Faktenpapier Strompreise in Deutschland



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Hermann Gottschalk Abitur in Nürnberg. Studium Physik/BWL FAU Erlangen-Nürnberg. Abschluss 1995 Diplom-Physiker. Geschäftsführer der OSTC GmbH

Transkript:

Faktenpapier Strompreise in Deutschland Bestandteile Entwicklungen Strategien IHK-Jahresthema 2012 energie und rohstoffe für morgen Deutscher Industrie- und Handelskammertag

Berlin, im Oktober 2012 Ansprechpartner: Dr. Sebastian Bolay, bolay.sebastian@dihk.de, 030/20308-2202 Corinna Grajetzky, grajetzky.corinna@dihk.de, 0032 2 286-1635 Dr. Hermann Hüwels, huewels.hermann@dihk.de, 030/20308-2200 Dr. Susanne Lechner, lechner.susanne@dihk.de, 0032 2 286-1661

INHALTSVERZEICHNIS 1 STROMVERBRAUCH UND STROMEINSATZ IN DEUTSCHLAND 2 2 STROMPREISBESTANDTEILE UND SONDERREGELUNGEN 4 2.1 GRÜNDE FÜR UNTERSCHIEDLICHE INDUSTRIESTROMPREISE 5 2.2 ERZEUGUNG: PREISBILDUNG AN DER STROMBÖRSE EEX 6 2.3 NETZENTGELTE 9 2.4 19-UMLAGE (NETZENTEGELTREDUZIERUNG UND -BEFREIUNG) 12 2.5 UMLAGE HAFTUNGSREGELUNG OFFSHORE-WINDPARKS 14 2.6 STROMSTEUER 14 2.7 KONZESSIONSABGABE 16 2.8 KWK-AUFSCHLAG 17 2.9 EEG-UMLAGE 18 3 KOSTENBELASTUNG DURCH STEUERN, STAATLICHE ABGABEN UND KLIMASCHUTZINSTRUMENTE 22 4 STROMPREISE IN EUROPA UND WETTBEWERBSFÄHIGKEIT DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT 25 5 WAS SOLLTE DER STAAT TUN? 28 6 WAS KÖNNEN UNTERNEHMEN TUN? 30 1

1 Stromverbrauch und Stromeinsatz in Deutschland Die Debatte über steigende Strompreise ist in vollem Gange. Beinahe täglich wird in der Presse über verkündete oder zu erwartende Preiserhöhungen berichtet. Das verunsichert die Wirtschaft, die auf eine bezahlbare Stromrechnung angewiesen ist. Jede Strompreiserhöhung ist für Unternehmen Anlass, sich die einzelnen Positionen der Stromrechnung genauer anzusehen. Worin liegen die Ursachen für Preissteigerungen? Wie wird sich der Strompreis weiter entwickeln? Was kann die Politik tun, um die Strompreise zu senken oder zumindest ihre Steigerung zu dämpfen? Und: Was können Unternehmen selbst tun, um die Stromrechnung zu senken? Das ist eine Auswahl an Fragen, die sich unmittelbar stellen. Mit dem Faktenpapier Strompreise in Deutschland wollen wir Antworten auf diese Fragen geben und im Rahmen des Möglichen für mehr Transparenz in der Strompreisdebatte sorgen. Abbildung 1: Stromverbrauch nach Sektoren Quelle: Eigene Darstellung, Zahlen AG Energiebilanzen Was häufig nicht bekannt ist: Die gewerbliche Wirtschaft ist mit fast 70 % Anteil größter Stromabnehmer in Deutschland allein 42 % des Verbrauchs entfällt auf die Industrie. Um Metalle zu schmelzen, Stahl zu kochen oder Autos zu fertigen, werden große Mengen an Energie und insbesondere an Strom benötigt. Industrielle Prozesse, aber auch Dienstleistungen vom Rechenzentrum bis zum Hotel sind ohne den Einsatz von Strom schlicht nicht möglich. Muss mehr Geld für die Bezahlung der Stromrechnung ausgegeben werden, fehlt dies an anderer Stelle für Investitionen. Steigende Strompreise haben daher direkte negative Auswirkungen auf die Unternehmen und damit auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. 2

Bislang wird die deutsche Energieversorgung mit ihrem hohen Qualitätsniveau als Standortvorteil Deutschlands eingestuft. 1 Mit der Energiewende sehen aber zwei von drei Unternehmen größere Probleme mit der Versorgungssicherheit auf sich zukommen. Fast alle Industriebetriebe und viele andere Branchen befürchten zudem, dass steigende Strompreise dauerhaft der unerwünschte Begleiter der Energiewende sein werden. 2 Bereits kleine Steigerungen können stromintensive Unternehmen dazu veranlassen, die Fortsetzung der Produktion am Standort Deutschland zu hinterfragen. 1 DIHK Sonderumfrage Industrie vom August 2011. Abrufbar unter: http://www.dihk.de/branchen/industrie/sonderumfrage-industrie 2 IHK-Unternehmensbarometer Energie und Rohstoffe für morgen vom Januar 2012. Abrufbar unter: http://www.dihk.de/presse/meldungen/2012-01-18-unternehmensbarometer 3

2 Strompreisbestandteile und Sonderregelungen Die staatlich verursachten Belastungen des Strompreises sind in den letzten Jahren explodiert: Sie stiegen in der Summe von kaum nennenswerten 0,19 Cent/kWh im Jahr 1998 auf aktuell 5,35 Cent/kWh. Das entspricht einem Anstieg um den Faktor 28. Die durchschnittlichen Industriestrompreise stiegen in diesem Zeitraum um knapp die Hälfte von 9,34 auf 13,87 Cent/kWh und damit ungefähr um den Betrag der staatlich verursachten Zusatzbelastungen. Für Erzeugung, Transport und Vertrieb von Strom selbst zahlen wir etwa die gleichen Preise wie 1999. Abbildung 2: Durchschnittliche Strompreise für die Industrie in Cent/kWh** Gegenüber dem Vorjahr sind die Strompreise für die Industrie sogar zurückgegangen. Nach einer Berechnung des Bundesverbandes der Energieabnehmer (VEA) liegen sie zum Stichtag 1. Juli 2012 um 4,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Dies hängt insbesondere mit gesunkenen Preisen an der Strombörse EEX zusammen, die infolge gesunkener Stromnachfrage seit längerem wieder unter dem Niveau von vor dem Reaktorunfall in Fukushima liegen. Nach der Verkündigung des Moratoriums und der sofortigen Abschaltung der älteren Kernkraftwerke im März 2011 hatten die Preise kurzfristig deutlich angezogen. Dieser Anstieg war im Herbst 2011 bereits wieder abgebaut. Seit dem Jahr 2009 sind die Börsenstrompreise mit Ausnahme des Fukushima-Effekts damit im Wesentlichen stabil geblieben. 4

Die für die Verbraucher entspannte Lage an den Strombörsen wird jedoch vorwiegend durch die EEG-Umlage 3 konterkariert. Abbildung 3: Strompreisentwicklung an der EEX Quelle: EEX.com 2.1 Gründe für unterschiedliche Industriestrompreise Einen einheitlichen Industriestrompreis in Deutschland gibt es nicht, vielmehr müssen immer Einzelfälle betrachtet werden: Während die Durchschnittspreise im Rhein-Main-Neckar- Gebiet bei 11,23 Cent/kWh liegen, bezahlen Industriekunden in Westmecklenburg im Schnitt 14,04 Cent. Die Spreizung liegt an vielen Faktoren: Ein entscheidender Grund ist, dass im Nordosten auch deshalb erheblich in die Stromnetze investiert wurde, weil eine wachsende Zahl erneuerbarer Energienanlagen angeschlossen werden musste. Diese Kosten werden lokal umgelegt. 4 Dies gilt ebenso für Kosten von Redispatch-Maßnahmen 5, auch wenn diese in anderen Regelzonen 6 vorgenommen werden, um das Übertragungsnetz zu stabilisieren. 3 Die EEG-Umlage (EEG = Erneuerbare-Energien-Gesetz) enthält alle Kosten, die sich für die Stromkunden aus dem EEG ergeben. Sie dient vorwiegend dazu, den Vergütungsanspruch regenerativer Anlagenbetreiber zu begleichen. 4 Näheres auf Seite 9. 5 Laut Deutscher Energieagentur ist Redispatch ein präventiver oder kurativer Eingriff des Übertragungsnetzbetreibers in die Fahrpläne von Kraftwerken, um kurzfristig auftretende Engpässe zu vermeiden oder zu beseitigen. 6 Eine Regelzone ist ein Gebiet, in dem der jeweilige Übertragungsnetzbetreiber für die Systemstabilität verantwortlich ist. Deutschland ist in vier Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW unterteilt. 5

Die Strompreise für die Industrie unterscheiden sich aber nicht nur zwischen den Verteilnetzgebieten, sondern auch innerhalb der jeweiligen Gebiete deutlich. Dort hängt der Preis von Strombezugsmenge, Benutzungsdauer, Spannungsebene und Inanspruchnahme von Ausnahme- und Sonderregeln ab. Es gilt die Faustregel: Je höher die Bezugsmenge, die Spannungsebene und die Benutzungsdauer und je geringer die Bezugsspitzen (Peaks) sind, desto günstiger ist die einzelne kwh. Die Preisspanne bewegt sich aktuell sich zwischen 10,1 und 16,8 Cent/kWh. Mit Sonder- und Ausnahmeregeln wächst die Spreizung weiter. Abbildung 4: Gründe für unterschiedliche Strompreise in der Industrie Gründe für unterschiedliche Strompreise Unternehmensbezogene Gründe Bezugsmenge/Marktmacht Benutzungsstunden Bezugsspitze(n) Spannungsebene Sonder- und Ausnahmeregelungen Standortbezogene Gründe Übertragungsnetzgebiete mit unterschiedlichen Kosten z.b. für EE-Anschlüsse Verteilnetzgebiete mit unterschiedlichen Kosten z.b. für EE-Anschlüsse Redispatch-Kosten Der deutsche Strompreis setzt sich derzeit aus sieben Komponenten zusammen: Erzeugung und Vertrieb Netzentgelte 19-Umlage Stromsteuer Konzessionsabgabe KWK-Aufschlag und EEG-Umlage. Dazu kommt wahrscheinlich künftig als neuer Bestandteil eine Umlage für die Haftungsregelung zum Anschluss der Offshore-Windparks. Die Preisbestandteile werden nachfolgend im Detail betrachtet. 2.2 Erzeugung: Preisbildung an der Strombörse EEX Seit zehn Jahren hat sich die Leipziger Strombörse EEX als Marktplatz für den Stromhandel etabliert. Der dort gebildete Strompreis hat auch wesentlichen Einfluss auf nicht an der Börse gehandelte Terminkontrakte, daher ist die Börse im weiteren Umfang preissetzend. Im Stromnetz müssen Angebot und Nachfrage zu jeder Sekunde ausgeglichen sein, damit das 6

Netz stabil bleibt. Welche Kraftwerke ihren Strom verkaufen können, bestimmt sich nach ihren Grenzkosten, d. h. billige Kraftwerke werden zuerst nachgefragt (sog. Merit Order). Die Preisbildung beruht auf den Grenzkosten 7 des letzten Kraftwerks (sog. Grenzkraftwerk), das den Preis für alle anderen Kraftwerke setzt. Die Grenzkosten werden im Wesentlichen von den Brennstoffkosten des teuersten erforderlichen Kraftwerks und seinen Kosten für CO 2 - Zertifikate bestimmt. Steigen bei fossilen Kraftwerken die Kosten für die Rohstoffe, schlägt sich dies in höheren Strompreisen nieder, weil teurer erzeugt werden muss. Dieser Effekt war 2008 mit den Rekordpreisen beim Öl zu beobachten, wenn das Grenzkraftwerk mit Öl befeuert wurde. Dabei ist zu beachten, dass es schon länger eine europäische Merit Order gibt. Grund ist die sog. Marktkopplung (Market Coupling) 8. Dadurch werden Preisunterschiede zwischen den Börsen minimiert. Beteiligt sind am Market Coupling neben Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten auch Schweden, Norwegen und Dänemark. Hohe Strompreise können auch ein Knappheitssignal sein: Liefern Kraftwerke mit hohen Erzeugungskosten Strom, sind in der Merit Order nur noch wenige verfügbare Kraftwerke vorhanden, die bei steigender Nachfrage mit der Stromerzeugung beginnen könnten. Niedrige Preise deuten auf eine entspannte Lage hin. Die Grundsätze der Preisbildung werden aber zunehmend durch die erneuerbaren Energien beeinflusst, wie die Abbildung auf der nächsten Seite zeigt. Erneuerbare Energien kommen durch den gesetzlich eingeräumten Einspeisevorrang bei der Versorgung immer zuerst zum Zuge. Die Vergütung der erneuerbaren Energien ist gesetzlich festgelegt und wird außerhalb der Börse gezahlt. Durch die gesetzliche Pflicht, die vorrangig eingespeiste Menge an der Strombörse anzubieten, werden die teuersten konventionellen Kraftwerke aus dem Markt gedrängt. Der sich bildende Strompreis orientiert sich an den Grenzkosten preiswerter produzierender Kraftwerke. Aufgrund dieses Merit-Order-Effekts der erneuerbaren Energien ist bei steigenden Mengen erneuerbarer Energien von weiter sinkenden Börsenstrompreisen auszugehen. Die erneuerbaren Energien hatten so nach Angaben des BMU bereits 2011 eine den Börsenpreis senkende Wirkung von 0,87 Cent/kWh. 9 In den kommenden Jahren dürfte dieser Effekt weiter steigen. Besonders deutlich wird dies zur Mittagszeit, traditionell die Zeit mit der höchsten Nachfrage und damit folgerichtig eigentlich auch die Zeit der höchsten Preise. Durch den Ausbau der Solarenergie liegen die 7 Die Grenzkosten (auch Marginalkosten) sind in der Betriebswirtschaftslehre und der Mikroökonomik die Kosten, die durch die Produktion einer zusätzlichen Einheit eines Produktes entstehen (Quelle: Wikipedia). 8 Market Coupling nutzt sog. implizite Auktionen, bei denen Marktteilnehmer nicht direkt grenzüberschreitende Kapazitäten zugeteilt bekommen, sondern indem sie Gebote für Strom auf ihrer Börse abgeben. Die Börsen nutzen anschließend die an den Grenzstellen verfügbare Kapazität, um Preisunterschiede zwischen zwei oder mehr Marktgebieten zu minimalisieren. (Quelle: EPEX Spot). 9 BMU 2012: Erneuerbare Energien in Zahlen. Nationale und internationale Entwicklungen. http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/broschuere_ee_zahlen_bf.pdf 7

Strompreise bei starker Sonne über Deutschland mittags immer häufiger auf dem niedrigsten Niveau des Tages, trotz weiter bestehender hoher Nachfrage. Abbildung 5: Preisbildung an der Strombörse Grenzkosten / /MWh Durchschnittliche Höhe der Einspeisevergütung EEG Marktpreis Deckungsbeitrag Nachfrage Erneuerbare Kernkraft, Braunkohle Steinkohle, Gas Pumpspeicher, Öl Nachfrage kwh Quelle: DIHK. Grundlast Mittellast Spitzenlast Beispiel: Am 14. September 2012 trafen zur Mittagszeit heftiger Wind und starke Sonne in Deutschland zusammen. Insgesamt lieferten Wind und Sonne mit etwa 32 GW knapp die Hälfte des verbrauchten Stroms. Entsprechend rutschten die Preise in den Keller. Am Spotmarkt kostete um 14 Uhr die Megawattstunde 14,44. An normalen Tagen liegt der Preis zwischen 50 und 70. Was den Börsenpreis senkt, erhöht allerdings die EEG-Umlage, denn zum einen steigt die Menge des mit fester Einspeisevergütung versehenen Stroms aus Wind und Sonne. Zudem erhöht sich bei niedrigem Börsenpreis die Differenz zwischen der festen Einspeisevergütung und dem Erlös, die wiederum Grundlage der EEG-Umlage ist. 8

2.3 Netzentgelte Netzentgelte unterliegen der Regulierung also der Kontrolle durch die Bundesnetzagentur bzw. durch Landesregulierungsbehörden und können daher nicht von den Netzbetreibern frei festgesetzt werden. Die Entgelte sind in den letzten Jahren für alle Kundengruppen stabil geblieben, die Regulierung wirkt. Industriekunden mit ermäßigtem Stromsteuersatz zahlten am 1. April 2011 1,46 Cent/kWh für die Nutzung der Stromnetzinfrastruktur. Die Höhe der Netzentgelte hängt insbesondere davon ab, an welcher Spannungsebene ein Betrieb angeschlossen ist. Von Höchstspannung spricht man bei 220 bis 380 kv. Netze dieser Spannungsebene werden als Übertragungsnetze bezeichnet. In den Spannungsebenen darunter befinden sich die Verteilnetze, die sich in Hoch (110 kv), Mittel- (20 kv) und Niederspannung (0,2 bis 0,4 kv) untergliedern. Abbildung 6: Spannungsebenen des Stromnetzes Quelle: http://www.n-ergie-netz.de/n-ergie-netz/dem-strom-auf-der-spur-6114.html. Ist ein Unternehmen an der Hochspannung angeschlossen, entstehen Netzentgelte nur für dieses und das Höchstspannungsnetz. Für die nachgelagerten und damit nicht genutzten Mittel- und Niederspannungsnetze müssen keine Entgelte bezahlt werden. Selbst erzeugter und genutzter Strom ist von Netzentgelten vollständig befreit, sofern er nicht durch öffentliche Netze gespeist wird. 9

Abbildung 7: Entwicklung der durchschnittlichen mengengewichteten Netzentgelte in Deutschland 10 Quelle: Bundesnetzagentur. Die regionalen Unterschiede bei den Netzentgelten sind teilweise deutlich: So mussten an die Mittelspannung angeschlossene Industriebetriebe in Ostdeutschland mit 2.500 Benutzungsstunden nach Angaben des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz durchschnittlich 1,69 Cent/kWh mehr für die Netznutzung bezahlen als vergleichbare Unternehmen in Westdeutschland. Das hängt zum einen mit der geringeren Bevölkerungsdichte zusammen, ins Gewicht fällt zum anderen aber auch der in Ostdeutschland überproportional starke Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese werden fast ausschließlich in die Verteilnetze eingespeist (Ausnahme Offshore-Windparks). Die Kosten hierfür verbleiben nach den geltenden Bestimmungen im Verteilnetzgebiet und werden anders als die Vergütungszahlungen für Erneuerbare-Energien-Anlagen nicht bundesweit umgelegt. Ebenfalls nicht bundesweit umgelegt werden Kosten für sog Redispatch-Maßnahmen. Müssen konventionelle Kraftwerke ungeplant wegen hoher EE-Einspeisung ihre Leistung drosseln, erhalten sie eine Vergütung für entgangene Einnahmen. Solche Maßnahmen sind vor allem in den Netzgebieten von TenneT und 50Hertz notwendig und belasten dort die Netzentgelte. Die Zeiten sinkender bzw. stabiler Netzentgelte sind nach Einschätzung der Bundesnetzagentur zu Ende. Sie geht davon aus, dass die Netzentgelte für Industriekunden im Jahr 2012 bereits um 5,7 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Grund dafür sind u. a. besse- 10 Unterschiedliche Netzentgelte zwischen den Gruppen ergeben sich aus den verschiedenen Spannungsebenen. 10

re Investitionsbedingungen für Netzbetreiber 11, der Wegfall preisdämpfender Sondereffekte 12 sowie die Einrichtung der Kaltreserve 13, die über die Netzentgelte abgerechnet wird. Dazu kommt der zunehmende Aufwand für den notwendigen Netzausbau veranlasst durch die Energiewende. Die Bundesnetzagentur rechnet mit einem anhaltenden Anstieg der Netzentgelte für den Zeitraum bis 2020. Er ist im Wesentlichen auf den mit der Energiewende notwendigen Netzausbau für Übertragungs- und Verteilnetze sowie den Anschluss der Offshore-Windparks zurückzuführen. Allein für den Übertragungsnetzausbau nach dem Netzentwicklungsplan Strom 2012 werden in den kommenden Jahren Kosten von rund 20 Mrd. Euro entstehen. Die Behörde geht daher von einem Anstieg der Netzentgelte für die Industrie in Höhe von 34 bis 54 % bis 2020 aus. Sie weist zudem darauf hin, dass der Anstieg in den vier Regelzonen jeweils deutlich von diesen Werten abweichen kann. 14 Die Netzentgelte könnten noch mit weiteren Kosten belastet werden: Der flächendeckende Einsatz von Intelligenten Zählern (Smart Metern) 15 würde Milliarden kosten. Auch der Aufwand für eine Vergütung abschaltbarer Kapazitäten in der Industrie, wie sie gerade diskutiert wird, würde auf die Netzentgelte umgelegt. 16 11 z. B. Wegfall des Zeitverzugs in der Anreizregulierung 12 z. B. Ende der Mehrerlösabschöpfung 13 Die Kaltreserve umfasst Kraftwerke, die dem Erzeugungsmarkt nicht zur Verfügung stehen und nur bei Kapazitätsengpässen im Winter zum Einsatz kommen. Sie wurde im Sommer 2011 eingerichtet, um den Wegfall der Kernkraftkapazitäten nach dem Moratorium für die kommenden Winter zu kompensieren. 14 https://fragdenstaat.de/files/foi/1583/86.%20sitzung%20-%20netzentgelte%20strom.pdf 15 Nach 21 d des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist ein Smart Meter eine in ein Kommunikationsnetz eingebundene Messeinrichtung zur Erfassung elektrischer Energie, die den tatsächlichen Energieverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegelt. 16 Können Industriebetriebe innerhalb bestimmter Fristen ihre Bezugsmenge aus dem öffentlichen Netz um eine bestimmte Menge mindern, sollen sie nach den Plänen der Bundesregierung eine feste Vergütung erhalten. Dazu soll bei Inanspruchnahme des Senkungspotenzials noch ein Arbeitspreis kommen. 11

2.4 19-Umlage (Netzentegeltreduzierung und -befreiung) Bereits seit 2011 besteht für Unternehmen die Möglichkeit, ihre Netznutzungsentgelte um bis zu 80 % zu reduzieren. Dafür müssen sie oder der zuständige Netzbetreiber bei der Bundesnetzagentur einen Antrag stellen. Sie müssen nachweisen, dass ihre spezifische Jahreshöchstlast vorhersehbar erheblich von der Jahreshöchstlast des Netzbetreibers abweicht ( 19 Absatz 2 Satz 1 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV)). Die Netzbetreiber veröffentlichen dafür sog. Hochlastfenster. Schwellenwerte für die relevante Leistungsdifferenz sind: bei Niederspannung: 30 % bei Mittelspannung: 20 % bei Hochspannung: 10 % Abbildung 8: Beispiel für Netzentgeltreduzierung Quelle: Andreas Seeger, ISPEX AG. Vortrag bei der IHK Berlin am 6. September 2012 zum Thema EEG-Umlage und Netzentgelte Hintergrund der Regelung ist, dass durch die Abweichung der individuellen Höchstlast von der Höchstlast im Netz ein entlastender Effekt eintritt (sog. atypische Netznutzung). D. h., das Netz muss auf eine geringere Höchstlast ausgelegt werden. Berechnet wird die Differenz zwischen der maximalen Leistung und der maximalen Leistung im Hochlastfenster des Netzbetreibers. 12

Im dargestellten Beispiel in Abbildung 8 beträgt die Höchstlast des Unternehmens 336 kw und wird gegen 13 Uhr erreicht. Sie befindet sich damit außerhalb des Hochlastfensters des Netzbetreibers, das sich zwischen 16 und 20 Uhr ergibt. Die maximale Last in diesem Fenster beträgt 152 kw, so dass sich eine Differenz von 184 kw besteht. Aus dieser Differenz ergibt sich dann das reduzierte Netzentgelt. Im Zuge der Beschlüsse zur beschleunigten Energiewende wurde zusätzlich die Möglichkeit eingeführt, dass Unternehmen vollständig von den Netzentgelten befreit werden. Voraussetzung ist, dass an einer Abnahmestelle 17 die Benutzungsstundenzahl 18 von 7.000 Stunden erreicht und die Abnahmemenge von 10 GWh überschritten wird ( 19 Absatz 2 Satz 2 StromNEV) 19. Nach ersten Angaben der Bundesnetzagentur werden rund 200 Unternehmen von den Netzentgelten befreit, dazu kommen noch Anträge, die von den Landesregulierungsbehörden beschieden werden. Für 2012 hatten die Übertragungsnetzbetreiber aufgrund der beiden Regelungen zur Netzentgeltbefreiung und atypischen Netznutzung mit entgangenen Einnahmen von 440 Millionen Euro kalkuliert. Aufgrund der überraschend hohen Zahl an Befreiungsanträgen ist davon auszugehen, dass der Betrag 2013 höher ausfällt und wahrscheinlich ein Nachholbetrag aus 2012 fällig wird. Die entgangenen Einnahmen werden per Umlage auf die sonstigen Stromverbraucher in Wirtschaft und Haushalten nach folgendem Schema umgelegt. Abbildung 9: Belastungen aus der 19-Umlage Bis 100.000 kwh je Abnahmestelle Über 100.000 kwh Über 100.000 kwh für produzierendes Gewerbe mit Stromkosten größer 4 % des Umsatz Umlage 2012 0,151 Cent/kWh 0,05 Cent/kWh 0,025 Cent/kWh Die Beträge werden wegen der dargestellten kostensteigernden Effekte 2013 höher ausfallen. Die Energieversorger badenova und EWS Schönau haben gegen 19 Absatz 2 Satz 2 17 41 Abs. 4 EEG 2012 definiert eine Abnahmestelle als Summe aller räumlich und physikalisch zusammenhängenden elektrischen Einrichtungen eines Unternehmens, die sich auf einem in sich abgeschlossenen Betriebsgelände befinden und über eine oder mehrere Entnahmepunkte mit dem Netz des Netzbetreibers verbunden sind. 18 Benutzungsstunden sind ein Maß dafür, wie gleichmäßig ein Stromnetz von einem Abnehmer beansprucht wird. Sie setzt sich zusammen aus der Jahresabnahmemenge im Verhältnis zur Bezugsspitze. Je höher die Benutzungsstundenzahl, desto gleichmäßiger wird ein Netz genutzt und desto weniger durch Bezugsspitzen belastet. 19 Leitfaden der Bundesnetzagentur zu 19 StromNEV abrufbar unter http://www.bundesnetzagentur.de/cae/servlet/contentblob/161170/publicationfile/8931/leitfaden_a b2011.pdf 13

Klage vor dem OLG Düsseldorf eingereicht. Das Gericht hat inzwischen die Europäische Kommission um Stellungnahme gebeten, ob diese Regelung gegen EU-Beihilferecht verstößt. Zudem ist eine Beschwerde bei der Kommission anhängig. Diese hat zwar bislang noch kein offizielles Verfahren eingeleitet, Deutschland aber bereits um Stellungnahme gebeten. Diesem Ersuchen ist die Bundesregierung im Juni 2012 nachgekommen. 2.5 Umlage Haftungsregelung Offshore-Windparks Der Ausbau der Windparks auf dem Meer (Offshore) ist bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Ein wesentliches Hemmnis für Investoren sind Haftungsrisiken für den Netzbetreiber, wenn ein Windpark errichtet, der Netzanschluss aber noch nicht hergestellt ist. Zudem besteht bei der Offshore-Windnutzung fernab der Küste ein gesteigertes Risiko der Unterbrechung des Stromtransports, gegen das der Netzbetreiber sich nicht versichern kann. Um dieses Problem zu lösen, hat die Bundesregierung Ende August vorgeschlagen, das Risiko weitgehend auf die Verbraucher zu wälzen. Netzbetreiber sollen nur bei Vorsatz vollständig haften, bei Fahrlässigkeit soll der Verbraucher (teilweise) einspringen. Im Kabinettsbeschluss ist die Einführung einer neuen Umlage auf den Strompreis vorgesehen. Sie soll maximal 0,25 Cent/kWh für den Verbrauch bis 1 GWh betragen, 0,05 Cent für den Verbrauch darüber. Das Belastungsvolumen für die Stromkunden beträgt bei maximaler Ausschöpfung rund 700 Mio. Euro. Reicht die Summe nicht, um die Haftungsansprüche eines Jahres zu befriedigen, wird der Fehlbetrag auf die kommenden Jahre fortgeschrieben. Die Bundesregierung geht bereits jetzt von einem realisierten und deshalb umzulegenden Risiko von 1 Mrd. Euro aus, so dass von einer vollständigen Ausschöpfung der Umlage ausgegangen werden muss, wenn sie, wie von der Bundesregierung geplant, kommt. Die Zustimmung des Bundestages steht noch aus. Es ist im Augenblick davon auszugehen, dass die Regelung spätestens bis Jahresende 2012 in Kraft tritt. 2.6 Stromsteuer Zum 1. April 1999 trat das Stromsteuergesetz in Kraft, das dem Bund 2012 Einnahmen von rund sieben Mrd. Euro beschert. 90 % der Einnahmen fließen in die Rentenkasse, um die Beiträge zu senken. Jede kwh ist dafür derzeit mit einem Regelsteuersatz von 2,05 Cent belegt. 14

Für Unternehmen des produzierenden Gewerbes ist der Steuersatz um ein Viertel ermäßigt, der Satz liegt aktuell bei 1,537 Cent/kWh 20. Dies gilt allerdings nur, wenn die Entlastung den Betrag von 250 Euro im Jahr übersteigt (Volumen 2012 knapp 600 Mio. Euro). Etwa 1.000 Unternehmen sind für bestimmte Prozesse wie Metallerzeugung, aber auch z. B. den Betrieb von Oberleitungsbussen, ganz von der Stromsteuer ausgenommen (Volumen 2012 rund 1,1 Mrd. Euro). Energieintensive Unternehmen können den sog. Spitzenausgleich in Anspruch nehmen. Davon machen nach Angaben der Bundesregierung momentan rund 25.000 Unternehmen Gebrauch. Die Unternehmen vermeiden dadurch 2012 2,1 Milliarden Euro an Belastungen. Der Spitzenausgleich berechnet sich nach folgender Formel: Erstatteter Betrag = (Volle Stromsteuer (Rentenversicherungsbeiträge Arbeitgeber Höhe 20,3 % - Rentenversicherungsbeiträge Arbeitgeber Höhe 19,5 % - Sockelbetrag von 512,50 Euro)) * 0,9 Die an sich zu zahlende Stromsteuer wird um die um Entlastungen beim Arbeitgeberanteil der Rentenversicherung (RV) aufgrund der Ökologischen Steuerreform vermindert. Für die Berechnung werden die aktuellen Rentenversicherungsbeitragszahlungen des Arbeitgebers, aber maximal 19,5 % (RV-Beitragssatz im Jahr 2007) ins Verhältnis gesetzt zu den Zahlungen vor Einführung der Ökosteuer (RV-Beitragssatz vor Einführung der Ökosteuer: 20,3 %); die Differenz aus beiden zuzüglich eines Selbstbehalts/Sockelbetrags von 512,50 Euro wird von der Steuerzahlung abgezogen, der Rest wird zu 90 % erstattet. 21 Die Stromsteuer wird bei Befreiungen und Ermäßigungen grundsätzlich erst im Nachhinein erstattet, muss also beim Lieferer erst einmal in vollem Umfang gezahlt werden ( Antragsverfahren ). Die geltende Regelung für den Spitzenausgleich läuft zum 31.12.2012 aus. Die Nachfolgeregelung bis 2022 befindet sich gerade im parlamentarischen Verfahren. Ein Entlastungsvolumen von ca. 2,3 Mrd. Euro jährlich soll beibehalten werden. Für die Unternehmen wird die Inanspruchnahme des Spitzenausgleichs aber an weitergehende Voraussetzungen geknüpft: Nach derzeitigem Stand müssen sie für 2013 und 2014 nachweisen, dass mit der Einführung eines Energie- bzw. Umweltmanagementsystems begonnen wurde. 2015 muss die Einführung abgeschlossen sein. Ab 2015 muss die Gesamtheit aller produzierenden Unternehmen 20 Diese Regelung gilt auch für die Land- und Forstwirtschaft, Teichwirtschaft und Behindertenwerkstätten. 21 Die genaue Stromsteuer kann mithilfe des Energie- und Stromsteuer-Berechnungstools der IHK Lippe berechnet werden: http://www.detmold.ihk.de/de/innovation-und-umwelt/energie/energie-undstromsteuer/150/211 15

dann einen Zielwert für die Verringerung der Energieintensität von 1,3 % gegenüber dem Durchschnittswert der Jahre 2007 bis 2012 nachweisen. Ermittelt werden soll dies von zwei unabhängigen Instituten auf Datenbasis des statistischen Bundesamtes. Abbildung 10: Steuermindereinnahmen bei der Strom- und Energiesteuer Quelle: Subventionsbericht der Bundesregierung: http://www.bundesfinanzministerium.de/content/de/standardartikel/themen/oeffentliche_finanzen/subventionspolitik/23- subventionsbericht-der-bundesregierung.html Den Steuermindereinnahmen in Höhe von rund 4,5 Mrd. Euro steht ein Aufkommen von rund 47 Mrd. Euro für die Strom- und Energiesteuern gegenüber. 2.7 Konzessionsabgabe Das Konzessionsrecht hat seine Wurzel in der kommunalen Selbstverwaltung. Jede Gemeinde hat das Recht, für die Nutzung der Wege in ihrem Gemeindegebiet zum Betrieb von Strom-, Gas-, Fernwärme und Wassernetzen eine sog. Konzessionsabgabe zu erheben. Die Konzessionsabgabenverordnung legt fest: Bei Sondervertragskunden 22, wozu die Industriebetriebe zählen, darf die Konzessionsabgabe Strom 0,11 Cent/kWh nicht übersteigen. 22 Sondervertragskunden sind nach Definition der Konzessionsabgabenverordnung (KAV) Kunden, die nicht Tarifkunden sind. Zur Unterscheidung der beiden Gruppen s. http://www.bdew.de/internet.nsf/id/c125783000558c9fc12577df00418462/$file/leitfaden.pdf 16

Daneben gibt es einen Grenzpreis für die Zahlung von Konzessionsabgaben Strom, den das Statistische Bundesamt errechnet. Er liegt 2012 bei 10,66 Cent/kWh. Maßgeblich ist der Durchschnittserlös für das Jahr 2010 für alle Sondervertragskunden in Deutschland. Liegt der Strombezugspreis eines Unternehmens inklusive EEG-Umlage, KWK-Aufschlag und Stromsteuer unter diesem Wert, muss keine Konzessionsabgabe gezahlt werden. Für Tarifkunden beträgt die Konzessionsabgabe zwischen 1,32 und 2,39 Cent/kWh abhängig von der Einwohnerzahl der Kommune. Die Konzessionsabgabe wird als Aufschlag auf die Verteilnetzgebühr erhoben und vom Verteilnetzbetreiber an die Kommunen abgeführt. 2.8 KWK-Aufschlag Mit der Liberalisierung des Strommarkts geriet die Stromerzeugung aus Kraft-Wärme- Kopplungs-Anlagen (KWK), weil nicht wettbewerbsfähig, unter Druck. Daher hat der Gesetzgeber nach der Jahrtausendwende eine gesetzliche Vergütung (KWK-Zuschlag) eingeführt, der wiederum über eine KWK-Umlage auf die Stromverbraucher verteilt wird. Zu ihren Hochzeiten erreichte die KWK-Umlage einen Wert von 0,341 Cent/kWh, spielt momentan vor allem im Vergleich zur EEG-Umlage aber nur eine marginale Rolle. Abbildung 11: Entwicklung des KWK-Aufschlags Quelle: Eigene Darstellung. Zahlen von eeg-kwk.net 17

Für 2012 wurde von den Übertragungsnetzbetreibern ein Wert für die KWK-Umlage von 0,064 Cent/kWh berechnet. Da 2009 der Aufschlag um 0,062 Cent/kWh zu hoch war, ergibt sich ein tatsächlicher Wert für die ersten 100.000 kwh von 0,002 Cent. Für den Anteil darüber liegt der Aufschlag bei 0,05 Cent und für produzierende Unternehmen mit einem Anteil der Stromkosten von über 4 % bei 0,025 Cent. Zum 1. Januar 2013 tritt eine Novelle des KWK-Gesetzes in Kraft, die den Aufschlag vermutlich deutlich ansteigen lässt. Durch den Förderdeckel von 750 Millionen Euro im Jahr ist der Anstieg allerdings auf ca. 0,3 Cent/kWh begrenzt. 2.9 EEG-Umlage Die EEG-Umlage wurde im Jahr 2000 mit dem Start des Erneuerbaren-Energien-Gesetz eingeführt und beträgt für 2012 3,592 Cent/kWh. Sie ist damit die größte staatlich verursachte Belastung des Strompreises. Seit 2009 legte sie um über 300 % zu. Bundeskanzlerin Merkel hatte im Sommer 2011 im Rahmen der Entscheidungen zur beschleunigten Energiewende zugesagt, die EEG-Umlage im Bereich von 3,5 Cent/kWh zu halten. 2013 wird sie aller Voraussicht nach, auf über 5 Cent ansteigen. Dafür gibt es fünf Gründe: 1. Die EEG-Umlage 2012 war zu niedrig kalkuliert, wie ein Blick auf das EEG-Konto zeigt. 23 Daher wird es 2013 einen Nachholbetrag geben müssen. 2. Der Ausbau der erneuerbaren Energien verläuft deutlich schneller als kalkuliert: So legte die Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen im ersten Halbjahr 2012 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 50 % zu. Die Erneuerbaren erreichten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres einen Anteil von 25 % an der Stromerzeugung. 3. Die EEG-Umlage errechnet sich aus der Summe der gezahlten gesetzlich festgelegten Einspeisevergütung abzüglich des an der Strombörse erzielten Erlöses. Da die Börsenstrompreise derzeit niedriger sind als 2011, erhöht sich die EEG-Umlage entsprechend. Zu den niedrigen Börsenstrompreisen trägt in erheblichem Umfang auch der Merit-Order-Effekt der erneuerbaren Energien bei (s. Punkt 2.2). 4. 2012 wurde die sog. Marktprämie eingeführt, die die Selbstvermarktung von EEG- Anlagen an der Strombörse durch einen Aufschlag von 1,2 Cent/kWh auf die EEG- Vergütung fördern soll. Sie wird deutlich stärker in Anspruch genommen als kalkuliert und belastet das EEG 2012 voraussichtlich mit 600 Millionen Euro. 24 23 http://www.eeg-kwk.net/de/eeg-konten-übersicht.htm. Über das EEG-Konto laufen die Zahlungsströme der EEG-Umlage. 24 Aufgrund der starken Inanspruchnahme hat die Bundesregierung per Verordnung eine Kürzung für die Jahre ab 2013 beschlossen. Die EEG-Umlage wird 2013 dadurch um 0,04 Cent/kWh entlastet. 18

5. Gegenüber 2012 wurde die besondere Ausgleichsregelung erweitert. Dadurch erhalten mehr Unternehmen eine Belastungsreduzierung bei der EEG-Umlage. 2012 nehmen rund 700 Unternehmen mit 979 Abnahmestellen mit einem Stromverbrauch von 85 TWh 25 die besondere Ausgleichsregelung in Anspruch. Nach Angaben der Bundesregierung haben für 2013 2.023 Unternehmen einen Antrag gestellt. Sollten alle Anträge genehmigt werden, wovon allerdings nicht auszugehen ist, steigt die nach der neuen besonderen Ausgleichsregelung begünstigte Strommenge an, allerdings nicht um Faktor 3, wie in der politischen Diskussion gern suggeriert wird. Da die neu hinzukommenden Unternehmen niedrigere Stromverbräuche haben, steigt die begünstigte Strommenge nur um knapp 11 % (9,2 TWh) 26. Da die EEG-Umlage nicht gedeckelt ist, erhöht sich der Anteil für die übrigen Verbraucher. Abbildung 12: Entwicklung der EEG-Umlage Quelle: Eigene Darstellung. Zahlen von eeg-kwk.net. Zahl für 2013: Schätzung des DIHK. Die besondere Ausgleichsregelung soll sicherstellen, dass stromintensive Unternahmen am Standort Deutschland wettbewerbsfähig bleiben. Unabhängig davon werden Schienenbahnen begünstigt. Die Regelung wurde mit der Novelle des EEG 2011 neu gefasst. Weiterhin 25 Davon entfallen etwa 5 % auf Schienenbahnen. 26 Bei einer nahezu Verdreifachung der Unternehmen, die die Regelung in Anspruch nehmen, steigt damit die relevante Strommenge nur um gut 10 %. 19

können neben den Schienenbahnen nur Unternehmen des produzierenden Gewerbes die Regelung in Anspruch nehmen. 27 Sie müssen aktuell folgende Nachweise erbringen ( 40, 41 EEG): Der verbrauchte Strom an einer Abnahmestelle muss mindestens 1 GWh betragen. Das Verhältnis der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung muss mindestens 14 % betragen. Es ist eine Zertifizierung erfolgt, mit der der Energieverbrauch und seine Minderungspotenziale erhoben und bewertet wurden, wenn das Unternehmen mindestens 10 GWh verbraucht. Das Unternehmen muss nachweisen, dass es im internationalen Wettbewerb steht. 28 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, berechnet sich die EEG-Umlage wie folgt: Für den Stromanteil bis 1 GWh muss die volle EEG-Umlage von derzeit 3,592 Cent/kWh bezahlt werden. Für den Stromanteil zwischen 1 GWh und 10 GWh wird die EEG-Umlage auf 10 % des aktuellen Wertes begrenzt. Derzeit 0,3592 Cent/kWh. Für den Stromanteil zwischen 10 GWh und 100 GWh wird die EEG-Umlage auf 1 % des aktuellen Wertes begrenzt. Derzeit 0,03592 Cent/kWh. Für den Stromanteil über 100 GWh beträgt die EEG-Umlage 0,05 Cent/kWh. Sonderregelung: Unternehmen mit über 100 GWh und einem Verhältnis der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung von 20 % beträgt die EEG-Umlage 0,05 Cent für alle kwh. 2011 betrug das Volumen der besonderen Ausgleichsregel 2,2 Mrd. Euro, die die nicht privilegierten Endverbraucher tragen mussten. Dadurch erhöhte sich die EEG-Umlage für diese Gruppe um rund 0,6 Cent/kWh. Bei einer Gleichverteilung über alle Endverbraucher hätte die EEG-Umlage bei knapp 3 Cent/kWh gelegen. 29 Für 2012 schätzt die Bundesregierung einen Effekt von 2,5 Mrd. ab. 27 In Beiträgen zur politischen Diskussion ist gelegentlich davon die Rede, dass auch Rechenzentren einbezogen seien. Diese sind auch unter Wettbewerbsdruck, aber bislang da kein verarbeitendes Gewerbe nicht im Anwendungsberech der besonderen Ausgleichsregelung. 28 Beschreibung des Nachweises auf S. 10 unter http://www.bafa.de/bafa/de/energie/besondere_ausgleichsregelung_eeg/merkblaetter/merkblatt_ii_a.pdf 29 Eine ausführliche Darstellung der Effekte der besonderen Ausgleichsregelung findet sich unter http://www.bmu.de/erneuerbare_energien/downloads/doc/48198.php sowie unter http://www.bundesnetzagentur.de/de/sachgebiete/elektrizitaetgas/erneuerbareenergiengesetz/ev aluierungsberichtausglmechv_basepage.html 20

Zu beachten ist aber, dass viele der Unternehmen ohne die besondere Ausgleichsregelung ihre Produktion in Deutschland einschränken oder aufgeben müssten. 30 Damit entfiele unmittelbar eine Stromnachfrage in einer Höhe von bis zu 90 TWh pro Jahr, mittelbar könnte sie deutlich höher sein. Im Ergebnis käme es nicht zu einer Entlastung der Verbraucher, denn dank des Einspeisevorrangs bleibt der Strom aus erneuerbaren Energien in voller Höhe zu vergüten. Die Umlage der Kosten würde die EEG-Umlage für alle Stromverbraucher noch weiter erhöhen. 30 Zur Bedeutung der besonderen Ausgleichsregelung für die Wettbewerbsfähigkeit siehe unten 4 21

3 Kostenbelastung durch Steuern, staatliche Abgaben und Klimaschutzinstrumente Die staatlich verursachten Kostenbelastungen sind in den letzten Jahren steil gestiegen und haben sich verzehnfacht. Sie summieren sich 2012 auf knapp 24 Mrd. Euro. 1998 waren es erst 2,3 Mrd. Dazu kommen noch die schwankenden Belastungen aus dem Emissionshandel: Fossile Kraftwerke müssen für ihren gesamten CO 2 -Ausstoss Emissionszertifikate kaufen. Die entstehenden Kosten dafür sind zwar kein direkt sichtbarer Bestandteil des Strompreises, summieren sich aber bei einer Strompreisbelastung von ca. 7 Euro/MWh auf insgesamt vier Milliarden Euro. Die Gesamtrechnung aller staatlich verursachten Strompreisbelastungen für die Abnehmer beläuft sich damit 2012 auf 28 Mrd. Euro. Mit dem absehbaren Anstieg der EEG-Umlage 2013 wird bereits die Marke von 30 Mrd. Euro überschritten. Und ein Ende ist nicht abzusehen: Durch die derzeit auf EU-Ebene diskutierte Verknappung (set aside) oder temporäre Zurückhaltung (back-loading) von CO 2 -Zertifikaten könnte sich die Kostenbelastung durch den Emissionshandel noch deutlich weiter erhöhen. Zudem ist auch in den Jahren nach 2013 mit einem weiteren Anstieg der EEG-Vergütungen zu rechnen. Abbildung 13: Entwicklung der Steuern und Abgaben seit 1998 Quelle: BDEW. Zusatzbelastungen für nicht privilegierte Unternehmen ergeben sich durch die besondere Ausgleichsregelung und die Netzentgeltbefreiung. Die dadurch entstehenden Kosten von 2,6 Mrd. Euro für 2012 belaufen sich auf etwa 10 % der Belastungen. Auch ohne Ausnahmen 22

wäre die Belastung für die Wirtschaft (zu) hoch. Die Kosten für die einzelnen Strompreisbestandteile werden sich nach Einschätzung des DIHK wie folgt entwickeln: 23

Börsenstrompreis Erzeugung/Vertrieb EEG-Umlage Netzentgelte 19-Umlage (Netzentgeltbefreiung) KWK-Aufschlag, weitere mögliche Belastungen Entwicklung bis heute Nach dem Abbau des Fukushima-Effekts liegen die Preise an der Börse wieder auf dem Niveau von 1999 Anstieg der Umlage von 1,13 Cent/kWh 2009 auf 3,592 Cent 2012 Sind in den letzten Jahren gesunken bzw. stabil geblieben Wurde 2012 erweitert. Belastet Strompreis für nicht Befreite mit 0,151 Cent/kWh KWK-Aufschlag ist In den letzten Jahren gesunken Ausblick: Risiko, Chance Erneuerbare Energien steigern Angebot und senken Börsenpreis, daher tendenziell weiter sinkende Preise. Risiko: Ölkrisen würden auch den Strompreis nach oben treiben 31 Risiko: Verknappung konventioneller Erzeugungskapazitäten Risiko: Verknappung der CO 2 -Zertifikate (set-aside) 32 Chance: Ausdehnung verfügbarer EU- Erzeugungskapazitäten durch Grenzkuppelstellen Risiko: 2013 wird die EEG-Umlage auf über 5 Cent/kWh steigen. Risiko: In den kommenden Jahren ist mit weiteren Anstiegen zu rechnen durch EE-Ausbau und sinkende Börsenstrompreis Risiko: Netzausbau und Sondereffekte (z. B. Kaltreserve) werden die Netzentgelte absehbar steigen lassen. Risiko: Bundesnetzagentur geht von einem Anstieg für die Industrie bis 2020 von 34 bis 54 % aus. Risiko: Mittelstand finanziert Modernisierung der Verteilnetze mit (Kosten momentan noch unklar) Risiko für nicht Befreite: Umlage wird nächstes Jahr steigen, da deutlich mehr Unternehmen Regelung in Anspruch nehmen als gedacht. Schätzungen reichen bis 0,45 Cent/kWh Risiko für Befreite: Regelung wird gerichtlich angefochten und evtl. von EU- Kommission überprüft Risiko: KWK- Aufschlag wird sich aufgrund höherer Vergütungen auf 0,3 Cent/kWh verzehnfachen NEU: Geplante Einführung einer Haftungsumlage für Offshore-Wind wird Strompreis um 0,25 Cent/kWh erhöhen In Diskussion: Aufbau von Kapazitätsmärkten würde weitere Belastungen in Milliardenhöhe bedeuten 31 Zur Entwicklung der Ölpreise s. DIHK-Faktenpapier Wirtschaftsfaktor Öl: http://www.dihk.de/presse/meldungen/2012-06-22-faktenpapier 32 Zur Debatte um set-aside und backloading s. DIHK-Faktenpapier Emissionshandel: http://www.dihk.de/presse/meldungen/2012-08-07-faktenpapier

4 Strompreise in Europa und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft Die deutsche Wirtschaft ist nicht zuletzt dank ihrer starken industriellen Basis wieder schnell aus der Wirtschaftskrise von 2009 herausgekommen. Das produzierende Gewerbe trägt in Deutschland fast ein Viertel zur Wirtschaftsleistung bei und nimmt damit im europäischen Vergleich eine führende Stellung ein. Der hohe Industrieanteil zeigt sich in vielfältigen Produkten made in Germany, die weltweit nachfragt werden. Nach China und den USA erreicht Deutschland bei den Exporten den Bronze-Rang. Abbildung 14: Wertschöpfung der Industrie in Europa Anteil der Wertschöpfung der Industrie* am Gesamtwert aller Wirtschaftszweige in % (2010) 30 25 20 15 24 % 16,5 % 17,6 % 18,7 % 19,3 % 18,6 % 22,2 % 24,5 % 15,8 % 15,5 % 10 5 0 Deutschland Belgien Dänemark EU (27 Länder) Italien Niederlande * Bruttowertschöpfung der Rohstoffindustrie sowie Herstellung von Waren, Energie und Wasser Stand: 27. Juli 2012, Quelle: Eurostat Österreich Polen Spanien Vereinigtes Königreich Im Jahr 2010 sind in Deutschland fast 7 Mio. Menschen einer Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe nachgegangen. Die Zahl der durch die Industrie geschaffenen Arbeitsplätze liegt noch höher, weil der industrielle Kern Basis für viele Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich ist. Das Zusammenspiel zwischen Industrie und industrienahen Dienstleistern ist eine wichtige Voraussetzung für Innovation, Wachstum und Beschäftigung. 90 Prozent der nationalen Forschungs- und Entwicklungsausgaben gehen auf das Konto der Wirtschaft. Der Wirtschaftsstandort Deutschland profitiert davon, dass anders als etwa in Großbritannien nach wie vor die gesamte Wertschöpfungskette industrieller Fertigung hier ansässig ist. Der mit der Energiewende verbundene Umbau der Energieversorgung ist auf Produkte der Grundstoffindustrie angewiesen: Denn ohne Stahl und Kupfer dreht sich kein Windrad und fließt kein Strom. 25

Die deutschen Industriestrompreise gehören in allen Verbrauchsklassen nach den italienischen zu den höchsten in Europa. Gegenüber dem niedrigsten Vergleichswert (Frankreich) zahlen deutsche Betriebe mit einer Abnahme zwischen 20 und 500 MWh etwa 50 % mehr. Dies hängt zwar auch mit Unterschieden beim reinen Strompreis zusammen so ist die Kilowattstunden hierzulande rund 2,3 Cent teurer ist aber vor allem auf die deutlich geringeren staatlichen Belastungen in unserem Nachbarland zurückzuführen. Dies geht zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Betriebe. Insgesamt zeigen die Strompreise in fast allen europäischen Ländern nach oben. Abbildung 15: Industriestrompreisvergleich 2011 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 EU 27 Dänemark Deutschland Frankreich Großbritannien Italien Polen Spanien 20-500 MWh 500-2000 MWh 2000-20000 MWh 20000-70000 MWh Quelle: Eigene Darstellung, Zahlen von Eurostat. Schaut man auf andere Teile der Industrie ändert sich das Bild: Auffallend ist, dass sich die Strompreise für große Stromverbraucher (20 bis 70 GWh Abnahme) in anderen europäischen Ländern weitgehend stabil geblieben bzw. sogar gesunken sind. Hingegen gab es in Deutschland seit 2008 einen deutlichen Anstieg um rund 25 %. Dies ist insbesondere auf die in diesem Zeitraum verdreifachte EEG-Umlage zurückzuführen. Das hat Folgen: Die Kosten der Unternehmen steigen und damit sinkt ihre Investitionskraft. Das drückt unmittelbar auf die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland. 26

Abbildung 16: Industriestrompreisvergleich 20 bis 70 GWh Abnahme 14 12 10 8 6 4 2008 2009 2010 2011 2 0 EU 27 Dänemark Deutschland Frankreich Großbritannien Italien Polen Spanien Quelle: Eigene Darstellung, Zahlen von Eurostat In den USA liegen die Strompreise nicht zuletzt aufgrund der massenhaften Nutzung unkonventionellen Erdgases zum Teil deutlich unter den deutschen Preisen. Gleichzeitig sind Stromkosten wegen der fortschreitenden Automatisierung der Produktion für die Industrie ein wachsender Faktor für Standortentscheidungen. Aufgrund der Nachteile im internationalen und europäischen Strompreisvergleich und der Bedeutung energieintensiver Industrie für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind Ausnahmetatbestände notwendig zumindest für Branchen, die im internationalen Standortwettbewerb stehen und damit von Abwanderung bzw. Verlagerung bedroht sind. Dies gilt im Übrigen nicht nur für produzierende Unternehmen. 27

5 Was sollte der Staat tun? Die staatlich verursachten Belastungen haben im vergangenen Jahrzehnt die Strompreise deutlich steigen lassen. Die Schmerzgrenze bei den Strompreisen ist für viele Unternehmen und Bürger erreicht oder bereits überschritten. Die staatlich verursachte Gesamtbelastung muss dringend gedämpft werden. Daher ist es naheliegend, dass die öffentliche Hand Maßnahmen ergreift, um weitere Anstiege zu verhindern. Mit der Absenkung der Managementprämie wurde ein richtiger, wenn auch kleiner Schritt getan. Folgende Maßnahmen sind aus Sicht des DIHK sinnvoll: 33 Vollendung des europäischen Strombinnenmarkts: Durch den Ausbau der Grenzkuppelstellen und eine Ausweitung der Marktkopplung mit anderen Märkten steigt die Intensität des Erzeugungswettbewerbs. Dadurch ist eine preisdämpfende Wirkung bei den Börsenstrompreisen zu erwarten. Nach Schätzungen der EU-Kommission belastet der unvollendete Binnenmarkt die Verbraucher derzeit mit 13 Mrd. Euro pro Jahr. Europäische Harmonisierung der Förderung erneuerbarer Energien: Ökonomisch sinnvoll ist es, Technologien dort einzusetzen, wo sie die meiste Energie erzeugen. Ziel muss ein System ohne Förderung der Erneuerbaren - mittelfristig aber zumindest ein EU-weit harmonisiertes unbürokratisches Fördersystem sein - damit die Investitionen an den Standorten in Europa getätigt werden, wo diese den größten Effekt haben. Bis zu einer europäischen Lösung ist es der richtige Ansatz, die Degression konsequent und verlässlich zu intensivieren und die Vergütungssätze abzusenken. Klar ist: Die bereits aus den letzten Jahren aufgelaufenen Belastungen aus dem EEG entfallen bei allen drei Wegen nicht. Stromsteuer auf den Prüfstand stellen: Das Nebeneinander von CO 2 -Emissionszertifikatehandel, Erneuerbare-Energien-Gesetz, Energieeffizienzvorgaben, Energiesteuern und andere Abgaben sowie Subventionen belasten die deutsche Wirtschaft. Dies führt dazu, dass Energie unnötig verteuert wird, ohne dass Klimaschutz kostengünstig erreicht werden kann. So werden den Unternehmen Mittel für Investitionen entzogen auch und gerade für Energieeffizienzmaßnahmen. Insbesondere die Stromsteuer muss auf den Prüfstand: Sie wurde eingeführt, um eine ökologische Lenkungswirkung hin zu einem geringeren Stromeinsatz zu erzielen. Aus energiepolitischer Sicht ist sie obsolet, weil die Strompreise seit ihrer Einführung massiv gestiegen sind und sie damit keine lenkende Funktion mehr hat. Zwischen den derzeiti- 33 Zur energiepolitischen Positionierung des DIHK: http://www.dihk.de/themenfelder/innovation-undumwelt/energie/energiepolitik-allgemein/positionen 28

gen Steuersätzen und dem europäischen Mindestmaß von 0,1 Cent/kWh gibt es Spielraum für eine Absenkung. Dadurch könnten bei Unternehmen und öffentlicher Hand auch erhebliche Bürokratiekosten eingespart werden, weil der Aufwand für den Nachweis der Voraussetzungen für den Spitzenausgleich wegfiele. Der Anstieg der EEG-Umlage für 2013 könnte so zumindest zum Teil kompensiert werden. Keine neuen Umlagen einführen, keine Verschiebung von Kosten in Netzentgelte: Mit der Umlage des Haftungsrisikos Offshore wird bereits die sechste für die Höhe des Strompreises relevante Komponente eingeführt. Weitere Umlagen wie die derzeit diskutierte Umlage für die Nichtabschaltung sog. systemrelevanter Kraftwerke sind abzulehnen. Mit jeder weiteren Umlage werden nicht nur Kosten auf Wirtschaft und Verbraucher gewälzt, es steigen zudem die Bürokratiekosten bei den Energieversorgern mit der Folge zusätzlicher Belastungen für den Strompreis. Gleichzeitig besteht die Tendenz, immer mehr Kosten in die Netzentgelte zu schieben und diese dadurch zu verschleiern. Das gilt für die Kosten der Kaltreserve genauso wie für Nachrüstung der PV-Anlagen, um ihre Frequenztoleranz zu erhöhen (Lösung des sog. 50,2 Hertz-Problems). Die Kosten für die Energieversorgung sollten transparent sein. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass die regional unterschiedlich anfallenden Kosten für den im Rahmen der Energiewende notwendigen Infrastrukturausbau und das nachfolgende Netzmanagement nicht zu regionalen Standortnachteilen führen. Sonderregelungen für Unternehmen im internationalen Wettbewerb sind notwendig: Der Wirtschaftsstandort Deutschland profitiert davon, dass die ganze Bandbreite industrieller Wertschöpfung vorhanden ist. So lange in Deutschland die Strompreise deutlich höher sind als im Ausland, sind Ausnahmeregelungen notwendig. Welche Ausnahmen in welchem Umfang mit welchen Schwellenwerten gewährt werden, ist Sache der Politik. Sicherlich richtig ist die Feststellung des Forums für ökologisch-soziale Marktwirtschaft: Die aktuellen Ausnahmeregelungen lassen sich zusammenfassend als sehr komplex, administrativ aufwändig und inkonsistent bezeichnen, ( ). 34 Eine gewisse Harmonisierung der Regelungen würde die Bürokratiekosten für Unternehmen und Energieversorger senken. Die Sonderregelungen sind so auszugestalten, dass Härtefälle, insbesondere im Mittelstand, vermieden werden. 34 Forum Ökologisch-soziale Marktwirtschaft (2012): Strom- und Energiekosten der Industrie. 29