ARBEITSZEITPOLITIK UND GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN HEUTE Arbeitszeit auf dem Prüfstand WSI-Arbeitszeittagung 2017 Dr. Hartmut Seifert Düsseldorf, 12. Juli 2017
Agenda Problemstellung Prinzipien und Regelungen der Flexibilität Verbreitung Zeitautonomie Fazit/Forschungsdesiderata 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 2
PRINZIPIEN UND REGELUNGEN DER FLEXIBILITÄT 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 3
1. These Tarifverträge und Betriebs-/Dienstvereinbarungen (sowie Gesetze) haben in den letzten Jahrzehnten den Spielraum für eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit erweitert. Sie eröffnen Spielraum für Flexibilität, die genutzt werden kann kollektiv oder individuell dauerhaft oder temporär für die Dauer und/oder die Verteilung der Arbeitszeit, nur mit Abstrichen auch die Lage. 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 4
Beispiele Flexibilität der Arbeitszeitdauer Dauerhafte (kollektive) Verlängerung: Metallindustrie AZ für 18% (bis zu 50%) der Beschäftigten 35 40 Std. Befristete (kollektive) Arbeitszeitverkürzungen, z. B. Bankgewerbe 39 31 Std. Kollektive Korridorregelungen chemische Industrie: Einvernehmen Arbeitgeber und Betriebsrat Arbeitszeitdauer 35 40 Std. für Betrieb oder Betriebsteile Individuelle (befristete) Wahlarbeitszeit: Trumpf AG 15 40 Std. Chemie Ost (ab 2019): mindestens 32 Std. auf Basis freiwilliger BV 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 5
2. These Die durch Tarifverträge eröffnete Flexibilität basiert teilweise auf dem Prinzip der garantierten Optionalität. Es sichert den Beschäftigten Wahlmöglichkeiten bei Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, um diese stärker nach ihren Interessen zu gestalten. 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 6
Tarifliche Optionen für Zeitgestaltung 1. EVG-Wahlmodell - Mehrung Geld- oder Zeitwohlstand : 2,6 Prozent mehr Geld oder sechs Tage mehr Urlaub oder eine Stunde Arbeitszeitverkürzung 2. Chemische Industrie Ost: Wahlarbeitszeit mind. 32 Std. 3. Altersteilzeit-/Vorruhestandsregelungen (Stahl- und chemische Industrie) 4. Teilzeit- Vollzeitwunsch (Einzelhandel): mit Vorrang zu berücksichtigen, Anspruch auf längere AZ, wenn diese ein halbes Jahr lang 25% über der vereinbarten gelegen hat 5. Kurzzeitkonten (Mehrheit der Tarifverträge) 6. Langzeitkonten: Stahl, Chemie usw. 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 7
VERBREITUNG ZEITKONTEN 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 8
Arbeitszeitkonten, Anteil Beschäftigte 2015, in % gesamt 61 Erziehung/Unterr. 38 Grundst.-Wohnungswes. 44 sonst. Wirtsch. DL Kunst, Unterh., Erhlg. freib., wiss., techn. Dienstl. 51 52 52 Finanzdienstl. Wasserv. 67 68 verarb. Gew. Energievers. öff. Verw. 72 73 73 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Quelle: BAuA 2016 Dr. Hartmut Seifert 9
Langzeitkonten: Anteil Beschäftigte, 2014, in % 9 8 7,7 7 6 5 4 3 2,3 2 1 0 Besch. m. Anspruch Besch. m. Nutzung Quelle: IAB-Panel 20140 Dr. Hartmut Seifert 10
ZEITAUTONOMIE: EMPIRISCHE BEFUNDE 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 11
3. These Die bestehenden Flexi-Regelungen verbessern die zeitlichen Gestaltungsmöglichkeiten für einen Teil der Beschäftigten, eröffnen Spielraum für Zeitautonomie, für einen anderen Teil bedeuten sie jedoch höhere zeitliche Fremdbestimmung (Zeitheteronomie). Das letzte Wort haben betriebliche Belange. Man kann eher von relativer Zeitautonomie sprechen. 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 12
Betriebs-/Dienstvereinbarungen: Ziele der Zeitkonten, in %, Mehrfachnennungen 98,4 Markanforderungen 98,2 98,6 72,9 relative Zeitautonomie 89,8 60 34,6 Beschäftigungssicherung 13,8 50,5 0 20 40 60 80 100 120 insgesamt Dienstleistungsbereich Produzierendes Gewerbe Quelle: Groß/Seifert 20177 Dr. Hartmut Seifert 13
Betriebs-/Dienstvereinbarungen: Grenzwerte für Zeitguthaben und schulden, in Stunden 140 120 113 118 100 99 90 103 80 73 80 60 60 64 49 40 41 35 20 0 Prod.Gew. Dienstl. insg. Prod. Gew. Dienstl. insg. 1994-2004 2005-2015 Plus Minus Quelle: Groß/Seifert 2017 Dr. Hartmut Seifert 14
Betriebs-/Dienstvereinbarungen: Verfügung über Zeitguthaben, in %, Mehrfachnennungen nach Absprache mit Vorgesetzten 13,1 14,4 12,1 nach betrieblichen Erfordernissen 88,6 88,1 87,6 spezifische Freizeiten 7,8 6,1 9,3 Beschäftigungssicherung bei Krisen 4,8 0,8 8 nach vereinbarten Verfahrensregeln 85,2 86,5 87,6 Beschäftigteninteressen 36,3 40,2 33,1 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Insgesamt Dienstleistungsbereich Produzierendes Gewerbe Quelle: Groß/Seifert 20170 Dr. Hartmut Seifert 15
Betriebs-/Dienstvereinbarungen: Verfügung über Zeitschulden, in %, Mehrfachnennungen mit Urlaub verrechnet 0,2 0 0,3 vom Gehalt abgezogen 3,7 5,7 7,4 n. betriebl. Erford. nachgearbeitet 79,5 [WERT] 78,4 n. Verfahrensregeln ausgeglichen [WERT] 88 88,5 n. Beschäftigteninter. nachgearbeitet 36 31,8 41,2 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Insgesamt Dienstleistungsbereich Produzierendes Gewerbe Quelle: Groß/Seifert 20170 Dr. Hartmut Seifert 16
Verfügung über Zeitkonten, 2014, in % 120 100 13 10 20 19 19 80 60 21 26 30 27 22 40 20 65 64 50 54 59 0 Öff. Dienst Industrie Handwerk Dienstl. anderer Bereich persönlich beide gleich betrieblich Quelle: BAuA 2016 Dr. Hartmut Seifert 17
Nutzungsart von Langzeitkonten, 2014, in % 17 25 25 19 14 Langzeitfreistellungen (Sabbaticals) Verkürzung der Lebensarbeitszeit Sonstiges Weiterbildungszeiten Freistellung für Familienzeiten Quelle: IAB-Panel 2014 Dr. Hartmut Seifert 18
4. These: Es besteht Bedarf für mehr an den Beschäftigteninteressen orientierte Zeitflexibilität Vollzeitbeschäftigte wünschen kürzere Teilzeitbeschäftigte längere Arbeitszeiten Schichtbeschäftigte wünschen mehr Wahlmöglichkeiten bei Lage der Schichten (IGM- Befragung 2017) 40 % der Schichtbeschäftigten wünschen statt Geldzuschläge Zeitreduzierung (IGM-Befragung 2017) Gewünscht werden selbstbestimmte und planbare Arbeitszeiten (IGM-Befragung 2017) 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 19
Perspektiven 1. Gestaltungsanforderungen a. Wahlarbeitszeiten/Rückkehrrechte b. Optionen nicht nur bei der Dauer sondern auch Lage der Arbeitszeit (Schichtplangestaltung, Zuschläge in Geld oder Zeit) c. Garantierte Optionen bei der Verteilung der Arbeitszeit: Zeitautonomie beim Ansparen und Entsparen von Zeitkonten 2. Forschungsdesiderata a. Zeitwünsche differenziert nach Zeitdimensionen Dauer, Lage, Verteilung erheben b. Operationalisierung Zeitautonomie c. Inanspruchnahme von Optionen, Hemmnisse usw. d. Wirkungsanalysen von Regelungen/Optionen 00. Monat 0000 Dr. Hartmut Seifert 20