Einsatz der Prozesskostenrechnung in der universitären Lehre



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Georg-August-Universität Göttingen Institut für Wirtschaftsinformatik Professor Dr. Matthias Schumann Platz der Göttinger Sieben 5 37073 Göttingen Telefon: + 49 551 39-44 33 + 49 551 39-44 42 Telefax: + 49 551 39-97 35 www.wi2.wiso.uni-goettingen.de Arbeitsbericht Nr. 20/2003 Hrsg.: Matthias Schumann Mike Dobrindt Einsatz der Prozesskostenrechnung in der universitären Lehre

Copyright: Institut für Wirtschaftsinformatik, Abteilung Wirtschaftsinformatik II, Georg-August-Universität Göttingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis II Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis... IV Abkürzungsverzeichnis... V 1 Einleitung...1 2 Kostenrechnerische Grundlagen...2 2.1 Allgemeines...2 2.2 Prozesskostenrechnung...4 2.2.1 Charakterisierung...4 2.2.2 Ablauf...7 2.2.2.1 Prozessanalyse... 7 2.2.2.2 Wahl der Kostentreiber... 9 2.2.2.3 Planung der Prozessmengen und Kosten... 11 2.2.2.4 Kalkulation auf Basis von Prozesskosten... 13 2.2.3 Kritik...14 2.2.4 Verfahrenserweiterungen...16 3 Relevante Besonderheiten von Universitäten...20 4 Konzept einer Prozesskostenrechnung für Universitäten...24 4.1 Einbettung in das Controlling...24 4.2 Prozessanalyse...26 4.3 Wahl der Kostentreiber...31 4.4 Planung der Prozessmengen und Kosten...35 4.4.1 Prozessmengen...36 4.4.2 Kosten...36 4.5 Kalkulation auf Basis von Prozesskosten...40 4.6 Zusammenfassung der Ausgestaltung...40 4.7 Anwendungsmöglichkeiten...41 5 Fallstudie: Wirtschaftswissenschaften an der Universität Göttingen...43 5.1 Einleitung...43

Inhaltsverzeichnis III 5.2 Ist-Situation...43 5.2.1 Beschreibung...43 5.2.2 Abbildung durch Informationssysteme...46 5.3 Schwachstellenanalyse...48 5.4 Übertragung des allgemeinen Konzeptes...49 5.5 Durchführung...52 5.6 Auswertung...55 5.7 Ausblick...56 6 Schlussbetrachtung...56 Literaturverzeichnis...60

Abbildungsverzeichnis IV Abbildungsverzeichnis Abbildung 2-1: Schritte der Prozesskostenrechnung...7 Abbildung 2-2: Prinzip der Hauptprozessverdichtung...9 Abbildung 2-3: Mögliche Dimensionen der Differenzierten Prozesskostenrechnung...17 Abbildung 2-4: Morphologischer Kasten zu wesentlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Prozesskostenrechnung...19 Abbildung 3-1: Spezifika von Universitäten...21 Abbildung 4-1: Zusammenhänge innerhalb des Kostenrechnungssystems...26 Abbildung 4-2: Prozesshierarchie...30 Abbildung 4-3: Beispiele für direkt lehrbezogene Prozesse außerhalb der Lehrstühle...31 Abbildung 4-4: Übersicht über wichtige Teilprozesse und dazugehörige Kostentreiber...33 Abbildung 4-5: Kostentreiber zu den Beispiel-Teilprozessen in anderen Kostenstellen...35 Abbildung 4-6: Gewählte Ausgestaltungsvariante...41 Abbildung 5-1: Ausschnitt aus der Kostenstellenhierarchie der Universität Göttingen...46 Abbildung 5-2: Geschätzte Verrichtungszeiten für die verschiedenen Teilprozesse...52 Abbildung 5-3: Ermittlung der Tarife für die Abteilung Wirtschaftsinformatik 2...53 Abbildung 5-4: Weiterverrechnung der Kosten der Abteilung Wirtschaftsinformatik 2 auf die verschiedenen Module...53 Abbildung 5-5: Kosten der verschiedenen Hauptprozesse aufgespalten nach Abhängigkeit von der Studentenzahl...54 Abbildung 5-6: Prozessbezogene Kosten ausgewählter Studiengänge aufgespalten nach Abhängigkeit von der Studentenzahl...54

Abkürzungsverzeichnis V Abkürzungsverzeichnis ABC BAT bzgl. bzw. CAFM DPKR DV evtl. Activity-Based Costing Bundesangestelltentarif bezüglich beziehungsweise Computer Aided Facility Management Differenzierte Prozesskostenrechnung Datenverarbeitung eventuell f. folgende ggf. GS HP HS gegebenenfalls Grundstudium Hauptprozess Hauptstudium i. d. R. in der Regel lmi lmn LV leistungsmengeninduziert leistungsmengenneutral Lehrveranstaltung o. ä. oder ähnliches PKR pua RPKR Prozesskostenrechnung prozessunabhängig Ressourcenorientierte Prozesskostenrechnung S. Seite SWS TP Semesterwochenstunden Teilprozess u. a. unter anderem usw. und so weiter v. a. vor allem

Abkürzungsverzeichnis VI Vgl. Vergleiche z. B. zum Beispiel z. T. zum Teil

1 Einleitung 1 1 Einleitung Die Universitäten sehen sich heute insbesondere mit folgendem Problem konfrontiert: Auf der einen Seite müssen sie sich gegenüber den Geldgebern (v. a. den Ländern) aber auch gegenüber der Gesellschaft verstärkt rechtfertigen, ob sie ihre Mittel effektiv und effizient einsetzen. Weiterhin brauchen sie geeignete Entscheidungs- sowie Diskussionsgrundlagen, um vor dem Hintergrund einer verschärften Konkurrenz und ihrer erhöhten Autonomie die Gestaltungsspielräume sinnvoll nutzen zu können. Auf der anderen Seite herrscht bislang ein Mangel an geeigneten Instrumenten und Konzepten für die Hochschulsteuerung vor, was auch als Managementlücke der Universitäten zusammengefasst wird. 1 Ein häufig diskutiertes Instrument in diesem Zusammenhang ist die Kosten- und Leistungsrechnung. Auch wenn mittlerweile eine Reihe von Vorschlägen für die Ausgestaltung vorliegen, so wird doch i. d. R. kein umfassendes Konzept vorgestellt und einige Probleme konnten noch nicht zufrieden stellend gelöst werden. Als ein besonders geeignetes Kostenrechnungsinstrument für Hochschulen wird oft die Prozesskostenrechnung vorgeschlagen, es gibt jedoch kaum konkrete universitätsspezifische Ausgestaltungen. Die bisherigen Vorschläge lassen außerdem mehrere Fragen offen. 2 Interessant wird die Prozesskostenrechnung für Universitäten gerade durch ihre strategische Ausrichtung sowie der Möglichkeit, differenziert Kosten zuzurechnen und dabei auch Ressourcenbelastungen auszuweisen. Die vorliegende Arbeit verfolgt zwei Ziele. Zum einen ist die Eignung der Prozesskostenrechnung für die Universität zu prüfen und ein Konzept für den Bereich der Lehre aufzustellen, das die Spezifika der Universitäten berücksichtigt. Zum anderen ist die Eignung des Konzeptes beispielhaft an einer Fallstudie zu untersuchen, indem die Kosten für die Lehre in einem Teilbereich der Universität Göttingen transparent gemacht werden. Hierzu wird im zweiten Kapitel das Instrument der Prozesskostenrechnung skizziert, wobei v. a. a) Gestaltungsalternativen aufgezeigt und b) Kriterien für die konkrete Ausformung des Instrumentes vorgestellt werden. Letzteres sind die Anforderungen, die sich direkt aus dem Verfahren ergeben. Weitere Anforderungen werden im Anschluss in Kapitel drei aus den Besonderheiten der Hochschulen und speziell der Lehre abgeleitet. Beide Arten von Anforderungen sind dann im Kapitel vier bei der Erstellung des Konzeptes zu beachten. Die Fallstudie im fünften Kapitel implementiert dieses Konzept an dem konkreten Beispiel Wirtschaftwissenschaften an der Universität Göttingen, wofür notwendige Anpassungen vorgenommen werden. Diese Fallstudie ermöglicht die praktische Überprüfung des zuvor theoretisch hergeleiteten Konzeptes. Im letzten Kapitel wird schließlich eine Zusammenfassung der Ergebnisse präsentiert und ein Ausblick auf weitere Untersuchungsfelder geboten. 1 Vgl. Maier 1994, S. 25-27. 2 Vgl. Dobrindt 2003, S. 50-53.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 2 2 Kostenrechnerische Grundlagen Nachdem im ersten Abschnitt kurz mögliche Kostenverrechnungsprinzipien sowie das Kostenmanagement dargestellt werden, geht der zweite Abschnitt auf die Prozesskostenrechnung ein. Letztere wird zunächst kurz charakterisiert, dann wird der Ablauf im Einzelnen erläutert, anschließend das Verfahren kritisiert und zuletzt werden ausgewählte Erweiterungen vorgestellt. 2.1 Allgemeines Für die Beantwortung der Fragen Wo sind die Kosten angefallen? (Kostenstellenrechnung) und Wofür sind die Kosten angefallen (Kostenträgerrechnung) müssen die Kosten zugeordnet bzw. verrechnet werden. Eine Herausforderung stellt in beiden Fällen insbesondere die Zuordnung von Gemeinkosten dar, da sie von den verfolgten Zwecken der Kostenrechnung abhängt. Die Zuordnung gelingt mit Hilfe von geeigneten Prinzipien der Kostenverrechnung. Folgende sechs Prinzipien lassen sich häufig in der Literatur finden, wobei zwischen den verschiedenen Begriffen, die unter einem Spiegelstrich aufgeführt sind, nicht weiter differenziert wird. 3 1. Identitätsprinzip 2. Enges Verursachungsprinzip, Kausalitätsprinzip 3. Weites Verursachungsprinzip, Einwirkungsprinzip, Finalprinzip, Beanspruchungsprinzip 4. Proportionalitätsprinzip 5. Durchschnittsprinzip 6. Tragfähigkeitsprinzip Die ersten zwei Prinzipien erlauben es nicht, dass sämtliche Kosten den Kostenträgern zugerechnet werden können und finden sich demzufolge in Systemen der Teilkostenrechnung. Bei einem hohen Anteil gemeinsam genutzter Potentiale können deshalb nur wenige Kosten zugewiesen werden. Im Gegensatz zum engen Verursachungsprinzip, das nur solche Kosten verrechnet, die z. B. vom betrachteten Kostenträger direkt ausgelöst wurden, schreibt das weite Verursachungsprinzip die Aufnahme weiterer Kosten vor. Hierunter fallen Wertansätze für sämtliche Produktionsfaktoren, die bei der Erstellung des Kostenträgers eingeflossen sind. 4 Es geht hierbei also auch um die Beanspruchung von Potentialfaktoren. Die genaue Bewertung der Ressourcenbeanspruchung bleibt zu konkretisieren. I. d. R. geschieht die Verrechnung über Proportionalitätsfaktoren, die die Ressourcenbeanspruchung 3 Vgl. zu den folgenden Ausführungen: Götze/Bosse 2000a, S. 19-20; Schweitzer/Küpper 1998, S. 87-92; Kilger/Vikas 1993, S. 3-5; Reckenfelderbäumer 1994, S. 16; Sauter 2002, S. 54-55; Seicht 1995, S. 61-65; Freidank/Winkler 2001, S. 7-8.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 3 möglichst realistisch abbilden, z. B. über die zeitliche Beanspruchung. 5 Das Proportionalitätsprinzip umfasst das enge Verursachungsprinzip jedoch lediglich als Spezialfall. Von dieser Überschneidung des dritten und vierten Punktes abgesehen zeichnen sich die letzten drei Prinzipien dadurch aus, dass auch der Anspruch einer weiten Verursachungsgerechtigkeit fallen gelassen wird. Die Verteilung erfolgt somit willkürlich bzw. z. B. nach preispolitischen Überlegungen. Die Auswahl zwischen den zwei Varianten des Verursachungsprinzips entspricht der Entscheidung zwischen Teil- und Vollkostenrechnung. Während für kurzfristige Entscheidungen eine enge Auslegung des Verursachungsprinzips vorzuziehen ist, eignet sich die weite Auslegung z. B. besser zur Verhaltenssteuerung 6 sowie allgemein im Rahmen des als nächstes erläuterten Kostenmanagements. Durch das Monetarisieren der Beanspruchung von Potentialen wird die Ressourcennutzung, insbesondere auch die übermäßige Nutzung solcher Potentiale, transparent gemacht. Das Kostenmanagement geht über die traditionelle Kostenrechnung v. a. insofern heraus, dass es: 7 sich explizit mit der Gestaltung von Kostenniveau, Kostenstruktur und Kostenverlauf befasst, schnittstellenübergreifend ansetzt, also prozessbezogen vorgeht, Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung berücksichtigt, den gesamten Lebenszyklus der Produkte betrachtet sowie auch mittel- und langfristig denkt. Wegen dieser anderen Ausrichtung ist eine rechnerische Exaktheit nicht unbedingt erforderlich, stattdessen reicht eine zur Kostenbeeinflussung ausreichende Detaillierung 8. Von der Investitionsrechnung, die üblicherweise verwendet wird, um strategische Entscheidungen zu fundieren, lässt sich das Kostenmanagement folgendermaßen abgrenzen: 9 Das Kostenmanagement dient als Impulsgeber, der zur Strategiefindung genutzt werden kann. Bei der Strategiebewertung und -auswahl wird dann u. a. die Investitionsrechnung eingesetzt. Auch für die Strategieimplementierung, v. a. im Sinne von Verhaltenssteuerung, bietet das Kostenmanagement Unterstützung, während für die Kontrolle sowohl Kostenmanagement als auch Investitionsrechnung sinnvoll verwendet werden können. Entscheidungen ausschließlich auf der Grundlage von Instrumenten des Kostenmanagements zu treffen, führt zu einem heuristischen Vorgehen. 10 Ein wichtiger Bereich des Kostenmanagements ist das Gemeinkostenmanagement, bei dem u. a. folgende Instrumente zum Einsatz kommen: 4 Vikas spricht in diesem Zusammenhang von der Betrachtung funktionaler Abhängigkeiten versus der Betrachtung der kurzfristigen Beeinflussbarkeit. Vgl. Vikas 2001, S. 219. 5 Für eine detailliertere Betrachtung siehe in Abschnitt 2.2.4 den Absatz zur Ressourcenorientierten Prozesskostenrechnung. 6 Vgl. Sauter 2002, S. 56 sowie zur Gegenposition Reckenfelderbäumer 1994, S. 216. 7 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 267. 8 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 267. 9 Vgl. Sauter 2002, S. 58 sowie Reichmann/Fröhling 1995, S. 65. 10 Vgl. Ossadnik 1997, S. 6.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 4 Zero-Based-Budgeting, Gemeinkostenwertanalyse, Prozesskostenrechnung. 2.2 Prozesskostenrechnung 2.2.1 Charakterisierung Im Gegensatz zu den anderen zwei oben genannten Instrumenten des Gemeinkostenmanagements zeichnet sich die Prozesskostenrechnung v. a. dadurch aus, dass sie für einen permanenten Einsatz konzipiert ist. 11 Während Prozesskostenrechnung in einem weiten Begriffsverständnis alle Kostenrechnungssysteme bezeichnet, bei denen Gemeinkosten prozessbezogen mittels geeigneter Bezugsgrößen verrechnet werden, versteht man unter Prozesskostenrechnung im engeren Sinne das Konzept von Horváth und Meyer. 12 Die vorliegende Arbeit befasst sich insbesondere mit dem Konzept von Horváth und Meyer sowie ausgewählten Weiterentwicklungen davon. Bei der Prozesskostenrechnung nach Horváth und Meyer handelt es sich um ein Kostenrechnungssystem, welches der verursachungsgerechten 13 Gemeinkostenverrechnung dient und somit als Ergänzung von Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung einzuordnen ist. Typisch ist die mit der prozessbezogenen Gemeinkostenverteilung verbundene kostenstellenübergreifende Betrachtungsweise. 14 Dabei werden kurzfristig fixe Kosten zumindest teilweise weiterverrechnet. 15 Als Zwecke der Prozesskostenrechnung werden neben der Signalwirkung solcher Kostenangaben für strategische Entscheidungen (z. B. Produktionsprogrammentscheidungen) 16 insbesondere die Kostenplanung, -steuerung und kontrolle in den untersuchten Kostenstellen sowie die strategische Kalkulation von Produkten bzw. von Dienstleistungen aufgeführt. 17 Ein wichtiger Teilaspekt hierbei ist die Verhaltenssteuerung. 18 Ein wichtiger Gesichtspunkt der Signalwirkung ist das Aufzeigen von Kostenreduktionspotentialen. Wegen des speziellen Charakters der betrachteten Gemeinkosten reicht eine Reduktion der Ressourcennachfrage nicht aus. Es müssen 11 Vgl. Müller 1998, S. 68 f., Horváth/Mayer 1993, S. 23 sowie Fischer 2000, S. 89. 12 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 224. 13 Weites Begriffsverständnis. 14 Vgl. Reckenfelderbäumer 1994, S. 25. 15 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 225. 16 Vgl. hierzu beispielhaft Freidank/Winkler 2001, S. 369. 17 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 234-241 sowie Roolfs 1996, S. 183. 18 Vgl. zur Prozesskostenrechnung als Motivationshilfe beispielhaft Coenenberg/Fischer 1997, S. 24 sowie zur Kritik der Annahme der positiven Verhaltensbeeinflussung Roolfs 1996, S. 216 f.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 5 sich konkrete Maßnahmen bezogen auf das Ressourcenangebot anschließen. So ist z. B. zu überprüfen, inwieweit frei werdende Ressourcen anders genutzt werden ( Mehrfachverwendbarkeit) oder abgebaut werden können. Der Freimachen von Kapazitäten wiederum kann neben der Outputverringerung mittels Eliminieren oder Outsourcen von Prozessen sowie einer Effizienzsteigerung bei der Prozessdurchführung realisiert werden. Betrachtet werden sollten für solche Entscheidungen stets auch nicht-finanzielle Kennzahlen, die mit einzelnen Prozessen zu verknüpfen sind. 19 Die konkrete Ausgestaltung des Prozesskostenrechnungssystems ist von der Bedeutung der einzelnen Zwecke abhängig. 20 Die Prozesskostenrechnung erhebt i. d. R. nicht den Anspruch, eine exakte Rechnung zu sein, sondern begnügt sich mit einer Approximation. 21 Sie verdeutlicht die Ressourcenbeanspruchung, verteilt die Kosten also nach dem Beanspruchungsprinzip. 22 Beides ergibt sich aus den oben genannten Zwecken: Es werden insbesondere Signale für mögliche strategische Entscheidungen geliefert und eine Verhaltenssteuerung der Mitarbeiter angestrebt. Nicht nur die Ungenauigkeit macht eine Ergänzung der Prozesskostenrechnung durch andere Instrumente erforderlich, sondern auch die Tatsache, das identifizierte Überschusskapazitäten i. d R. nicht ohne Zeitverzug und auch nicht stufenlos abgebaut werden können, z. B. wegen: des Quantencharakters bestimmter Ressourcen, längerfristigen vertraglichen Bindungen sowie preispolitischen Überlegungen (Rabatte). 23 Die Prozesskostenrechnung wird häufig nur in Teilbereichen des Unternehmens eingesetzt. 24 Folgende Kriterien sprechen für die Anwendung der Prozesskostenrechnung in einem Bereich: 25 hoher Anteil der Gemeinkosten in den Bereichen hohe Kosten der Bereiche (betriebliche Kostenschwerpunkte) große Fehler bei der Gemeinkostenverrechnung in der traditionellen Kostenrechnung größtenteils repetitive, strukturierte Abläufe ohne großen Entscheidungsspielraum leicht zu identifizierende und zu ermittelnde Kosteneinflussgrößen. Die Fehler in der traditionellen Kostenrechnung werden teilweise durch einen der folgenden Effekte ausgelöst, 26 wobei diese insbesondere dann auftreten, wenn sich die Ressourcenbeanspruchung durch 19 Vgl. zu diesem Abschnitt Fischer 1998, S. 18 f.; Reichmann/Fröhling 1995, S. 67; Fischer 2000, S. 214 f.; Götze 1997, S. 154 f. sowie Cooper/Kaplan 1993, S. 11 f. Für spezielle Maßnahmen zur Veränderung der Personalkapazität vgl. Fischer 2000, S. 190 20 Vgl. Friedl 1993, S. 37-42. 21 Vgl. Ewert/Wagenhofer 1997, S. 301. 22 Vgl. Roolfs 1996, S. 250. 23 Vgl. Cooper/Kaplan 1993, S. 8. 24 Hierfür sprechen Praktikabilitäts- und Wirtschaftlichkeitsgründe. Vgl. Reckenfelderbäumer 1994, S. 35. 25 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 226 f., Reckenfelderbäumer 1994, S. 15-16, 39 sowie Müller 1998, S. 101.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 6 die anderen Kostenstellen sowie durch die Produkte stark unterscheidet oder wenn wertbezogene Bezugsgrößen für die Kostenbelastung verwendet werden: Allokationseffekt: 27 Wertbezogene Bezugsgrößen belasten teure Produkte bei gleicher Ressourcenbeanspruchung zu stark. Degressionseffekt: Auftragsfixe bzw. losgrößenfixe Kosten werden in der Zuschlagskalkulation einheitlich auf alle Produkte umgelegt, wodurch z. B. Aufträge mit geringer Stückzahl zu billig kalkuliert werden. Komplexitätseffekt: Eine gleichmäßige Belastung komplexer und weniger komplexer Produkte führt dazu, dass den komplexen Produkten zu wenig Kosten angelastet werden. Dieser Effekt umfasst auch die fehlerhafte Umlage der Kosten für exotische Varianten auf alle Produkte. Es geht hierbei weniger um die von außen wahrgenommene (externe) Komplexität als vielmehr um die Komplexität, die sich für die internen Abläufe z. T. daraus ergibt, 28 da letztere sich in den Kosten niederschlägt. Häufig treffen diese Kriterien für die so genannten indirekten Bereiche des Unternehmens zu. In Dienstleistungsunternehmen bietet sich die Prozesskostenrechnung oft auch in den Kernbereichen an, 29 da dort a) ein System zur gezielten Berücksichtigung von Gemeinkosten eine hohe Bedeutung hat und b) dort i. d. R. die aufgeführten Voraussetzungen größtenteils vorliegen. Der vierte Punkt (repetitiv, standardisiert) ist hierbei im Einzelfall zu überprüfen, da die Erfüllung insbesondere bei einem starken Einbezug des externen Faktors fraglich wird. 30 Aus verschiedenen Gründen kann es notwendig werden, die Prozesskostenrechnung um weitere Instrumente zu ergänzen: Da sie üblicherweise nur Teilbereiche abdeckt, muss in den anderen Bereichen i. d. R. ein anderes Kostenrechnungssystem eingesetzt werden. 31 Für kurzfristige Entscheidungen kann es erforderlich sein, zusätzlich ein Teilkostenrechnungssystem einzusetzen, z. B. die Grenzplankosten- und Deckungsbeitragsrechnung. 32 26 Vgl. Ewert/Wagenhofer 1997, S. 301 f., Horváth/Mayer 1989, S. 215, Müller 1998, S. 136, 184 f. Diese Effekte hängen eng mit den so genannten strategischen bzw. strukturellen Kostentreibern zusammen. Vgl. zu diesen Roolfs 1996, S. 256 sowie Ewert/Wagenhofer 1997, S. 282-284. Teilweise werden diese Phänomen auch aus einer Perspektive als Verzerrungsgründe sowie als strategische Informationsvorteile bezeichnet. 27 Einige Autoren verstehen unter dem Allokationseffekt auch eine Zusammenfassung aller anderen Effekte. Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 239-241. 28 Vgl. zu dieser Differenzierung des Komplexitätsbegriffes wie auch zur Subsummierung der Variantenvielfalt unter dem Begriff der Komplexität Kaiser 1995, S. 16 f. 29 Vgl. Ewert/Wagenhofer 1997, S. 290, Corsten 2001, S. 261 f., Fischer 2000, S. 98 f., Götze/Bosse 2000b, S. 242 sowie Horváth/Mayer 1993, S. 16. 30 Vgl. Fischer 2000, S. 99. 31 Vgl. beispielhaft Götze/Bosse 2000b, S. 242. 32 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 242 sowie Reckenfelderbäumer 1994, S. 134.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 7 Wie oben bereits erläutert, kann die Prozesskostenrechnung ausschließlich zu einzelnen Schritten der strategischen Entscheidungsfindung beitragen, wodurch eine Ergänzung u. a. durch die Investitionsrechnung erforderlich wird. 33 2.2.2 Ablauf Nach einem kurzen Überblick über den Ablauf einer Einführung des Konzeptes von Horváth und Meyer werden die einzelnen Schritte skizziert, wobei auf die zwei folgenden Gesichtspunkte der Schwerpunkt gelegt wird: Kriterien, die Anhaltspunkte zu einer konkreten Ausgestaltung der Prozesskostenrechnung liefern Varianten in der Ausgestaltung In der folgenden Abbildung 2-1 sind drei Varianten zum Vorgehen der Einführung der Prozesskostenrechnung aufgeführt, die alle recht ähnlich sind, da sich alle an dem Konzept von Horváth und Mayer orientieren. Unterschiede zeigen sich im Detaillierungsgrad sowie darin, ab wann und bis wohin die Schritte der Prozesskostenrechnung zugerechnet werden. Da auf die Zielsetzungen und die Abgrenzung des Untersuchungsbereiches bereits im vorherigen Abschnitt eingegangen wurde, wird im Hinblick auf eine einfachere Darstellung des Verfahrens fortfolgend die Reihenfolge nach Roolfs gewählt. Horváth & Mayer Roolfs Definition Untersuchungsbereich/ Prozessanalyse Festlegung der Zielsetzungen Wahl der Kostentreiber Hypothesen über Hauptprozesse Planung der Prozessmengen und Cost Driver und Prozesskosten Tätigkeitsanalyse zur (Kalkulation auf Basis von Teilprozessermittlung Prozesskosten) Kapazitäts- und Kostenzuordnung Hauptprozessverdichtung Ewert & Wagenhofer Ermittlung der Prozesse und Zuordnung von Kosten Ermittlung der Kostentreiber Ermittlung der Prozesskostensätze Zusammenfassung zu Hauptprozessen Abbildung 2-1: Schritte der Prozesskostenrechnung 34 2.2.2.1 Prozessanalyse Hierbei wird hier unter einem Prozess allgemein eine Kette von logisch zusammenhängenden Tätigkeiten 35 verstanden, die 33 Vgl. beispielhaft Roolfs 1996, S. 222. 34 Vgl. Horváth/Mayer 1993, S. 19-23 und ähnlich Götze/Bosse 2000b, S. 226-232; Roolfs 1996, S. 190-211 sowie Ewert/Wagenhofer 1997, S. 290. 35 Vgl. beispielhaft Lücke 1997, S. 133.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 8 weitestgehend standardisiert ist, 36 inhaltlich geschlossen ist, also unter Verwendung von Ressourcen (und damit Kosten) einen definierten Output generiert, einen gleichmäßigen Ressourcenverzehr bei jeder Beanspruchung aufweist, mit Qualitätsmerkmalen charakterisiert werden kann, zumeist auch durch analysierbare Durchlauf- und Bearbeitungszeiten gekennzeichnet ist und mengenmäßig erfassbar ist und deren Ressourcenverzehr idealerweise größtenteils von einer Bezugsgröße abhängt. 37 Für die betrachteten Prozesse ist weiterhin zu fordern, dass: sie geeignet sind, die oben aufgezählten Effekte angemessen abzubilden 38, dass sie im Zeitablauf weitgehend konstant bleiben, um den mit dem Verfahren verbundenen Aufwand gering zu halten und dass bezogen auf die Kostenhöhe nur wichtige Prozesse berücksichtigt werden. 39 Weitere Anforderungen an die Teil- und Hauptprozesse ergeben sich indirekt aus den Kostentreibern, auf die weiter unten eingegangen wird. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal von Prozessen ist der Grad der Integration des externen Faktors, folglich, ob es sich um einen Frontoffice-Prozess mit externer Beteiligung oder um einen Backoffice-Prozess ohne eine solche handelt. 40 Auch die Sichtbarkeit nach außen kann ein wichtiges Merkmal von Prozessen sein, da die Qualitätswahrnehmung der Kunden verstärkt von für sie sichtbaren Prozessen beeinflusst wird. Fortfolgend wird in Anlehnung an Horváth und Mayer zumindest zwischen Teilprozessen und Hauptprozessen unterschieden. Während Teilprozesse Tätigkeiten innerhalb einer Kostenstelle aggregieren, sind diese wiederum Bausteine der kostenstellenübergreifenden Hauptprozesse. Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 2-2 dargestellt. Hier wird deutlich, dass ein Teilprozess in einen oder auch in mehrere Hauptprozesse eingehen kann. Kosten können sowohl auf Kostenstellenebene, differenziert nach Teilprozessen, als auch auf Hauptprozessebene betrachtet werden. Die Zweiteilung ergibt sich also bei Horváth und Mayer aus der Verknüpfung von kostenstellenbezogener und kostenstellenübergreifender Sichtweise. Andere Autoren bündeln sämtliche Teilprozesse, deren Kosten von identischen oder zumindest stark korrelierenden Kosteneinflussfaktoren abhängen, in Kostenpools, die teilweise 36 Hierunter soll ein weitgehend festgelegter Arbeitsablauf, eine niedrige Varianz des Zeitbedarfs, das Vorliegen repetitiver Tätigkeiten sowie ein geringer Entscheidungsspielraum verstanden werden. Vgl. zu diesen Merkmalen Müller 1998, S. 111. 37 Vgl. Horváth/Mayer 1993, S. 16, Fischer 2000, S. 32 sowie Kavandi 1998, S. 118. 38 Vgl. Roolfs 1996, S. 201. 39 Vgl. hierzu beispielhaft Strecker 1991, S. 33, der dies mit einer Forderung nach einer ABC-Analyse ausdrückt. 40 Vgl. Fischer 2000, S. 139 sowie Corsten 2001, S. 262.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 9 auch als Hauptprozesse bezeichnet werden. 41 Zur sauberen begrifflichen Trennung wird fortfolgend für diese Zusammenfassung ausschließlich der Begriff Kostenpool verwendet. Während die Motivation für eine solche Bündelung das kostenstellenübergreifende Aufzeigen von Abhängigkeiten von Kosteneinflussfaktoren ist, ermöglicht die Variante von Horváth und Mayer eine kostenstellenübergreifende Betrachtung von logisch zusammenhängenden Abläufen. Letzteres erhöht die Übersichtlichkeit über das Betriebsgeschehen. 42 Es finden sich in der Literatur auch Betrachtungen mit weiteren Aggregationsebenen, wobei im konkreten Anwendungsfall zu überprüfen ist, ob ein solcher Informationsbedarf vorliegt. Vikas schlägt analog zu Stücklisten in der Fertigung die Verwendung von Prozessfolgestrukturen vor, die sehr flexibel die Zusammensetzung einzelner Prozesse höherer Hierarchieebene abbilden können. 43 Hauptprozess 1 Hauptprozess 2 Verdichtung zu Hauptprozessen TP 1.1 TP 1.2 TP 1.3 TP 1.4 TP 1.1 TP 1.2 TP 1.1 TP 1.2 TP 1.3 Kostenstelle 1 Kostenstelle 2 Kostenstelle 3 Zusammenfassung zu Teilprozessen kostenstellenbezogene Tätigkeitsanalyse Abbildung 2-2: Prinzip der Hauptprozessverdichtung 44 2.2.2.2 Wahl der Kostentreiber Die oben angesprochene mengenmäßige Erfassung der Prozesse geschieht über so genannte Kostentreiber, die die Anzahl der Prozessverrichtungen messen. Diese Bezugsgrößen sollen idealerweise zwei Funktionen erfüllen. 45 Sie sollen sich annähernd proportional verhalten zu: dem Anfall der Kosten bzw. der Ressourcenbeanspruchung (Leistungsinput) sowie der erbrachten Leistung (Leistungsoutput). 41 Zu den zwei Varianten der Aggregation zu Hauptprozessen vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 228. 42 Vgl. Ewert/Wagenhofer 1997, S. 297. 43 Vgl. Vikas 2001, S. 242 f. 44 Vgl. Mayer 1991, S. 86. 45 Einige Autoren halten die Erfüllung der Doppelfunktion für unrealistisch. Vgl. Horváth/Mayer 1993, S. 18 sowie Müller 1998, S. 130 f.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 10 Eine genaue Proportionalität stellt keine zweckmäßige Forderung dar, da dies einen festen Zusammenhang zwischen den Kosten und zumindest der Quantität der Leistung implizieren würde, und damit befriedigende Wirtschaftlichkeitsvergleiche im Sinne von Kosten-Leistungs-Gegenüberstellungen ad absurdum führte. Üblicherweise wird aus Gründen der Übersichtlichkeit von einem Kostentreiber pro Prozess ausgegangen, wobei es vor dem Hintergrund der angestrebten Genauigkeit i. d. R. als ausreichend angesehen wird, wenn der Kostentreiber wenigstens einen Großteil der angefallenen Kosten erklären kann. Einzelne Autoren sehen jedoch explizit mehrere Kostentreiber pro Prozess vor, um eine größere Genauigkeit zu erreichen. 46 Zur Anzahl der Kostentreiber werden in der Literatur folgende Kriterien genannt, wobei diese Entscheidung mit der Auswahl der Prozesse in engem Zusammenhang steht: 47 angestrebte Kalkulations- bzw. allgemeiner Rechengenauigkeit und Komplexität des Produktmixes, der sich v. a. aus der Unterschiedlichkeit der Produkte sowie derer Mengen ergibt. Der erste Punkt verweist auf die Zielabhängigkeit bei der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens. Während es für eine Produktkalkulation und eine Verhaltenssteuerung 48 angebracht sein kann, sich auf wenige Kostentreiber zu beschränken, spricht der Wunsch nach einer detaillierten Planung und Kontrolle der Gemeinkosten i. d. R. für eine größere Anzahl an Kostentreibern. Diese zwei unterschiedliche Informationsbedarfe können durch die Zweiteilung in Haupt- und Teilprozesse im Allgemeinen befriedigt werden. 49 Während die Teilprozesse die Detailsicht abbilden, eignen sich die Hauptprozesse für die umfassende Gesamtsicht. Der zweite Punkt hingegen konkretisiert die oben erhobene Forderung, die relevanten Effekte adäquat abzubilden. Auch für die konkrete Auswahl von Kostentreibern spielen die verfolgten Zwecke der Kostenrechnung eine erhebliche Rolle: Soll die Kostenrechnung in erster Linie symbolisch genutzt werden, also als Kommunikationsmedium, z. B. zum Erlangen von Verhandlungsvorteilen, dann gewinnen statt einer exakten, verursachungsgerechten Verrechnung die Faktoren Verständlichkeit, Durchschaubarkeit, Nachprüfbarkeit sowie Manipulationssicherheit an Bedeutung. 50 Zur allgemeinen Auswahl der Kostentreiber lassen sich in der Literatur folgende Kriterien finden. Sie sollten: 51 einen Großteil der Kostenentstehung der jeweiligen Prozesse erklären können, 46 Vgl. Roolfs 1996, 198. 47 Vgl. Müller 1998, S. 35-37 sowie Reckenfelderbäumer 1994, S. 64-66. 48 Generell spricht die Kommunikationsfunktion der Kostenrechnung für eine nachvollziehbare und leicht verständliche Vorgehensweise. Vgl. zur Forderung nach Übersichtlichkeit beispielsweise Kaiser 1995, S. 41 49 Vgl. Müller 1998, S. 197 f. 50 Vgl. Heise 2001, S. 194 sowie Aust 1999, S. 92f. 51 Vgl. Müller 1998, S. 138; Küting/Lorson 1993, S. 31; Reckenfelderbäumer 1994, S. 66-68; Götze 1997, S. 148 sowie Kavandi 1998, S. 135.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 11 sich zumindest im relevanten Prozessmengenintervall näherungsweise proportional zu den Prozesskosten verhalten, 52 beeinflussbar sein und somit positive Verhaltenswirkungen auslösen können, wozu auch gehört, dass die richtigen Anreize gesetzt werden, damit nicht wichtige Prozesse wie Qualitätssicherungen seltener ausgeführt werden, entweder bereits DV-technisch erfasst werden 53 oder ohne großen Aufwand erfassbar sein und durchschaubar sowie verständlich sein. Mit der angedeuteten Komplexitätsreduktion beim Übergang von Teil- zu Hauptprozessen ist i. d. R. auch eine Reduzierung der Anzahl der betrachteten Kostentreiber verbunden. Dieses Vorgehen wird damit begründet, dass sich ein großer Teil der Kosten mit Hilfe weniger Kostentreiber erklären lässt. 54 Obligatorisch ist im Konzept von Horváth & Mayer der logische Zusammenhang der zusammengefassten Teilprozesse, eine Identität der Kostentreiber liegt dabei nicht zwangsläufig vor. Um durch die Zusammenfassung unterschiedlicher Kostentreiber keinen gravierenden Informationsverlust zu erleiden, ist es wünschenswert, dass zwischen ihnen zumindest eine starke Korrelation besteht. Meistens handelt es sich bei den Kostentreibern um Mengengrößen, aber auch Wertgrößen sind grundsätzlich möglich. Bei Prozessen, deren Verrichtungsdauer erheblich variieren kann, sollten Zeitgrößen als Kostentreiber gewählt werden, 55 wobei solche Daten ggf. schwieriger zu erheben sind. Folgende Klassifizierungen von Kostentreibern lassen sich darüber hinaus beispielhaft in der Literatur finden: 56 beschäftigungsabhängige und beschäftigungsunabhängige Kostentreiber (nach Cooper), volumen-, komplexitäts- und effizienzabhängige Kostentreiber (nach Foster/ Gupta), Unterscheidung nach Grad der Beeinflussbarkeit (nach Sauter). Je nachdem, ob sich für die Prozesse überhaupt Kostentreiber benennen lassen oder nicht, liegen entweder leistungsmengeninduzierte (lmi-) oder leistungsmengenneutrale (lmn-) Prozesse vor. 2.2.2.3 Planung der Prozessmengen und Kosten In diesem Abschnitt werden zunächst die Planung der Menge und der Kosten sowie die Bildung von Prozesskostensätzen für Teilprozesse behandelt. Abschließend wird die Aggregation auf die Hauptprozessebene vollzogen. Wegen der geschilderten Beziehung zwischen Haupt- und Teilprozessen existiert eine Verbindung zwischen den jeweiligen Prozessmengen: Entweder liegt Identität bzw. eine starke Korrelation der Kostentreiber vor oder die Kostentreiber basieren zumindest auf den selben Annahmen. Daher ist zu 52 Vgl. Ossadnik 1997, S. 9. 53 Bzw. ableitbar sind, vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 228. 54 Vgl. Mayer 1991, S. 83, 86. 55 Vgl. Seicht 1995, S. 558 sowie Roolfs 1996, S. 199.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 12 entscheiden, ob für die Mengenplanung a) ein Top-Down-Ansatz, b) ein Bottum-Up-Ansatz oder c) ein Gegenstromverfahren angewendet werden soll. 57 Letzteres kann geeignet sein, die Nachteile der anderen Verfahren zu mildern: bei a) der große zentrale Informationsbedarf und die hohe Komplexität und bei b) die fehlende kostenstellenübergreifende Abstimmung, was den Interessen der Prozesskostenrechnung zuwider laufen kann. Wenn dem Vorschlag von Horváth und Meyer gefolgt wird, die verschiedenen mit einander verbundenen Kapazitäten nach der Engpasskapazität auszurichten (Gutenbergsches Ausgleichsgesetz der Planung), 58 dann können bei einer späteren Analyse der Beschäftigungsabweichung lediglich Teile der Leerkapazität aufgezeigt werden. 59 Darüber hinausgehende Leerkapazitäten können jedoch teilweise transparent gemacht werden, sobald die Differenz zwischen der Maximalkapazität und der aufgrund anderer Engpässe reduzierten Plankapazität mit Kosten bewertet werden. Verkompliziert wird eine solche Betrachtung i. d. R. durch die Mehrfachnutzbarkeit von Potentialen, die Freiheitsgrade bzgl. der Kapazitätsaufteilung auf einzelne Prozesse gestattet 60 und somit die Planung erschwert. Um eine Kostenplanung auf Kostenstellenebene durchzuführen, also um die Kosten auf die identifizierten Teilprozesse aufzuteilen, sind verschiedene Varianten denkbar, die sich in erster Linie durch die angestrebte Genauigkeit (Ermittlung der Gesamthöhe, Verteilung auf einzelne Teilprozesse) unterscheiden. Die folgende Auflistung stellt die Alternativen in abnehmender Genauigkeit und mit abnehmendem Aufwand dar: 61 analytische Planung aller Kostenarten, analytische Planung wichtiger Kostenarten 62 (i. d. R. Personalkosten) sowie proportionales Aufschlagen von Normalkosten der anderen Kostenarten, Umlage der gesamten normalisierten Kosten über geschätzte Mitarbeiterzahlen oder andere Varianten der retrograden Ermittlung. Die zweite Variante lässt sich bei Dominanz weniger Kostenarten vertreten, eine noch ungenauere Betrachtung ist zumindest für eine Wirtschaftlichkeitskontrolle ungeeignet und dürfte ggf. auch schwieriger nachvollziehbar sein. Bei Vorliegen von Prozessmengen und Prozesskosten können als Quotient schließlich die so genannten Prozesskostensätze bestimmt werden. Diese können beispielsweise der Weiterrechung auf Prozesse höherer Hierarchieebene, Kostenträger sowie andere Kostenstellen dienen bzw. zur Wirtschaftlichkeitskontrolle eingesetzt werden. 56 Vgl. zu einer Sammlung der Differenzierungen verschiedener Autoren Reckenfelderbäumer 1994, S. 69-70; Mittendorf 1996, S. 226 f.; Roolfs 1996, S. 200 sowie Sauter 2002, S. 100. 57 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 233. 58 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 228; Horváth/Mayer 1989, S. 217 sowie Reckenfelderbäumer 1994, S. 70 f. 59 Vgl. Roolfs 1996, S. 247. 60 Vgl. Reichmann/Fröhling 1995, S. 67. Zu der Problematik einer solchen Planung mit Entscheidungsspielräumen vgl. ebenfalls Küting/Lorson 1993, S. 32. 61 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 228; Horváth/Mayer 1993, S. 22 sowie Küting/Lorson 1993, S. 32. 62 Darunter sind Kostenarten zu verstehen, die einen dominierenden Anteil ausmachen.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 13 Die Kosten der Hauptprozesse ergeben sich wiederum durch Aggregation der Kosten der entsprechenden Teilprozesse, woraufhin sich die Prozesskostensätze analog ermitteln lassen. Teilweise wird ein zu den lmi-kosten proportionales Aufschlagen der Kosten der lmn-prozesse durchgeführt, um schließlich zum Gesamtprozesskostensätzen zu gelangen (im Gegensatz zu den zuvor ermittelten lmi-prozesskostensätzen). 2.2.2.4 Kalkulation auf Basis von Prozesskosten Je nach der Phase im Produktlebenszyklus, in der die Prozesse für das Produkt relevant werden, wird z. T. zwischen Vorleistungs-, Betreuungs- und Abwicklungsprozessen unterschieden, was sich in einer veränderten Produktmengenbasis widerspiegeln kann (Zurechnung Losgrößen, Periodenstückzahl, gesamte Stückzahl im Produktlebenszyklus). Dies stellt bereits einen Ansatz zur prozessorientierten Deckungsbeitragsrechnung dar, 63 die in dieser Arbeit aus Gründen der Einfachheit des Verfahrens nicht weiter verfolgt wird. Bei der Verrechnung der Kosten von den Prozessen auf die Produkte wird allgemein folgendes Vorgehen in der Literatur vorgeschlagen: 64 Die Kostenträgereinzelkosten und die Kosten der nachgefragten lmi-prozesseinheiten werden direkt den Kostenträgern angelastet. Bzgl. der lmn-prozesse 65 finden sich folgende Vorgehensweisen: o o o keine Weiterverrechnung, Umlegen auf die lmi-prozesse der jeweiligen Kostenstelle, kostenstellenübergreifendes Sammeln, dann Schlüsselung Die nicht über die Prozesskostenrechnung verrechneten Gemeinkosten müssen ebenfalls geschlüsselt werden, wenn sie weiterverrechnet werden sollen. Erst die explizite Aufnahme komplexitätsabhängiger Kostentreiber ermöglicht eine präzise Berechnung der Kosten der Komplexität, die z. B. durch eine Vielzahl von Varianten ausgelöst wird. Die alternative Möglichkeit, die Kosten von exotischen Varianten aufzuzeigen, ist der Ansatz von Horváth und Mayer, der Varianten sehr pauschal und damit beliebig über die Verwendung pauschal festgelegter Faktoren berücksichtigt. 66 Dies letztere Vorgehen dürfte u. a. wegen der fehlenden Nachvollziehbarkeit höchstens in solchen Fällen angewendet werden, in denen erforderliche Prozesse nicht bestimmt werden 63 Vgl. Sauter 2002, S. 72 sowie Horváth/Mayer 1993, S. 17. Eine weitere Differenzierung in produktnahe und produktferne Prozesse soll hier nicht weiter verfolgt werden, da diese Unterscheidung stark der oben eingeführten Trennung in lmi- und lmn-prozessen ähnelt. 64 Vgl. beispielhaft Reckenfelderbäumer 1994, S. 92; Müller 1998, S. 155. Es handelt sich bei diesem Vorgehen um die so genannte prozessorientierte Kalkulation, sobald nicht der Idealfall vorliegt, dass für alle Prozesse ein direkter Produktzusammenhang herrscht (prozessanaloge Kalkulation). Auf die prozessorientierte Zuschlagskalkulation soll aufgrund der in der Literatur angegebenen Gründe nicht weiter eingegangen werden. Vgl. beispielhaft Sauter 2002, S. 72. 65 Auf eine weitere Differenzierung der lmn-prozesse wird im folgenden noch eingegangen. 66 Vgl. zu den zwei Varianten beispielsweise Küting/Lorson 1993, S. 32.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 14 können. 67 geprägt. Für die Variante nach Horváth & Mayer wurde die Bezeichnung differenziertes Modell Je nachdem, ob die Verrechnung auf die Kostenträger an den Teil- oder den Hauptprozessen ansetzt, spricht man vom direkten oder indirekten Modell, so dass sich in Verbindung mit der Unterscheidung in differenziert und undifferenziert vier mögliche Kombinationen ergeben: 68 indirekt differenziert, indirekt undifferenziert, direkt differenziert sowie direkt undifferenziert. Eine besondere Situation liegt bei Dienstleistungen vor, da dort i. d. R. bereits für die Produkte eine Prozesssichtweise gewählt wird. 69 2.2.3 Kritik Abschließend soll allgemein die Eignung der Prozesskostenrechnung untersucht werden. Die Nachteile ergeben sich zum großen Teil direkt aus der Nichterfüllbarkeit der oben angeführten restriktiven Gestaltungskriterien. Wo diese nicht zutreffen, handelt es sich lediglich um vereinfachende Annahmen. 70 Als Nachteil sind insbesondere folgende aufzuführen: Die ermittelten Kosten enthalten keine Informationen zur Abbaubarkeit bzw. zu Bindungsdauern. Es liegt eine mehrfache Proportionalisierung vor. Je nach gewählter Ausgestaltung der Prozesskostenrechnung ergeben sich kleinere Unterschiede. Der Großteil der folgenden Proportionalisierungen existiert jedoch bei allen dargestellten Varianten: o o o Personalkosten werden auf Teilprozesse aufgespalten. Sonstige Stellenkosten werden auf Teilprozesse geschlüsselt (z. B. analog den Personalkosten). Teilweise werden lmn-kosten ebenfalls auf die Teilprozesse verteilt. o Prozesskosten werden auf Prozessmengen verrechnet. 71 o Prozesskosten werden auf Produkte geschlüsselt. Mittel- und langfristige Entscheidungen benötigen ebensolche Kostenprognosen sowie die Berücksichtigung von Zinseffekten. Es bleibt zumindest zu überprüfen, ob die Prozesskostenrechnung ohne deren Berücksichtigung nicht so ungenau wird, dass sie selbst die Signalfunktion nicht befriedigend erfüllen kann. Damit verbunden ist die Frage, inwieweit die Kostenrechnung neben anderen Instrumenten wie der Investitionsrechnung geeignet ist, bei der strategischen Entscheidungsfindung mitzuhelfen. 67 Vgl. Freidank/Winkler 2001, S. 360 sowie Horváth/Mayer 1989, S. 218-219. 68 Vgl. Reckenfelderbäumer 1994, S. 91. 69 Vgl. Corsten 2001, S. 22, 261. 70 Vgl. zu den folgenden und weiteren Vor- und Nachteilen v. a. Ewert/Wagenhofer 1997, S. 305 f.; Götze/Bosse 2000b, S. 241-246; Roolfs 1996, S. 214-217 sowie Friedl 1993, S. 41 f. 71 Hiermit ist auch die schwierig einzuhaltende Forderung nach der Doppelproportionalität der Bezugsgrößen verknüpft.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 15 Die Prozesskostenrechnung weist nicht auf economies of scope hin und kann bei alleiniger Anwendung daher zu falschen Entscheidungen verleiten. 72 Für die Ermittlung der Daten sind i. d. R. die Betroffenen mit einzubeziehen, was zu Verzerrungseffekten führen kann. 73 Bei der Weiterverrechnung von Kosten, die auch keinen näherungsweise indirekten Bezug zu Kostentreibern besitzen (prozessunabhängige Kosten, pua-kosten), wird das weite Verursachungsprinzip verletzt. Daher sind solche Kosten von der Weiterverrechnung auszuschließen. Insbesondere bei der Proportionalisierung ist zu bedenken, dass die Probleme erst bei falscher Interpretation entstehen. Es ist in jedem Einzelfall en detail zu prüfen, inwieweit eventuelle Kostenreduktionspotentiale, auf die die Prozesskostenrechnung hinweist, tatsächlich ausgeschöpft werden können. Des Weiteren gelten natürlich die bekannten Vor- und Nachteile von Vollkostenrechnungssystemen bzw. von Systemen, die zumindest Teile der Gemeinkosten verrechnen. Außerdem ist der begrenzte Einsatzbereich und der damit verbundene Zwang einer Integration in ein umfassendes Controllingsystem zu erwähnen. Dem teilweise zu findenden Vorwurf, dass die Prozesskostenrechnung nicht operationalisiert genug sei, ist entgegenzuhalten, dass ein unternehmensindividuelles Vorgehen erforderlich ist, und daher keine detaillierten, allgemein gültigen Regeln zur Ausgestaltung des Verfahrens erwartet werden können. 74 Der Aufwand, den die Prozesskostenrechnung verursacht, ist dem erbrachten Nutzen kritisch gegenüberzustellen. Die Kritik des hohen Aufwandes 75 resultiert oft aus einem Vergleich mit traditionellen Kostenrechnungssystemen, die jedoch z. T. andere Zwecke erfüllen sollen und daher nur bedingt vergleichbar sind. Im Vergleich zu anderen Instrumenten, die eine strategische Ausrichtung haben, bewirkt die Prozesskostenrechnung keinen überdurchschnittlichen Aufwand. 76 Dem Vorwand einer fehlenden Eignung für Abweichungsanalysen 77 muss ebenfalls widersprochen werden. Eine Abweichungsanalyse auf Basis einer Prozesskostenrechnung kann durchaus Sinn machen, 78 z. B. um abweichende Ressourcennutzungen aufzuzeigen. Für eine Anpassung an eine verminderte Nachfrage nach bestimmten Prozessen bleiben die oben skizzierten Maßnahmen. Als Vorteile sind insbesondere folgende Aspekte aufzulisten: 72 Vgl. Ewert/Wagenhofer 1997, S. 300. Beispielsweise könnten Absatzverbünde übersehen werden. Vg. ebenda, S. 303. 73 Vgl. Ewert/Wagenhofer 1997, S. 291. Allgemein werden als mögliche Erhebungsformen folgende genannt: Dokumentationsauswertung, Interview sowie ggf. Fragebögen, Selbstaufschreibung, Dauerbeobachtung, Multimomentaufnahme, Heranziehen von Ergebnissen vorheriger Untersuchungen. Auf eine Diskussion derselben wird in der vorliegenden Arbeit verzichtet. Vgl. Roolfs 1996, S. 195; Reckenfelderbäumer 1994, S. 53 sowie Müller 1998, S. 105-110. 74 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 244. 75 Vgl. Götze/Bosse 2000b, S. 246. 76 Vgl. beispielhaft Kavandi 1998, S. 168-171. 77 Vgl. Ewert/Wagenhofer 1997, S. 298 sowie Küting/Lorson 1993, S. 33. 78 Vgl. beispielhaft Betz 1995, S. 133-144.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 16 verursachungsgerechtere Kostenrechnung, u. a. dadurch, dass differenzierte Mengengrößen verwendet werden, damit verbunden auch Identifikation von Kosteneinflussfaktoren, Möglichkeit, die oben dargestellten Effekte abzubilden (Allokationseffekt, Degressionseffekt, Komplexitätseffekt), kostenstellenübergreifende Betrachtung, durchgängig anwendbares Instrument des Kostenmanagements. Aufgrund der Akzeptanz von Vollkostensystemen in der Praxis sowie aufgrund der hohen Anschaulichkeit und der guten Nachvollziehbarkeit bietet sich die Prozesskostenrechnung insbesondere in Fällen an, bei denen die Kommunikationsfunktion eine hohe Bedeutung besitzt. 79 Wenn das Aufzeigen der Ressourcennutzung (z. B. wegen Verhaltenssteuerung, Aufdecken von Kostenreduktionspotentialen) wichtig erscheint, ist die Prozesskostenrechnung besser geeignet als reine Deckungsbeitragsrechnungen bzw. engpassorientierte Ansätze. 80 Um diese Vorteile nutzen zu können, die Nachteile hingegen abzuschwächen, sind eine Reihe von Erweiterungen für die Prozesskostenrechnung entwickelt worden. Fortfolgend wird auf zwei solche Erweiterungen eingegangen, die sich den zwei Hauptkritikpunkten widmen: der mehrfachen Proportionalisierung sowie dem undifferenzierten Kostenausweis. 81 2.2.4 Verfahrenserweiterungen Die mehrfache Proportionalisierung ist eine Schwäche, die die Ressourcenorientierte Prozesskostenrechnung (RPKR) zu beheben versucht. Über Verbrauchsfunktionen lassen sich auch nichtlineare Beziehungen zwischen Kostentreiber und Ressourcenverzehr abbilden und über Kostenfunktionen schließlich beliebige Zusammenhänge zwischen Ressourcenverzehr und Kosten darstellen. 82 Wesentliche Kritikpunkte sind dabei die erschwerte Nachvollziehbarkeit sowie die Frage, wie die Nachfrager von Ressourcen belastet werden sollen: Problematisch ist, dass die Gesamtnachfragemenge vorher nicht feststeht und von verschiedenen Nachfragern beeinflusst wird. Auf eine andere Erweiterung der Prozesskostenrechnung soll ausführlicher eingegangen werden, sie setzt an dem undifferenzierten Kostenausweis an, der z. B. unterschiedliche Abbaubarkeiten verschiedener Kostenarten verdeckt. Fortfolgend wird hierfür die Bezeichnung Differenzierte Prozesskostenrechnung (DPKR) verwendet. Statt der Ermittlung von Prozesskostensätzen werden Vektoren (bei einer Dimension der Differenzierung) bzw. Matrizen (bei mehreren Dimensionen) berechnet, die die 79 Zur Hinterfragung der positiven Verhaltenseffekte vgl. wiederum Roolfs 1996, S. 216. 80 Vgl. zu letzteren beispielsweise Broad/Crowther 2000, S. 1, 10-12, 18-24. 81 Auf einen Ausbau der Prozesskostenrechnung, der sie u. a. mit der Deckungsbeitragsrechnung verknüpft, wird fortfolgend nicht weiter eingegangen. Vgl. hierzu Glaser 1998. 82 Vgl. Kavandi 1998, S. 156-159 sowie Kaiser 1995, S. 43-46.

2 Kostenrechnerische Grundlagen 17 Gesamtkosten nach bestimmten Merkmalen unterteilen, auf die im nächsten Absatz eingegangen wird. Voraussetzung für die DPKR ist eine detaillierte Analyse der einzelnen Prozesse, die nach den einzelnen Merkmalen differenziert. Ansonsten bleibt der Ablauf größtenteils unverändert. 83 Aus Gründen der Übersichtlichkeit kann bei geeigneter DV-Unterstützung die Möglichkeit eingeräumt werden, die Kosten ausgehend von der aggregierten Darstellung gezielt nach einzelnen Dimensionen aufzuspalten (Drill-Down), wodurch die Kritik entkräftet wird, dass die Einfachheit bei der Interpretation der Ergebnisse des Verfahrens verloren geht. 84 Die drei grundsätzlichen Möglichkeiten der Differenzierung sind in Abbildung 2-3 dargestellt, wobei sich die Differenzierung nach Prozessen in der Literatur in diesem Zusammenhang bisher nicht als eigenständige Möglichkeit der Differenzierung findet, sondern lediglich als eine Variante zur kostenstellenbezogenen Aufspaltung vorgestellt wird. 85 Einzelne Erweiterungen werden nachfolgend diesen drei Möglichkeiten zugeordnet. Prozesskostenrechnung Differenzierte Prozesskostenrechnung: differenziert nach OR Kostenarten Kostenstellen Kostenträgern/ Prozessen Abbildung 2-3: Mögliche Dimensionen der Differenzierten Prozesskostenrechnung Differenzierung nach Kostenarten(gruppen): Eine Unterscheidung findet in der Variante von Horváth und Mayer höchstens danach statt, ob sich die Kosten leistungsmengenbezogen verändern oder nicht: lmi-prozesse oder lmn-prozesse. 86 Eine Verfeinerung hiervon unterscheidet bei den lmn-prozessen noch danach, ob sie zumindest indirekt leistungsmengenbezogen sind (lmn-kosten im engen Sinne), sich also aus höheren Kosten eines lmi- Prozesses ableiten lässt, dass er mehr lmn-kosten verursacht hat, oder ob dies nicht der Fall ist (prozessunabhängige Kosten, pua-kosten). 83 Vgl. beispielhaft zur prozessorientierten Centerkostenrechnung Ebbeken 2001, S. 389-391 sowie Ebbeken/Ebbeken 2001; S. 173-181. 84 Vgl. zu dieser Kritik Ewert/Wagenhofer 1997, S. 306. 85 Die Summe der Kosten aller Teilprozesse einer Kostenstelle ergibt die gesamten (betrachteten) Kosten derselben. 86 Diese Unterscheidung könnte genauso gut unter die Differenzierung nach Prozessen einsortiert werden.