Berufsbildung für Erwachsene Analyse der Finanzierungen Miriam Frey Zürich, 29. Oktober 2015
1 Ausgangslage Über 600 000 Personen zwischen 25 bis 64 Jahren besitzen keinen nachobligatorischen Abschluss. Möglichkeiten für den Erwerb einer beruflichen Grundbildung im Erwachsenenalter sind vorhanden: reguläre oder verkürzte berufliche Grundbildung, Zulassung zur Abschlussprüfung, Validierung von Bildungsleistungen. Im Vergleich zum Potenzial werden sie aber noch zu wenig genutzt. Frage: Inwieweit stellen Finanzierungsprobleme eine Hürde zur Inanspruchnahme dar? Studie von B,S,S. und der PHZH im Auftrag des SBV
2 Kosten der Berufsbildung Direkte Kosten Effektiv anfallende Ausgaben Beispiele: Kursgebühren, Kosten für überbetriebliche Kurse (ük), Sprachkurse Indirekte Kosten Opportunitätskosten: Einkommensminderung während der Ausbildung (Lehrlingslohn, Reduktion des Erwerbspensums) Indirekte Kosten am Beispiel der Lehre Maurer/in EFZ, Kanton ZH: Lohn während Lehre ca. 1000 CHF / Monat, Minimallohn für Bauarbeiter ohne Fachkenntnisse: 4550 CHF / Monat
3 Finanzierungsquellen Kantonale Ebene Berufsbildungsämter Ausbildungsbeiträge (Stipendien / Darlehen) Sozialhilfe Nationale Ebene Arbeitslosenversicherung Invalidenversicherung Private Ebene Berufsbildungsfonds (kantonale und branchenspezifische Fonds) Stiftungen
Finanzierung im Überblick 4
5 Finanzierung direkte Kosten (1) Berufliche Grundbildung mit Lehrvertrag Kantone: Beratung, Berufsfachschule, ük-pauschale, Qualifikationsverfahren (exkl. Material- und Raumkosten) Lehrbetriebe und/oder Berufsbildungsfonds: Restkosten ük, Material- und Raumkosten Qualifikationsverfahren
6 Finanzierung direkte Kosten (2) Zulassung zur Abschlussprüfung Kantone: Beratung, Vorbereitung in Berufsfachschule, ük-pauschale (16 Kantone), Qualifikationsverfahren (exkl. Material- und Raumkosten) Berufsbildungsfonds: Subventionierung von Vorbereitungskursen, Unkostenbeiträge Validierungsverfahren Kantone: meist Anlehnung an Empfehlung SBBK und vollständige Übernahme der (durchschnittlichen) Kosten
7 Einschub: Berufsbildungsfonds Kantonale Berufsbildungsfonds (FR, GE, JU, NE, TI, VD, VS, ZH) Gelten für alle Berufe in einem Kanton. Werden durch Unternehmen resp. Arbeitnehmer/innen finanziert. Beteiligen sich i.d.r. an den Kosten der Unternehmen (Restkosten ük, Material- und Raumkosten bei QV). Branchenspezifische Berufsbildungsfonds Gelten für alle Kantone in einem Beruf. Werden durch Unternehmen resp. Arbeitnehmer/innen finanziert. Sind allgemeinverbindlich oder freiwillig. Beispiel: Parifonds Bau
8 Finanzierung indirekte Kosten (1) Stipendien Mit Lehrvertrag: Grundsätzlich anspruchsberechtigt; Altersgrenze bei sieben Kantonen zwischen 30 und 35 Jahren; Maximalbetrag zwischen 10 000 und 33 000 CHF pro Jahr (Person im eigenen Haushalt, ohne Kinder) Ohne Lehrvertrag: bei 17 Kantonen (eher) nicht anspruchsberechtigt ; Gründe: Bedingung Lehrvertrag, Bedingung Vollzeitausbildung, zu hohes Erwerbseinkommen, zu kurze Ausbildungsdauer
9 Finanzierung indirekte Kosten (2) Weitere Finanzierungsquellen Stiftungen: Stipendien Berufsbildungsfonds: Lohnausfallentschädigungen Sozialhilfe: Existenzsicherung / spezifische Programme (z.b. FORMAD) Arbeitslosen- und Invalidenversicherung Aber: keine vollständige Kompensation des Erwerbsausfalls, oftmals nur in bestimmten Fällen möglich.
10 Einschub: FORMAD Programm im Kanton VD Zielgruppe: Sozialhilfebezüger/innen ohne Berufsabschluss, 26-40 Jahre Schritte: 1. Erstellen einer Sozialbilanz 2. Vorbereitung auf Berufsbildung und Vermittlung in Lehrbetrieb 3. Berufliche Grundbildung (inkl. Betreuung) 4. Integration in die Arbeitswelt (inkl. Betreuung) Ab Lehrbeginn: Finanzierung über Stipendienfonds des Kantons VD 2012-2017: 150 Teilnehmende Ähnliches Programm auch im Kanton BS (ENTER)
Finanzierung in der Praxis: ein Fallbeispiel 11 Annahmen: - 38 Jahre, Kanton SG - Lohn: 70 000 CHF / Jahr Ausbildung: - Vorbereitungskurs für Zulassung zur Abschlussprüfung - Reduktion Erwerbspensum um 20% - Lohn neu: 56 000 CHF / Jahr
12 Fazit (1) Direkte Kosten Mit Lehrvertrag: keine direkten Kosten Ohne Lehrvertrag: (geringe) direkte Kosten; abhängig von Kanton, Beruf, Vorwissen Indirekte Kosten Problematischer als direkte Kosten, ggf. von substanzieller Grössenordnung Keine (vollständige) Kompensation
13 Fazit (2) Handlungsbedarf: indirekte Kosten Instrumente (insb. Stipendien) sind nicht auf Zielgruppe ausgerichtet. Aber: Nicht nur die Finanzierung, auch das Angebot beeinflusst die indirekten Kosten. Grund: Notwendige Reduktion des Erwerbspensums hängt z.b. von den Angeboten an Vorbereitungskursen ab. Beispiel: Der Vorbereitungskurs auf die Abschlussprüfung Produktionsmechaniker/in EFZ an der Berufsfachschule Solothurn richtet die Unterrichtszeiten auf die Schichtarbeit aus.
14 Vielen Dank www.bss-basel.ch