Prof. Dr. Norbert Konegen, SS Staatsverschuldung in Deutschland. Theorie, Praxis und Folgen der öffentlichen Schuld Beginn: 5.4., 14:00 16:00 Uhr, SCH2 Klausur 05.07. Im Netz unter www.p8-management.de Universität Prof. Konegen 1
Was trifft zu? Die Politik der öffentlichen Verschuldung hat nach und nach jeden Staat geschwächt, der sich ihrer bedient hat. (Adam Smith 1776) Ein Staat ohne Staatsschuld tut entweder zuwenig für seine Zukunft oder er fordert zuviel von seiner Gegenwart. (Lorenz v. Stein 1878) 2
I. Gliederung I. Verschuldungstheorien im Überblick II. Theoretische Grundlagen der öffentlichen Verschuldung III. Spezielle Wirkungen der Staatsverschuldung: Die konjunkturelle Stabilisierungsfunktion IV. Nichtkonjunkturelle Wirkungen der Staatsverschuldung V. Die Praxis der öffentlichen Verschuldung in Deutschland VI. Die öffentliche Verschuldung in Deutschland empirische Befunde VII. Debt Management als Variation der Schuldenstruktur bei gegebenem Schuldenstand VIII. Staatsverschuldung und politischer Prozess der Weg in die Schuldenfalle? 3
I. Verschuldungstheorien im Überblick 1. Klassische (normative) Ansätze a) Klassik b) Keynes c) Die Neoklassik d) Ricardo e) Barro 2. Langzeitfolgen der Staatsverschuldung a) Domar: Wachstumsrate und Zinssatz b) Dauerhafte Traglasten: Primärüberschuss 3. Interpersonelle Verteilungswirkungen 4. Offene/Verdeckte Formen der öffentlichen Verschuldung 4
1. Klassische (normative) Ansätze a) Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben ist unproduktiv. Sie erfolgt auf Kosten privater Investitionen (A. Smith 1723-70, D. Ricardo 1772-1823). b) Kreditfinanzierung öffentlicher Investitionen zulässig (pay-as-you-use-prinzip; deutscher Finanzklassizismus; A. Wagner (1835-1917, L. v. Stein 1815-90). c) Diskretionäre Finanzpolitik ermöglicht zyklischen Budgetausgleich (J.M. Keynes 1883-1946). d) Mehrperiodenmodelle als Kennzeichen der intertemporalen Verschuldung; Verdrängungsannahmen (Neoklassik) e) Ersetzung gegenwärtiger Steuern durch gegenwärtige Verschuldung macht künftige Steuern erforderlich, deren Gegenwartswert dem der Schulden entspricht (Ricardo-Äquivalenztheorem). Kritik: Lebenszyklusmodell! f) Lebenszyklusmodell durch Mehrgenerationenmodell gerettet : Aufeinanderfolgende Generationen sind durch freiwillige, altruistisch motivierte Transfers miteinander verbunden (Robert J.Barro 1974). g) Kurzanalyse der Positionen Quelle: Brümmerhoff, a.a.o.: 594ff. 5
2. Langzeitfolgen der Staatsverschuldung a) Langzeitfolgen der Staatsverschuldung sind nicht durch das absolute Wachstum des Schuldenstandes bzw. der Zinslast bedingt, sondern durch die Entwicklung dieser Größen in Relation zum Sozialprodukt (E.D.Domar 1914-1997). b) Eine Haushaltspolitik gilt dann als tragbar (Sustainability), wenn die Schuldenstandsquote im Zeitablauf durch eine Primärüberschussquote stabilisiert wird. Sie signalisiert die Zahlungsfähigkeit des Schuldners ( C.H. Blanchard 1990). Quelle: Brümmerhoff, a.a.o. 6
3. Interpersonelle (intragenerative) Verteilungswirkungen Transferansatz: unsoziale Verteilungswirkungen der Staatsverschuldung d.h. obere Einkommensgruppen (1) halten Staatsschuldtitel; Finanzierung des Zinsdienstes durch Steuern erfolgt von allen Einkommensgruppen. Gegenargument: (1) verfügen über Vermögen und Ersparnisse. Sie haben Alternativen der Anlage: Staatspapiere oder Unternehmensanleihen. Allerdings: Führt die Staatsschuld zu einem höheren Kapitalmarktzins impliziert dieses eine sich ändernde Kapitalausstattung der Wirtschaft. Verteilungseffekt zugunsten der Zinsempfänger. Quelle: a.a.o. 7
4. Offene (explizite) / verdeckte (implizite) Formen der Verschuldung a) Bei umlagefinanzierten Transfersystemen (z.b. gesetzliche Renten- Krankenversicherung, Pensionen) sind bei Erhalt der Systeme (Leistungsversprechen und Beitragssätze) - künftige staatliche Verbindlichkeiten programmiert. b) Künftigen Generationen werden infolge geringer werdender Geburtenraten, steigender Lebenserwartung sowie geplanter / durch Rechtsprechung induzierter Maßnahmen nicht zu bewältigende Finanzierungslasten auferlegt. c) Die daraus entstehende Tragfähigkeits- bzw. Nachhaltigkeitslücke lässt sich durch einen gestiegenen Kapitalbestand und erhöhter Arbeitsproduktivität nicht ausgleichen. d) Nachfolgende Generationen werden nicht nur die expliziten öffentlichen Schulden tragen sondern auch die aus b) resultierenden impliziten Verbindlichkeiten. e) Beispiel: 2008 betrugen die offenen Schulden 64,8% des BIP, die verdeckten 184,9% des BIP. Die Nachhaltigkeitslücke 2008 betrug also 249,7% des BIP oder 6 Billionen Euro (Stiftung Soziale Marktwirtschaft).. 8
4. Offene (explizite) / verdeckte (implizite) Formen der Verschuldung (Generationenbilanzierung) Explizite (offizielle) Staatsschulden: Zahlungsverpflichtungen aus verbrieften Forderungen der Inhaber von Staatsschuldpapieren. Ihre Bedienung beruht auf privatrechtlichen Verträgen. Implizite (verdeckte) Staatsschulden: Unverbriefte zukünftige Verbindlichkeiten, die institutionell verankert sind (z.b. Pensions- und Rentenansprüche, Beitragssätze zu KV und RV bei Alterung der Gesellschaft). Schulden dieser Art sind durch Reformen der Systeme der sozialen Sicherung in ihrer Höhe beeinflussbar, jedoch nur marginal durch die aktuelle Finanzkrise verursacht. 9
Noch 4. Nachhaltigkeitslücken im Jahresvergleich in % des BIP in Deutschland: Annahmen 2009 10
Noch 4. Nachhaltigkeitslücken im Jahresvergleich in % des BIP in Deutschland Quelle: Stiftung Soz. Marktwirtschaft 11
Noch 4. Nachhaltigkeitslücken im Jahresvergleich in % des BIP in Deutschland Quelle: FAZ 9.7.09 *** 12