Gruppe 1 D Die Abmahnung ±»gelbe Karte«des



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Transkript:

Die Abmahnung ±»gelbe Karte«des Arbeitsrechts Zweck und AnlaÈ sse einer Abmahnung Seite 51 Gruppe 1 D Die Abmahnung ±»gelbe Karte«des Arbeitsrechts INHALT I. Zweck und AnlaÈ sse einer Abmahnung... 51 II. Formalien der Abmahnung... 52 III. Was koè nnen Sie gegen eine Abmahnung unternehmen?... 54 1. Wenn die Abmahnung unberechtigt war.... 54 2. Bei berechtigter Abmahnung..... 56 IV. Gelegenheit zur Bereinigung.... 56 V. Was gilt im Fall der KuÈ ndigung?... 57 Kommt es im Verlauf eines ArbeitsverhaÈltnisses zu Problemen zwischen den Vertragsparteien, kann der Arbeitgeber normalerweise nicht gleich kuè ndigen. Er muss zunaèchst eine Abmahnung aussprechen, um dem Arbeitnehmer eine Chance zu geben, sein Verhalten zu aèndern. I. Zweck und AnlaÈ sse einer Abmahnung Nicht jede Abmahnung fuèhrtzurspaèteren KuÈndigung. Aber: Eine Abmahnung ist die Vorstufe zur KuÈndigungund auch grundsaètzlich eine zwingende Voraussetzung fuèr eine wirksame KuÈndigung. Sie ist somit wirklich eine»gelbe Karte«, denn sie zeigt dem Arbeitnehmer, dass sein Verhalten vom Arbeitgeber beanstandet wird und eine AÈ nderung erwartet wird. Wenn der Arbeitgeber eine notwendige Abmahnung unterlassen hat, wird das Arbeitsgericht die KuÈ ndigung allein aus diesem Grund fuèr unwirksam erklaèren. In Betracht kommen fuè r eine Abmahnung in erster Linie StoÈ rungen aus dem Verhaltens- oder Leistungsbereich.»Klassische«GruÈnde sind: Sie bummeln oder erledigen private Dinge waèhrend der Arbeitszeit. Sie kommen zu spaèt oder gehen zu fruèh.

Seite 52 Die Abmahnung ±»gelbe Karte«des Arbeitsrechts Formalien der Abmahnung Sie befolgen Arbeitsanweisungen nicht. Sie uèben eine NebentaÈtigkeit ohne die erforderliche Genehmigung aus (BAG-Urteil vom 30. 5. 1996, NZA 1997 S. 145). Sie verstoûen gegen ein betriebliches Rauch- oder Alkoholverbot am Arbeitsplatz. Sie verlaèngern Ihren Urlaub eigenmaèchtig. Sie melden sich wiederholt verspaètet krank. Dies gilt auch fuèrleichtere StoÈ rungen im Vertrauensbereich, wenn durch eine Abmahnung das Fehlverhalten korrigiert und so das Vertrauen wiederhergestellt werden kann. Hier muè ssen Sie vor Ausspruch einer KuÈ ndigung aber nur abgemahnt werden, wenn Sie aus vertretbaren GruÈnden annehmen durften, Ihr Verhalten werde vom Arbeitgeber hingenommen. In Ihrem Betrieb besteht keine ausdruè ckliche Regelung fuè r die Abwicklung privater TelefongespraÈche vom Dienstapparat aus. Sie telefonieren gelegentlich privat und bezahlen die GespraÈche nicht. Sie begehen eine so genannte»bagatellstraftat«(z. B. bedienen Sie sich aus der Zigarettenschatulle des Arbeitgebers fuèr Besucher). Sie verhalten sich unsachlich und / oder herabsetzend gegenuèber Mitarbeitern. Echte Beleidigungen oder Angriffe bleiben aber aus. II. Formalien der Abmahnung & Sie koè nnen auch muè ndlich abgemahnt werden Obwohl Abmahnungen aus BeweisgruÈ nden meistens schriftlich verfasst und zu den Personalakten genommen werden, ist auch eine muèndlicheabmahnung wirksam. Anders, wenn TarifvertraÈge Schriftform vorschreiben. & Die Bezeichnung als»abmahnung«ist nicht ausschlaggebend Die Abmahnung muss weder als solche bezeichnet werden, noch muè ssen die Worte»Abmahnung«oder»KuÈ ndigung«fallen. Es kommt nur auf den Inhalt an. Die Rechtsprechung verlangt zwei Bestandteile der Abmahnung (BAG-Urteil vom 17. 2. 1994, DB 1994 S. 1477): Der Arbeitgeber muss deutlich zum Ausdruck bringen, dass er Ihr Fehlverhalten konkret missbilligt (Hinweis- und RuÈ gefunktion). Als betrof-

Die Abmahnung ±»gelbe Karte«des Arbeitsrechts Formalien der Abmahnung Seite 53 fener Arbeitnehmer muè ssen Sie zweifelsfrei erkennen koè nnen, was Ihnen vorgeworfen wird. Erforderlich ist dazu eine moèglichst praèzise Schilderung Ihres angeblichen Fehlverhaltens (Vorfall, Datum, Uhrzeit). Vage Formulierungen wie»ihre Arbeitsleistungen sind unzureichend«,»sie haben den Betriebsfrieden erheblich gestoè rt«,»in letzter Zeit sind Sie haèufig zu spaèt gekommen«reichen nicht aus. Und: Gleichzeitig muss der Arbeitgeber von Ihnen fuè r die Zukunft ein ordnungsgemaè ûes Verhalten verlangen.fuè r den Fall, dass sich Ihr Fehlverhalten wiederholt, muss er Ihnen eindeutig und unmissverstaèndlich arbeitsrechtliche Konsequenzen (z. B. AÈ nderungskuè ndigung, ordentliche oder auûerordentliche KuÈ ndigung) androhen (Warnfunktion). HINWEIS Beachten Sie den Unterschied zur Ermahnung! In der Praxis gehen einer Abmahnung PersonalgespraÈche und Ermahnungen voraus. Dies sind nur Vorstufen der Abmahnung ohne KuÈ ndigungsandrohung. Rechtlich gesehen haben sie nur insofern Relevanz, als der Arbeitgeber bei einer KuÈ ndigung darauf hinweisen kann, dass das ArbeitsverhaÈltnis auch sonst nicht stoè rungsfrei verlaufen ist. & Beteiligte des Abmahnungsverfahrens Abgemahnt werden koè nnen Sie von jedem, der Ihnen gegenuè ber fachlich oder dienstlich weisungsbefugt ist (z. B. Arbeitgeber, Leiter der Personalabteilung, Abteilungsleiter, Meister). Der Betriebsrat muss vor einer Abmahnung weder angehoè rt noch unterrichtet werden. Als betroffener Arbeitnehmer haben Sie grundsaètzlichauchkeinen Anspruch darauf, vor der Abmahnung angehoèrt zu werden, um zu den VorwuÈrfen Stellung zu nehmen. Ist ausnahmsweise die AnhoÈ rung des Arbeitnehmers tarifvertraglich vorgeschrieben, muss die Abmahnung zwar aus formellen GruÈ nden aus der Personalakte entfernt werden, wenn die AnhoÈ rung unterblieben ist. Die Abmahnung behaèlt jedoch ihre RuÈ ge- und Warnfunktion, wenn die VorwuÈ rfe berechtigt waren (BAG-Urteil vom 21. 5. 1992, NJW 1993 S. 154). & Die Abmahnung ist nicht an Fristen gebunden Das Bundesarbeitsgericht legt keine bestimmte Frist dafuè r fest, wie lange ein Pflichtverstoû abgemahnt werden darf (BAG-Urteil vom 15. 1. 1986, DB 1986 S. 1075), sondern entscheidet nach den UmstaÈndendesEinzelfalls (z.b. Art und Schwere des Verstoûes).

Seite 54 Die Abmahnung ±»gelbe Karte«des Arbeitsrechts Was koè nnen Sie gegen eine Abmahnung unternehmen? Wenn der Arbeitgeber jedoch zu lange mit der Abmahnung wartet, koènnen Sie davon ausgehen, dass er die Sache»begraben«moÈ chte. Dann hat er kein Recht mehr, Sie spaèter abzumahnen. & Sie muè ssen die Abmahnung auch wirklich erhalten haben Dass und wie abgemahnt wurde, muss der Arbeitgeber beweisen. Denn eine Abmahnung ist nur wirksam, wenn sie auch zugegangen ist. Den Nachweis fuè hrt der Arbeitgeber gegebenenfalls durch Zeugen. HaÈufigverlangter auch von Ihnen, dass Sie den Erhalt des Abmahnungsschreibens oder den Ausspruch der Abmahnung quittieren. Verpflichtet sind Sie hierzu nicht. Andererseits bedeutet diese BestaÈtigung nicht, dass Sie mit dem Inhalt der Abmahnung einverstanden sind. Sie koè nnen auch spaèter noch einer unberechtigten Abmahnung widersprechen. III. Was koè nnen Sie gegen eine Abmahnung unternehmen? 1. Wenn die Abmahnung unberechtigt war Eine Abmahnung ist unberechtigt, wenn der Vorwurf Ihres Arbeitgebers nicht zutrifft, wenn also unrichtige Tatsachen behauptet werden oder wenn falsche Bewertungen oder Beleidigungen enthalten sind. Auûerdem, wenn bei einem Bagatellvorwurf eine offensichtliche UnverhaÈltnismaÈûigkeit vorliegt: Ein bislang stets puè nktlicher, zuverlaèssiger Mitarbeiter wird abgemahnt, weil er einmal verschlafen hat. Wie oben beschrieben, kann eine Abmahnung auch dann unberechtigt sein, wenn ein zulangerzeitraum verstrichen ist oder eine erforderliche AnhoÈrung unterblieb. Wenn der Vorwurf des Arbeitgebers nur in bestimmten Teilen zutraf, sonst aber unrichtig war, gilt Folgendes: Teilweise Unrichtigkeit wirkt sich in der Regel auf die gesamte Abmahnung aus. Allerdings kann dann natuè rlich eine neue, korrigierte Abmahnung ausgesprochen werden. Sie haben verschiedene MoÈ glichkeiten, auf eine unberechtigte Abmahnung zu reagieren:

Die Abmahnung ±»gelbe Karte«des Arbeitsrechts Was koè nnen Sie gegen eine Abmahnung unternehmen? Seite 55 Verlangen Sie, dass die Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird. Sie verliert damit Ihre Wirkung, es sei denn, es lag nur ein formeller Fehler vor. Alternative: Stillhalten Nichts tun bedeutet nicht, dass Sie die Abmahnung akzeptieren. Sie sind nicht verpflichtet, die Berechtigung einer Abmahnung ± sofort oder spaèter ± gerichtlich anzugreifen. Sie koè nnen die abgemahnten PflichtverstoÈûe auch noch in einem spaèteren KuÈ ndigungsschutzprozess bestreiten (BAG-Urteil vom 13. 3. 1987, NZA 1987 S. 518). RECHTSTIPP Verfahrenstaktik uè berlegen Bedenken Sie, dass ein Arbeitsgerichtsprozess um eine Abmahnung das ArbeitsverhaÈltnis zusaètzlich belastet. HaÈ ufig kommt es deshalb schon im Laufe eines Abmahnungsprozesses zur AufloÈ sung des ArbeitsverhaÈltnisses, oft gegen Zahlung einer Abfindung. Nur wenn Sie absolut sicher sind, dass der Arbeitgeber Sie unzulaè ssig abgemahnt hat, ist es sinnvoll, schon im Vorfeld einer KuÈ ndigung die Abmahnung gerichtlich anzugreifen. Ansonsten verbessert der Zeitablauf eher Ihre Position im spaèteren KuÈ ndigungsschutzprozess: Denn der Arbeitgeber muss auch nach laèngerer Zeit die abgemahnten PflichtverstoÈûe beweisen. Verfassen Sie eine schriftliche Gegendarstellung zur Personalakte. Sie koè nnen eine schriftliche Stellungnahme abgeben, wie sich der abgemahnte Vorgang aus Ihrer Sicht darstellt. Im oè ffentlichen Dienst darf nach dem BAT eine Abmahnung nur zur Personalakte genommen werden, wenn Sie auf Ihr Recht zur Gegendarstellung hingewiesen wurden. RECHTSTIPP Gegendarstellung schreiben Da manchmal bereits eine gut formulierte Gegendarstellung zur RuÈ cknahme der Abmahnung fuè hrt, sollten Sie von dieser MoÈ glichkeit auf jeden Fall Gebrauch machen, wenn Sie zu Unrecht abgemahnt wurden. Kontrollieren Sie ggf., ob Ihre Gegendarstellung in Ihrer Personalakte auch wirklich hinter die Abmahnung geheftet wurde. Sie haben ein Recht auf jederzeitige Einsichtnahme in Ihre Personalakte! Falls aber an der Abmahnung»etwas dran«war, sollten Sie bedenken, dass Ihr Arbeitgeber sich solche SchriftstuÈckenatuÈ rlich auch als Beweise sichert.

Seite 56 Die Abmahnung ±»gelbe Karte«des Arbeitsrechts Gelegenheit zur Bereinigung Was gilt, wenn das ArbeitsverhaÈ ltnis beendet wird? Nach Beendigung des ArbeitsverhaÈltnisseskoÈnnenSienurdanndieEntfernung der Abmahnung aus Ihrer Personalakte verlangen, wenn Ihnen ansonsten ein Schaden droht (z.b. wenn aufgrund der Tatsachenbehauptungen Ihre Eignung fuè r besondere Vertrauenspositionen in Zweifel geraèt oder Sie mit Ihrem Arbeitgeber einen Zeugnisrechtsstreit fuèhren). 2. Bei berechtigter Abmahnung Ob eine an sich berechtigte Abmahnung nach einer gewissen Zeit wieder aus der Personalakte zu entfernen ist, ist umstritten. Das Bundesarbeitsgericht hat es bejaht, wenn die Abmahnung»fuÈ r die weitere Beurteilung des Arbeitnehmers uèberfluè ssig geworden ist und ihn in seiner beruflichen EntwicklungsmoÈ glichkeit fortwirkend beeintraèchtigen kann«(bag-urteil vom 13. 4. 1988, NZA 1988 S. 654). Eine Frist gibt es aber nicht. Auch bei einer an sich berechtigten Abmahnung gilt aber, dass eine Gegendarstellung auch hier nuè tzlich sein kann (z. B. um den Hintergrund des Vorkommnisses oder evtl. bestehende EntschuldigungsgruÈ nde zu beleuchten). IV. Gelegenheit zur Bereinigung Im Gegensatz zur KuÈ ndigung ist bei einer Abmahnung nicht gleich die Beendigung des ArbeitsverhaÈltnisses, sondern dessen»reparatur«gewollt. Daher muss der Arbeitgeber dem abgemahnten Arbeitnehmer auch Zeit und Gelegenheit zu vertragsgemaè ûem Verhalten geben. Eine sofortige KuÈ ndigung, die sich auf die gerade erfolgte Abmahnung bezieht, ist daher unzulaèssig. Nur wer noch keinen KuÈ ndigungsschutz genieût, kann auch ohne Abmahnung die KuÈ ndigung erhalten. Als KuÈ ndigungsgrund scheidet der konkrete, in der Abmahnung genannte Vorfall aus: Denn durch die Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber auf sein KuÈ ndigungsrecht aus diesem Vorfall (BAG-Urteil vom 10. 11. 1988, DB 1989 S. 1427). Dies liegt auf der Hand, denn der fragliche Vorfall veranlasste den Arbeitgeber ja offensichtlich nur zur»gelben Karte«, nicht aber zur»roten«.

Die Abmahnung ±»gelbe Karte«des Arbeitsrechts Was gilt im Fall der KuÈ ndigung? Seite 57 ACHTUNG Erfolglose KuÈ ndigung als Abmahnung Eine verhaltensbedingte KuÈ ndigung, bei der ein Fehlverhalten zwar feststeht, das imkonkretenfalljedochfuèreinekuè ndigung nicht ausreicht, kann als wirksame Abmahnung angesehen werden (BAG-Urteil vom 31. 8. 1989, DB 1990 S. 790). V. Was gilt im Fall der KuÈ ndigung? Ohne eine wirksame Abmahnung ist eine KuÈ ndigung normalerweise unwirksam. IhnenkannjedochohneAbmahnunggekuÈ ndigt werden, wenn einer der folgenden FaÈlle auf Sie zutrifft: Sie haben keinen KuÈ ndigungsschutz nach dem KSchG (weil Sie noch keine sechs Monate beschaèftigt sind oder in einem Kleinbetrieb ± 5 oder weniger Arbeitnehmer,»Azubis«nicht mitgerechnet ± arbeiten). Bei auûerordentlicher KuÈndigung aus leistungsbezogenen GruÈnden muèssen Sie hingegen immer abgemahnt werden. Liegen personenbedingte GruÈnde vor (z. B. krankheitsbedingte Leistungsminderung), duè rfen Sie deshalb nicht abgemahnt werden. Grund: Auf diese UmstaÈnde haben Sie keinen Einfluss. Die ZulaÈssigkeit einer KuÈ ndigung bestimmt sich hier allein nach dem anzuwendenden KuÈndigungsschutzrecht. Bei schwerwiegenden StoÈ rungen im Vertrauensbereich, denn hier ist es dem Arbeitgeber in der Regel nicht mehr zumutbar, Sie weiter zu beschaèftigen. BEISPIEL Vertrauensbruch Sie verkaufen Betriebsgeheimnisse oder aèhnlich bedeutsame Informationen an Konkurrenten oder andere Interessenten. Hier hilft die Abmahnung einfach nichts mehr, denn Sie werden das zerstoè rte VertrauensverhaÈltnis auch nach einer Abmahnung nicht mehr wiederherstellen koènnen. Eine Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn Sie von vornherein keinen Erfolg verspricht. Dies ist dann der Fall, wenn feststeht, dass Sie zu einem vertragsgerechten Verhalten nicht (mehr) gewillt sind. Die Abmahnung liefe daher ohnehin ins Leere (BAG-Urteil vom 18. 5. 1994, DB 1995 S. 532).

Seite 58 Die Abmahnung ±»gelbe Karte«des Arbeitsrechts Was gilt im Fall der KuÈ ndigung? BEISPIEL Aussichtslosigkeit der Abmahnung Sie haben Ihren Vorgesetzten gegenuè ber deutlich gemacht, dass Sie Ihr Verhalten nach wie vor richtig finden und es uè berhaupt nicht einsehen, sich irgendwie anders zu verhalten. Wenn Sie dies nicht nur so dahinsagen und tatsaèchlich damit zu rechnen ist, dass Sie sich nicht anders besinnen, ist die Abmahnung von Anfang an vergebens ± und damit uèberfluèssig. Zwischen dem geltend gemachten KuÈ ndigungsgrund und der notwendigen Abmahnung muss ein innerer Zusammenhang bestehen (BAG-Urteil vom 30. 9. 1993, NZA 1994 S. 209). Dies wird dann wichtig, wenn zwar eine Abmahnung ausgesprochen wurde, in der KuÈ ndigung nun aber anscheinend ein anderer Grund angegeben wird. Dessen ungeachtet faèllt der Grund der ersten Abmahnung als KuÈ ndigungsgrund weg. BEISPIEL Zusammenhangsfrage Sie kommen zu spaèt, verlassen vorzeitig Ihren Arbeitsplatz und fehlen unentschuldigt. Hier ist der innere Zusammenhang zwischen diesen»zeitdelikten«gegeben. Hingegen fehlt der innere Zusammenhang, wenn Sie zwar wegen ZuspaÈtkommens abgemahnt wurden, Ihnen nun aber aufgrund mehrfacher, fahrlaèssig schlechter Arbeitsergebnisse gekuè ndigt werden soll. Behauptet der Arbeitgeber, dass beides zusammenhaèngt (z. B. wegen Ihres angeblichen unsteten Lebenswandels), so muss er dies beweisen. Aber selbst Abmahnungen wegen nicht gleichartigen Fehlverhaltens sind bedeutend. Sie werden im Rahmen der abschlieûenden InteressenabwaÈgung beruè cksichtigt, wenn ± wie bei jeder KuÈndigung ± gepruè ft wird, ob die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des ArbeitsverhaÈltnisses oder die des Arbeitnehmers an der Fortsetzung uè berwiegen. Liegen bereits mehrere verschiedenartige Abmahnungen vor, kann dies dazu fuèhren,dass fuèr die KuÈ ndigung eine zweite oder dritte einschlaègige Abmahnung nicht verlangt wird. Da eine Abmahnung mit Zeitablauf an Wirkung verliert, sind selbst bei mittleren PflichtverstoÈûen zwei bis drei Abmahnungen zur Vorbereitung einer KuÈndigungnoÈ tig. Dies sollte natuè rlich nicht als»gelber Bereich«definiert werden, innerhalb dessen man sich noch sicher fuèhlenkann.jenachdem, welches Verhalten zur Diskussion steht, kann auch eine raschere KuÈndigung die Folge sein.