Rechtsanwalt Eberhard Rott, Bonn Fachanwalt für Erbrecht Fachanwalt für Steuerrecht Testamentsvollstrecker (AGT) Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge RA/FAErbR/FASteuerR Eberhard Rott, HÜMMERICH legal, Bonn 2012 1
Sie sind nicht allein! (1) Postbankstudien 2011 2013 zeigen: Zwei Drittel aller über 50-Jährigen planen ihren Nachlass Frauen weit konsequenter als Männer. Frauen erben auch öfter als Männer 50% aller Testamente sind gemeinschaftliche. 2
Sie sind nicht allein! (2) Ziele der Nachlassplanung lt. Postbankstudien: Transparenz und klare Aufteilung schaffen - Aber: Das Wissen in der Bevölkerung zu wichtigen Begriffen rund um Erbschaften ist gering Streit verhindern - Aber: Bei jeder 6. Erbschaft kommt es zum Streit - die künftigen Erben rechnen deutlich häufiger mit einem Erbschaftstreit als die Erblasser Erbschaftsteuer vermeiden - Aber: 3 x mehr Erbschaftsteuer als vor 20 Jahren 3
Vorüberlegungen Wer nicht weiß, wo er hin will, darf sich nicht wundern, wenn er woanders ankommt. (Mark Twain)
Was wollen Sie erreichen? Ihre Motive sind individuell und vielfältig: Streit über das Vermögen vermeiden, die Angehörigen absichern, ein geordnetes Haus hinterlassen, Steuern sparen, Gutes tun, uns/mich rechtfertigen, Spuren hinterlassen, über den Tod hinaus wirken. 5
Wie können Sie es erreichen? Konkret werden! Prioritäten setzen - Bsp.: Die Versorgung meines Ehepartners ist mir wichtiger, als den letzten Cent an Erbschaftsteuer zu sparen Kommunizieren - Bsp.: Welche Vorstellungen haben wir zur Wiederverheiratung? Wie denkt mein Partner eigentlich darüber? Dogmen vermeiden - Bsp.: Auf gar keinen Fall bin ich bereit, deinem Bruder etwas zukommen zu lassen Simpel, aber hilfreich - eigene Gedanken frühzeitig skizzieren! 6
Strukturen schaffen (1) Strukturen helfen, komplexe Zusammenhänge zu bewältigen Nicht das, was du nicht weißt, bringt dich in Schwierigkeiten, sondern das, was du sicher zu wissen glaubst, obwohl es gar nicht wahr ist. Mark Twain 7
Strukturen schaffen (2) Strukturen helfen, komplexe Zusammenhänge zu bewältigen Das Ganze ist mehr, als die Summe seiner Teile Aristoteles 8
Struktur des Ehegattentestamentes Einleitung 1. Widerruf früherer Verfügungen 2. Rechtswahl ( Mallorca-Klausel ) 3. Erbeinsetzung 4. Ersatzerbeinsetzung 5. Teilungsanordnungen 6. Vermächtnisse 7. Katastrophenklausel 8. Pflichtteilsstrafklausel 9. Testamentsvollstreckung 10. Bestandskraftregelungen Schlussformel 9
Die richtigen Worte finden (1) Der Unterschied zwischen dem beinahe richtigen Wort und dem richtigen Wort ist gewaltig ein Unterschied wie zwischen Glühwürmchen und Blitz. Wer niemals Deutsch gelernt hat, kann sich keine Vorstellung davon machen, wie verzwickt diese Sprache ist. Mark Twain 10
Die richtigen Worte finden (2) Richtig? Vermächtnis oder Erbeinsetzung? Was bedeutet alles aus der Sicht eines Dritten (z. B. des Richters)? 11
Die richtigen Worte finden (3) Richtig? Was ist mit dem übrigen Vermögen? Was ist mit den Gegenständen im Haus? Und in der Garage (z. B. Auto)? Was ist, wenn das Haus schon lebzeitig verkauft wurde (z.b. weil das Geld für ein Pflegeheim benötigt wurde)? 12
Die richtigen Worte finden (4) Generell gilt: Sie schreiben das Testament nicht für sich! Sondern für Dritte! am besten nur für die Bedachten, oft genug aber auch für den Richter, der weder Sie, noch Ihre Familie und Ihre Lebensumstände kennt! 13
Einleitung (1) Gemeinschaftliches Testament Ehegatten und eingetragene Lebenspartner nicht: Verlobte (auch nicht bei späterer Heirat) privatschriftlich oder notariell Richtig? Ehemann, 88 Jahre, in 2. Ehe verheiratet, will seine Ehefrau versorgt wissen. Also verfügt er: Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem Berliner Testament erfolgen einschließlich Wiederverheiratungsklausel. 2. Ehefrau beantragt Erbschein als Alleinerbin. Die Kinder aus 1. Ehe pochen auf gesetzliche Erbfolge. 22.07.2014: OLG Hamm entscheidet: Testament ist unwirksam. 14
Einleitung (2) Gemeinschaftliches Ehegattentestament dokumentiert den Testierwillen Wir, die Eheleute Maria G., geborene M., geboren am 08.11.1950 in K., und Otto G., geboren am 22.11.1947 in L., errichten hiermit ein gemeinschaftliches Ehegattentestament. genaue Bezeichnungen erleichtern spätere Recherchen 15
Zu 1: Widerruf früherer Verfügungen Durch frühere Verfügungen sind wir nicht gebunden, vorsorglich heben wir sämtliche früheren Verfügungen hiermit in vollem Umfang auf. unproblematisch, wenn - früher noch nie testiert wurde Reset -Funktion, wenn früher schon einmal testiert wurde genau zu prüfen, wenn - früherer Ehegatte verstorben ist und mit ihm gemeinschaftlich testiert wurde 16
Zu 2: Rechtswahl ( Mallorca-Klausel ) Im Hinblick auf die Neuregelung des internationalen Erbrechts wählen wir vorsorglich für die Vererbung unseres gesamten Nachlasses das deutsche materielle Erbrecht unter vollständigem Ausschluss der Vorschriften über das internationale Privatrecht, also unter Ausschluss des deutschen internationalen Privatrechts und auch unter Ausschluss des jeweiligen internationalen Erbrechts ausländischer Staaten. Die Rechtswahl ist umfassend und gilt unabhängig davon, ob der betreffende Nachlassgegenstand beweglich oder unbeweglich ist, und auch unabhängig davon, ob sich der betreffende Nachlassgegenstand im Inland oder im Ausland befindet. 17
Zu 3: Erbeinsetzung Wir setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Längstlebenden zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Zu Schlusserben setzen wir unsere gemeinsamen Kinder wie folgt ein: 1. Cornelia G., geboren am 24.12.1981 in, derzeit wohnhaft in, zu ½, 2. Frank G., geboren am 11.11.1983 in, derzeit wohnhaft in, zu ½. Warum mehrere Erben? 18
Zu 4: Ersatzerbeinsetzung Sollte einer unserer Erben vorversterben oder aus einem sonstigen Grunde nicht Erbe werden, berufen wir zu Ersatzerben die bei seinem Tod vorhandenen leiblichen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zu gleichen Teilen. Sollte einer unserer Erben bei Eintritt der Ersatzerbschaft keine Abkömmlinge haben, soll der Anteil des weggefallenen Erben den anderen Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile anwachsen. Immer bedenken: Erbe kann nur werden, wer den Erbfall auch erlebt Niemand muss Zuwendungen annehmen 19
Zu 5: Teilungsanordnungen Im Wege der Teilungsanordnung bestimmen wir, dass unsere Tochter Cornelia G. das von ihr bereits jetzt bewohnte Einfamilienhaus in ( ) zu lastenfreiem Eigentum erhält. Etwaige Abweichungen zu ihrer Erbquote in Höhe von 1/2 sind demgemäß auszugleichen. Maßgeblich für den Wert der Immobilie ist dabei der durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu ermittelnde Verkehrswert. Immer bedenken: Probleme entstehen, wenn die zugewiesenen Vermögenswerte Schwankungen unterworfen sind 20
Zu 6: Vermächtnisse Als Ausgleich für die Nichtgeltendmachung ihres Pflichtteilsanspruchs und zur Ausnutzung des Erbschaftsteuerfreibetrages erhalten unsere Kinder sowie ihre leiblichen Abkömmlinge nach dem Tode des Erstversterbenden ein Geldvermächtnis bis zu Höhe der erbschaftsteuerlichen Freibeträge. Der überlebende Ehegatte kann Höhe, Zeitpunkt der Auszahlung und Verteilung auf die einzelnen Vermächtnisnehmer frei bestimmen. Die Vermächtnisse sind aus dem vorhandenen Geldvermögen des Erstversterbenden zu erfüllen. Entgegen jeder anders lautenden gesetzlichen oder richterlichen Auslegungs- und Vermutungsregel bestimmen wir keinen Ersatzvermächtnisnehmer. 21
Zu 7: Katastrophenklausel Für den Fall, dass wir gleichzeitig oder binnen eines Monats hintereinander aufgrund der selben Ursache, z.b. eine Unfalles etc., versterben, wird jeder von uns entsprechend der Schlusserbeneinsetzung für den zweiten Todesfall beerbt unter Geltung sämtlicher dort angeordneter Vermächtnisse, Auflagen sowie der dort angeordneten Testamentsvollstreckung. Es kommt aber immer auf den konkreten Einzelfall an: Vgl. OLG München, Beschl. v. 24.10.2013: Die Kombination einer "Schlusserbeneinsetzung" mit Einräumung einer Abänderungsbefugnis zugunsten des überlebenden Ehegatten bei ausdrücklicher Anordnung der Wechsebezüglichkeit der Verfügungen können Anhaltspunkte dafür sein, dass die Ehegatten die Formulierung "für den Fall gleichzeitigen Versterbens" nicht im Wortsinn verwendet haben, sondern den Fall des zeitlich nacheinander Versterben geregelt haben. 22
Zu 8: Pflichtteilsstrafklausel (1) Macht einer unserer Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil geltend, dann ist er mit seinem ganzen Stamm sowohl für den ersten als auch für den zweiten Erbfall von der Erbfolge einschließlich angeordneter Vermächtnisse und Auflagen ausgeschlossen. Vorsicht bei Sozialhilfebezug des Erben: OLG Hamm, Urt. v. 02.04.2014: die Pflichtteilsstrafklausel in einem von einem Ehepaar errichteten Berliner Testament greift auch dann ein, wenn ein Träger der Sozialhilfe beim Tod des Erstversterbenden aus übergegangenem Recht für eines der Kinder den Pflichtteil verlangt. 23
Zu 8: Pflichtteilsstrafklausel (2) Diese Pflichtteilsstrafklausel soll bei jeder Form außergerichtlicher wie gerichtlicher Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches eingreifen, also auch bereits bei Geltendmachung des Anspruches auf Erstellung eines privatschriftlichen oder notariellen Verzeichnisses. Vorsicht: für viele, gerade ältere Erben ist bereits die bloße Geltendmachung der Auskunftsansprüche eine erhebliche psychische Belastung. 24
Zu 9: Testamentsvollstreckung (1) Warum Testamentsvollstreckung? als Ausgleich für eine schwach ausgeprägte (staatliche) Nachlassfürsorge (Muscheler, Erbrecht 2011, Bd. I; Kap. 3, Rn 534) für ein modernes Erbrecht praktisch unentbehrlich (Lange, Erbrecht 2011, 62 Rn 3) aber: auf die richtige Dosis und Zusammensetzung kommt es an (Mayer, Jahrbuch für Erbrecht und Schenkungsrecht, Bd. 3, 2013, S. 41). 25
Zu 9: Testamentsvollstreckung (2) Wann Testamentsvollstreckung? Werthaltige und komplizierter strukturierte Vermögen (z.b. Fonds, Beteiligungen, Auslandsvermögen, Unternehmen, Wenige oder ganz fehlende Abkömmlinge (familienfremde Erben) fehlendes Vertrauen in die vorhandenen Abkömmlinge Patchwork- Familienstrukturen (mehrere eheliche oder nichteheliche Beziehungen, aber auch Gefahr unvorhergesehener Versterbensreihenfolge) Postmortale Stiftungserrichtung (Dankbarkeit über das gelungene eigene Leben) Versorgung behinderter Abkömmlinge (Unabhängigkeit von den Unwägbarkeiten der öffentlichen Hand) Vereinfachung und Sicherstellung der Nachlassabwicklung (z.b. Abkömmlinge mit Lebensmittelpunkt in Übersee) Schutz des Nachlasses vor dem Zugriff von Eigengläubigern des Erben (z.b. Erbe in der (Verbraucher-) Insolvenz 26
Zu 9: Testamentsvollstreckung (3) Wie Testamentsvollstreckung? nur mit fachlicher Hilfe bei der Gestaltung - (Spezialmaterie, vgl. 11 Abs. 2 Nr. 1 f JAG NRW: Grundzüge des Erbrechts, ausgenommen Testamentsvollstreckung, i.d.r. nur Randgebiet in der Fachanwaltsausbildung) nur mit einem Testamentsvollstrecker-Profi - die erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sehen eine besondere Qualifikation für das Amt des Testamentsvollstreckers nicht vor (BGH Urt. v. 11.11.2004) im Zweifel: AGT - Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e.v., Bonn: www.testamentsvollstreckerliste.de 27
Zu 10: Bestandskraftsregelungen (1) Wir schließen das Recht zur Anfechtung wegen des Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten gem. 2079 BGB aus. Ein Anfechtungsrecht Dritter schließen wir in gleichem Umfang ebenfalls aus. Vorsicht: durch spätere Heirat/Adoption kann der Längstlebende die Anfechtbarkeit absichtlich oder unabsichtlich herbeiführen. 28
Zu 10: Bestandskraftsregelungen (2) Der Letztversterbende soll berechtigt sein, durch einseitige, letztwillige Verfügung die Pflichtteilsstrafklausel aufzuheben und eine andere Person als Testamentsvollstrecker zu bestimmen. Gleichermaßen darf er die Erbquote für den Schlusserbfall abändern, wobei er nur eine Verteilung zwischen unseren Kindern und eine Änderung um maximal 15% vornehmen darf. Im Übrigen sollen sämtliche unserer Verfügungen für uns beide bindend sein, auch im Falle einer Wiederverheiratung oder des Hinzutretens weiterer Abkömmlinge, leiblicher wie adoptierter. Immer regeln: Wie weitgehend soll die Bindungswirkung Ihres Testamentes für den Überlebenden sein? 29
Schlussformel Das vorstehende Ehegattentestament wurde von mir, Maria G., eigenhändig geschrieben und unterschrieben. Braunschweig, den 7. Oktober 2014 Maria G. Die vorstehenden Verfügungen entsprechen auch meinem Willen. Braunschweig, den 7. Oktober 2014 Otto G. 30
Was Sie mitnehmen sollten Ihr Testament ist so individuell, wie Ihr Leben Auch die Hinweise aus dieser Veranstaltung können nur Anregungen sein (also nicht einfach abschreiben!) Es ist keine Schande, sich helfen zu lassen Regelmäßiger Testaments-Check ist wichtig Karl Lagerfeld in: Wetten dass? am 06.10.2012: Ich ändere es dauernd! Begleitende Vollmachten nicht vergessen: Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung, Kontrollbevollmächtigung, Patientenverfügung, Bestattungs-/Trauerverfügung. 31
Ende Teil 1 Lassen Sie es bitte nicht soweit kommen!
Vielen Dank! Eberhard Rott
KONTAKT EBERHARD ROTT Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht Fachanwalt für Erbrecht Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge AGT e.v. HÜMMERICH legal Rechtsanwälte in Partnerschaft Lievelingsweg 125/Potsdamer Platz 53119 BONN Tel.: 0228-60414-40 Fax: 0228-60414-92 Email: eberhard.rott@huemmerich-legal.de rott@agt-ev.de www.huemmerich-legal.de www.agt-ev.de