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Transkript:

1 von 5 26.11.2012 11:13 http://www.faz.net/-h00-71gje HERAUSGEGEBEN VON WERNER D'INKA, BERTHOLD KOHLER, GÜNTHER NONNENMACHER, FRANK SCHIRRMACHER, HOLGER STELTZNER Aktuell Wirtschaft Wirtschaftspolitik Energiepolitik Energiepolitik Wettbewerb ist der Schlüssel zur Energiewende 20.07.2012 Bleibt es beim geltenden Fördermodell für erneuerbare Energien, wird man die stromintensive Industrie vertreiben und den bestehenden Kraftwerkspark partiell in Investitionsruinen verwandeln. Ein Gastbeitrag vom Präsidenten des Kartellamts, Andreas Mundt. Artikel ZB Teure Idylle: Für erneuerbare Energien haben die Verbraucher 2011 rund 14 Milliarden Euro bezahlt ierzehn Jahre nach der Öffnung der Energiemärkte im Jahre 1998 steht die Energiewirtschaft abermals vor umwälzenden Veränderungen. Damit sind die Gemeinsamkeiten der beiden Wendepunkte dieses volkswirtschaftlich so eminent wichtigen Industriezweiges aber auch schon aufgezählt. Hinsichtlich ihrer ordnungspolitischen Grundausrichtung könnten die Unterschiede zwischen beiden Projekten größer nicht sein. Ziel der Ende der neunziger Jahre eingeleiteten Liberalisierung war die Entlassung der Energiewirtschaft aus einem Korsett von Gebietsmonopolen und staatlicher Preisaufsicht in den Wettbewerb. Die Vokabeln, die heute die öffentliche Diskussion über die Energiewende beherrschen, lauten hingegen Plan, Quote und Förderung, allesamt Begriffe, die man im Instrumentenkasten der Wettbewerbspolitik vergeblich sucht. Die wettbewerbliche Öffnung der Energiemärkte kann bei allen noch keineswegs abgeschlossenen Anpassungsprozessen als Erfolg verbucht werden. Auf diesem Erfolg sollte bei der Energiewende aufgebaut werden. Nicht ein Mehr an staatlicher Planung und Intervention, sondern eine stärkere Nutzung der Anpassungskräfte von Markt und Wettbewerb kann auch die Energiewende zu einer Erfolgsgeschichte werden lassen. Die wettbewerbliche Öffnung der Energiemärkte konnte nur aufgrund gemeinsamer Anstrengungen aller Akteure zu einem Erfolg werden. Die betroffenen Unternehmen haben sich durch neue Strukturen auf das neue Umfeld eingestellt. Die Europäische Kommission, die Bundesnetzagentur, Gerichte und nicht zuletzt das Bundeskartellamt haben durch teilweise langwierige und komplexe Verfahren den Wettbewerb belebt. Auch nach knapp 15 Jahren gibt es sicherlich noch Bereiche, in denen der Wettbewerb nur zögerlich vorankommt. Wettbewerb auf den Energiemärkten ist machbar Dies darf aber nicht den Blick dafür verstellen, dass die gemeinsamen Anstrengungen inzwischen Früchte tragen. Im Strombereich hat sich beim Vertrieb und - eingeschränkt - bei der Produktion ein weitgehend wettbewerbliches Umfeld entwickelt. Vertikalen Verflechtungen von Stromproduzenten und Weiterverteilern wurde Einhalt geboten, verkrustete Lieferbeziehungen wurden aufgebrochen, Netze wurden geöffnet oder veräußert, der Preis für Strom bildet sich an der Börse und sogar die althergebrachte Gas-Ölpreis-Indexierung wird zunehmend durch eine wettbewerbliche Preisfindung abgelöst. Dies alles hat dazu beigetragen, dass der

2 von 5 26.11.2012 11:13 Strompreis, um Steuern und Abgaben bereinigt, von 1998 bis 2012 nahezu unverändert geblieben ist. Der Wettbewerb hat mithin die positiven Wirkungen entfaltet, die man sich erhofft hatte. Der Verbraucher hat von dieser Entwicklung nur deshalb lediglich eingeschränkt profitiert, weil im selben Zeitraum die energiespezifischen Steuern und Abgaben stark gestiegen sind. Und eine weitere Feststellung kann nicht genug betont werden: Der zunehmende Wettbewerb hat die Versorgungssicherheit zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Die Energiewende 1998 hat damit eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass Wettbewerb auf den Energiemärkten machbar ist und dass sich auch ohne überbordende staatliche Regulierung ein harmonischer Dreiklang aus Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit verwirklichen lässt. Die Ziele der Energiewende 2011 sind klar vorgegeben. Die Stromerzeugung aus Kernkraft soll auslaufen und erneuerbare Energien sollen sich zu einem zunehmend stärkeren Pfeiler der Stromversorgung entwickeln. Hieraus ergeben sich zahlreiche technische und wirtschaftliche Anpassungserfordernisse. Die gegenwärtige Diskussion kreist zum einen um das Thema einer sachgerechten Förderung erneuerbarer Energien. Der Autor: Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts DAPD Da ein großer Teil des Stroms aus erneuerbaren Energien jedoch nur zur Verfügung steht, wenn der Wind weht und die Sonne scheint, gewinnt zum anderen die Frage an Bedeutung, ob und inwieweit eine größere Volatilität der Stromproduktion sogenannte Kapazitätsmärkte erforderlich macht, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Mechanismen, bei denen Kraftwerksbetreiber nicht erst für die Lieferung von Strom, sondern schon für das Bereithalten von Kraftwerkskapazitäten und gesicherter, schnell abrufbarer Leistung entlohnt werden. Beide Problemkreise werden in der öffentlichen Debatte oft isoliert diskutiert, sind aber in Wahrheit eng miteinander verknüpft. Denn ob und inwieweit ein Kapazitätsmarkt tatsächlich benötigt wird, hängt stark davon ab, ob es gelingt, eine marktgerechte Lösung für die Förderung erneuerbarer Energien einzuführen. Im Kern geht es um folgende Frage: Beschreitet Deutschland bei der Energiewende 2011 den Weg einer durch immer neue Subventionen und Regulierungseingriffe gekennzeichneten staatlichen Interventionsspirale, oder nutzen wir so weit wie möglich die Kräfte des Wettbewerbs als Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende? Die Förderung erneuerbarer Energien folgt nach wie vor dem Modell einer Anschubfinanzierung für eine im Entstehen begriffene Industrie. Eine Fortsetzung dieses Förderregimes droht die Haushaltskunden jedoch finanziell hoffnungslos zu überfordern, die stromintensive Industrie zu vertreiben und den bestehenden konventionellen Kraftwerkspark partiell in Investitionsruinen zu verwandeln. Der Einspeisevorrang und die technologiegebundene Festpreisvergütung bewirken, dass im Jahre 2011 schon rund 20 Prozent des Stroms in Deutschland außerhalb jeglicher Marktmechanismen produziert und vertrieben wurden. Ein Quotenmodell würde die notwendigen Anreize setzen Die Folgen sind, wie immer, wenn Markt und Wettbewerb ausgeschaltet werden, schwerwiegende Fehlallokationen und Marktverzerrungen etwa in der Form, dass der Strompreis an der Börse immer besser Auskunft über die aktuellen Wetterverhältnisse gibt und immer weniger die tatsächlichen Knappheitssignale des Marktes widerspiegelt. Zudem explodieren aufgrund der Fehlanreize die Kosten. Die Energieverbraucher haben allein 2011 rund 14 Milliarden Euro für die Förderung der erneuerbaren Energien gezahlt. Ein zeitnahes Umsteuern ist daher geboten. Von den diskutierten Alternativkonzepten dürfte ein Quotenmodell, bei dem die Stromversorger verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil des gelieferten Stroms aus erneuerbaren Energien zu beziehen, am ehesten geeignet sein, die Ausbauziele möglichst effizient und kostengünstig zu erreichen. Anders als eine technologiespezifische Festpreisvergütung setzt ein Quotenmodell die notwendigen Anreize, in möglichst effiziente Anlagen zu investieren

3 von 5 26.11.2012 11:13 und diese entsprechend der Stromnachfrage einzusetzen. Allein mit Erreichen der ersten Etappe in 2020 sollen 35 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen, die EEG-Umlage (nach dem Erneuerbare-Energien- Gesetz) soll allerdings nach dem Willen der Bundesregierung in einer Größenordnung von 3,5 Cent pro Kilowattstunde bleiben. Ohne einen grundlegenden Umbau des Systems in Richtung Markt und Wettbewerb ist dieses Ziel jedoch eine mission impossible. Anpassung bei der Versorgungssicherheit Doch selbst wenn ein stärker marktorientierter Umbau des Förderregimes für erneuerbarer Energien gelingt, erzeugen der Zubau und vermehrte Einsatz erneuerbare Energien grundlegende Anpassungserfordernisse. Diese betreffen insbesondere das Ziel der Versorgungssicherheit. Diese wurde schon im ersten Winter nach der beschlossenen Energiewende mehrfach auf die Probe gestellt. In fast zweihundert Fällen - nahezu fünfmal so oft wie im Vorjahreszeitraum - mussten die Stromnetzbetreiber in die Fahrweise von Erzeugungsanlagen eingreifen, um Stromausfälle abzuwenden. Ohne diese sogenannten Redispatch -Maßnahmen der Netzbetreiber wäre eine sichere Stromversorgung im Winter 2011/2012 in etlichen Situationen nicht möglich gewesen. Für die kurzfristige und punktuelle Gefahrenabwehr sind solche Eingriffe gerechtfertigt. Auch für diese Eingriffe gilt allerdings, dass sie transparent und diskriminierungsfrei erfolgen müssen, damit tatsächlich der effizienteste Anbieter zum Zuge kommt. Auch die Notwendigkeit, durch einen Um- und Ausbau des Stromnetzes den Anforderungen eines gestiegenen Anteils erneuerbarer Energien Rechnung zu tragen, ist inzwischen allen Akteuren bewusst. Hier gilt es, das als notwendig Erachtete auch mit dem erforderlichen Nachdruck umzusetzen. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, bedarf es aber zudem zunehmend flexibel steuerbarer Kraftwerke beziehungsweise gesicherter Leistung. In wirtschaftlicher Hinsicht muss aber festgestellt werden, dass gleichzeitig die Chancen auf einen lohnenden Betrieb für solche konventionellen - flexiblen - Kraftwerke sinken. Je mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt werden kann, umso weniger können konventionelle Kraftwerke eingesetzt werden und Erträge erwirtschaften. Es droht eine Kapazitätslücke Ein Marktumfeld, in dem allein die Einspeisung von Strom in das Netz, nicht jedoch die Vorhaltung von Leistung in Form eines Kraftwerkes vergütet wird (Energyonly-Markt), bietet unter Umständen keine hinreichenden Investitionsanreize für die benötigten Kraftwerke (Missing-Money-Problem). Jüngst haben sogar Betreiber von Gaskraftwerken angekündigt, bestehende Erzeugungskapazitäten stillzulegen. Nach Auffassung zahlreicher Fachleute und Branchenvertreter droht daher Deutschland schon in wenigen Jahren eine Kapazitätslücke. Es wird erwartet, dass nicht ausreichend gesicherte Leistung zur Verfügung stehen wird, um die Stromnachfrage zu decken. Uneinig sind sich die Fachleute über Zeitpunkt und Umfang einer drohenden Kapazitätslücke. Mit Engpässen bei der Stromerzeugung wird zwischen 2018 und den 2020er Jahren gerechnet. Bezüglich des Umfangs schwanken die Prognosen zwischen 8 und 55 Gigawatt. Zum Vergleich: Die Kapazität der im Sommer 2011 vom Netz gegangenen Kernkraftwerke beläuft sich auf rund 8 Gigawatt. Die Lösung des Problems könnte in der Einführung sogenannter Kapazitätsmärkte liegen. Aus ordnungspolitischer Perspektive ist allerdings auch in diesem Zusammenhang den positiven Kräften von Markt und Wettbewerb genügend Raum zu geben. Folgende Grundsätze sollten daher beachtet werden: Marktanalyse und Marktintegration Eine fundierte Analyse des tatsächlichen Bedarfs: Vor Beginn der Therapie muss eine realitätsbezogene und einigermaßen verlässliche Diagnose des tatsächlichen Bedarfs stehen, in die insbesondere die Marktteilnehmer einzubinden sind. Sie kennen ihren Markt am besten. Zudem sollte denjenigen Marktmechanismen ausreichend Beachtung geschenkt werden, die dazu beitragen können, die Kapazitätslücke und damit auch das benötigte Volumen eines Kapazitätsmarkts zu begrenzen. Chancen der europäischen Marktintegration nutzen: Bei der Prognose der drohenden Kapazitätslücke sollte insbesondere berücksichtigt werden, dass Deutschland auch in energiepolitischer Hinsicht keine Insel ist. Das Szenario der nationalen Energieautarkie erscheint wenig zukunftsweisend. Es sollte daher auch nicht die Grundlage für die Ausgestaltung eines deutschen Kapazitätsmarkts bilden. Der grenzüberschreitende, durch Preissignale gesteuerte Stromaustausch hat nicht zuletzt im zurückliegenden

4 von 5 26.11.2012 11:13 Winter die Stromversorgung in Deutschland deutlich stabilisiert. Je mehr - beispielsweise durch einen beschleunigten Ausbau der Grenzkuppelstellen - der europäische Elektrizitätsbinnenmarkt tatsächlich Realität wird, umso geringer ist die zu befürchtende Kapazitätslücke. Weitere Artikel Altmaier erwägt Antidumping-Verfahren gegen Chinas Solarindustrie Solarstrom-Ausbau kostet mehr als 110 Milliarden Vattenfall-Europe-Chef: Die Stromrechnung steigt bis 2020 um 30 Prozent Stromautobahnen entlang der Bahn Kernkraftbetreiber wollen 15 Milliarden Euro vom Staat Flexibilisierung der Nachfrage fördern: In technischer Hinsicht ist ein zentrales Problem der Energiewende in der Tatsache zu suchen, dass ein zunehmend wechselhaftes Stromangebot auf eine nach wie vor weitgehend unflexible und kurzfristig sehr preisunelastische Nachfrage trifft. Der technische Fortschritt kann hier zu einer Flexibilisierung beitragen (intelligente Netze). Diese Entwicklungen sollten durch eine entsprechende Tarifgestaltung der Versorgungsunternehmen gefördert werden, die entsprechende Anreize setzt und eine zeitlich flexible Nachfrage belohnt. Auch einzelne Vorschläge für Kapazitätsmarktmechanismen sehen neben rein kraftwerks- und damit angebotsbezogenen Elementen daher zu Recht nachfrageseitige Maßnahmen wie zum Beispiel eine Lastverschiebung oder den Lastabwurf großer Abnehmer vor. Vorrang für marktorientiertes Design des Kapazitätsmarkts: Für die Bewältigung des Problems der dennoch verbleibenden Kapazitätslücke sollte markt- und wettbewerbsorientierten Lösungsansätzen der Vorzug gegeben werden. Alle derzeit diskutierten Mechanismen sehen eine zentrale Institution vor, die Koordinationsaufgaben wahrnimmt. Hauptaufgabe der zentralen Institution wäre die Festlegung der zur Deckung der Nachfrage benötigten Erzeugungskapazitäten. Zu begrüßen ist jedoch, dass in den meisten Modellen die Erzeugungskapazitäten über Ausschreibungen beschafft werden sollen. Weitgehend Einigkeit besteht auch in Bezug auf die Finanzierung der benötigten Kapazitäten. Kapazitätsentgelte, die ähnlich wie Netzentgelte auf den Strompreis aufgeschlagen werden, sollen die Kosten der Vorhaltung der Leistung decken und für die entsprechenden Investitionsanreize sorgen. Strategische Reserve Wesentliche Unterschiede zwischen den vorgelegten Modellen bestehen jedoch hinsichtlich Umfang und Dauer der Eingriffe in die Stromerzeugungsmärkte. Kein Kapazitätsmarktmechanismus wird vermutlich ohne eine Planungsinstitution auskommen. Gleichwohl ist der Umfang zentraler Vorgaben auf das zwingend erforderliche Ausmaß zu begrenzen. Daher sollten nur diejenigen Ausgestaltungsvorschläge in Betracht gezogen werden, bei denen nicht die Gesamtkapazitäten, sondern ausschließlich die zur Schließung der Erzeugungslücke erforderlichen Kapazitäten von einer zentralen Institution ausgeschrieben und beschafft werden. Solche Modelle können unter dem Begriff der Strategischen Reserve zusammengefasst werden. Einige Modelle zur strategischen Reserve sehen vor, dass nur neue Kraftwerkskapazitäten berücksichtigt werden sollen. Aus wettbewerblicher Perspektive spricht jedoch nichts dagegen, die Ausschreibung auch für Bestandsanlagen zu öffnen. Wichtig ist, dass die kostengünstigsten Anlagen letztlich den Zuschlag erhalten. Um sowohl die missbräuchliche Zurückhaltung von Reservekapazitäten als auch deren übermäßigen Einsatz - beides mit dem Ziel der Preisbeeinflussung - zu vermeiden, sollten entsprechende Mechanismen zum Abruf der Strategischen Reserve etabliert und institutionalisiert werden. Der Gefahr einer Fehleinschätzung der benötigten Kapazitäten könnte etwa durch gestufte Ausschreibungen begegnet werden, um bei einem veränderten Bedarf schnell und flexibel gegensteuern zu können. Auf Rahmenbedingungen beschränken Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Ausgestaltung der strategischen Reserve ist allerdings, dass alle Maßnahmen unterlassen werden, die aufgrund der mit ihnen verbundenen Fehlanreize ohne Not die Gefahr einer immer größeren Kapazitätslücke verschärfen. Wird die Förderung für erneuerbare Energien in der aktuellen Form beibehalten - und darauf läuft es nach der jüngsten Verständigung von Bundestag und Bundesrat in dieser Sache weitgehend hinaus -, gerät der Wettbewerb immer weiter ins Hintertreffen und die Gefahr einer im Ergebnis für alle Beteiligten und insbesondere den Verbraucher nachteiligen Interventionsspirale steigt.

5 von 5 26.11.2012 11:13 Zwar ist nachvollziehbar, dass die Politik das Heft bei der Energiewende angesichts der Konsequenzen bei einem möglichen Scheitern nicht aus der Hand geben möchte. Wenn es jedoch eine Erkenntnis gibt, die aus dem Erfolg des deutschen Wirtschaftsmodells zu ziehen ist, so ist es die Einsicht, dass sich der Staat im Wesentlichen auf das Setzen guter Rahmenbedingungen beschränken sollte. Das Ausfüllen dieser Rahmenbedingungen hingegen sollte er den privaten Akteuren überlassen. Nach der Liberalisierung der Energiemärkte Ende des vergangenen Jahrhunderts haben die privaten Akteure selbst die gesetzlichen Rahmenbedingungen mit ein bisschen Nachhilfe der Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden mit Leben gefüllt. Wieso sollte dies bei der Energiewende nicht funktionieren? Den Wettbewerb von der Agenda der Energiewende zu streichen wäre der falsche Ansatz. Er ist vielmehr der Schlüssel zu einer sicheren, nachhaltigen und effizienten Energieversorgung der Zukunft. Der Autor Andreas Mundt ist Präsident des Bundeskartellamts. Der 1960 in Bonn geborene Jurist hat seine Karriere 1991 im Bundeswirtschaftsministerium begonnen. Einige Jahre war er als Referent für Arbeits- und Sozialrecht an die FDP-Fraktion im Bundestag ausgeliehen. Aus dieser Zeit rühren exzellente Kenntnisse des deutschen Sozialsystems und gute Kontakte zur FDP. Zum Aufstieg verholfen hat ihm seine freundliche Gelassenheit, vor allem aber die Gabe, komplizierte Dinge so einfach auszudrücken, dass sie politikfähig werden. Quelle: F.A.Z. Hier können Sie die Rechte an diesem Artikel erwerben Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2012 Alle Rechte vorbehalten.