Energieeffizienz zu welchem sozialen Preis?

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Günstiges Bauen und Energie sparen Ein Widerspruch?

Transkript:

Wirtschaftlicher Einsatz von gering investiven Maßnahmen im Gebäudebestand und im Neubau Energieeffizienz zu welchem sozialen Preis? Iris Behr Britta Stein Dr. Christian v. Malottki Institut Wohnen und Umwelt Darmstadt, 28.08.2013 1

Das Institut Wohnen und Umwelt Forschungseinrichtung des Landes Hessen und der Stadt Darmstadt Ca. 45 MitarbeiterInnen Forschungsfelder Wohnen Energie Integrierte nachhaltige Entwicklung Forschungsprojekte in der Grundlagen und anwendungsorientierten Forschung für Kommunen, Bundesländer, Bund, EU, Unternehmen, Verbände Ansicht des neuen IWU Hauses, das mit Passivhaus Komponenten saniert wurde 2

Agenda Aktuelle Wohn und Energiepreisentwicklungen Kostenbelastung durch energetische Modernisierungen Wirkung auf NiedrigeinkommensbezieherInnen Existierende Instrumente zur Abfederung Aktuell diskutierte weitere Instrumente

Aktuelle Wohn und Energiepreisentwicklungen

Energiekosten sind Treiber der Wohnkosten 120 110 100 90 80 70 60 50 Verbraucherpreisindex insgesamt Wohnungsmiete Kalte Nebenkosten Haushaltsstrom und Heizung Baukostenindex für Wohngebäude 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

Aber: Aktuell starker Preisanstieg bei Angebotsmieten Angebotsmieten für Zwei und Drei Zimmer Wohnungen Komponenten der Entwicklung Zyklisch (Nachholeffekt in Folge steigender Nachfrage bei (noch) starrem Angebot) Großräumig (Wanderung in Ballungsräume) Kleinräumig (Präferenz für Innenstadtlagen) Quelle: IWU auf Basis www.immodaten.net 6

Großräumige Differenzierung der Mieten Bevölkerungsentwicklung in Hessen 2002 2009 Quelle: IWU auf Basis der amtlichen Statistik 7

Kleinräumige Differenzierung der Mieten Gründe für den Mietpreisanstieg in zentralen Lagen Konzentration des Wirtschaftslebens auf Ballungsräume Steigende Erwerbstätigkeit von Frauen Steigende Pendelkosten Kultureller Wandel hin zum Stadtleben Aktuelle Welle von Studienanfängern Quelle: Facebook 8

Kostenbelastung durch energetische Modernisierung

Niedrigenergie und Passivhäuser Aktive und passive Solarenergienutzung Energieeffiziente Wärmeversorgung: Brennwertkessel Wärmepumpen Kraft Wärme Kopplung Biomasse + Minimierung Hilfsstrom Oil Oil Oil Oil Oil Oil Oil Oil Oil Oil Oil Oil Oil Oil Oil 2 7 Oil Oil Oil Oil Oil 20 Liter Heizöl pro m² Wohnfläche Hohe Dichtheit: n 50 <1,0 1/h bzw. n 50 <0,6 1/h Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung h > 60 % bzw. h > 80 % Wärmeschutzverglasung 2 bzw. 3 Scheiben im wärmegedämmten Rahmen Hochwirksamer Wärmeschutz Dämmstärke 15 bis 30 cm bzw. 25 bis 40 cm

Stand der energetischen Sanierung Altbau (Baujahr bis 1978): Nachträglich gedämmte Bauteilfläche 100% bei Fenstern: Wärmeschutzverglasung (Fenstereinbau ab 1995) 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Außenwand Dach / OGD Fußboden / KD Fenster OGD: Obergeschossdecke, KD: Kellerdecke Fehlerangaben (z. B. Fehlerbalken): statistischer Standardfehler Quelle: Projekt Datenbasis Gebäudebestand des IWU

Thesen zur energetischen Sanierung Mit nur knapp 1 % Sanierungsquote können die Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Wirtschaftlich sind v.a. Maßnahmen an ohnehin erneuerungsbedürftigen Bauteilen (Kopplungsprinzip). Die Erreichung der Klimaschutzziele verlangt aber auch vorgezogene Modernisierungen. Hierfür ist Förderung notwendig. Steigende Energiepreise können die Kalkulation in Zukunft ändern. Angesichts der geringen Modernisierungsrate ist der energetische Anteil an den aktuellen Preisanstiegen im Einzelfall hoch, im Mittel sehr gering. Die aktuellen Preisanstiege sind marktbedingt. 12

Wirkung auf Niedrigeinkommensbezieher

Nachfrageseite: Der Niedrigeinkommensbereich (2009) 8,3 Mio. HH im Niedrigeinkommensbereich 20 % der HH SGB II 3,6 Mio. HH Wohngeld 1,0 Mio. HH Sonstige* 3,0 Mio. HH SGB XII 0,6 Mio. HH Asylbewerber 0,1 Mio. HH * Weitere HH unter der Armutsrisikogrenze (Niedriglohnempfänger, Rentner, ALG I, Studenten) Quelle: Wohngeld und Mietenbericht 2010

Nachfrageseite: Miet und Heizkostenbelastung 700 600 y = 21,65x 0,388 R² = 0,972 Bruttokaltmiete 500 400 300 BKM Pot.(BKM) 200 120 0 2000 4000 6000 8000 10000 110 Nettoeinkommen Haushalt 100 y = 12,36x 0,233 R² = 0,879 Die Miet und Heizkostenbelastung steigt degressiv mit dem Einkommen > Preissteigerungen treffen Ärmere besonders Warme Nebenkosten 90 80 70 60 50 40 WarmNK Pot.(WarmNK) 0 2000 4000 6000 8000 10000 Nettoeinkommen Haushalt 15

Existierende Instrumente

Wohnungspolitische Instrumente 18 16 14 SGB XII Mrd. pro Jahr 12 10 8 6 SGBII 4 2 0 Kosten der Unterkunft (2007) Wohngeld (Bund, 2007) Soziale Wohnraumförderung (Länder, 2007) Städtebauförderung (Bundesanteil 2010) Quelle: BBSR / BMVBS / A&K 2009

Energetische Aspekte im Transferleistungssystem Funktionsweise Anreiz zum günstigen Wohnen? Anreiz zum Energiesparen? Anreiz zur energetischen Sanierung? SGB II / XII Erstattung der tatsächlichen Kosten bis zu einer Angemessenheitsgrenze Unterhalb der Angemessenheitsgrenze keiner (Ersparnis erhält Leistungsträger) Unterhalb der Angemessenheitsgrenze keiner (Ersparnis erhält Leistungsträger) Gefahr, dass Wohnungen unangemessen werden Wohngeld Zuschuss in Abhängigkeit von Miethöhe, Einkommen und Haushaltsgröße Vorhanden (Ersparnis erhält überwiegend der Leistungsempfänger Vorhanden (Ersparnis erhält der Leistungsempfänger In jedem Fall bei Warmmietenneutralität 18

Aktuelle Baustelle: Wechselwirkungen zwischen Unterkunfts und Heizkosten abbilden Übertragungsmöglichkeit auf Antrag mit Nachweis (Modell Bielefeld, Stadt Offenbach) KDU KDH Der Sparsame Der Wärmeliebende Altbaubewohner Der Gedämmte Der Überteuerte Übertrag Neu angemessene Kosten 276 57 19

Aktuell diskutierte Instrumente

Systematik Preise deckeln (Nachteil: investitionshemmende Wirkung) Mietrecht (Neuvertragsmietbremse, Modernisierungsumlage, Kappungsgrenze) Kommunale Wohnungswirtschaft als Instrument einsetzen Belegungsbindungen im Bestand kaufen Preissteigerungen ausgleichen (Nachteil: wirkt preistreibend) Kosten der Unterkunft (erhöhen, Übertragung von Heizkosten bei Sanierung ermöglichen, Ansätze zur Pauschalierung) Wohngeld (erhöhen, energetische Aspekte berücksichtigen) Angebot ausweiten (Nachteil: Flächenverbrauch) Bau und Planungsrecht (Flächen ausweisen, mehr Dichte zulassen) Sozialer Wohnungsbau 21

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Iris Behr Kontakt: i.behr@iwu.de www.iwu.de