Der Gründungszuschuss zwischen Tragfähigkeit und Ermessen



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Transkript:

info also 3/2013 99 Der Gründungszuschuss zwischen Tragfähigkeit und Ermessen (Zugleich Anmerkung zu den Urteilen des SG Karlsruhe vom 17. Januar 2013 S 16 AL 949/12 und des SG Berlin vom 8. März 2013 S 58 AL 207/13 in diesem Heft) Claus-Peter Bienert* In den zu besprechenden Entscheidungen war jeweils der Gründungszuschuss (GZ) Klagegegenstand. 1 Im Fall des SG Karlsruhe ging es um die Erstförderung der selbständigen Tätigkeit, im Fall des SG Berlin um eine weitere Förderung der selbständigen Tätigkeit in der zweiten Förderphase. Während die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Verfahren vor dem SG Karlsruhe von zu hohen Gewinnen des Antragstellers ausging und den GZ auf der Ermessensebene ablehnte, erachtete sie im Verfahren vor dem SG Berlin die Gewinne als zu niedrig und lehnte den GZ auf der Tatbestandsebene ab. Den sich insoweit stellenden Fragen soll nachfolgend nachgegangen werden. 1. Rechtslage und Übergangsrecht Die Vielzahl der Änderungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) erfordert häufig zunächst eine eingehende Prüfung, welche Gesetzesfassung überhaupt einschlägig ist, was für den GZ angesichts seiner geradezu schillernden Historie 2 in besonderer Weise gilt. Im vom SG Karlsruhe entschiedenen Fall war wie vom SG angenommen 57 SGB III in seiner zwischen dem 28. Dezember 2011 und dem 31. März 2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) anzuwenden. Die Bestimmung der Gesetzesfassung ist hier besonders wichtig, weil der GZ mit Wirkung seit dem 28. Dezember 2011 3 nur noch eine Ermessensleistung ist, vorher hingegen eine Anspruchsleistung war. Wichtig wenn auch vorliegend nicht fallentscheidend ist aber, dass die maßgebliche Gesetzesänderung zum 28. Dezember 2011 also einem krummen Datum in Kraft getreten ist, während die Ausführungen des SG Karlsruhe den Schluss nahelegen könnten, die neue Gesetzesfassung sei zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten. 4 Mit Wirkung zum 1. April 2012 ist 93 SGB III an die Stelle des 57 SGB III getreten, woraus sich, da beide Vorschriften wortgleich sind, keine inhaltlichen Änderungen ergeben haben. * Dr. Claus-Peter Bienert ist Richter am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 1 Vgl. zum abgemagerte[n] Gründungszuschuss auch schon Winkler, info also 2011, 247. 2 Vgl. Winkler in Gagel, 93 SGB III, Rn. 6 ff.; dieselbe auch schon in info also 2006, 195. 3 Zum Inkrafttreten vgl. Artikel 51 Abs. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt. 4 Mindestens missverständlich sind übrigens die Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Beschluss vom 17. August 2012 B 11 AL 40/12 B juris -, weil sie den Schluss nahezulegen scheinen, 57 SGB III in seiner bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung sei eine Anspruchsleistung gewesen. Das ist aber nicht der Fall; Anspruchsleistung (auch Pflichtleistung genannt) war die Vorschrift eben nur in ihrer bis zum 27. Dezember 2011 geltenden Fassung. Die Ausführungen des SG Karlsruhe zum Übergangsrecht sind teilweise unzutreffend. Der Kläger hatte seine selbständige Tätigkeit offenbar erst zum 1. Januar 2012 aufgenommen, so dass ohne weiteres neues Recht anzuwenden war, weil der Anspruch auf GZ erst ab dem Zeitpunkt bestehen kann, ab dem die selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Auf welchen Tag ein Bewilligungsbescheid datiert ist, ist unmaßgeblich. Entscheidend ist, ab wann der Bewilligungsbescheid wirken soll. Soweit die Anwendung alten bis zum 27. Dezember 2011 geltenden Rechts zu erwägen gewesen wäre, wäre einschlägige Übergangsvorschrift nicht der vom SG Karlsruhe in Bezug genommene 422 Abs. 1 Nr. 2 SGB III gewesen. Wird das SGB III geändert, so sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, gemäß 422 Abs. 1 Nr. 2 SGB III auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bis zum Ende der Leistungen oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag die Leistung zuerkannt worden ist. 422 Abs. 1 Nr. 2 SGB III gilt aber für Ermessensleistungen, 5 und um eine solche handelte es sich bei 57 SGB III in der bis zum 27. Dezember 2011 geltenden Fassung nicht. Richtige Übergangsregelung wäre daher hier bis zum 27. Dezember 2011 422 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gewesen, der darauf abstellt, ob der Anspruch entstanden ist. Die Anspruchsentstehung hätte aber mindestens vorausgesetzt, dass der Kläger seine selbständige Tätigkeit bis zum 27. Dezember 2011 aufgenommen hätte. Einschlägig bei der Entscheidung des SG Berlin war die (Sonder-)Übergangsregelung des 132 SGB III. Nach dieser zum 1. April 2012 in Kraft getretenen Vorschrift 6 gilt dann, wenn am 28. Dezember 2011 oder zu einem späteren Zeitpunkt die Verlängerung eines GZ beantragt wird, der erstmalig nach 58 Abs. 1 SGB III in der bis zum 27. Dezember 2011 geltenden Fassung bewilligt worden ist, für die Bewilligung der Verlängerung 58 Abs. 2 SGB III in der bis zum 27. Dezember 2011 geltenden Fassung. Die Übergangsregelung fußt auf der Neuregelung der Bewilligungsdauer. Diese betrug nach der bis zum 27. Dezember 2011 geltenden Rechtslage gemäß 58 Abs. 1 SGB III neun Monate; nach 58 Abs. 2 SGB III konnte der GZ für weitere sechs Monate geleistet werden. Der jetzt geltende 94 SGB III 7 regelt gleichsam umgekehrt die (Erst-) Förderung nur für sechs, die Verlängerung für neun Monate. Die Übergangsregelung verhindert eine mehr als 15-monatige 5 Bienert in Mutschler/Schmidt-de Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Auflage 2012, 422, Rn. 15; auch Bieback in Gagel, 422 SGB III, Rn. 2. 6 Zwischen dem 28. Dezember 2011 und dem 31. März 2012 war eine entsprechende Regelung in 434x Abs. 1 SGB III enthalten. 7 Wie auch schon 58 SGB III in der seit dem 28. Dezember 2011 geltenden Fassung.

100 info also 3/2013 Bewilligung eines GZ, 8 die eintreten könnte, wäre wie im vom SG Berlin entschiedenen Fall eine Erstförderung nach altem Recht für neun Monate erfolgt und würde sich die Verlängerung nach neuem Recht (ebenfalls neun Monate) richten. 2. Ermessen und Tragfähigkeit bei der Entscheidung über den GZ Nach 57 Abs. 1 SGB III in der seit dem 28. Dezember 2011 geltenden Fassung und nach 93 Abs. 1 SGB III in der seit dem 1. April 2012 geltenden Fassung können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen GZ erhalten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift namentlich die des 57 Abs. 2 SGB III waren in dem vom SG Karlsruhe entschiedenen Fall offenbar unproblematisch, wobei hier wohl nicht durchgreifende Bedenken am ehesten insoweit bestanden haben könnten, als der Wechsel von einer geringfügigen in eine hauptberufliche Tätigkeit vorlag. 9 a) Motive des Gesetzgebers bei der Umgestaltung des GZ von der Anspruchs- zur Ermessensleistung Zur Umwandlung des GZ in eine Ermessensleistung hat der Gesetzgeber folgende Erwägungen angestellt: 10 Durch die vollständige Umwandlung in eine Ermessensleistung entsteht auf der Ebene der Agenturen für Arbeit eine höhere Flexibilität bei der Förderung von Gründungen. Ob im Einzelfall ein Gründungszuschuss gewährt wird, liegt künftig im Ermessen des Vermittlers. Jenseits der Beurteilung der Tragfähigkeit des Geschäftskonzepts ist durch den Vermittler die persönliche Eignung der Gründerin oder des Gründers einzuschätzen. Das vorrangige Motiv des Gesetzgebers dürfte sich indes aus folgendem Satz ergeben: Die Änderungen führen zu einer Entlastung des Haushalts der Bundesagentur für Arbeit. 11 Jenseits der Haushaltssituation der BA sind Ermessensgesichtspunkte in der Gesetzesbegründung nicht erkennbar, 12 da die gesetzgeberischen Erwägungen zu Tragfähigkeit und Eignung auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des 57/ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB III Bezug nehmen dürften. Der Maßstab für die Ermessensentscheidung ergibt sich aus 39 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch. Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Satz 1). Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch (Satz 2). Ermessensfehler lassen sich wie folgt einteilen 13 : Ermessensnichtgebrauch, wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt hat, Ermessensunterschreitung, wenn die Behörde ihr Ermessen zu eng eingeschätzt hat, Ermessensüberschreitung, wenn eine Rechtsfolge gesetzt wird, die in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist, Ermessensfehlgebrauch, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck in ihre Entscheidung einbezogen hat 14 oder wenn sie nicht alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbezogen oder die abzuwägenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet oder einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. b) Eigenleistungsfähigkeit versus Tragfähigkeit Dass die Ermessensentscheidung in dem vom SG Karlsruhe entschiedenen Fall fehlerhaft war, ergibt sich nachvollziehbar aus Tatbestand und Entscheidungsgründen. Allein die Zugrundelegung falscher Daten durch die BA etwa die Annahme eines vom Kläger geleisteten Kommanditanteils in Höhe von 25.000,- Euro statt richtig 2.500,- Euro begründet die Annahme eines Ermessensfehlers in Form eines Ermessensfehlgebrauchs. Allerdings bedarf die in diesem Zusammenhang von der BA berücksichtigte Eigenleistungsfähigkeit des Klägers einer näheren Betrachtung. Sie hat ihren Niederschlag etwa in den Geschäftsanweisungen (GA) der BA zum GZ nach 93 SGB III unter Nr. 93.04 gefunden. Danach ist im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, dass eine Förderung nur dann erfolgen könne, wenn sie zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung erforderlich sei. So sei beispielsweise bei einer Betriebsübernahme oder der Umwandlung einer nebenberuflichen Tätigkeit in eine hauptberufliche Selbständigkeit die Eigenleistungsfähigkeit des Antragstellers in vereinfachter Form zu prüfen und ggf. zu berücksichtigen. Die zurückhaltende Berücksichtigung der Eigenleistungsfähigkeit des Existenzgründers ist aus hiesiger Sicht nicht zu beanstanden. 15 Mindestens ist anzunehmen, dass das BSG sie als zulässige Ermessenserwägung akzeptieren wird. Denn zum Vorläufer des GZ, dem Überbrückungsgeld (Übbg), hat das BSG ausgeführt, der unmittelbare Zweck des Übbg ergebe sich aus 57 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2002 gültigen Fassung, wonach die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung dienen soll. 16 Die BA habe eingehend begründet, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt bereits ab 2002 durch die insofern bereits in Gang gesetzte Kanzlei 8 BT-Drs. 17/6277, 90. 9 Vgl. Jüttner in Mutschler/Schmidt-de Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Auflage 2012, 93, Rn. 38. 10 BT-Drs. 17/6277, 86. 11 Vgl. Winkler in Gagel, 93 SGB III, Rn. 62: Die Haushaltslage der BA, das eigentliche gesetzgeberische Motiv für den Abschied vom Rechtsanspruch auf den Gründungszuschuss [ ]. 12 So auch Winkler, info also 2011, 247, 250. 13 Nach Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, 54, Rn. 27. 14 Auch Ermessensmissbrauch genannt, vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010 B 2 U 10/10 R juris. 15 A. A. Winkler, info also, 247, 250. 16 BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 B 7a AL 34/05 R info also 2006, 219.

info also 3/2013 101 decken konnte. Mithin wäre so das BSG im vorliegenden Fall nach den zutreffenden Erwägungen der Beklagten der eigentliche Sicherungszweck des 57 SGB III verfehlt worden, wenn sie der Klägerin Übbg gewährt hätte. Mit Blick darauf, dass auch nach 57/ 93 Abs. 1 SGB III der GZ jeweils zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung gewährt wird, dürften sich die Ausführungen des BSG zum Übbg auf die aktuelle Gesetzeslage übertragen lassen. 17 Die Berücksichtigung der Eigenleistungsfähigkeit ist indes mit Vorsicht zu genießen. Denn auf Tatbestandsebene verlangt 57/ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III, dass der Arbeitnehmer die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist. Hierin kann sich ein Dilemma verbergen: Entweder die Selbständigkeit ist nicht tragfähig. Dann liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines GZ nicht vor. Wer dagegen auf Tatbestandsebene ein tragfähiges Konzept vorlegt, dem mag man auf der Ermessensebene die Eigenleistungsfähigkeit vorhalten. 18 Das beschriebene Dilemma lässt sich vermeiden, indem man sich Folgendes vergegenwärtigt: Eine selbständige Tätigkeit muss nicht sofort, sondern erst nach einer Anlaufphase tragfähig sein. Wann von Tragfähigkeit auszugehen ist, ist umstritten: Teilweise wird angenommen, eine solche liege vor, wenn Hilfebedürftigkeit nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ausgeschlossen wird, andere stellen darauf ab, ob das Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen 19 oder wenigstens zwei Drittel hiervon entspricht. 20 Nach hiesiger Einschätzung muss man sich dem Begriff der Tragfähigkeit und der Bestimmung der Dauer der Anlaufphase mithilfe des Gesetzes nähern. Nach 94 Abs. 1 SGB III wird als GZ für die Dauer von sechs Monaten der Betrag geleistet, den die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen hat, zuzüglich monatlich 300 Euro. Nach 94 Abs. 2 Satz 1 SGB III kann der GZ für weitere neun Monate in Höhe von monatlich 300 Euro geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Der Gesetzgeber geht also im Grundsatz von einer sechsmonatigen Anlaufphase aus. In dieser Zeit wird der GZ in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes insoweit soll 17 Anders übrigens für das Übbg in der Fassung seit 1. Januar 2004; hier war das Übbg als Anspruchsleistung ausgestaltet worden. Die in 57 Abs. 1 SGB III enthaltene Formulierung zur Sicherung des Lebensunterhaltes und der sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung beinhaltete dann keine eigenständige Tatbestandsvoraussetzung, sondern umschrieb lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung, vgl. SG Chemnitz, Urteil vom 24. Januar 2007 S 26 AL 445/05 -; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11. November 2010 L 12 AL 151/07 beide bei juris. 18 Vgl. auch den im Tatbestand des Urteils des SG Karlsruhe wiedergegebenen Vortrag des Klägers: Es sei ansonsten ein unlösbares Problem jedes Antragstellers, eine Rentabilitätsvorschau vorlegen zu müssen, deren Gewinnprognose so gut sei, dass die Existenzgründung als Erfolg versprechend gefördert werde, aber nicht so gut sei, dass der Antrag mit der Behauptung zurückgewiesen werde, die Prognose sei wiederum zu gut. 19 Gemeint ist das Durchschnittsentgelt nach 69 Abs. 2 i. V. m. Anlage 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI); 2011 belief sich dies auf 2.675,- Euro monatlich, 2012 und 2013 je (vorläufig) auf 2.703,83 Euro und 2.839,25 Euro. 20 Vgl. den Überblick zum Meinungsstand bei Jüttner, a. a. O., 93 SGB III, Rn. 49. der Lebensunterhalt gesichert werden zuzüglich 300,- Euro monatlich dieser Betrag soll der sozialen (Ab-)Sicherung dienen 21 geleistet. Tragfähig ist eine selbständige Tätigkeit nach hiesiger Einschätzung demnach jedenfalls dann, wenn prognostisch zu erwarten ist, dass die Einnahmen aus der Selbständigkeit sechs Monate nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ausreichen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, wobei sich insoweit eine Orientierung an das SGB II anbietet. 22 Weiter muss zu erwarten sein, dass nach weiteren neun Monaten die Einnahmen darüber hinaus ausreichen, um die vom Gesetzgeber insoweit als angemessen erachteten weiteren 300,- Euro monatlich für die soziale Sicherung aufzubringen. Die genannten Zeitpunkte sollten dabei nicht starr gehandhabt werden, dürften aber geeignete Orientierungspunkte sein, um zu bestimmen, ab wann etwa eine Selbständigkeit zu laufen begonnen haben muss. Die aufgezeigten Regelungszusammenhänge erhellen, dass Eigenleistungsfähigkeit nur dann anzunehmen ist, wenn die Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit voraussichtlich schon unmittelbar bei ihrer Aufnahme ohne Anlaufphase ausreichen, um den Lebensunterhalt zu sichern und einen Betrag von weiteren 300,- Euro für die soziale Absicherung zu erbringen. Das lässt sich bei Neugründungen aber regelmäßig kaum prognostizieren. Insoweit zielen die GA in die richtige Richtung, wenn sie von einer Prüfung der Eigenleistungsfähigkeit insbesondere bei einer Betriebsübernahme oder der Umwandlung einer nebenberuflichen Tätigkeit in eine hauptberufliche Selbständigkeit ausgehen. Denn in diesen Fällen dürften häufig schon Daten über Umsätze und Gewinne aus der jeweiligen Unternehmung vorliegen. Lassen diese Daten etwa den Schluss zu, dass der Selbständige schon mit den Gewinnen der Vergangenheit seinen Lebensunterhalt sichern und Beträge für die soziale Absicherung aufbringen konnte, dürfte häufig die Annahme gerechtfertigt sein, dass der Selbständige im oben beschriebenen Sinne eigenleistungsfähig ist und eine Ablehnung der BA, die sich hierauf stützt, regelmäßig nicht ermessensfehlerhaft sein. Neben der oben skizzierten Eigenleistungsfähigkeit, die indes nur die Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit in den Blick zu nehmen hat, nicht aber sonstige Einnahmen oder Vermögen, 23 kommt als mögliche zulässige Ermessenserwägung der Vermittlungsvorrang in eine Arbeit gemäß 4 SGB III in Betracht, wobei insoweit aber eine zumutbare Beschäftigung mit der Aussicht auf eine dauerhafte Eingliederung in Rede stehen muss. 24 Dass der Antragsteller seine Arbeitslosigkeit verschuldet hat, stellte keine eine Ablehnung des GZ tragende Ermessenserwägung dar, weil der Gesetzge- 21 Jüttner, a. a. O., 94 SGB III, Rn. 3; üppig ist der Betrag nicht, vgl. Stascheit/Winkler, Leitfaden für Arbeitslose, S. 607. 22 So auch Jüttner, a. a. O., 93 SGB III, Rn. 49; die etwa auch von der BA im hier besprochenen Urteil des SG Berlin vertretene Orientierung an 69 SGB VI dürfte regelmäßig wenig sinnvoll sein. Häufig werden diese Werte auch zwei Drittel davon zu hoch sein. Jedenfalls scheint es wenig verständlich, eine Förderung abzulehnen, weil der zu erwartende Gewinn von beispielsweise 1.500,- Euro monatlich zu niedrig sei, um den verhinderten Existenzgründer kurz darauf in eine wesentlich geringer entlohnte Beschäftigung zu vermitteln. 23 Winkler, a. a. O., 93 SGB III, Rn. 63. 24 Winkler, a. a. O., 93 SGB III, Rn. 66.

102 info also 3/2013 ber wie 93 Abs. 3 SGB III zeigt auch in diesem Fall eine Förderung durch GZ nicht ausschließt. 25 Die Haushaltslage der BA kann niemals einzige Ermessenserwägung sein, darf aber gemeinsam mit weiteren zutreffenden Ermessenserwägungen in die Ermessensentscheidung einfließen. 26 Weitere denkbare Ermessensgesichtspunkte können sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergeben, etwa wie im Fall des SG Karlsruhe aus Äußerungen der BA bis hin zu Zusagen oder auch Eingliederungsvereinbarungen nach 37 SGB III. 27 Aus obigen Ausführungen ergibt sich, dass Ermessenserwägungen, die gegen eine Förderung durch GZ trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen sprechen, häufig schwer zu finden sein werden. 28 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass auch die BA im Gesetzgebungsverfahren zur Umgestaltung des GZ in eine Ermessensleistung ausgeführt hatte 29 : Die Umwandlung des GZ in eine Ermessensleistung wird kritisch gesehen, da der GZ aufgrund der materiell-rechtlichen Ausgestaltung der 93 ff SGB III einen Quasi-Pflichtleistungscharakter hat und somit nur sehr begrenzt steuerbar ist. Liegen die Eignungsvoraussetzungen und die Tragfähigkeit des Gründungsvorhabens vor, ist es wenig realistisch, eine Förderung abzulehnen. Hinsichtlich Dauer und Höhe der Leistung gibt es keinen Ermessensspielraum. Die Umwandlung des GZ in eine Ermessensleistung ist mit einer Erhöhung des Bürokratieaufwands verbunden. c) Die zweite Förderphase Die Verlängerung der Förderung durch GZ ist in 94 Abs. 2 SGB III geregelt. Der GZ kann für weitere neun Monate in Höhe von monatlich 300 Euro geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt (Satz 1). Bestehen begründete Zweifel an der Geschäftstätigkeit, kann die Agentur für Arbeit verlangen, dass ihr erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt wird (Satz 2). Ziele der zweiten Förderphase sind nach dem Willen des Gesetzgebers die Stärkung der Nachhaltigkeit der Gründung und die soziale Absicherung der Gründerinnen und Gründer. 30 Zu 58 Abs. 2 SGB III in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) hat der Gesetzgeber unter anderem ausgeführt, Gründungen sollten nur weiter gefördert werden, wenn eine intensive Geschäftstätigkeit und hauptberufliche unternehmerische Aktivitäten 25 Wie hier Winkler, a. a. O., 93 SGB III, Rn. 64; a. A. Jüttner, a. a. O., 93 SGB III, Rn. 70, die aber unter Hinweis auf 93 Abs. 3 SGB III davon ausgeht, dass die Ablehnung einer Förderung durch GZ wegen Arbeitsaufgabe in der Regel ausscheide. 26 Winkler, a. a. O., 93 SGB III, Rn. 62; BSG, Urteil vom 27. Juni 1996 11 RAr 107/95 juris. 27 Siehe etwa das Urteil des SG Mannheim vom 23. August 2012 S 14 AL 2139/12 juris; hier war mit dem Kläger in einer Eingliederungsvereinbarung als Eingliederungsziel die Tätigkeit als Golflehrer vereinbart worden, eine Tätigkeit, die nach der Einschätzung des SG Mannheim regelmäßig selbständig ausgeübt werde. 28 Vgl. Schmidt in Beckʼscher Online-Kommentar Sozialrecht, 93 SGB III, Rn. 12. 29 BT-Drs. 17(11)594, 60. 30 BT-Drs. 17/6277, 86. vorlägen. 31 Die Förderung in der zweiten Phase setze die Darlegung dieser Tätigkeit voraus. Gesetzesformulierung und -begründung sind misslungen. Die Darlegung der Geschäftstätigkeit kann sinnvollerweise nur der Prüfung dienen, ob die Anspruchsvoraussetzungen des 93 SGB III vor allem die Hauptberuflichkeit und die Tragfähigkeit der Selbständigkeit vorliegen. Darauf müssen sich gegebenenfalls die Zweifel im Sinne des 94 Abs. 2 Satz 2 SGB III beziehen. Was sich der Gesetzgeber unter der von ihm in der Gesetzesbegründung beschriebenen intensiven Geschäftstätigkeit jenseits der Hauptberuflichkeit und der Tragfähigkeit vorstellt, bleibt vollkommen unklar. Demnach müssen die Bewilligungsvoraussetzungen wie für die Erstförderung auch für die Verlängerung der Förderung mittels GZ zu bejahen sein. 32 Da die selbständige Tätigkeit regelmäßig seit sechs Monaten ausgeübt worden ist, liegt eine zuverlässigere Bewertungsgrundlage für die Beurteilung ihrer Tragfähigkeit vor. Insoweit muss prognostisch für die zweite Förderphase grundsätzlich davon auszugehen sein, dass der selbständige Antragsteller mit den Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit ab dem siebten Monat der selbständigen Tätigkeit ohne erneute Anlaufphase seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Denn der der Höhe nach auf 300,- Euro monatlich beschränkte GZ in der zweiten Gründungsphase dient wie bereits dargelegt lediglich der sozialen Absicherung. Prognostisch muss regelmäßig weiter davon auszugehen sein, dass auch dieser Betrag für die soziale Absicherung nach Ablauf des insgesamt 15. Monats aus den Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit bestritten werden kann. Können Lebensunterhalt und soziale Absicherung mit den Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit voraussichtlich schon ab dem siebten Monat der selbständigen Tätigkeit in vollem Umfang bestritten werden, dürfte unter dem Gesichtspunkt der Eigenleistungsfähigkeit die Ablehnung des GZ regelmäßig ermessensfehlerfrei sein. In der Entscheidung des SG Berlin ging es um die Bewilligung des GZ für die zweite Förderphase. Gestützt auf eine Orientierungshilfe zum Gründungszuschuss Phase II vom 7. Mai 2012 lehnte die BA dort die Weitergewährung des GZ ab, weil die selbständige Tätigkeit nicht tragfähig sei. Nach dieser Orientierungshilfe kann der GZ für eine zweite Förderphase gewährt werden, wenn die Selbständigkeit hauptberuflich ausgeübt wird, eine intensive Geschäftstätigkeit dargelegt wird und die Tragfähigkeit der Selbständigkeit gegeben ist. Es soll anhand des Berichtes über die Geschäftstätigkeit und der vorgelegten Unterlagen geprüft werden, ob sich die Angaben zum Geschäftsumfang aus dem Geschäftsplan bestätigt haben (=> Intensität der Geschäftstätigkeit) und mit den Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit der Lebensunterhalt voraussichtlich gedeckt wird (=> Tragfähigkeit). Von einer intensiven Geschäftstätigkeit kann noch ausgegangen werden, wenn die Unterschreitung der seinerzeit prognostizierten Gewinnerwartung nicht mehr als 10 % beträgt. Eine Orientierung zur Tragfähigkeit kann an dem in der Rentenversicherung gem. 31 BT-Drs. 16/1696, 31. 32 Jüttner, a. a. O., 94 SGB III, Rn. 11.

info also 3/2013 103 69 SGB VI zugrunde gelegten durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt erfolgen. Dieser Betrag beläuft sich gegenwärtig auf rd. 2.595. Nach Kommentierungen zum GZ kann die Tragfähigkeit bejaht werden, wenn das Bruttoeinkommen aus der Selbständigkeit zwei Drittel, also rd. 1.730 beträgt. Die Orientierung an den Werten des 69 SGB VI ist wie gesagt abzulehnen. Die Ausführungen zur Intensität der Geschäftstätigkeit sollen offenbar den Erwägungen des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung Rechnung tragen. Der Sinn dieser Erwägungen hat sich aber wohl auch der BA nicht erschlossen. Unklar ist bereits, wo der Gesichtspunkt der intensiven Geschäftstätigkeit dogmatisch zu verorten ist auf Tatbestandsebene als Bestandteil der Tragfähigkeitsprüfung oder auf der Ermessensebene. Sie dürfte aber auf beiden Ebenen ein wenig sinnvoller Gesichtspunkt sein, weil auch eine zu optimistische Gewinnprognose des Selbständigen vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bei gleichwohl positiver Entwicklung im Übrigen einer weiteren Förderung mittels GZ nicht zwingend entgegenstehen dürfte. Dem SG Berlin ist demgemäß zuzustimmen, dass die Ablehnungsentscheidung der BA unter alleiniger Berufung auf die Orientierungshilfe rechtswidrig war. Zutreffend hat das SG Berlin ausgeführt, dass auch bei der Entscheidung über die Weiterförderung mittels GZ eine Prognoseentscheidung über die weitere (Einnahme-)Entwicklung der Tätigkeit zu treffen ist. Ebenfalls zutreffend ist es, wenn das SG ausführt, dass die bisherigen Geschäftszahlen (nur) ein wichtiges Indiz darstellen, auch ungünstige Zahlen aber einer weiteren Förderung dann nicht entgegenstehen, wenn substantiiert dargelegt wird, dass künftig bessere Zahlen zu erwarten sind. Ob die BA in dem vom SG entschiedenen Fall Ermessen überhaupt ausgeübt hat, ist nicht ganz klar. Sie musste es aus ihrer Sicht wohl nicht. Denn durch das aus hiesiger Sicht fehlerhafte Abstellen auf den Wert nach 69 SGB VI ging die BA im Fall des Klägers schon von fehlender Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit aus, so dass sie Ermessen konsequenterweise gar nicht hätte ausüben müssen. Gänzlich unschlüssig ist die Begründung der BA in ihrem Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2012, wonach ein monatlicher Gewinn von ca. 1.730,- Euro erforderlich sei, um auszuschließen, dass die 300,- Euro-Pauschale zweckwidrig für den Lebensunterhalt eingesetzt werde. Denn die Förderung mittels GZ in der zweiten Förderphase soll ja gerade solchen Existenzgründern helfen, die zwar den Lebensunterhalt bestreiten, aber (noch) nicht die 300,- Euro-Pauschale aufbringen können. Wenn der Existenzgründer nach Ablauf der ersten Förderphase seinen Lebensunterhalt bestreiten und 300,- Euro monatlich für seine soziale Absicherung aufbringen kann, stellt sich in der Tat die auch vom SG Berlin angerissene Frage, ob eine weitere Förderung nicht wegen zu hoher Gewinne abzulehnen ist. Bewilligung des Gründungszuschusses in Aussicht gestellt worden. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass das SG Karlsruhe zutreffend das Vorliegen einer Zusicherung nach 34 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen fehlender Schriftform verneint hat. Die Nichtberücksichtigung dieser E-Mail als Ermessensfehler ist ebenfalls zutreffend. Der noch weitergehende Schritt, aus dieser E-Mail eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen, scheint vordergründig gewagt, befindet sich aber auf der Linie der Rechtsprechung des BSG, das etwa in einem Urteil vom 6. April 2006, in dem es um einen Eingliederungszuschuss ging, ausgeführt hat, eine Ermessensreduzierung sei anzunehmen, wenn dem Antragsteller fernmündlich eine Förderung zugesagt worden sei. Dem könne nicht entgegengehalten werden, eine Zusicherung nach 34 SGB X setze Schriftlichkeit voraus, und eine mündliche Zusage könne deshalb keine rechtlichen Wirkungen nach sich ziehen. Der Unterschied zur Zusicherung liege darin, dass eine mündliche Zusage nur bei der Ausübung des Ermessens binde, während die den Voraussetzungen des 34 SGB X entsprechende Zusicherung eine Bindung auch im Rahmen der Anspruchsvoraussetzungen erzeuge. Auch ohne schriftliche Zusicherung binde mithin eine mündliche Zusage das Ermessen im Rahmen dessen, was zugesagt sei. 33 4. Rechtsschutz Eine wesentliche Folge der Umgestaltung des GZ in eine Ermessensleistung besteht darin, dass vom Antragsteller regelmäßig nur ein so genanntes Bescheidungsurteil erstritten werden kann. Er muss also eine kombinierte Anfechtungs- (gerichtet auf Aufhebung der ablehnenden Entscheidung der BA) und Verpflichtungsklage (gerichtet auf eine neue und ermessensfehlerfreie Entscheidung) erheben, so geschehen bei dem hier besprochenen Urteil des SG Berlin, wo der dortige Kläger Rechtsanwalt seinen Antrag auch entsprechend beschränkt hatte. Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft lediglich, ob ein Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch den Ermessensfehler beschwert ist. 34 Diese abstrakten Ausführungen sollen den Blick darauf nicht verstellen, dass für die Kläger damit eine Beeinträchtigung ihres Rechtsschutzes verbunden ist. Denn der Kläger erreicht am Ende eines gegebenenfalls nicht kurzen gerichtlichen Verfahrens 35 nicht etwa eine Bewilligung, sondern lediglich, dass die BA über seinen Antrag nochmals entscheidet. Dem Verfasser stehen zwar keine Daten darüber zur Verfügung, wie häufig derartige neue Entscheidungen günstig für den Kläger ausfallen. Es dürfte aber 3. Zur Ermessensreduzierung auf Null bei nicht schriftlicher Zusage der BA In dem vom SG Karlsruhe entschiedenen Fall war dem Kläger von der BA mit E-Mail vom 18. November 2011 die 33 B 7a AL 20/05 R info also 2006, 220; so auch schon im Urteil vom 18. August 2005 B 7a/7 AL 66/04 R juris. 34 Keller, a. a. O., 54, Rn. 28. 35 Die Verfahrensdauer im Fall des SG Berlin Klageerhebung am 16. Januar 2013, Urteil am 8. März 2013 ist ebenso erfreulich wie ungewöhnlich kurz; die Verfahrensdauer im Fall des SG Karlsruhe zehn Monate und damit nicht zu beanstanden dürfte schon realistischer sein.

104 info also 3/2013 jedenfalls nicht selten sein, dass die Behörde die vom Gericht genannten Ermessenserwägungen zwar sorgfältig beachtet, das Ergebnis Ablehnung aber das gleiche ist. Zudem dürfte nach Verurteilung zur erneuten Bescheidung der streitige Bewilligungszeitraum regelmäßig abgelaufen sein. Die BA, die insbesondere in Bezug auf die Beurteilung der Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit eine Prognoseentscheidung 36 treffen soll, wird zwangsläufig die tatsächliche Entwicklung in den Blick nehmen. Dann allerdings geht es nicht mehr um eine Prognose der Zukunft, sondern eine Bewertung der Vergangenheit. Ausnahmsweise kann eine Verurteilung zur Leistung hier in Form eines GZ nur dann erreicht werden, wenn der nicht eben häufige Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Auch im Eilverfahren, also im Verfahren, in dem der Existenzgründer den GZ im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gemäß 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes erstreiten will, schlägt sich die Umgestaltung des GZ in eine Ermessensleistung nieder. Das lässt sich anhand einer Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 17. Januar 2013 37 besonders deutlich darstellen. Das LSG hat dort ausgeführt, dass der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf eine einstweilige Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin voraussetze, dass das entsprechende Ermessen der Antragsgegnerin auf Null reduziert ist, was vorliegend nicht der Fall sei. Ob der Antragsgegnerin Ermessensfehler bei ihrer zwischenzeitlich ergangenen Ablehnungsentscheidung anzulasten sind, bedürfe vorliegend keiner Beurteilung. Denn auch in diesem Fall wäre die Antragsgegnerin allenfalls zur Neubescheidung im Hauptsacheverfahren zu verurteilen, nicht aber zur Leistungsgewährung im Wege des einstweiligen 36 Maßgeblicher Prüfungszeitpunkt für die Prognoseentscheidung dürfte regelmäßig der Erlass des Widerspruchsbescheides sein, vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 B 7 AL 18/99 R juris, wo eine Prognoseentscheidung über den Erfolg einer Bildungsmaßnahme zu treffen war. 37 L 18 AL 5/13 B ER juris. Rechtsschutzes. Auch wenn teilweise angenommen wird, dass auch ohne Ermessensreduzierung auf Null eine Verpflichtung zur Gewährung einer streitigen Ermessensleistung dann ausgesprochen werden kann, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei einer erneuten Ermessensbetätigung eine Entscheidung zu Gunsten des Anspruchsstellers ergehen würde, 38 bleibt festzuhalten, dass ein GZ im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur noch ausnahmsweise zu erstreiten sein dürfte. 5. Bewertung In dem Beitrag konnte nur ein kleiner Teil der Probleme erörtert werden, die mit dem GZ zusammenhängen. Durch die Umwandlung des GZ in eine Ermessensleistung sind diese Probleme nicht weniger geworden. Dabei ist es im Prinzip nicht zu beanstanden, wenn gut laufende Selbständigkeiten, die einer Förderung offensichtlich nicht bedürfen, nicht mittels GZ gefördert werden. Die enormen Erwartungen des Gesetzgebers an die Einsparmöglichkeiten nur im Bereich des GZ 39 lassen aber befürchten, dass die Eigenleistungsfähigkeit nur allzu häufig den Existenzgründern vorgehalten wird, denen man nicht bereits die fehlende Tragfähigkeit vorhalten kann. 40 Das wäre für eine in der Vergangenheit als wirksam erachtete Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung 41 mehr als bedauerlich. 38 So etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. Oktober 2006 L 12 AL 202/06 ER Leitsätze der Redaktion bei info also 2007, 17; zum Meinungsstreit Keller, a. a. O., 86b, Rn. 30a. 39 Zwischen 2012 und 2015 gut 5 Mrd. Euro, vgl. BT-Drs. 17/6277, 83. In welchem Umfang durch die geringere Zahl der Förderungen die Ausgaben für Arbeitslosengeld steigen, lässt sich laut Gesetzgeber nicht quantifizieren. Genau das wäre aber für eine seriöse Beurteilung des Einsparpotentials interessant gewesen. 40 Vgl. auch den Beitrag von Hofert, Bloß nicht gleich zu viel verdienen, in: http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/gruendungszuschuss- 2012-bloss-nicht-gleich-zu-viel-verdienen-a-809044.html. 41 Winkler, info also 2011, 247 f. Vermögensschutz durch Minijob? Udo Geiger 12 SGB II knüpft den Verwertungsschutz von Vermögen, das der Alterssicherung dient, zum einen an die Anlageform (Riester-Rente, unwiderrufliche vertragliche Zweckbindung), zum anderen an das Bedürfnis nach einer zusätzlichen Altersvorsorge, das typisierend bei Ausübung einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit unterstellt wird, für die nach 6, 231 SGB VI eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erwirkt wurde. Weil das SGB VI zur Befreiung von der Versicherungspflicht aber nicht auf die individuelle Schutzbedürftigkeit des Versicherungspflichtigen abstellt, sondern lediglich auf eine bestimmte Form der Beschäftigung, 1 1 S. dazu LSG NRW 24.11.2010 L 8 R 187/09; LSG Bayern 11.11.2010 L 6 R 220/09. verlangt 12 Abs. 3 Nr. 3 SGB II zusätzlich zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht eine Angemessenheitsprüfung. So kann z.b. ein über 12 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 SGB II hinausgehender Vermögensschutz unangemessen sein, wenn der Betreffende schon über eine berufsständische Versorgung hinreichend abgesichert ist. Ist das nicht der Fall, kann der rentenversicherungsbefreite Hilfesuchende neben der Riester-Rente und dem nach 167, 168 VVG zweckgebundenen Alterssparvermögen nicht nur weitere, angemessene Vermögenswerte behalten, sondern sein Erwerbseinkommen auch um zusätzliche Aufwendungen (Versicherungsbeiträge) zum Aufbau solchen Vermögens mindern ( 11b Abs. 1 Nr. 3b SGB II). An die Stelle der in 12 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 SGB II verlangten strikten Zweckbindung tritt