614 Konzeption, Umsetzung und Ergebnisse einer internetbasierten Umfrage zur Landschaftsbildbewertung Gernot PAULUS 1, Bernhard KOSAR 1, Christoph ERLACHER 1, Karl-Heinrich ANDERS 1, Werner PÖLL 2, Brigitte GRIESSER 2, Daniel BOGNER 3, David MELCHER 3, Alexandra RIEGER 4 und Lukas UMGEHER 4 1 FH Kärnten, Villach gernot.paulus@fh-kaernten.at 2 freiland Umweltconsulting ZT GmbH, Graz 3 eb&p Umweltbüro GmbH, Klagenfurt 4 Revital Integrative Naturraumplanung GmbH, Lienz Zusammenfassung Die umgesetzte Online-Umfrage zur Landschaftsbildbewertung ist ein Teil eines von der FFG geförderten COIN Projektes und soll empirisch zeigen, wie Menschen Landschaften und Objekte in der Landschaft wahrnehmen und bewerten. Dies ist speziell im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten (z. B. Straßen, Brücken, Windparks ), die oft maßgebliche Auswirkungen auf unsere Lebensräume haben, von sehr großer Bedeutung. Fast 700 TeilnehmerInnen mit unterschiedlichem Alter sowie geographischen und beruflichen Hintergrund haben den Onlinefragebogen vollständig ausgefüllt. Die Ergebnisse der statistischen Auswertung geben Aufschluss, wie das Landschaftsbild durch den getesteten TeilnehmerInnenkreis wahrgenommen wird, um so einen Rückschluss auf den Gewichtungsanteil der Einflussfaktoren Vielfalt, Eigenart, Naturnähe und Störfaktoren zu erhalten. Die ausgewerteten Ergebnisse repräsentieren die Grundlage für den Aufbau eines standardisieren räumlichen Entscheidungsmodells zur Landschaftsbildbewertung. 1 Einleitung Technische Infrastrukturprojekte verändern das Landschaftsbild. Zur Bewertung des Istzustands der Landschaft, der Auswirkungen von Infrastrukturprojekten und der Wirkung von Ausgleichsmaßnahmen auf das Landschaftsbild gibt es bisher keine einheitlich angewandte Methode. In dem durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderten COIN Projekts wall-ie Workflow for Assessment of Landscape and Landforms lnfrastructure Effects (WALL-IE 2014) kooperieren drei Umweltplanungsbüros mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten und ein Unternehmen im Bereich Satellitenbildklassifikation mit einer Hochschule, um ein innovatives quantitatives Verfahren zur Landschaftsbildbewertung bei Umweltprüfverfahren (Wasserkraftwerke, Straßenprojekte, Windkraftanlagen etc.) zu entwickeln und in Case-Studies zu testen. Ziel des Projektes ist es, die Landschaftsbildbewertung objektiv zu gestalten und damit Entscheidungen im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfung-Verfahren (UVP-Verfahren) transparent und nachvollziehbar zu machen. Das Landschaftsbild wird personenabhän- Strobl, J., Blaschke, T., Griesebner, G. & Zagel, B. (Hrsg.) (2014): Angewandte Geoinformatik 2014. Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-543-0. Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der Creative Commons Attribution Lizenz verteilt wird (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).
Internetbasierte Umfrage zur Bewertung des Landschaftsbildes 615 gig durch die jeweiligen Bearbeiter subjektiv wahrgenommen, beschrieben und bewertet. Gängige Parameter bzw. Kriterien in der Landschaftsbildbewertung sind u. a.: Vielfalt, Eigenart, Schönheit (NOHL 1993, ROTH 2012) von Natur und Landschaft oder auch Harmonie und Überschaubarkeit. Bis heute fehlen jedoch bewährte quantitative Methoden, die eine objektive Bewertung ermöglichen. Die Grundlage für die quantitativen Berechnungs- und Bewertungsmethoden wurde mit einer repräsentativen webbasierten Umfrage zur Wahrnehmung und Bewertung von Landschaften geschaffen. Die Umfrage basiert auf Fotos realer Landschaften, aber auch auf Basis von Fotomontagen von Infrastrukturen in der Landschaft. Die repräsentative, empirische Onlinebefragung soll Aufschluss darüber geben, wie das Landschaftsbild von der Bevölkerung empfunden und bewertet wird. Die Daten der empirischen Umfrage wurden statistisch ausgewertet und bilden eine Orientierungsgrundlage für die Kriteriengewichtung des räumlichen Entscheidungsunterstützungssystems (engl. SDSS Spatial Decision Support System) (MALCZEWSKI 1999), das im Rahmen des wall-ie Projektes entwickelt wird. 2 Aufbau des Online-Fragenbogens Der Aufbau des Onlinefragebogens wurde mittels einer klickbaren graphischen Rating- Skala umgesetzt. Die Werte der Ratingskala liegen im ganzzahligen Intervall zwischen 1 (trifft nicht zu) und 10 (trifft voll zu). Die direkte Zahleneingabe wird dadurch verhindert, um einerseits den Benutzern die Eingabe zu erleichtern und anderseits um potenzielle Fehlerquellen bei der Dateneingaben und Bewertung zu minimieren. Die in der Online- Umfrage integrierten Landschaftsbilder werden anhand der Kriterien Schönheit (von 1 nicht schön bis 10 sehr schön), Vielfalt (von 1 monoton bis abwechslungsreich), Eigenart (von 1 austauschbar bis unverwechselbar) und Naturnähe (von 1 künstlich bis 10 ursprünglich) von den Nutzern bewertet. Mit diesem Konzept und als Arbeitshypothese wird davon ausgegangen, dass das Kriterium Schönheit durch die drei Kriterien Vielfalt, Naturnähe und Eigenart beschrieben werden kann. Die Benutzer werden zudem in die Gruppen Experten und Laien gegliedert, um feststellen zu können, ob es hinsichtlich dieser zwei Gruppen signifikante Unterschiede bei der Beurteilung des Landschaftsbildes gibt. Weitere wichtige Aspekte bezüglich des Aufbaus der Onlineumfrage sind Einfachheit in der Bedienung, eine eindeutige und übersichtliche Struktur sowie Lernwerkzeuge wie Übungsfragen, um mögliche Hürden bei der Fragebogeneingabe zu minimieren. Zusätzlich werden die einzelnen Landschaftsbilder für jede Bewertung zufällig angeordnet, um Reihenfolgeeffekte (zum Beispiel durch Abnahme der Aufmerksamkeit mit zunehmender Fragebogendauer oder vorzeitiger Ausstieg) zu vermeiden. Für die Onlinefrage ist es wichtig, dass die einzelnen Landschaftsbilder annähernd gleich oft von den Nutzern bewertet werden. Damit Personen die Bewertung nicht abbrechen, werden als Incentive Gewinne am Ende der Befragung eingeführt. Dies soll den Anreiz für die vollständige Durchführung der Bewertung deutlich erhöhen. 3 Technische Umsetzung der Befragung Für die technische Umsetzung wurde die Open-Source- & freie Softwareanwendung Lime- Survey in der Version 2.0 verwendet. Diese Softwarelösung hat den Vorteil, dass keine
616 G. Paulus, B. Kosar, C. Erlacher et al. Lizenzkosten entstehen und alle definierten Anforderungen für die Onlineumfrage erfüllt werden. Mit diesem Tool ist es einfach und unkompliziert möglich, Umfragen zu erstellen und diese zu verwalten sowie aus einem Portfolio von vordefinierten Fragebogendesigns zu wählen (Abb. 1). Abb. 1: Übungsfrage des Onlinefragebogens zur Bewertung des Landschaftsbildes hinsichtlich der vier Kriterien Schönheit, Vielfalt, Naturnähe und Eigenart
Internetbasierte Umfrage zur Bewertung des Landschaftsbildes 617 4 Auswertung der Umfrageergebnisse Insgesamt haben 646 Personen den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Diese Stichprobe wurde nach Alter, Geschlecht, Ausbildung, Affinität zu Aktivitäten in der Natur, vorhandene Expertise beim Thema Landschaftsbildbewertung sowie geographische Herkunft und geographischer Lebensmittelpunkt ausgewertet. Neben den Einzelbildauswertungen für die Hauptkriterien wurden auch die Subkriterien, die die Hauptkriterien beschreiben, hinsichtlich des Einflusses abgefragt. Abb. 2 zeigt beispielsweise, dass Gewässer, Berggipfel oder Waldränder einen höheren Einfluss als Weinberge, Gärten oder Alleen aufweisen (siehe Abb. 2). Abb.3 und Abb. 4 zeigen ein Beispiel der Einzelbildauswertung. Teilweise unterscheiden sich die Ergebnisse bei der Kriterienbewertung von Laien im Vergleich mit den Ergebnissen der ExpertInnen doch erheblich (siehe Abb. 4). Abb. 2: Absolute Nennungen hinsichtlich der Wichtigkeit natürlicher Elemente Abb. 3: Beispiel eines Landschaftsbildes aus der Onlineumfrage
618 G. Paulus, B. Kosar, C. Erlacher et al. Abb. 4: Bewertung des Landschaftsbildes aus Abbildung 3 durch alle Nutzer (User) und durch die ExpertInnen im wall-ie Projektteam Bei der schrittweisen multiplen Regression ist Schönheit die abhängige Variable, die mittels der Kriterien Vielfalt, Naturnähe und Eigenart beschrieben wird (Abb. 5). Modellzusammenfassung Modell R R-Quadrat Korrigiertes R-Quadrat Standardfehler des Schätzers 1,712 a,506,506 1,5757 2 784 b,615,615 1,3912 3,792 c,628,628 1,3680 a. Einflussvariablen: (Konstante), Vielfalt b. Einflussvariablen: (Konstante), Vielfalt, Naturnaehe c. Einflussvariablen: (Konstante), Vielfalt, Naturnaehe, Eigenart Abb. 5: Ergebnis der multiplen Regression. 62,8 Prozent des Kriteriums Schönheit lassen sich durch das Model statistisch erklären
Internetbasierte Umfrage zur Bewertung des Landschaftsbildes 619 Für die erste Iteration wird das Kriterium mit der höchsten Partialkorrelation aufgenommen. In unserem Fall handelt es dabei um das Kriterium Vielfalt. Die Schritte werden so lange wiederholt, bis keine Variable mehr in die Gleichung aufgenommen oder ausgeschlossen werden kann. Vorteil der schrittweisen Methode ist, dass redundante Prädikatoren nicht in die Regressionsgleichung aufgenommen werden. Die drei Kriterien können die Schönheit zu 62,8 % beschreiben. Die restlichen 37,2 % werden entweder durch weitere Kriterien (z. B. Störfaktoren) erklärt, oder das Attribut Eigenart wurde, wie auch häufig in der Literatur der Landschaftsbildbewertung diskutiert und kritisch angemerkt, von den Benutzern nicht richtig verstanden bzw. missverstanden. Das Kriterium Eigenart hat auch den geringsten Einfluss im Modell, da unser Modell schon zu 61,5 % von den Kriterien Vielfalt und Naturnähe beschrieben wird. Zudem muss der Experte, der das Landschaftsbild hinsichtlich Eigenart bewertet, ein lokales Wissen über die zu bewertende Landschaft haben, um die Eigenart im Projektgebiet korrekt bewerten zu können. Mit der Umsetzung der Onlineumfrage besteht eine umfassend getestete Infrastruktur, die einfach für neue Projektgebiete adaptiert werden kann und somit die Möglichkeit bietet, die lokale Bevölkerung konkret im Zuge eines BürgerInnenbeteiligungsprozesses in die Planung von neuen Infrastrukturprojekten miteinzubeziehen. Literatur MALCZEWSKI, J. (1999), GIS and Multicriteria Decision Analysis. Wiley, New York. NOHL, W. (1993), Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch mastenartige Eingriffe. Materialien für die naturschutzfachliche Bewertung und Kompensationsermittlung. Kirchheim, München, 79 S. ROTH, M. (2012), Landschaftsbildbewertung in der Landschaftsplanung. Entwicklung und Anwendung einer Methode zur Validierung von Verfahren zur Bewertung des Landschaftsbildes durch internetgestützte Naturbefragungen. Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung. Rhombos-Verlag, Berlin. WALL-IE (2014), Projekt-Wiki wall-ie Workflow for Assessment of Landscape and Landforms lnfrastructure Effects. http://www.fh-kaernten.at/wall-ie (11.04.2014).