der Menschen erreicht werden u Prozess der Befähigung von Menschen, ihre Kontrolle über Determinanten der Gesundheit zu erhöhen und somit die Gesundheit zu stärken Können kulturbedingt sehr unterschiedlich sein, stark glaubensbedingt, stark modisch, individuell oder kollektiv, Planung erforderlich Kontroll-Idee unterschiedlich ausgeprägt, interne Kontrolle, Planung erforderlich u Gesundheit wird dabei in einer ganzheitlichen Sichtweise als körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden definiert, das durch individuelle, soziale und gesellschaftliche Hintergründe beeinflusst wird Kultursensibler Ansatz u Gesundheit ist also weniger ein Zustand oder Ziel, als vielmehr eine Ressource des täglichen Lebens Definition Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/gesundheitsf%c3%b6rderung

Fazit u Achtung Überkulturalisierung! Meist handelt es sich bei Zugangsbarrieren zur Gesundheit um Milieu- und Migrationseffekte (wie Sprachbarriere, mangelnde Aufklärung etc.) u Kultursensible Beratung durch interkulturelle Kompetenz etablieren bei allen Akteuren u Nicht Ärztin/Arzt, BeraterIn, TherapeutIn etc. sind die alleinigen Experten, sondern sie müssen die KlientInnen nach der Bedeutung und Erklärung, die Krankheit und Kranksein, Schuld, Verantwortung, symptomatisches Verhalten, Krankheitssymptome und Bewältigungsstrategien in der heimatlichen Kultur haben können, befragen u Prozess der interkulturellen Öffnung (Abbau von Zugangsbarrieren) auf allen Ebenen voranbringen u Sowohl als auch sattt entweder-oder

Dimensionen Beratung Kultur hierarchisch Hilfe zur Selbsthilfe externe Kontrolle Abhängigkeit Verbundenheit Kollektiv Rollenvertrauen kurzfristig Schuld langfristig Kompaß Scham interne auf Augenhöhe Individuell Handlungsorientiert Schicksalsorientiert Personenvertrauen Anweisungen Selbstständigkeit