Der kranke Fuß in der Inneren Medizin Petra-Maria Schumm-Draeger Zentrum / Innere Medizin / Fünf Höfe Theatinerstrasse 15, 80333 München E-Mail: Schumm-Draeger@zim-fuenf-hoefe.de Bayerischer Intenistenkongress BIK: 20. Oktober 2018
Der kranke Fuß in der Inneren Medizin Gehen ist des Menschen beste Medizin Hippokrates von Kos (460 bis etwa 377 v. Chr.), griechischer Arzt,»Vater der Heilkunde«So wie der Mensch läuft, so geht es ihm Almut Adler (*1951), Lyrikerin, Autorin und Fotografin Aus Sicht des Diabetesspezialisten
Agenda 1. Diabetes und assoziierte Folgeerkrankungen 2. Fortschritte in der Diabetestherapie 3. Moderne Antidiabetika = Mehr als Blutzuckersenkung
Häufigkeit von Diabetes und Diabetes-Folgeerkrankungen in Deutschland 7,5-8 Mio. Diabetiker ( 12% der Gesamtbevölkerung) Fälle pro Jahr gesamt Diabetiker Myokardinfarkte gesamt 270.000 90.000 33% tödliche 75.000 27.000 36% Schlaganfälle tödliche 80.000 45.000 56% Neuerblindungen 20.000 6.000 30% Fußamputationen 40.000 28.000 70% Dialyse/Nierenversagen 21.000 8.300 40%
Max. relative Risikoerhöhung im Vgl. zu Nichtdiabetikern Risiko für Folgeerkrankungen bei Diabetes mellitus 75% der Menschen mit Diabetes haben Herz-Kreislauf-Erkrankungen 50% der Menschen mit Diabetes: Bereits bei Diagnosestellung besteht mindestens eine Herz-Kreislauf-Erkrankung! 40 Große Gefäße: Kleine Gefäße: Makrovaskuläres Risiko Mikrovaskuläres Risiko 6-fach 3-fach 20-fach 25-fach 35-fach 20-fach 30 20 10 0
Häufigkeit von Diabetes und Herz-Kreislauf- Erkrankungen in Deutschland Makrovaskulärer Erkrankungen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes 1 Gewichtetes Mittel: 45 % der Typ-2-Diabetiker haben makrovaskuläre Erkrankungen Anormale Glucosetoleranz bei Patienten mit KHK 2 Anormale Glucoseregulation: 68 % Normale Glucoseregulation: ~ 32 % ~ 7,5 Millionen Menschen mit Diabetes 3 Diabetes + KHK ~ 4 Millionen Menschen mit KHK 4 Referenzen: 1. Modifiziert nach Wilke T et al. Diabetes Res Clin Pract 2014;106(2):275 285 / 2. Bartnik M et al. European Heart Journal 2004; 25:1880 90. / 3. International Diabetes Federation. IDF Diabetes Atlas. 8th edn. 2017; http://www.diabetesatlas.org/resources/2017-atlas.html (Juni 2018)./ 4. Busch MA Journal of Health Monitoring, 2017:2(1).
Die durchschnittliche Lebenserwartung von 60-jährigen Patienten mit Diabetes und Herzinfarkt ist um 12 Jahre reduziert 60 Jahre Lebensende Kein Diabetes Diabetes -6 Jahre Diabetes + MI -12 Jahre Kardiovaskulärer Tod bedeutet in diesem Fall Tod durch Myokardinfarkt oder Schlaganfall The Emerging Risk Factors Collaboration. JAMA. 2015;314:52 60. 7
Diabetisches Fußsyndrom - Eine große Herausforderung in der Behandlung! 15% von Menschen mit Diabetes entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Fußläsion Rückfallquote in den ersten 5 Jahren liegt bei 70% 85% aller Amputationen bei Diabetikern sind ursächlich auf eine Fußläsion zurückzuführen Sterblichkeit von Menschen mit Diabetes innerhalb von 5 Jahren nach Amputation liegt bei 50%
Ätiologie (Ursachen) des diabetischen Fußsyndroms (DFS) Diabetes mellitus Hyperlipidämie Rauchen Neuropathie Periphere art. Gefäßkrankheit Körperempfinden Autonome Autosympathektomie Verminderte Schmerzwahrnehmung Orthopädische Probleme Eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit Kein Schweiß Veränderter Blutfluss Drucküberlastung Trockene Haut Verletzungen Geschwollene (warme) Füße Muskelschwund Hornhaut Diabetischer Fuß Fuß-Ischämie World J Diabetes 2015, 6:37-53
Faktoren, welche die Entstehung einer Entzündung im Bereich des Fußes (Fußulkus) begünstigen 1. Schlechte Diabeteseinstellung (HbA1c) 2. Vorbestehende Ulcera oder Amputation 3. Periphere Neuropathie mit dem Verlust schützender Wahrnehmungen 4. Trauma: Schlechtes Schuhwerk; Barfußgehen; Stürze/Unfälle; Gegenstände in den Schuhen 5. Veränderte Biomechanik nachweisbar durch erhöhte plantare Druckwerte und/ oder Knochendeformation 6. Periphere arterielle Verschlusskrankheit Ursachen / Probleme => Folgeerkrankungen: Nervenschädigung (Neuropathie) Durchblutungsstörung der Beine (pavk) Die Verletzung wird nicht wahrgenommen!
Fußkontrolle: Wichtigste Prävention des DFS Kleine Verletzungen bleiben bei Diabetes häufig unbemerkt Beachten: Fuß- und Nagelpflege (professionell) 1 mal/jahr: Fußcheck beim Arzt! Apotheken Umschau 26.10.2016
Diabetisches Fußsyndrom (DFS) Grundprinzipien der Behandlung Stoffwechseloptimierung Wundbehandlung Debridement avitaler Gewebeanteile Stadiengerechte lokale Wunderbehandlung Infektionsbehandlung Druckentlastung Revaskularisation, falls erforderlich Patientenschulung
Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Entscheidend für erfolgreiche Therapie des DFS! Das TEAM: Zertifizierte Wundmanager Podologe Orthopädieschuhmachermeister Diabetes-Tagklinik mit Wundmanagement Stationäre Behandlung in spezialisierter Einrichtung Diabetologe Angiologe Neurologe Gefäßchirurg Interventioneller Radiologe Plastischer Chirurg Mikrobiologe Diabetologische Schwerpunktspraxis, Chirurgische Praxis Fußnetz München
Agenda 1. Diabetes und assoziierte Folgeekrankungen 2. Fortschritte in der Diabetestherapie 3. Moderne Antidiabetika = Mehr als Blutzuckersenkung
Blutzuckersenkung Lipidsenkung Blutdrucksenkung Gerinnungshemm. Fortschritte in der Diabetestherapie - Spezifische Ziele der Diabetestherapie bis 2018 Übliche multifaktorielle Therapie zur Optimierung der Therapieziele: Blutzuckersenkung => Klare Evidenz für Reduktion mikrovaskulärer Begleiterkrankungen Lipidsenkung Blutdrucksenkung Gerinnungshemm. => Klare Evidenz für Reduktion makro- (kardio-) vaskulärer Begleiterkrankungen Adaptiert nach Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Therapie des Typ- 2-Diabetes, Langfassung, 1. Auflage; Version 4, Aug. 2013. Abrufbar unter: http://www.leitlinien.de/nvl/diabetes/therapie (letzter Aufruf Feburar 2018).
7 Update EASD ADA Positionspapier 04-10-2018! Überprüfung und Vereinbarung des Therapieplanes Gemein. Beschluss über Änderungen Sicherstellung, dass vereinbarte Änderungen zeitgerecht durchgeführt werden keine therapeutische Gleichgültikeit! Therapie-Abstimmungszyklus jährlich oder zweimal im Jahr Regelmäßiges Monitoring Unterstützung bezüglich Emotionales Wohlfühlen Präparate-Verträglichkeit Stoffwechseleinstellung Feedback zu Therapieerfolg, SMBG, Gewicht, Schrittzähler, HbA1c, Blutdruck, Lipide 6 Umsetzung des Therapieplans Patienten, die generell ihre Ziele nicht erreichen, sollten mindest. alle 3 Mon. einbestellt werden, so lange ein Fortschritt gesehen wird; anfänglich sind oft kürzere Zeitabstände wünschenswert für DSMES 5 Therapie- Ziele Verhinderung von Komplikationen Optimierung der Lebensqualität Gem. Beschluss über Therapieplan Setze KLUGE Ziele: Spezifisch Messbar Erreichbar Realistisch Definierte Zeiträume aerfassen der Patientencharakteristika Lebensstil Begleiterkrankungen Klinische Charakteristika (Alter, HbA1c, Gewicht) Stimmung, Motivation, Depression? Kulturelles und sozioökonomisches Umfeld Berücksichtigen spezifischer Faktoren zur Auswahl der Medikamente Individuelles HbA1c-Ziel Beeinflussung von Gewicht und Unterzuckerung Nebenwirkungsprofil der Präparate Komplexität der Therapie (Injektionszahl) Patientenfreundliche Therapie/Kosten 4 Gemeinsame Entscheidung über Therapieplan Setzt gebildeten und informierten Patienten (Familie/Umfeld) voraus Präferenzen des Patienten Motivationsgespräch, Zielsetzung, Abstimmung mit dem Patienten Handlungsfähigkeit des Patienten Garantiert Zugang zu DSMES 1 2 3
Moderne Diabetestherapie - Antidiabetika mit unterschiedlichen Wirkmechanismen DPP-4-Hemmer GLP1-Rezeptoragonisten 6 Erhöhte Insulinfreisetzung Erhöhte GLP1- Aktivität, erhöhte Insulinfreisetzung Senkung der Glucose unabhängig von Insulin Glinide Sulfonylharnstoffe Insulinfreisetzung Einfluss auf Glucoselast SGLT2 Hemmer Insulin selbst bzw. erhöhte Insulinsensitivität Metformin Thiazolidindione Insulin Insulin- Sensitizer* direkte Ausscheidung von Glucose Ferrannini und DeFronzo European Heart Journal 2015;36:2288
Agenda 1. Diabetes und assoziierte Folgeerkrankungen 2. Fortschritte in der Diabetestherapie 3. Moderne Antidiabetika = Mehr als Blutzuckersenkung
Einige moderne Antidiabetika können mehr als Blutzucker senken Metformin SH DPP4i SGLT2i GLP1-RA Insulin HbA 1c Gewicht ( ) Hypoglykämien Blutdruck ( ) SH = Sulfonylharnstoff; DPP4i = Dipeptidyl-Peptidase-4 Inhibitor; SGLT2i = Natrium-Glucose Cotransporter 2 Inhibitor; GLP1-RA, Glucagon-like Peptide Rezeptoragonist.
Mikrovaskuläre Effekte --------- Sekundäre Endpunkte --- Kardiovaskuläre Effekte Nur wenige moderne Antidiabetika können mikro- und makrovaskuläre Therapieziele erreichen Endpunktstudien seit 2008 (FDA Guidance for Industry ) Alogliptin EXAMINE 1 Saxagliptin SAVO R-TIMI 53 2 Sitagliptin TECOS 3 Lixisenatid ELIXA 4 Exenatid EXCSEL 5 Liraglutid LEADER 6,7 Semaglutid SUSTAIN - 6 8 Empagliflozin EMPA-REG OUTCOME 9,10 Canagliflozin CANVA S-PRO- GRAM 11 Insulin Glargin ORIGIN 12,13,# Devote 14 MACE 3 Primärer Endpunkt CV-Tod HHF Albuminurie ( ) ( ) ( ) * Renale EP GFRbezogen (ohne Albuminurie) Retinopathie Referenzen: 1. White WB et al. N Engl J Med. 2013; 369(14):1327-35. / 2. Scirica BM et al. N Engl J Med. 2013; 369(14):1317-26. / 3. Green JB et al. N Engl J Med. 2015; 373(3):232-42. / 4. Pfeffer M et al. N Engl J Med. 2015; 373(23), 2247-2257. / 5. Holman / 6. Marso SP et al. N Engl J Med. 2016;375(4):311-22.; / 7. Mann JFE et al. N Engl J Med. 2017 Aug 31;377(9):839-84 / 8. Marso SP er al. N Engl J Med 2017; 376:890-892. / 9. Zinman B et al. N Engl J Med 2015;373(22):2117-28 / 10. Wanner C et al. N Engl J Med 2016; 375:323-334 / 11. Neal B et al. N Engl J Med 2017; 377:644-657 / 12. Gerstein HC & Origin Trial investigators N Engl J Med. 2012 Jul 26;367(4):319-28. / 13. Gilbert RE & Origin Trial investigators, Diabetologia. 2014 Jul;57(7):1325-31; 14. Marso SP et al, NEJM 2017 ( ) * ( ) *
EMPA-REG OUTCOME Patienten mit Typ-2 Diabetes und Gefäßerkrankung 14% RRR / 1.6% ARR p<0,04 38% RRR / 2.2% ARR p<0,0001 32% RRR / 2.6% ARR p<0,0001 3P-MACE 1 kardiovaskulärer Tod 1 Gesamtmortalität 1 35% RRR p=0,0017 11% RRR p=0,003 39% RRR <0,0001 Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz 1 Krankenhaus- Aufenthalte 2 Fortschreiten von Nierenerkrankungen 3 RRR = Relative Risk Reduction vs Placebo + SOC; ARR = Absolute Risk Reduction 1. Zinman B et al. NEJM 2015; 373(22): 2117 28. 2. Fitchett D et al. European Heart Journal 2016; ; 37(19): 1526 34. 3. Wanner et al Data NEJM 2017; 375(4): 323 34
Antidiabetikum mit belegter kardiovaskulärer und renaler Wirksamkeit bei kardiovaskulärer Vorerkrankung Diabetes Typ-2 22
Zusammenfassung Diabetische Folgekrankheiten 1. Alle diabetischen Folgekrankheiten haben eine gemeinsame metabolische Ursache 2. Allerdings bestehen individuelle genetische Veranlagungen und spezifische Risikofaktoren 3. Generell korreliert der Schweregrad aller diabetischer Folgekrankheiten mit der Diabetesdauer und der Qualität der Stoffwechseleinstellung 4. Alle diabetischen Folgekrankheiten profitieren von einer guten Einstellungsqualität, individuell-adaptiert an Begleiterkrankungen www.diabetes.versorgungsleitlinien.de Praxisempfehlungen, DDG 2017
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Sind neue Präparate besser geeignet für die Therapie des Typ 2 Diabetes? Ja! Relevant: Hypoglykämierisiko Verträglichkeit Effektivität DPP4-Hemmer GLP-1-Mimetika SGLT2-Inhibitoren Insulinanaloga geringes/kein Hypoglykämierisiko Gewichtsneutralität geringes/kein Hypoglykämierisiko Gewichtsreduktion geringes/kein Hypoglykämierisiko Gewichtsreduktion geringeres Hypoglykämierisiko als Humaninsulin Metformin Glinide Sulfonylharnstoffe Alpha-Glukosidase-Hemmer Glitazone (Sensitizer) geringes/kein Hypoglykämierisiko Hypoglykämierisiko Hypoglykämierisiko geringes/kein Hypoglykämierisiko Gastrointestinale Nebenwirkungen geringes/kein Hypoglykämierisiko Ödeme, Herzinsuffizienz
Fortschritte in der Diabetestherapie - Individualisierung der HbA1c-Ziele ADA / EASD Algorithmen zur blutzuckersenkenden Therapie seit 2012 Psychosoziale Erwägungen weniger motiviert, hoch motiviert adhärent, nicht adhärent, geringe gute Selbstbehandlungsbefähigung Selbstbehandlungsbefähigung niedrig hoch Risiken im Zusammenhang mit Hypoglykämien und anderen unerwünschten Nebenwirkungen Bekannte Diabetesdauer neu diagnostiziert lange bestehend Lebenserwartung kurz lang Schwerwiegende Begleiterkrankungen fehlend wenig/gering ausgeprägt schwerwiegend fehlend wenig/gering ausgeprägt schwerwiegend Bekannte Gefäßkomplikationen Referenzen: American Diabetes Association. ADA Standards of medical care in diabetes 2018 (Section 8, pharmacological approaches) Diabetes Care 2018; 41 (Suppl. 1): S1 159.
Bedeutende mikro - und makrovaskuläre Diabetes-Folgeerkrankungen Mikrovaskulär 1,2 Makrovaskulär 1,2 Kognitive Beeinträchtigungen 3 Retinopathie Nephropathie Zerebrovaskuläre Erkrankungen Koronare Erkrankungen Koronare Herzkrankkheit Neuropathie Autonome kardiale Neuropathie Arteriosklerose Hautinfektion Gastrointestinale und Harnwegsdysfunktion Periphere arterielle Verschlusskrankheit Sexuelle Dysfunktion Periphere sensorische Dysfunktion Diabetischer Fuß
Zusammenfassung der Empfehlungen zur Prävention diabetischer Folgeerkrankungen Leiten Sie die Therapie frühzeitig und vor dem Auftreten von mikro- und makrovaskulären Folgeerkrankungen ein Reduzieren Sie den HbA 1c stetig in Richtung Zielwert, vermeiden Sie Hypoglykämien - Zur Erreichung niedrigerer Zielwerte kann eine Kombinationstherapie blutzuckersenkender Medikamente notwendig sein Stellen Sie die Kontrolle begleitender kardiovaskulärer Risikofaktoren sicher, insbesondere Hypertonie und Dyslipidämie Geben Sie Empfehlungen zur Änderung der Lebensgewohnheiten, z.b. Rauchverzicht und animieren Sie übergewichtige/adipöse Patienten zum Gewichtsverlust Erkennen und kontrollieren Sie mikrovaskuläre Folgeerkrankungen frühzeitig
Risikofaktoren für das DFS Ungeeignetes Schuhwerk (90%) Periphere Neuropathie (70-100%) Periphere art. Verschlußkrankeit (35%) Eingeschränkte Gelenkmobilität Fußdeformitäten Hornhautschwielen (30%) Psychosoziale Konstellation