Gemeinschaftliche (Frauen)- Wohnprojekte eine reale Utopie



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Transkript:

Gemeinschaftliche (Frauen)- Wohnprojekte eine reale Utopie Vortrag bei der Impulsveranstaltung Zukunftsträume der Gleichstellungsbeauftragten im Landkreis Leer am 12.11.2011 Prof in em. Dr. Ruth Becker TU Dortmund

2 Gliederung 1. Was sind gemeinschaftliche Wohnprojekte? 2. Warum entstanden gemeinschaftliche Wohnprojekte? 3. Welche Arten gemeinschaftlicher Wohnprojekte gibt es? 4. Warum sind Frauen besonders interessiert an gemeinschaftlichen Wohnprojekten? 5. Gibt es bauliche Besonderheiten von gemeinschaftlichen Wohnprojekten? 6. Ist Wohnen in gemeinschaftlichen Wohnprojekten teurer oder billiger? 7. Welche Rechtsformen sind geeignet? 8. Welche Vorteile haben InvestorInnen von einer Investition in gemeinschaftliche Wohnprojekte? 9. Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es? 10. Wie können gemeinschaftliche Wohnprojekte initiiert werden? 11. Welche Vorteile haben gemeinschaftliche Wohnprojekte für Politik und (Wohnungs-)wirtschaft?

3 Was sind gemeinschaftliche Wohnprojekte? Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind Projekte zur Schaffung von Wohnraum für Menschen die an einer intensiveren Form des Zusammenlebens, die über die (zumindest im städtischen Wohnen) heute üblichen nachbarschaftlichen Beziehungen hinausgeht, interessiert sind die gemeinsame Vorstellungen über das Wohnen haben, die sie im üblichen Wohnungsbau nicht realisieren können die ihre Wohnsituation auch außerhalb des klassischen Eigentums im Einfamilienhaus (weitergehend) selbst bestimmen wollen die aber trotzdem eine eigene Wohnung haben wollen (Hausgemeinschaft statt Wohngemeinschaft)

4 Welche Arten gemeinschaftlicher Wohnprojekte gibt es? Unter dem Label Gemeinschaftliche Wohnprojekte ist eine Vielfalt sehr unterschiedlicher Projekte zu finden, die sich bezüglich der Zielgruppe der Zielsetzung dem Ausmaß der Gemeinschaftlichkeit der Finanzierung und Rechtsform (Trägerschaft) der Größe (Zahl der Wohnungen) den Außenbeziehungen dem Grad der Partizipation der BewohnerInnen erheblich unterscheiden

5 Warum entstehen gemeinschaftliche Wohnprojekte? So vielfältig wie die Projekte sind auch die Gründe für ihr Entstehen, doch gibt es eine Gemeinsamkeit: Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind eine Antwort auf gesellschaftliche Missstände /MängelVeränderungen Beispiele: Familienorientierte Wohnprojekte Mehrgenerationenwohnen (Wohnen von jung und alt) Altenwohnprojekte Frauenwohnprojekte Ökologisches Wohnen Autofreies Wohnen

6 Warum sind Frauen besonders interessiert an gemeinschaftlichen Wohnprojekten? Die Lebens- und Wohnformen von Frauen und Männern unterscheiden sich (in bestimmten Lebensphasen) Insbesondere: Alleinerziehende, alleinlebende Ältere Die Nutzung der Wohnung von Frauen und Männern unterscheiden sich (in bestimmten Lebensphasen) Insbesondere: Wohnung als Platz von Hausarbeit und Kindererziehung Die Vorstelllungen über das Zusammenleben von Frauen und Männern unterscheiden sich (teilweise) Insbesondere: Hierarchiefreiheit, Selbstverantwortung

7 Gibt es bauliche Besonderheiten von gemeinschaftlichen Wohnprojekten? Deshalb: Gemeinschaftsräume Gemeinschaft braucht Raum Kommunikative Flächen (Laubengänge, großzügige Treppenhäuser) Gemeinsame Freiflächen (Innenhof, Garten) Kombination von privaten, halböffentlichen und öffentlichen Flächen) (siehe dazu Beispiele unter www.frauenwohnprojekte.de Menüpunkt Dokumentation, insbesondere Beginenprojekte )

8 Ist Wohnen in gemeinschaftlichen Wohnprojekten teurer oder billiger? Teurer durch: gemeinschaftliche Flächen (Gemeinschaftsräume) Ökologische Maßnahmen (aber gesellschaftliche Kosteneinsparungen Durchgängige Barrierefreiheit (Aufzug??) Zusätzliche Kosten in der Findungsphase (Moderation, Partizipation) Billiger durch: Flächeneinsparungen bei den Wohnungen (eventuell) Kosteneinsparungen in der Nutzungsphase (Selbstverwaltung, Hausmeisterarbeiten, Gartenpflege) Gesellschaftliche Kosteneinsparung: länger zu Hause bleiben im Alter Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf insbesondere auch für Alleinerziehende (Verringerung von Sozialleitungen )

9 Welche Rechtsformen sind geeignet? Alle gängigen Rechtsformen wurden von gemeinschaftlichen Wohnprojekten schon genutzt: Einzeleigentum nach WEG Traditionelle WEG oder Dauerwohnrecht nach WEG Gemeinschaftliches Eigentum GbR (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts)In der Bauphase (Baugemeinschaft)und/oder in der Nutzungsphase Genossenschaft neue Wohngenossenschaft, bestehende Wohngenossenschaft (eventuelle als Dachgenossenschaft) GmbH Verein Mietwohnungsbau Stiftung Wohnungsbaugesellschaft, private InvestorIn

10 Welche Vorteile haben InvestorInnen von einer Investition in gemeinschaftliche Wohnprojekte? Vorteile: Eine engagierte, interessierte MieterInnenschaft Geringere Fluktuation Ersparnis bei der Suche nach MieterInnen Vorteil am Markt durch interessantes Angebot Voraussetzung: Bereitschaft zur Kooperation (Kooperationsvertrag) Einräumen weitgehender Mitspracherechte der BewohnerInnen Partizipationsprozess muss unterstützt werden (Moderation, zusätzliche Finanzierung der ArchitektInnen(?) Kooperation kann anstrengend sein, ist aber auch lohnend

11 Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es? Die Finanzierungsmöglichkeiten hängen eng mit der Rechtsform zusammen. Im Prinzip sind alle gängigen Finanzierungsformen denkbar. Interessante Möglichkeiten: Genossenschaft: Besonders günstige Möglichkeiten, Haushalte mit unterschiedlicher Zahlungsfähigkeit zusammen zu bringen und Außenstehenden attraktive Geldanlagemöglichkeiten zu bieten (Verzinsung der Genossenschaftsanteile, Sicherheit durch Prüfung der Wirtschaftlichkeit) Die Gründung einer neuen Genossenschaft ist jedoch aufwendig Kredite der GLS-Bank (Gemeinschaftsbank Leihen und Schenken) Darlehen durch UnterstützerInnen Öffentliche Förderung

12 Wie können gemeinschaftliche Wohnprojekte initiiert werden? Notwendig ist erstens eine Initiativgruppe mit viel Engagement (der Weg ist lang und steinig) Anzeigen, Flyer, Seminare in VHS, Multiplikatorinnen ansprechen, Kontakte zu möglichen KooperationspartnerInnen Regelmäßige Treffen, Kennenlernen, Vorstelllungen entwickeln, wie das Zusammenleben funktionieren soll (wie viel Privatheit, wie viel Gemeinschaftlichkeit) Zukunftswerkstätten Kontaktmöglichkeiten für Interessierte schaffen (am Anfang ist hohe Fluktuation üblich). Besuch bei bestehenden Projekten Gründung eines Fördervereins

13 Wie können gemeinschaftliche Wohnprojekte initiiert werden? Konzepte zur Rechtsform, Finanzierung und zur Zielgruppe (hängt eng zusammen) Moderation der Konzeptentwicklung Kontaktaufnahme zu Beratungsstellen Professionelle Unterstützung durch Projektentwicklerinnen, Zusammenarbeit mit Institutionen (VHS, Kirchen, kommunale Gleichstellungsbeauftragte, Wohnungswirtschaft, Banken)

14 Welche Vorteile haben gemeinschaftliche Wohnprojekte für Politik und (Wohnungs-)wirtschaft? Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind zukunftsweisende Ansätze in einer sich wandelnden, emanzipierten Gesellschaft, in der tradierte Formen des Wohnens nur noch für einen Teil der Gesellschaft relevant sind. Denn: Die überwiegende Mehrzahl der Haushalte gehört nicht zur Gruppe der vollständigen Familien, sondern lebt in Lebensformen, für die das insbesondere im ländlichen raum dominierende Wohnen im Einfamilienhaus nicht adäquat ist. Die von der Wohnungswirtschaft entwickelten Konzepte Seniorenwohnen, betreutes Wohnen werde nur von einem Teil der älteren Bevölkerung akzeptiert Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind ein Teil der zivilgesellschaftlichen Innovationen, derer unsere Gesellschaft bedarf, um die Herausforderungen der alternden, schrumpfenden, globalisierenden Gesellschaft, in der familiäre Beziehungen zwar weiterhin wichtig sind, aber nur noch teilweisefunktionieren, zu meistern

15 Ausführliche Informationen unter www.frauenwohnprojekte.de Im Menüpunkt Leitfaden werden alle wesentlichen Fragen zur Realisierung eines Wohnprojekts von der Initiierung bis zur Nutzungsphase behandelt. Außerdem bietet die website eine Beschreibung von 83 realisierten bzw. in der Planung befindlichen Frauenwohnprojekte (Menuepunkt Dokumentation) sowie eine Darstellung der historischen Entwicklung (Menüpunkt Geschichte) Der Leitfaden und die Dokumentation ist auch als Buch erhältlich Kosten 10, Bestellung an ruth.becker@tu-dortmund.de

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit