Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 1



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Transkript:

Die Insolvenzrechtsreform Aktueller Sachstand, Bedeutung für die Schuldnerberatung, Handlungsmöglichkeiten für die Politik Beitrag von Wolfgang Schrankenmüller, Caritas Stuttgart Sozialpolitisches Symposium der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag : Die Insolvenzrechtsreform Chancen und Risiken für die Schuldnerberatung und Politik in Niedersachsen am 3. Juli 2006 in Hannover Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 1

Insolvenzrechtsreform 2003 bis 2006 Aktueller Stand Änderungen beim Verbraucherinsolvenzverfahren Diskussionsentwurf InsOÄndG vom 17. April 2003 Referentenentwurf InsOÄndG vom 16. September 2004 Neues Entschuldungsverfahren für masselose Schuldner ( Verjährungsmodell ) Bayerisches Staatsministerium der Justiz: Überlegungen zu einer Reform der Verbraucherentschuldung vom 13. Dezember 2004 Eckpunkte für eine Reform der Verbraucherentschuldung vom 31.5. 2005 Anhörung Schuldnerberatung durch BMJ/BLAG am 20.6.2005 Entwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Neue Wege zu einer Restschuldbefreiung vom 3. März 2006 2. Überarbeiteter Entwurf der BLAG vom 10. Mai 2006 (= aktueller Stand) Beschluss der JumiKo v. 1./2. Juni 2006 in Erlangen Arbeitsauftrag an das BMJ, den Entwurf der Arbeitsgruppe als Grundlage für die Erstellung eines RegE zu nehmen Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 2

Grundzüge des neuen Entschuldungsverfahrens Entwurf BMJ/BLAG v. 10.05.06 Achter Teil: Restschuldbefreiung und Entschuldung Zweiter Abschnittt Entschuldung ( 303 a bis k InsO-E) Voraussetzung: Schuldner ist zahlungsunfähig und Vermögen wird voraussichtlich nicht ausreichen, um die Kosten eines Insolvenzverfahrens zu decken Antrag auf Eröffnung des Entschuldungsverfahrens - Verzeichnisse wie beim Verbraucherinsolvenzverfahren - Bescheinigung über erfolglosen Versuch oder offensichtlich aussichtslose außergerichtliche Einigung - Schriftliche Eidesstattliche Versicherung über richtige und vollständige Angaben Schuldner ist über Bedeutung und Ablauf des Entschuldungsverfahrens sowie über seine Obliegenheiten zu belehren Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 3

neues Entschuldungsverfahren (2) Insolvenzgericht stellt den vom Schuldner benannten Gläubigern den Antrag und das Vermögensverzeichnis zu - Schuldner muss erforderliche Anzahl von Abschriften des Antrags und der Vermögensübersicht sowie die ladungsfähigen Anschriften der Gläubiger beim Insolvenzgericht einreichen Gläubiger werden aufgefordert, innerhalb eines Monats einen Versagungsantrag zu stellen, wenn Versagungsgründe nach 290 Abs. 1 InsO vorliegen Gläubiger werden belehrt, dass Schuldner die Erfüllung der im Forderungsverzeichnis aufgeführten Forderungen spätestens nach Ablauf von acht Jahren verweigern kann - Die Frist beginnt mit dem Antrag Schuldner ist mit Eröffnung des Entschuldungsverfahrens in das Schuldnerverzeichnis einzutragen Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 4

neues Entschuldungsverfahren (3) Obliegenheiten des Schuldners - Erwerbsobliegenheiten analog 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO - Auch im Entschuldungsverfahren muss sich der Schuldner um eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung bemühen Schuldner muss die beteiligten Gläubiger unverzüglich schriftlich unterrichten oder ein Insolvenzverfahren beantragen, wenn er pfändbares Vermögen von über 1.500 Euro erwirbt. - Schuldner soll die Gläubiger möglichst gleichzeitig informieren Schuldner ist den beteiligten Gläubigern auskunftspflichtig - er hat den beteiligten Gläubigern unverzüglich jeden Wechsel der Wohnung oder der Beschäftigungsstelle mitzuteilen und auf Verlangen eines Gläubigers Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche und über seine Bezüge und sein Vermögen erteilen. Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 5

neues Entschuldungsverfahren (4) Entschuldung ist nur wirksam gegen die Gläubiger und die Forderungen die der Schuldner benannt hat - Analoge Wirkungen wie in der RSB in 301 Abs. 2 InsO (gegenüber Bürgen und Mitverpflichteten) und 302 InsO (Ausgenommene Forderungen) Einmalige Entschuldung - Die Rechtswohltat einer weitgehenden Freistellung von allen Verbindlichkeiten ohne Einsatz finanzieller Mittel soll dem Schuldner nur einmal zugute kommen - Restschuldbefreiung kann nach 10 Jahren erneut erteilt werden! Die Entschuldung kann widerrufen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten vorsätzlich verletzt hat. Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 6

Kritik am Entschuldungsverfahren Ablehnende Äußerungen von Seiten der Gläubiger, Insolvenzrichter, Insolvenzverwalter und Treuhänder, Schuldnerberatung, Wohlfahrtsverbände, Politik, Rechtsanwälte, Verbraucherschützer und Wissenschaft Zustimmende Äußerungen sind nicht bekannt! Beispiele: FDP-Bundestagsfraktion spricht sich dafür aus auch in masselosen Fällen den Vollstreckungsschutz beizubehalten und an einer einheitlichen Dauer der Wohlverhaltensperiode für alle Schuldner festzuhalten (Schreiben v. 20.06.2006) Bundesrechtsanwaltskammer: Entschuldungsverfahren würde einen Paradigmenwechsel mit sich bringen: Keine Übereinstimmung mit den europäischen Vorgaben für das Insolvenzrecht (ZInsO 11/2006) Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 7

Kritik am Entschuldungsverfahren (2) Das Diakonische Werk der EKD lehnt die Reformüberlegungen des BMJ als Rückschritt in der Hilfe für überschuldete Personen ab (Stellungnahme v. Dezember 2005) Ulrich Jäger, Seghorn-Inkasso, Bremen: Das mit der Verjährungslösung angestrebte Verfahren verdient nicht wirklich den Namen Entschuldungsverfahren, es ist tatsächlich nur ein Schuldenreduzierungsverfahren. Dieses aber benötigt unsere Rechtsordnung nicht (BAG-SB Informationen 4/2005) Landkreis- und Städtetag Baden-Württemberg: Die geplante Reform des Insolvenzrechts darf nicht nur die Interessen der Justiz, sondern muss auch sozialpolitische Aspekte berücksichtigen. (28.11.2005) Richter am Amtsgericht Hamburg Frank Frind: Das neue Verfahren offenbart signifikant die neue, vorgesehene Zwei-Klassen-Schuldnergesellschaft. (ZinsO 7/2006) Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 8

Kritik am Entschuldungsverfahren (3) Hauptkritikpunkte 1. Achtjährige Dauer der Entschuldung 2. Begrenzte Wirkung der Entschuldung 3. Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung 4. Keine Begrenzung der Abtretung von Arbeitseinkommen 5. Problematischer Wechsel in das Verbraucherinsolvenzverfahren Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 9

1. Achtjährige Dauer der Entschuldung Eine derart lange Dauer der Entschuldung würde viele Schuldner überfordern - Mit dieser deutlich längeren Laufzeit sollen die Schuldner motiviert werden, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, die Verfahrenskosten aufzubringen, um in das mindestens um zwei Jahre kürzere Restschuldbefreiungsverfahren zu gelangen Schuldner mit geringem Einkommen haben kaum eine Chance, die Kosten für ein Insolvenzverfahren aufzubringen, um die kürzere sechsjährige "Wohlverhaltensperiode" zu erreichen. Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 10

2. Begrenzte Wirkung der Entschuldung Entschuldung wirkt nur gegen die Gläubiger und nur gegen die Forderungen, die vom Schuldner im Forderungsverzeichnis benannt wurden - dagegen wirkt die Restschuldbefreiung gegen alle Gläubiger und Forderungen, soweit sie nicht nach 302 InsO ausgenommen sind Schuldner können längst nicht alle Forderungen mit ladungsfähigen Anschriften angeben - Forderungen werden von Inkassounternehmen mehrfach verkauft - Gläubiger können Anfragen ohne Angabe der Aktenzeichen nicht bearbeiten (z.b. RA Seiler, Heidelberg (Forderungen der Telekom) Die Gläubiger sind nicht wie im Insolvenzverfahren - verpflichtet, dem Schuldner eine Aufstellung ihrer Forderungen zu erteilen! Es geht zu Lasten des Schuldners, wenn nicht alle Forderungen benannt werden. Über diese Beibringungslast soll der Schuldner zu einem aktiveren Verhalten im Verfahren angehalten werden Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 11

3. Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger sind grundsätzlich zulässig Ausnahmen Für die vom Schuldner im Antrag benannten Gläubiger ist die Zwangsvollstreckung nicht zulässig - in Arbeitseinkommen und diesem gleich stehenden Bezüge, - laufende Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - Guthaben des Schuldners auf einem Girokonto, das ausschließlich für ihn geführt wird, es sei denn, der Gläubiger macht glaubhaft, dass der Schuldner über pfändbares Vermögen verfügt. => Schuldner, deren Einkommen geringfügig pfändbar ist, können dauerhaft gepfändet werden. Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 12

303i Einstellung oder Unterbrechung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (1) Das Insolvenzgericht kann Maßnahmen der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gegen den Schuldner bis zu 3 Monaten untersagen oder einstweilen einstellen, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass er in dieser Frist die Mittel zur Abdeckung der Kosten für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufbringen kann. (2) Für die in dem Verzeichnis nach 303a Abs. 1 Satz 2 aufgeführten Gläubiger ist die Zwangsvollstreckung nicht zulässig in 1. Arbeitseinkommen des Schuldners, 2. diesem gleichstehende Bezüge, 3. Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, 4. ein Guthaben des Schuldners auf einem nur für ihn bei einem Kreditinstitut geführten Konto, auf das die unter Nr. 1 bis 3 aufgeführten Einkünfte überwiesen werden, es sei denn der Gläubiger macht glaubhaft, dass der Schuldner über pfändbares Vermögen verfügt. Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 13

4. Keine Begrenzung der Abtretung von Arbeitseinkommen 114 InsO findet keine Anwendung. Abtretungen gelten somit unbegrenzt. Folge: Abtretungen enden nicht mit der Entschuldung! Abtretungsgläubiger können weiter gegen den Schuldner vorgehen. => Schuldner mit Abtretungen können keine Entschuldung erreichen! Insolvenzgericht kann auf Antrag des Schuldners die Wirkung einer Abtretung bis zu drei Monaten aussetzen => Die Frist von drei Monaten wird nur selten ausreichen, um in das Insolvenzverfahren wechseln zu können! Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 14

5. Problematischer Wechsel in das Verbraucherinsolvenzverfahren Unklare Regelungen beim Übergang vom Entschuldungs- in das Verbraucherinsolvenzverfahren Schuldner muss außergerichtliche Einigung versuchen, wenn er über werthaltiges Vermögen verfügt => keine klaren Regelungen hinsichtlich der Einleitung eines Einigungsverfahrens (wer entscheidet etc.) - ohne Ausbau der Schuldnerberatung ist eine zeitnahe Einleitung nicht zu gewährleisten (siehe Wartelisten). Gestaffelte Dauer der Restschuldbefreiung - Im anschließenden Restschuldbefreiungsverfahren wird die verstrichene Zeit der Dauer des Entschuldungsverfahren angerechnet. Bei Forderungen, die erst nach Eröffnung des Entschuldungsverfahrens entstanden sind, gibt es keine Anrechnung, sondern die Restschuldbefreiungsphase wird entsprechend gestaffelt. Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 15

Das Entschuldungsverfahren gibt den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger einseitig zugunsten der Abtretungs- und Pfändungsgläubiger auf. gewährt nur einen unzureichenden Vollstreckungsschutz und zwingt die Gläubiger, weiter zu vollstrecken, um ggf. vorrangig verwerten zu können ( Logik der Forderungsbeitreibung ) und erfordert deshalb vermehrte Schuldnerschutzanträge seitens der Schuldner gefährdet neue Arbeitsplätze, da eine Arbeitsaufname unverzüglich an die Gläubiger gemeldet werden muss verhindert somit die nachhaltige Reintegration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt (Vermittlungshemmnis). bringt nur eine limitierte Entschuldungswirkung (vgl. Entwurf, S. 25) statt einer umfassenden Restschuldbefreiung. => Ein Zwei-Klassen-Recht der Schuldenbefreiung ist entschieden abzulehnen. Eine Lösung für masselose Verfahren sollte innerhalb des Insolvenzverfahrens entwickelt werden! Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 16

Alternativen zum Entschuldungsverfahren Dem BMJ und der BLAG liegen mehrere ausformulierte Entwürfe vor: Wustrauer Modell (seit Frühjahr 2005) Treuhänder-Modell des DAV (seit Juli 2005) Modell der Landessozialministerien (seit September 2005) weitere Alternativvorschläge wurden in Form von Fachaufsätzen veröffentlicht: - Gläubigervertreter: Ass. Ulrich Jäger, Seghorn Inkasso Bremen - Insolvenzverwalter: RA Michael Pluta, Ulm - Insolvenzrichter: RiAG Dr. Hans-Ulrich Heyer, Oldenburg: Vorschlag für ein Restschuldbefreiungsverfahren für masselose Verfahren; RiAG Ulrich Schmerbach, Göttingen Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 17

Alternativen zum Entschuldungsverfahren (2) Charakteristika der Alternativentwürfe Gemeinsames Ziel: Änderungen innerhalb des Insolvenzverfahrens Weitgehend einheitlicher Verfahrensablauf: Verzicht auf Eröffnung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens bei Masselosigkeit Unterschiede: Kostenstundung, Treuhänder, Verfahren bei Vermögenserwerb Es wird einen einheitlichen Alternativvorschlag geben! AK InsO der AG SBV gibt Anstoß in Hannover (Februar 2006) für einen gemeinsamen Alternativvorschlag. Mit der Ausarbeitung ist vorr. im September 2006 zu rechnen. Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 18

Änderungen im Verbraucherinsolvenzverfahren Änderung des Personenkreises Zulässigkeit für alle natürlichen Personen, die nicht unternehmerisch tätig sind. - Für ehemals Selbstständige ohne die bisherigen Einschränkungen - Die vollständige Beendigung der selbstständigen Tätigkeit muss jedoch länger als ein Jahr zurückliegen Abschaffung der Verfahrenskostenstundung - Zukünftig muss der Schuldner wieder einen Kostenvorschuss leisten oder über ein die Kosten deckendes pfändbares Vermögen verfügen Umgestaltung des Einigungsversuchs - wird nicht mehr vom Insolvenzgericht sondern vom Schuldner und der ihn unterstützenden Schuldnerberatungsstelle betrieben - das Insolvenzgericht ist lediglich flankierend und punktuell tätig, um auf Antrag des Schuldners die Zustimmung einzelner Gläubiger zu ersetzen Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 19

Änderungen im Verbraucherinsolvenzverfahren (2) Höhere Vergütung des Insolvenzverwalters - aus dem bisherigen Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren ( 13 InsVV) wird der Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren - die Vergütung beträgt 40 % statt bisher 15 % der Insolvenzmasse; die Mindestvergütung wird von 600 auf 800 Euro erhöht Begrenzung der Beiordnung eines Rechtsanwalts - Beiordnung bei einem Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung Keine Anwendung der Vorschriften über Prozeßkostenhilfe - Klarstellung, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens nicht über die PKH gewährt werden Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 20

Änderungen bei der Restschuldbefreiung Erweiterung der Versagung der Restschuldbefreiung - bei rechtskräftiger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe oder erheblichen Geldstrafe wegen einer Straftat zum Nachteil des Eigentums oder Vermögens eines Insolvenzgläubigers - auch von Amts wegen, wenn ein Versagungsgrund offensichtlich ist - wegen Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten auch im Eröffnungs- und im Schuldenbereinigungsverfahren - nachträgliche Versagung während der Wohlverhaltensperiode => Die mißbräuchliche Inanspruchnahme der Restschuldbefreiung soll erschwert, die Rechte der Gläubiger sollen gestärkt werden Gestaffelte Verkürzung der "Wohlverhaltensperiode" je nach erreichter Quote der Gläubigerbefriedigung 20% = 4 Jahre; 40 % = 2 Jahre => Anreize für den Schuldner, eine möglichst hohe Quote für die Gläubiger anzustreben Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 21

Bedeutung für die Schuldnerberatung (1) Die geplante Insolvenzrechtsreform wird die Arbeit der Schuldnerberatung wesentlich verändern zum Teil zum Besseren aber überwiegend zum Schlechteren! Die Vermeidung von häufig sinnlosen Einigungsversuchen werten die außergerichtliche Schuldenbereinigung auf. Es wird deutlich weniger Einigungsversuche geben. Der Anteil der erfolgreichen Einigungen würde jedoch stark steigen! Die Bedingungen für erfolgreiche außergerichtliche Einigungen könnten sich verschlechtern: - Die Einführung der 20% bzw. 40 % Quote bei gleichzeitiger Verkürzung des Verfahrens auf 4 bzw. 2 Jahre wird die Erwartungen der Gläubiger erhöhen - Gläubiger lehnen eher ab, weil sie vom Scheitern des Schuldners im gerichtlichen Verfahren überzeugt sind. Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 22

Bedeutung für die Schuldnerberatung (2) Schuldnerberatungsstellen sollen in das Entschuldungsverfahren eingebunden werden - auch im Entschuldungsverfahren ist es sinnvoll, wenn geeignete Personen oder Stellen nach 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO eingebunden werden (Begr. InsO-E) - Ideal wäre es, wenn sie die Antragsvordrucke ausfüllen würden (BMJ 3.3.06) - Es spricht viel dafür, dass durch die Einbindung der Schuldnerberatungsstellen weitgehend alle Gläubiger erfasst werden können (Begr. InsO-E) Schuldnerberatungsstellen würden durch das Entschuldungsverfahren dauerhaft belastet - Die erforderlichen Schuldnerschutzmaßnahmen würden erhebliche Ressourcen binden Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 23

Bedeutung für die Schuldnerberatung (3) Die Einführung des Entschuldungsverfahrens würde die Schuldnerberatung in schwierige Beratungssituationen bringen: - Einerseits: Entschuldungsverfahren sollen möglichst vermieden werden! - Entschuldungsverfahren würde viele Schuldner überfordern; das Ziel der Entschuldung würde häufig nicht erreicht - Das Ziel, das Entschuldungsverfahren zu vermeiden, ließe sich längst nicht mit allen Schuldnern zu erreichen. - Andererseits: Die Kosten des Insolvenzverfahrens wären für viele Schuldner eine unüberwindbare Hürde! - Die wirtschaftliche Situation vieler Schuldner hat sich verschlechtert (ALG II). Sie könnten entgegen den Erwartungen der BLAG und des BMJ die Verfahrenskosten tatsächlich nicht aufbringen. Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 24

Bedeutung für die Schuldnerberatung (4) Bei vielen Schuldnern werden die Bemühungen, die Verfahrenskosten aufzubringen zwangsläufig zu einer aufwändigeren und länger dauernden Beratung führen Schwieriger Umgang mit den zur Beratung angemeldeten Ratsuchenden auf der Warteliste - Wartende Ratsuchende erwarten gemäss den von der Schuldnerberatung gegebenen Informationen die Restschuldbefreiung nach sechs Jahren mit Kostenstundung im Insolvenzverfahren und kein nachteiliges achtjähriges limitiertes Entschuldungsverfahren Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 25

Handlungsmöglichkeiten für die Politik (1) Negative soziale Auswirkungen der Insolvenzrechtsreform müssen vermieden werden. - Reform muss in Einklang mit den arbeitsmarktpolitischen Zielen und Instrumenten gebracht werden Das von der Justiz geplante Entschuldungsverfahren - gefährdet massiv den Erhalt bestehender Arbeitsverhältnisse und die Integration von überschuldeten Menschen in den ersten Arbeitsmarkt. - verhindert eine nachhaltige wirtschaftliche Sanierung überschuldeter Privathaushalte und - beeinträchtigt die Bemühungen der Schuldnerberatung um die soziale Reintegration von überschuldeten Menschen. - schafft eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung innerhalb der Überschuldeten, d.h. es benachteiligt insbesondere kinderreiche Familien, allein Erziehende und arbeitslose Menschen. Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 26

Handlungsmöglichkeiten für die Politik (2) Das im Entwurf vorherrschende Bild des mißbrauchenden und passiven Schuldners muss dringend korrigiert werden! Angesichts der Passivität, die manche Schuldner im gegenwärtigen Restschuldbefreiungsverfahren zeigen, sollte die wesentliche Verantwortung für den Fortgang des Entschuldungsverfahrens dem Schuldner überantwortet werden (Begr S.21) - während von den Gläubigern eine Mitwirkung nicht erwartet wird und auch nicht zugemutet werden soll, ist beabsichtigt, den Schuldner über eine Beibringungslast zu einer erheblichen Mitwirkung im Verfahren zu bewegen Die fiskalische Zielsetzung der Reform führt zu Verwerfungen mit den Grundsätzen des Insolvenzrechts z.b. Gleichbehandlung der Gläubiger, Vollstreckungsmoratorium, wirtschaftlicher Neubeginn Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 27

Handlungsmöglichkeiten für die Politik (3) Das Entschuldungsverfahren soll für die Schuldner umsonst sein, es wäre jedoch für Bund, Länder und Kommunen bei weitem nicht kostenlos! - Verlagerung der Kosten auf andere Bereiche der Länderjustiz (Vollstreckungs-, Zivilgerichte) bzw. auf die Kommunen - Möglicherweise müssten die Kosten für eine Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren aus SGB II-Mitteln aufgebracht werden, wenn überschuldete Arbeitslose nachhaltig in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden sollen Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 28

Handlungsmöglichkeiten für die Politik (4) Die Insolvenzrechtsreform erfordert eine Änderung der Ausführungsgesetze und die Anpassung der Landesförderung - Keine Beratungshilfe für den außergerichtlichen Einigungsversuch, wenn eine Einigung offensichtlich aussichtslos ist => Änderung der Förderpauschalen für Insolvenzberatung - Einsparung von Geldern nach Wegfall der Kostenstundung sollten für die Schuldnerberatung eingesetzt werden Wolfgang Schrankenmüller Insolvenzrechtsreform 2006 29