Finanzmathematik. Johannes Bartels. 10. April 2016



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Transkript:

Finanzmathematik Johannes Bartels 10. April 2016 Der Verfasser ist Oberregierungsrat bei der BaFin. Das vorliegende Skript gibt ausschlieÿlich seine persönliche Meinung wieder. J. Bartels, Bonn, E-Mail: bartels@mathi.uni-heidelberg.de

1 Grundlagen 1.1 Einführung Fragestellungen der Finanzmathematik sind Bewertung und Absicherung von Derivaten - Portfoliooptimierung - wie verwaltet man bestmöglich die einem Portfolio inhärenten Gefahren? Diese sind eng verbunden mit folgenden Bereichen Risikomanagement Finanzmarktstatistik Ökonomie der Finanzmärkte Versicherungsmathematik... 1.2 Derivative Produkte 1.2.1 Zinsen und Nullkuponanleihen 1.2.1.1 Denition: Es sei t < T. Eine Nullkuponanleihe B(t, T ) (engl. Zerobond) gibt den heutigen (d.h. zur Zeit t) Preis einer Geldeinheit in T an, B(t, T ) wird auch als Diskontfaktor bezeichnet. 1.2.1.2 Bemerkung: Der Preis B(t, T ) hat die Eigenschaften 1. Bei positiven Zinssätzen gilt B(t, T ) 1. 2. Es gibt kein Konkursrisiko (default risk), d.h. B(T, T ) = 1. 1.2.1.3 Bemerkung: Die meisten handelbaren Anleihen lassen sich als Linearkombination von Nullkuponanleihen darstellen. Statt Preisen für Nullkuponanleihen werden auch häug Zinsen angegeben. Hierbei nutzt man mehrere Methoden: 1. Diskrete Verzinsung: jährliche Verzinsung - Sei T N, dann ist der zur Nullkuponanleihe B(0, T ) zugehörige Zinssatz r c durch die Gleichung B(0, T ) = ( 1 T ) 1 + r c Hierbei ist der Satz r c von der Zeit T abhängig. bestimmt. 3

1 Grundlagen unterjährige Verzinsung - Sei zusätzlich n N gegeben. Nun ist der zugehörige Zinssatz r c,n durch 1 B(0, T ) = ( 1 + rc,n n nt ) gegeben. LIBOR-Zins (London Interbank Oered Rate) - Hierbei handelt es sich um einen Spezialfall, da besonders kurze Laufzeiten α = 1 n die Regel sind (d.h. n = 2, 4,... Der LIBOR-Zins ist durch B(0, T ) = 1 1 + αl(0, α) deniert. 2. Stetige Verzinsung: Der Zinssatz y(0, T ) der stetigen Verzinsung wird anhand der Gleichung B(0, T ) = e T y(0,t ) ermittelt. Wegen des Grenzwerts lim (1 + x n n )n = e x erklärt sich die Wahl von y(0, T ) durch Grenzübergang der unterjährigen Zinssätze r c,n. 1.2.2 Terminverträge 1.2.2.1 Denition: Unter einem Terminvertrag (engl. forward contract/agreement) versteht man eine zum Zeitpunkt t eingegangene Verpichtung, ein Gut G, welches underlying genannt wird und derzeit G t kostet, zu einem Zeitpunkt T in der Zukunft, dem sog. Fälligkeitszeitpunkt, (d.h. t < T ) und zu einem bereits in t festgelegten Basispreis K zu erwerben. 1.2.2.2 Bemerkung: In der Regel wird der Basispreis K so bestimmt, dass das Eingehen der Verpichtung zur Zeit t kostenlos ist. In diesem Fall nennt man den Basispreis auch Terminpreis, der mit F G (t, T ) bezeichnet wird. 1.2.2.3 Bemerkung: In der Praxis werden solche Verträge auf Güter wie Wertpapiere (d.h. Schuldscheine, Anleihen, Aktien, Verbriefungen, usw.), Devisen, aber auch Rohstoe wie Edelmetalle, Rohöl oder Strom abgeschlossen. Man versucht oft, sich mit solchen Verträgen gegen ungünstige Entwicklungen auf den Märkten zu wappnen. 1.2.2.4 Denition: Der Käufer eines (Termin-)vertrags geht in dieser Position long, während der Verkäufer short geht. Der Preis G t des Gutes zur Zeit t wird auch spot- Preis genannt. 1.2.2.5 Bemerkung: Zur Zeit T ist der Wert des Terminvertrags für den Käufer dann G T K, während er für den Verkäufer (G T K) ist. 4

1.2 Derivative Produkte 1.2.3 Arbitrage - vorläuge Denition Ein Markt enthält Gelegenheiten zur Arbitrage, wenn aus dem Nichts Geld geschaen werden kann, d.h. wenn zum Zeitpunkt t ein Vermögen V t mit Wert 0 durch geschicktes Handeln (also short und long gehen) in Zukunft, z.b. zum Zeitpunkt T mit t < T mit Sicherheit gröÿer als 0 ist: V T > 0. Gibt es in einem Markt keine solche Möglichkeiten, spricht man von einem arbitragefreien Markt. Anders als im Märchen geht man also davon aus, dass aus Stroh kein Gold gesponnen werden kann. 1.2.3.1 Bemerkung: Analog gilt dann auch, dass ein positives Vermögen V t > 0 zum Zeitpunkt t nicht mit Sicherheit zu null werden kann: V T = 0. 1.2.4 Bewertung von Terminverträgen Terminverträge auf Wertpapiere Im Fall eines gehandelten Wertpapiers G ist der Preis des zugehörigen Terminvertrags leicht ermittelbar. Zentrales Argument ist hier stets die Arbitragefreiheit des Markts, von der implizit ausgegangen wird. 1.2.4.1 Hilfssatz: Ist S t der Preis eines zu Spekulationszwecken gehandelten Wertpapiers S, welches binnen des Zeitraums [t, T ] keine Dividenden oder Zinsen abwirft, so ist in einem arbitragefreien Markt der Preis des Terminvertrags auf S mit Fälligkeit T und Basispreis K durch S t B(t, T )K gegeben. Insbesondere gilt für den Terminpreis F S (t, T ) = S t B(t, T ). Beweis. Angenommen, man kauft eine Einheit von S, verkauft K Nullkuponanleihen und gehe short im o.g. Terminvertrag zum Preis von x. Dann sind die Werte der einzelnen Positionen in t und T in folgender Tabelle festgehalten: Position Wert in t Wert in T eine Einheit von S long S t S T K Nullkuponanleihen short KB(t, T ) K Terminvertrag short x (S T K) Gesamtes Portfolio S t KB(t, T ) x 0 Wegen der Arbitragefreiheit gilt die Gleichung S t KB(t, T ) x = 0 und somit beträgt der Preis für den Vertrag Dieser ist null für den Terminpreis S t KB(t, T ). F S (t, T ) = S t B(t, T ). 5

1 Grundlagen Terminverträge auf Devisen 1.2.4.2 Bezeichnung: Es sei e t, (e T ) der Wechselkurs zum Zeitpunkt t (bzw. T ) zu einer fremden Währung (d.h. Anzahl e pro Einheit in ausländischer/fremder Währung), B d (t, T ) der Preis einer dt. Nullkuponanleihe und B f (t, T ) der Preis einer ausländischen Nullkuponanleihe. 1.2.4.3 Hilfssatz: In einem arbitragefreien Markt ist der Terminpreis der ausländischen Währung durch F e (t, T ) = e t B f (t, T ) B d (t, T ) gegeben. 1.2.4.4 Bezeichnung: Die obige Gleichung nennt man gedeckte Zinsparität. Beweis. Wieder stellt man sich ein geeignetes Portfolio zusammen, bestehend aus dem Erwerb einer fremden Nullkuponanleihe, einer Kreditaufnahme in Höhe des hierfür notwendigen Betrags (d.h. verkaufe entsprechend einheimische Nullkuponanleihen) und schlieÿlich die Veräuÿerung eines Terminvertrags zum Basispreis K = F e (t, T ). Eine Tabelle zeigt wieder die Werte des Portfolios zu den Zeiten t und T : Position Wert in t Wert in T Kauf einer Anleihe in Fremdwährung e t B f (t, T ) e T Verkauf von dt. Nullkuponanleihen e t B f B (t, T ) e f (t,t ) t B d (t,t ) Verkauf eines Terminvertrags 0 (e T F e (t, T )) Portfolio in toto 0 F e B (t, T ) e f (t,t ) t B d (t,t ) Da aus Nichts nicht sicher Geld erhalten werden kann, gilt F e (t, T ) = e t B f (t, T ) B d (t, T ). Terminverträge auf Güter Unter Gütern können Edelmetalle, Rohstoe usw. verstanden werden. Folgende Rahmenbedingungen liefern einen Unterschied zu obigen Terminverträgen: Es sind - möglicherweise beträchtliche - Lagerkosten vorhanden. Die Güter werden weniger für Spekulationen als für die Produktion erworben. 1.2.4.5 Beispiel (BASF): 6

1.2 Derivative Produkte Ist L der Preis, das Gut G über den Zeitraum [t, T ] zu lagern, so gilt für den Spotpreis F G (t, T ) G t + L B(t, T ). Dies erhält man durch dasselbe Argument wie in 1.2.4.1. Gälte das Umgekehrte, also F G (t, T ) > G t + L B(t, T ), so lieÿe sich ohne Einsatz von Mitteln/Vermögen durch folgende Strategie Gewinn machen: Emission von Nullkuponanleihen, um den Betrag G t + L zu erhalten. Investition dieses Betrags in das Gut G und Bezahlung der Lagerkosten in Höhe von L. Short-Position in dem Terminvertrag. Die zugehörige Tabelle sieht folgendermaÿen aus: Position Wert in t Wert in T eine Einheit von S long G t + L G T (G t + L)/B(t, T ) Nullkuponanleihen short (G t + L) (G t + L)/B(t, T ) Terminvertrag short 0 (G T F G (t, T )) Gesamtes Portfolio 0 F G (t, T ) (G t + L)/B(t, T ) Somit wäre aus Nichts Geld gemacht. Dies steht im Widerspruch zur Arbitragefreiheit. Im Gegensatz zu den vorherigen Terminvertragspreisen ist eine Gleichheit jedoch aus folgenden Gründen nicht klar: Um die andere Ungleicheit F G (t, T ) < G t + L B(t, T ) auszuschlieÿen, würde man eine Strategie formulieren, die der obigen entgegengesetzt ist: Investition des Betrags G t + L in Nullkuponanleihen. Verkauf des Guts G und Einsparung der Lagerkosten in Höhe von L. Long-Position in dem Terminvertrag. Die zugehörige Tabelle sähe jetzt folgendermaÿen aus: Position Wert in t Wert in T eine Einheit von G short (G t + L) 0 G t + L in Nullkuponanleihen investiert G t + L (G t + L)/B(t, T ) Terminvertrag long 0 (G T F G (t, T )) Gesamtes Portfolio 0 (G t + L)/B(t, T ) + G T F G (t, T ) 7

1 Grundlagen Wenn das Gut überwiegend zu Produktionszwecken (anstatt zu Spekulationszwecken) genutzt wird, ist dieser Handel jedoch wirklichkeitsfern: In realiter ist man dann i.d.r. nicht gewillt, das Gut zu verkaufen und einen Terminvertrag darauf einzugehen, da somit das Guts im Zeitintervall [t, T ] nicht für den Konsum zur Verfügung steht. 1.2.4.6 Bezeichnung: Gilt auf den Terminmärkten F G (t, T ) > G t, so spricht man davon, der Markt sei im contango. F G (t, T ) < G t, nennt man den Markt in backwardation. 1.2.5 Optionen Vertragseigenschaften und Begriichkeiten 1.2.5.1 Denition: Es sei ein Wertpapier S gegeben, z.b. eine Aktie oder eine fremde Währung. Ein Vertrag, bei dem dem Käufer zur Zeit t das Recht eingeräumt wird zu einem fest vereinbarten Ausübungszeitpunkt T mit t < T das Wertpapier S zum Ausübungspreis (engl. strike) K zu erwerben, wird europäische Kaufoption bzw. europäische Call-Option genannt. Ein Vertrag, bei dem dem Käufer zur Zeit t das Recht eingeräumt wird zu einem fest vereinbarten Ausübungszeitpunkt T mit t < T das Wertpapier S (auch underlying genannt) zum Ausübungspreis K zu verkaufen, wird europäische Verkaufsoption bzw. europäische Put-Option genannt. Die Zeit zwischen t und T nennt man Restlaufzeit. Unter einer amerikanischen (Ver-)kaufsoption versteht man das Recht, zu einem beliebigen Zeitpunkt binnen der Restlaufzeit zu einem fest vereinbarten Ausübungspreis das Wertpapier zu (ver-)kaufen. Auszahlungsprole bei Fälligkeit Würde ein Käufer einer europäischen Kaufoption zu einem Wertpapier S von seinem Recht Gebrauch machen, wenn der Ausübungspreis K oberhalb des Preises des Wertpapiers S T liegt, würde er freiwillig einen Verlust machen, da er das Wertpapier zum Fälligkeitszeitpunkt T auch zum Preis S T erstehen könnte. Daher ist der Gewinn/Wert der Kaufoption zum Fälligkeitszeitpunkt durch die Formel C T = max(s T K, 0) = (S T K) + beschrieben. In gleicher Weise erhält man für die Verkaufsoption zum Fälligkeitszeitpunkt T den Wert P T = max(k S T, 0) = (K S T ) +. In Abhängigkeit von K und S T ergeben sich also folgende Werte: 8

1.2 Derivative Produkte C T P T K K S T K S T Optionen in der Risikosteuerung 1.2.5.2 Beispiel (Absichern einer Position durch Verkaufsoptionen): Ein Anleger halte 10 Aktien im Depot, welche zum heutigen Tag (t = 0) einen Kurs von S 0 haben. Um einen Verlust bis zur Zeit T = 1 zu vermeiden, kauft er auÿerdem 10 europäische Verkaufsoptionen zum Ausübungspreis S 0. Zusammen haben diese beiden Positionen zur Zeit T = 1 den Wert 10(S V T = { 1 + 0) wenn S 1 S 0 10(S 1 + (S 0 S 1 )) = 10S 0 wenn S 1 < S 0. Somit wird - unter Zahlung der Summe, die zum Erwerb der Verkaufsoptionen gebraucht wird - gewährleistet, dass ein Wertverfall unter die Grenze von 10S 0 nicht geschehen kann. 1.2.5.3 Bemerkung: In der Regel ist dies nicht die ezienteste Weise, den Verfall von gehaltenen Aktien abzusichern. 9

1 Grundlagen 10

1.2 Derivative Produkte 1.2.5.4 Beispiel (Absichern des Wechselkursrisikos bei einer Rohöllieferung): Eine Firma erwartet in einem Monat (T = 1) eine in USD zu bezahlende Rohöllieferung im Wert von 1 Mio. Dollar. e 1 sei der heute unbekannte Wechselkurs e/$ in T = 1, während e 0 den heute bekannten Wechselkurs e 0 = 1, 15 darstellt. Zur Vereinfachung wird angenommen, dass die Zinsen in beiden Währungen gleich sind. Nun betrachtet man folgende Strategien: 1. Mache nichts. 2. Kaufe Terminvertrag - d.h. kaufe 1 Mio. $ auf Termin mit Basispreis K = e 0 = 1, 15 e zum Preis von 0 e(s. Hilfssatz 1.2.4.3). 3. Kaufe Kaufoptionen - d.h. kaufe 1 Mio. (europäische) Kaufoptionen mit Basispreis 1, 15 e zu je einem Preis C 0. Am Fälligkeitszeitpunkt kostet der Kauf dann folgende Beträge: Strategie e 1 = 1, 2 (Dollar teurer) e 1 = 1, 1(Dollar billiger) 1 1, 2 Mio. e 1, 1 Mio. e 2 1, 15 Mio. e 1, 15 Mio. e 3 (1, 15 + C 0 ) Mio. e (1, 1 + C 0 ) Mio. e Man sieht deutliche Unterschiede. Der Terminvertrag bietet Schutz gegen steigende Kurse, bei fallenden Kursen wird er jedoch teuer. Die Option bietet ebenfalls Schutz gegen Verteuerung des Dollars, bei einem Fall des Dollars ist der Verlust jedoch auf den Kaufpreis der Optionen beschränkt. Wertgrenzen für Optionen - der Fall ohne Dividenden 1.2.5.5 Generalvoraussetzung: Die Aktien zahlen zwischen den Erwerbszeitpunkten t und den Fälligkeitszeitpunkten T der Optionen keine Dividende. Auÿerdem gibt es auf dem Markt keine Arbitragemöglichkeiten. 1.2.5.6 Hilfssatz: Es gelten dann für den Optionspreis C t einer europäischen Kaufoption zur Zeit t die Ungleichungen (S t KB(t, T )) + C t S t. Beweis. Zunächst die rechte Ungleichung durch Widerspruch: Im Falle C t > S t betrachte man folgende Strategie: Position Wert in t Wert in T S T K S T K short call C t C T = 0 C T = (S T K) long Aktie S t S T S T Portfolio S t C t S T K. 11

1 Grundlagen Man sieht, dass hierdurch aus nichts Geld geschaen worden wäre: in beiden Fällen ist zum Zeitpunkt T ein positiver Wert vorhanden, während zur Zeit t der Wert des Portfolio negativ gewesen ist. Da das aufgrund der Arbitragefreiheit nicht möglich ist, ist die Prämisse falsch. Für die nächste Ungleichung erfolgt der Beweis abermals durch Widerspruch. Würde sie nicht gelten, sei also (S t KB(t, T )) + > C t, dann betrachte man folgendes Portfolio: Position Wert in t Wert in T S T < K S T > K long call C t C T = 0 C T = S T K long K Nullkuponanleihen KB(t, T ) K K short in der Aktie S t S T S T <0 K S T 0 0 Dies würde bedeuten, dass man aus einem Portfolio mit negativem Wert eines machen könnte, welches in T 0 oder mehr wert ist. Die zweite Ungleichung zeigt, dass es eine nicht-negative Dierenz x zwischen dem Preis einer Verkaufsoption und der Position S t Ke r(t t) gibt. Es gilt nämlich folgender 1.2.5.7 Satz (Put-Call Parität): Die Preise eines europäischen Calls C t und eines europäischen Puts P t stehen - vorausgesetzt, es gibt keine Dividendenzahlungen - in folgender Beziehung zueinander: C t + Ke r(t t) = S t + P t. Beweis. Der Beweis erfolgt durch Auswahl und Untersuchung zweier geeigneter Portfolien, die da im Einzelnen wären: und 1. Portfolio Wert in t Wert in T S T K S T > K long call C t 0 S T K long K Nullkuponanleihen KB(t, T ) K K gesamt C t + KB(t, T ) Max(S T, K) 2. Portfolio Wert in t Wert in T S T K S T > K long Aktie S t S T S T long put P t K S T 0 gesamt P t + S t Max(S T, K) Da beide Portfolien zum Zeitpunkt T denselben Wert besitzen und zwischendurch keine Auszahlungen in Form einer Dividende stattnden, müssen diese beiden Portfolien zum Zeitpunkt t bereits denselben Wert haben. 1.2.5.8 Bemerkung (Empirie): Aus dem obigen Hilfssatz 1.2.5.6 erhält man unter der Voraussetzung, dass keine Dividenden gezahlt werden, die folgende Aussage: 12

1.2 Derivative Produkte 1.2.5.9 Satz (Merton): Wenn keine Dividenden bezahlt werden, sind die Preise amerikanischer und europäischer Kaufoptionen gleich, d.h. es ist bei einer amerikanischen Kaufoption nie optimal, vorzeitig von dem Recht auf den Kauf des Underlyings Gebrauch zu machen: C A t = C t. Beweis. Da dem Käufer einer amerikanischen Kaufoption mehr Rechte eingeräumt werden, ist der Preis in keinem Fall niedriger: Ct A C t. Würde dieser Käufer zu einem Zeitpunkt τ [t, T ] von seinem Recht, das Underlying zu kaufen, Gebrauch machen, erhielte er (S τ K) +. Allerdings gilt zu diesem Zeitpunkt für die europäische Kaufoption C τ (S τ KB(τ, T )) (s. 1.2.5.6). Dies ist strikt gröÿer als das, was man bei Ausübung der amerikanischen Verkaufsoption erhalten hat. Das heiÿt C A τ C τ S τ KB(τ, T ) S τ K. Also wäre es ungünstig, zwischenzeitlich von der Möglichkeit des Erwerbs des Underlyings Gebrauch zu machen. Im Wesentlichen beruht die obige Aussage auf der Annahme, dass sich der Ausübungspreis K verzinsen wird und man bei vorzeitigem Kauf des Underlyings auf diese Verzinsung verzichtete. Bei dem Erwerb von Verkaufsoptionen ist es jedoch genau anders herum: 1.2.5.10 Hilfssatz (Put-Call-Relation für amerikanische Optionen): Für amerikanische Puts P A t und Calls C A t zu demselben Underlying, Ausübungspreis und -zeitpunkt gilt - sofern keine Dividenden gezahlt werden - Folgendes: S t K C A t P A t S t Ke r(t t). Beweis. Klar ist, dass die amerikanische Option mindestens so viel Wert ist wie die europäische: Pt A P t. Aus der Put-Call Parität (s. 1.2.5.7) erhält man dann mit dem Satz von Merton (s. 1.2.5.9): C A t P A t = C t P A t C t P t = S t Ke r(t t). Dies zeigt die rechte Seite. Die linke Seite erhält man durch den Vergleich zweier Portfolien. Genauer zeigt man S t + P A t C A t + K. Hierzu hält man ein τ (t, T ] fest. Die zwei Portfolien sehen nun folgendermaÿen aus: Position Wert in t Wert in τ long call C A t = C t C A τ = C τ KB(t, τ) Nullkuponanleihen KB(t, τ) K gesamt C t + KB(t, τ) C A τ + K Position Wert in t Wert in τ long put P A t P A τ long Aktie S t S τ gesamt P A t + S t Max(S t, K) 13

1 Grundlagen Nun gilt Cτ A + K (S τ KB(τ, T )) + + K (S τ K) + + K = Max(S τ, K). Die erste Ungleichung ist wegen Hilfssatz 1.2.5.6 klar. Der Rest ergibt sich von selbst. Dies zeigt, dass zu jedem τ (t, T ] die Ungleichheit S τ + Pτ A Cτ A + K gilt. Aus Arbitragegründen gilt die Ungleichung dann auch für τ = t. Wertgrenzen für Optionen bei Berücksichtigung von Dividendenzahlungen Kurz vor Auszahlung ist eine Dividende i.d.r. bereits angekündigt, daher lässt sich über einen kurzen Zeitraum die Dividende mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen. Im Folgenden wird also davon ausgegangen, dass die Dividende(n) bis zum Laufzeitende der Option bereits bekannt ist/sind. Mit D bezeichne man die Summe aller auf den Zeitpunkt t abdiskontierten Dividendenzahlungen. Somit erhält man direkt C t S t D KB(t, T ), indem man das zuvor Gesagte auf S t D anwendet, d.h. auf ein Portfolio n S t D i B(t, T i ), i=1 wobei D i die Dividende zum Zeitpunkt T i < T darstellt. Es kann optimal sein, zu den Dividendenzahlungspunkten von der Kaufoption Gebrauch zu machen. Betrachtet man die mögl. Ausübung zum Dividendenzeitpunkt T i, so würde man diese nur durchführen, wenn S t > K ist. Genauer: man wird direkt vor der Dividendenzahlung die Option ausüben, um auch die Dividende zu erhalten. Den Wert der Aktie bezeichnet man dann mit S Ti. Hierbei signalisiert das, dass es sich um den linken Grenzwert, also S Ti = lim t Ti S t handelt. Gewonnen wird dann S Ti K durch die Ausübung. Allerdings gilt ebenso für den Preis der Kaufsoption in T i nach der Dividendenzahlung C A T i C Ti S Ti D i KB(T i, T ). Wäre der Preis der Kaufsoption höher als der derzeit in T i durch Ausübung erzielbare Gewinn, wäre es folglich nicht optimal, die Ausübung vorzunehmen. Dies ist dann der Fall, wenn D i K(1 B(T i, T )) gilt. Optionsstrategien Die Gewinnprole einfacher europäischer Kaufoptionen sehen folgendermaÿen aus: 14

1.2 Derivative Produkte C T K 1 K 2 S T 1. Bull-Call-Spread: Zwei Kaufoptionen mit unterschiedlichen Strikes/Ausübungspreisen K 1 < K 2, wobei die erste gehalten wird und die zweite verkauft wird: C T K 1 K 2 S T 2. Bear-Call-Spread: vertausche K 1 und K 2. 3. Straddle: Kauf- und Verkaufsoption zum selben Ausübungspreis: C T K S T 4. Strangle C T K 1 K 2 S T 15

1 Grundlagen 5. Buttery: Call(K 1 ) 2 Call(K 2 ) + Call(K 3 ): C T K 1 K 2 K 3 S T 1.2.5.11 Beispiel (Steueroptimierung mit Optionen, s. Hull, Kap. 9): Steuervermeidungskonzept in vereinfachter Form: Land A besteuert Zinsen und Dividenden wenig, dafür aber Kapitalgewinne (z.b. Aktienkursgewinne) hoch. Land B besteuert Kapitalgewinne wenig, dafür Zinsen und Dividenden hoch. Für ein Unternehmen wäre es sinnvoll, Einkommen aus Wertpapieren in Land A zu versteuern und Kapitalgewinne in Land B zu versteuern. Kapitalverluste würde man in Land A belassen, womit man Kapitalgewinne aus anderen Produkten nach unten drücken kann. Man erreicht das, indem man ein Tochterunternehmen in Land A den rechtlichen Eigentümer eines Wertpapiers sein lässt und ein Tochterunternehmen in Land B dazu veranlasst, vom Tochterunternehmen in Land A eine Kaufoption auf das Wertpapier zum Basispreis des aktuellen Kurses zu erwerben. Während der Laufzeit des Optionsvertrags wird der Gewinn des Wertpapiers in Land A realisiert. Steigt dessen Wert an, wird zum Laufzeitende die Option ausgeübt und somit der Kapitalgewinn in Land B erzielt. Fällt der Wert jedoch, bleiben die Verluste in Land A. (Quelle [Hul15], Seite 293 f.). 1.2.5.12 Beispiel (Dividende der Gucci-Gruppe, s. Hull Kap. 9): Jede Dividende vermindert den Wert einer Aktie, da das dividendenzahlende Unternehmen durch den Kapitalabuss weniger wert ist als zuvor. Dies hat natürlich auch Einuÿ auf den Wert einer Option. Auf amerikanischen Märkten kann die Börse in diesem Fall (durch eine sog. Option Clearings Corporation, kurz OCC, als Subunternehmen der Börse) die Bedingungen der Optionen anpassen. Dem Buch von [Hul15] (s. dort auf Seite 285) zufolge hat die Gucci Gruppe Ende Mai 2003 eine Dividendenausschüttung in Höhe von ca. 15,88 $ (das entsprach 13,5 e) pro Aktie angekündigt, was dann später durch die Hauptversammlung Mitte Juli dieses Jahres bestätigt wurde. Zum Zeitpunkt der Ankündigung betrug die Höhe der Dividende 16 % des Aktienpreises. Die OCC entschied sich in diesem Fall dazu, die Optionsbedingungen aller Optionen auf Gucci-Aktien anzupassen. Inhaber einer Verkaufsoption zahlten bei Ausübung den Basispreis und erhielten neben der Aktie 15,88 Dollar zusätzlich. Dies entspricht de facto einer Verminderung des Basispreises um die gezahlte Dividende. Auf deutschen Märkten kann dies auch vorkommen (s. [Hul15] an o.g. Stelle). Früher - insbesondere vor Einführung von Börsen für den Optionshandel - waren Optionen 16

1.2 Derivative Produkte in der Regel dividendengeschützt - d.h. eine Dividende wirkte sich nicht negativ auf die Option aus. 17

2 Einperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung 2.1 Beschreibung des einperiodischen Modells Es seien zwei Zeitpunkte t = 0, 1 gegeben. Der Finanzmarkt habe d + 1 verschiedene Wertpapiere, deren Preise in t = 0 bekannt sind, nicht jedoch in t = 1. Die mathematische Modellierung der Unsicherheit in t = 1 geschieht durch die Einführung eines geeigneten Wahrscheinlichkeitsraums (Ω, F, P), auf dem eine vektorwertige Zufallsvariable S für die Beschreibung der ungewissen Kursstände/Preisentwicklungen in t = 1 bestimmt ist. In der Regel ist die erste Komponente deterministisch und modelliert eine festverzinsliche (Bargeld-)Anlage oder eine Nullkuponanleihe. 2.1.0.13 Denition: Ein Tripel ((Ω, F, P), Π, S) mit einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P), einem Preisvektor Π R d+1 in t = 0. und einer Zufallsvariable S Ω (R 0 ) d+1 als Marktpreisvektor zum Zeitpunkt t = 1 heiÿt ein d-dimensionales einperiodisches Finanzmarktmodell. 2.1.0.14 Bemerkung: Während der Wahrscheinlichkeitsraum Ω für die Menge der Marktszenarien zum Zeitpunkt t = 1 steht, liefert die σ-algebra F die Menge der im Modell sinnvoll beschreibbaren Ereignisse. Eine Menge A F mit P(A) = 0 nennt man vernachlässigbar. Die Komponenten des Vektors Π beschreiben die Preise der d + 1 Wertpapiere zum Zeitpunkt t = 0, deren Kursstände werden zur Zeit t = 1 als Zufallsvariablen S i Ω R, mit 0 i d modelliert. 2.1.0.15 Bezeichnung: π = (Π 0, Π) R R d, Π 0 = 1 S = (S 0, S) R 1+d, S 0 = (1 + r) P-fast sicher. Hierbei bezeichne der Parameter r die zwischen t = 0 und t = 1 stattndende Verzinsung. Dabei wird ab hier implizit davon ausgegangen, daÿ r > 1 ist. Statt S 0 schreibt man gelegentlich auch B für Bond, dem englischen Ausdruck für eine Anleihe. Die Konvention S 0 = (1 + r) und Π 0 = 1 bedeutet, daÿ das 0. Wertpapier für 1 e zu kaufen ist und in t = 1 genau (1 + r)e wert ist. Dies hat zur Folge, daÿ sich das 0. Wertpapier unabhängig von den Ereignissen ω Ω entwickelt, also risikofrei mit dem Satz r verzinst wird. Die Bedingung r > 1 bedeutet, daÿ das Vermögen in t = 1 nicht 0 ist. 19

2 Einperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung 2.1.0.16 Beispiel: (Ω, F, P) = ({0, 1}, P({0, 1}), P(0) = 1 3, P(1) = 2 3 mit Π = ( 1 1 ), S = ( B S ) Ω R1+1 und S(ω = 0) = ( 1 + r 2 S(ω = 1) = ( 1 + r 1 2 ) ). 2.1.0.17 Denition: Ein Vektor ξ R d+1 heiÿt Portfolio. Das Skalarprodukt < ξ, Π > R d+1= ξ Π heiÿt Preis des Portfolio in t = 0. Der Wert des Portfolio in t = 1 ist durch < ξ, S > R d+1= ξ S gegeben. 2.1.0.18 Beispiel (Fortsetzung von 2.1.0.16): 2.2 Arbitrage im einperiodischen Modell 2.2.1 Arbitragegelegenheiten 2.2.1.1 Denition: Unter einer Arbitragegelegenheit versteht man im einperiodischen Modell einen Vektor ξ R 1+d, für den sowohl als auch sowie Π ξ 0, S ξ 0 P-fast sicher, P(S ξ > 0) > 0 gilt. 2.2.1.2 Bezeichnung: Für eine reellwertige, auf dem W'raum (Ω, F, P) denierte Zufallsvariable X bezeichne X 0, daÿ X 0 P-fast sicher gilt. Analog stehe X > 0 dafür, daÿ zudem (!) X > 0 mit einer Wahrscheinlichkeit >0 gilt, also P(X > 0) > 0 gilt. Im ersten Fall heiÿt X wesentlich negativ, im zweiten Fall wesentlich positiv. Entsprechend bezeichnen X Y und X > Y, daÿ X Y 0 und X Y > 0 gelten. 2.2.1.3 Bemerkung: In dieser Notation liest sich die Arbitragebedingung an ξ R d+1 im Modell ((Ω, F, P), Π, S) als Π ξ 0 und ξ S > 0. 2.2.1.4 Hilfssatz: In einem d-dimensionalen einperiodischen Finanzmarktmodell sind folgende Aussagen gleichwertig: 20

2.2 Arbitrage im einperiodischen Modell 1. ((Ω, F, P), Π, S) hat eine Arbitragegelegenheit. 2. Es gibt ein ξ R d, so daÿ ξ S > (1 + r)ξ Π gilt. Beweis. 1 2: Man nimmt sich eine Arbitragegelegenheit ξ = (ξ 0, ξ) R 1+d, für die denitionsgemäÿ ξ Π = ξ 0 + ξ Π 0 gilt. Wegen r > 1 ist auch ξ S (1 + r)ξ Π ξ S + (1 + r)ξ 0 = ξ S. Gemäÿ der Voraussetzung ist die rechte Seite wesentlich positiv, ergo auch die linke. 2 1: In ξ R d sei ein Vektor wie in Aussage 2 gegeben. Man setzt ξ 0 = ξ Π und erhält den Vektor ξ = (ξ 0, ξ) R d+1, dessen Skalarprodukt mit Π 0 den Wert ξ Π = 0 ergibt. Auÿerdem gilt ξ S = (1 + r)ξ Π + ξ S. Lt. Voraussetzung ist ξ S (1 + r)ξ Π > 0, und somit auch ξ S. Das bedeutet, ξ ist eine Arbitragegelegenheit. 2.2.1.5 Denition: Ein Finanzmarktmodell ist arbitragefrei, wenn es keine Arbitragegelegenheit gibt. 2.2.1.6 Bemerkung: Würde man den Zufallsvektor Y = S 1+r Π der diskontierten Zuwächse verwenden, so wäre die Arbitragefreiheit gerade dadurch bestimmt, dass für jeden Vektor ξ R d ξ Y /> 0 gilt. 2.2.2 Absolutstetigkeit von Maÿen Es seien zwei Wahrscheinlichkeitsmaÿe P und Q auf dem W'raum (Ω, F) gegeben. 2.2.2.1 Denition: Man nennt das Maÿ Q absolutstetig in Bezug auf P und der σ-algebra F wenn für jedes A F mit P(A) = 0 auch Q(A) = 0 gilt. Man bezeichnet dies mit Q << P. 2.2.2.2 Satz (Radon-Nikodym): Ein Wahrscheinlichkeitsmaÿ Q ist genau dann absolutstetig in Bezug auf P und der σ-algebra F, wenn es eine nicht-negative, F-meÿbare Zufallsvariable Z Ω R gibt, so dass für jedes A F folgende Gleichung gilt: Q(A) = A ZdP 21

2 Einperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung 2.2.3 Äquivalente Maÿe und Modelle 2.2.3.1 Denition: Zwei Maÿe P und Q auf dem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F) nennt man äquivalent, wenn ihre Nullmengen übereinstimmen, das heiÿt Die Schreibweise hierfür ist P Q. P(A) = 0 Q(A) = 0. A F Die Maÿe P und Q sind also genau dann äquivalent, wenn sie wechselweise absolut stetig zueinander sind, d.h. P << Q sowie Q << P 2.2.3.2 Bemerkung: Für zwei äquivalente Maÿe P Q auf (Ω, F) gilt oenbar für jede Zufallsvariable X auf diesem Raum: X > P 0 X > Q 0. 2.2.3.3 Denition: Zwei Einperiodenmodelle M 1 = ((Ω, F, P), Π, S) und M 2 = ((Ω, F, Q), Π, S) heiÿen äquivalent, wenn ihre Wahrscheinlichkeitsmaÿe zueinander äquivalent sind, d.h. P Q. 2.2.3.4 Bemerkung: Im Fall zweier äquivalenter einperiodischer Modelle stimmen die Mengen der Arbitragegelegenheiten miteinander überein. 2.2.3.5 Bemerkung: Tatsächlich sind auch sämtliche weiteren Aussagen, die wir im folgenden über ein Finanzmarktmodell treen, von der genauen Wahl des Maÿes P in seiner Klasse äquivalenter Maÿe unabhängig. Das Maÿ P hat somit allein die Funktion die irrelevanten Marktszenarien zugunsten der relevanten zu unterscheiden. 2.3 Der erste Hauptsatz der Wertpapierbewertung 2.3.0.6 Denition: Es sei ein Finanzmarktmodell ((Ω, F, P), Π, S) gegeben. Ein Wahrscheinlichkeitsmaÿ P heiÿt risikoneutral, falls Die Menge Π i = E ( Si i=1,...,n 1 + r ) = 1 1 + r E (S i ) gilt. P = {P P ist ein risikoneutrales Maÿ und äquivalent zu P(Ω, F)} beschreibt die Menge der (zueinander äquivalenten) Maÿe des Modells ((Ω, F, P)Π, S). 2.3.0.7 Satz (Erster Hauptsatz der Wertpapierbewertung, FTAP): Das d-dimensionale Marktmodell ((Ω, F, P), Π, S) ist genau dann arbitragefrei, wenn die Menge P nicht leer ist. In diesem Fall gibt es sogar ein P P mit beschränkter Radon-Nikodym-Dichte Z = dp dp. 22

2.3 Der erste Hauptsatz der Wertpapierbewertung Beweis. : Sei P P und ξ R d mit ξ S > P 0 gegeben. Somit gilt auch für äquivalente P P ξ S > P 0. Auÿerdem ist ξ Π = d i=0 ξ i Π i = d i=0 1 1 + r E (S i ) ξ i = 1 1 + r E (ξ S) > 0, das bedeutet, ξ kann keine Arbitragegelegenheit darstellen. : Sei Y i = Si 1+r Πi, dann gilt lt. 2.2.1.4 genau dann Arbitragefreiheit, wenn für jedes ξ R d Y ξ /> 0 gilt. Das heiÿt, daÿ entweder oder Y ξ < 0 mit positiver P-Wahrscheinlichkeit P(Y ξ > 0) = 0 ist. Auÿerdem ist ein Maÿ P genau dann risikoneutral, wenn d i=1 Man zeigt nun, dass es in der Menge E (Y i ) = 0 ist. (2.1) Q = {Q Q äquivalent zu P mit dq dp beschränkt} ein risikoneutrales Maÿ gibt, d.h. ein Maÿ, welches obige Eigenschaft hat. Zunächst sei E( Y i ) < für alle i = 1,..., d und C = {E Q (Y ) Q Q} R d. Dies ist eine konvexe Teilmenge des d-dimensionalen Raumes R d, weil mit y 1 = E Q1 (Y ), y 2 = E Q2 (Y ) aus C auch jede Linearkombination Q 3 = (1 λ)q 1 + λq 2 für λ [0, 1] in Q und y 3 = (1 λ)y 1 + λy 2 = (1 λ)e Q1 (Y ) + λe Q2 (Y ) = E Q3 (Y ) in C enthalten ist. Da P in ihr enthalten ist, ist Q nicht leer. Wäre in Q kein risikoneutrales Maÿ P vorhanden, läge der Nullvektor 0 nicht in C wegen 2.1. Gemäÿ dem Trennungssatz für konvexe Mengen ndet man dann ein ξ R d, so daÿ ξ y 0 für jedes y C und auÿerdem ein y 0 C, so daÿ ξ y 0 > 0 gilt. Das heiÿt, dass für jedes Q Q E Q (ξ Y ) 0, sowie für ein spezielles Q 0 Q E Q0 (ξ Y ) > 0 gilt. 23

2 Einperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung Daraus ergeben sich zunächst die Ungleichungen Q 0 (ξ Y > 0) > 0 und P(ξ Y > 0) > 0. Auÿerdem ist ξ Y 0 P-fast-sicher. Zum Beweis dieser Aussage setzt man und A = {ω Ω ξ Y (ω) < 0} F ϕ n Ω R, ϕ n (ω) = (1 1 n ) 1 A(ω) + 1 n 1 AC (ω), n = 1, 2,... Diese Zufallsvariablen sind stets > 0. Die Maÿe 1 Q n (dω) = E(ϕ n ) ϕ n(ω)p(dω), n = 1, 2,... sind ebenfalls in Q enthalten, da die Vorfaktoren je > 0 sind. Es folgt, daÿ Insbesondere ist 0 E Qn (ξ Y ) = 1 E(ϕ n ) E P(ϕ n (ω)ξ Y ) gilt. E P (ϕ n (ω)ξ Y ) 0 und mit dem Satz von Lebesque von der majorisierten Konvergenz (s. [AE01], Seite 108 oder s. [Rud99], Seite 30) gilt E P (1 A ξ Y ) 0. Da ξ Y < 0 auf A ist, muÿ A eine P-Nullmenge sein, d.h. insbesondere, daÿ ξ Y 0 P-fast sicher. Es folgt, dass ξ eine Arbitragemöglichkeit darstellt, was im Widerspruch zur Annahme ist. Ergo ist ein risikoneutrales Maÿ P Q enthalten und hat nach Denition eine beschränkte Dichte Z = dp. dp Für den Fall, dass E( Y ) = gilt, zieht man sich folgendermaÿen auf den 1. Fall zurück: deniert mit P(ω) = c = c 1 + Y (ω) P(dω) 1 E( 1 1+ Y ) ein Wahrscheinlichkeitsmaÿ, dessen Dichte d P dp > 0 beschränkt ist (wegen Y (ω) < ) und für P-fast alle ω Ω zu P äquivalent ist. Somit ist der Markt ((Ω, F, P), Π, S) arbitragefrei, sobald es ((Ω, F, P), Π, S) ist. Unter dem neuen Maÿ P ist der Erwartungswert E P( Y c ) = E P ( Y ) c <. 1 + Y Nach Schritt 1 gibt es nun ein zu P äquivalentes Wahrscheinlichkeitsmaÿ P, welches risikoneutral ist. Dies ist dann auch zu P äquivalent und die Dichte ist wegen da dp d P dp dp = dp d P d P dp beschränkt, es ist. 24

2.4 Duplizierbare Forderungen und Vollständigkeit 2.4 Duplizierbare Forderungen und Vollständigkeit 2.4.0.8 Beispiel: Es sei ein Finanzmarktmodell mit zwei Zuständen Ω = {0, 1} gegeben, welches auÿerdem aus zwei Wertpapieren besteht: ein risikofreies, welches sich mit einem Satz in Höhe von r = 50% verzinst und eine risikobehaftetes Papier S, dessen Wert sich entweder verdoppelt oder halbiert: t = 0 t = 1 1 2 ( 1, 5 2 ) ( 1 1 ) 1 2 ( 1, 5 0, 5 ) Dieser Markt ist arbitragefrei. Um dies nachzuweisen, muÿ ein Maÿ P = {p, q } gefunden werden, so daÿ dieses lineare Gleichungssystem gelöst wird: 1 = p 1, 5 1 + r + q 1, 5 1 + r = p + q 1 = p 2 1 + r + 0, 5 q 1 + r = 4 p 3 + 1 q 3. Die Lösung dieses Gleichungssystems ist p = 2 und 3 q = 1 3. Das bedeutet, ein risikoneutrales Maÿ ist vorhanden und somit ist das Modell arbitragefrei. Nun sei eine folgendermaÿen denierter Zahlungsanspruch in Abhängigkeit des Werts S 1 des Wertpapiers S zum Zeitpunkt 1 gegeben: C = max(s 1 1, 0). Zur Ermittlung des Werts oder Preises dieses Anspruchs zum Zeitpunkt t = 0 sucht man Koezienten α, β, welche das folgende Gleichungssystem lösen: 1 = α 3 2 + β 2 0 = α 3 2 + β 1 2. Dies ergibt sich für α = 2 und 9 β = 2 3. Der Preis ergibt sich aus den in t = 0 gültigen Preisen für die Wertpapiere: α 1 + β 1 = 4 9. Zum Vergleich: E ( C 1 + r ) = 2 2 3 3 1 + 2 1 3 3 0 = 4 9. Der Preis entspricht somit dem Mittelwert der diskontierten Auszahlungen unter dem risikoneutralen Maÿ P. 25

2 Einperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung 2.4.0.9 Denition (Wette, Anspruch, Option und Derivat): Sei ((Ω, F, P), Π, S) ein einperiodisches Finanzmarktmodell. Dann heiÿt die Zufallsvariable C Ω R eine Wette, Anspruch oder Option (engl. contingent claim). Gibt es eine Funktion F R d+1 R mit C(ω) = F (S(ω)) P-fast sicher, so spricht man von einem Derivat von S. 2.4.0.10 Beispiel: 1. Ein Terminvertrag auf S i (engl. Forward Contract): Achtung, hier kann C < 0 gelten! C = S i Π i. 2. Verkaufsoption (Put-Option) auf S i mit Ausübungspreis (Strike) K: C = (K S i ) +. 3. Kaufoption (Call-Option) auf S i mit Ausübungspreis K: 4. Straddle auf ein Portfolio: C = (S i K) +. C = ξ Π ξ S. 2.4.0.11 Denition: In einem einperiodischen Finanzmarktmodell heiÿt die Menge der Zufallsvariablen V = {C Ω R C = ξ S P-fast sicher} ξ R d+1 die Menge der duplizierbaren/replizierbaren Optionen. Eine Option/Wette C heiÿt replizierbar/duplizierbar, falls ein C duplizierendes Portfolio vorhanden ist, derart daÿ ξ S = C P-fast sicher gilt. Ein Finanzmarktmodell M = ((Ω, F, P), Π, S) heiÿt vollständig, wenn jede Option C Ω R 0 duplizierbar ist. 2.4.0.12 Satz (Eindeutigkeit des Preises): Es sei ((Ω, F, P), Π, S) ein arbitragefreies einperiodisches Finanzmarktmodell und ξ S V, d.h. für ein geeignetes ζ R d+1 ist ξ S = ζ S P-fast sicher. Dann ist ξ Π = ζ Π. Für die erwartete Rendite E (R(v)) = E P (R(v)) unter einem beliebigen risikoneutralen Maÿ P P gilt: E (R(v)) = r. Hierbei sei R(v) = ξ S ξ Π ξ Π. 26

2.5 Arbitragepreise im einperiodischen Modell Beweis. Es gilt (ξ ζ) S = 0 P-fast sicher, also auch P -fast sicher für P P. Damit gilt auch Auÿerdem ist (ξ ζ) Π = (ξ ζ)e ( S 1 + r ) = 1 1 + r E ((ξ ζ) S) = 0. E (R(v)) = E (ξ S) ξ Π ξ Π (1 + r) (ξ Π) ξ Π = = r. ξ Π 2.4.0.13 Denition: Für v = ξ S V heiÿt 2.4.0.14 Bemerkung: Die Beziehung Π(v) = ξ Π Preis von v. Π(v) = E P ( v ) für jedes P P 1 + r führt zur risikoneutralen Preisregel für duplizierbare Ansprüche. Ihr zufolge entspricht der Preis eines duplizierbaren Anspruchs seiner mittleren (im Sinne von erwarteten) diskontierten Auszahlung unter einem beliebigen risikoneutralen Maÿ. 2.5 Arbitragepreise im einperiodischen Modell 2.5.0.15 Denition (Arbitragefreie Preise): Eine Zahl Π C heiÿt arbitragefreier Preis für den Anspruch C, wenn das erweiterte Finanzmarktmodell ((Ω, F, P), Π, S) mit Π = (Π, Π C ) und S = (S, C) arbitragefrei ist. 2.5.0.16 Bemerkung: Die Menge Π(C) aller arbitragefreien Preise eines Anspruchs C ist konvex, d.h. es ist immer ein Intervall in R. Siehe hierzu den Beweis des 2.3.0.7. Satzes: Die Abbildung P E P (C) ist an. 2.5.0.17 Satz: Ist die Menge P der zu P äquivalenten risikoneutralen Maÿe nicht leer, so wird die Menge der arbitragefreien Preise des Derivats C durch die Menge Π(C) = {E ( C 1 + r ) P P mit E (C) < } beschrieben. 27

2 Einperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung Beweis. Genau dann ist Π C ein arbitragefreier Preis für C, wenn das zugehörige Finanzmarktmodell ((Ω, F, P), Π, S) = ((Ω, F, P), (Π, Π C ), (S, C)) arbitragefrei ist. Dies ist gleichbedeutend mit dem Vorhandensein eines risikoneutralen Maÿes P für den entsprechend erweiterten Finanzmarkt. Hierbei gilt E S i i=0,...,d+1 1 + r = Π i ist jedes solche P auch für den ursprünglichen Markt risikoneutral und man hat Π d+1 = Π C = E d+1 S ( 1 + r ) = E ( C 1 + r ). Zum Beleg, daÿ Π(C) nicht leer ist, kann man o.b.d.a. zum äquivalenten Maÿ c P (dω) = P(dω) mit 1 + C(ω) c = (E P ( 1 1 1 + C )) übergehen, um die Endlichkeit des Erwartungswerts E P(C) = ce P ( C ) c < zu gewährleisten. 1 + C Nach dem 1. Hauptsatz der Wertpapierbewertung, dem 2.3.0.7. Satz, gibt es nun ein zu P äquivalentes risikoneutrales Maÿ P P mit beschränkter Dichte Z = dp. Insbesondere d P gilt dann für das risikoneutrale Maÿ P E P (C) = E P (ZC) KE P (C) < für eine geeignet gewählte Konstante K. Somit ist E P (C) Π(C) und Π(C). 2.5.0.18 Denition (Arbitragepreisschranken): Sei C eine Wette in einem einperiodischen Finanzmarktmodell. Dann heiÿen Π inf (C) = inf Π(C) Π sup (C) = sup Π(C) untere bzw. obere Arbitragepreisschranke für C. 2.5.0.19 Denition: Ein Modell M = ((Ω, F, P), Π, S) heiÿt nicht redundant, wenn gilt ξ S = 0 P-fast sicher ξ = 0. ξ R d+1 28

2.5 Arbitragepreise im einperiodischen Modell 2.5.0.20 Bemerkung: Ist ein Modell M = ((Ω, F, P), Π, S) redundant, dann gibt es ein 0 ξ R d+1 mit ξ S = 0 P-fast sicher. Daraus folgt dann durch Umstellung des Produkts S j = 1 ξ j ξ i S i i j für ein ξ j 0. Ergo kann die Zufallsvariable S j durch die anderen Einträge von S und ξ dargestellt werden. Somit ist jedes Derivat von S als Derivat des um S j verkürzten Wertpapiervektors darstellbar. Das entsprechende Modell M = ((Ω, F, P), Π, Ŝ) mit Π = (Π 0,..., Π j 1, Π j+1,..., Π d ) und Ŝ = (S0,..., S j 1, S j+1,..., S d ) heiÿt reduziertes Modell. 2.5.0.21 Hilfssatz: Sei ξ wie oben deniert. In einem redundanten einperiodischen Modell M gibt es genau dann keine Arbitragegelegenheit, wenn das reduzierte Modell M arbitragefrei ist und Π j = 1 ξ j i j ξ i Π i gilt. 2.5.0.22 Hilfssatz: Ist M nicht redundant, gilt für ξ R d : ξ Y = 0 P-fast sicher ξ = 0. Beweis. Es sei ξ Y = 0 P-fast sicher. Dies ist gleichbedeutend dazu, daÿ ξ S (1 + r)ξ Π = 0 gilt. Setze ξ 0 = ξ Π. Dann ergibt sich: ξ S = S ξ + (1 + r) ( ξ Π) = 0 P-fast sicher. Hieraus folgt: ξ = 0 sowie ξ = 0, da M nicht redundant war. 2.5.0.23 Satz: In einem arbitragefreien Modell M = ((Ω, F, P), Π, S) sind die Arbitragepreisschranken für die Wette C durch 1. 2. Π inf (C) = inf P P E ( C = max{m 0 m + ξy C 1 + r ξ R 1 + r d Π sup (C) = sup E ( C = max{m 0 m + ξy C P P 1 + r ξ R 1 + r d P-fast sicher} P-fast sicher} gegeben. 29

2 Einperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung Beweis. Aussage 1 zeigt man analog zu Aussage 2. Aussage 2 wird gezeigt, indem man zunächst durch Übergang zu einem reduzierten Modell annehmen kann, dass M nicht redundant ist. Sei ferner Nun zeigt man, daÿ M = m 0 m + ξ Y C. ξ 1 + r min M = sup Π(C) ist. Dazu nimmt man ein m M und ξ R d mit m + ξ Y C 1 + r. Aus der Arbitragefreiheit des Markts ergibt sich, dass E (Y ) = 0 gilt und somit durch Anwendung des Erwartungswerts: folgt, dass m = E (m + ξ Y ) E ( C 1 + r ) m sup E ( C ) sup Π(C). P P 1 + r Da m M beliebig gewählt war, gilt dies für jedes m M. Das heiÿt dann: inf M Π sup (C). Um die Gleichheit zu zeigen, wird gezeigt, dass sobald ein reelles m echt gröÿer als Π sup (C) ist, ist es auch gröÿer oder gleich inf M. Im Fall Π sup (C) = ist nichts zu zeigen. Sei daher Π sup (C) < und m > Π sup (C), dann gibt es nach Satz... eine Arbitragelegenheit im Finanzmarktmodell mit den erweiterten Vektoren Π und S, wobei S d+1 = C und Π d+1 = m. Diese Arbitragegelegenheit impliziert das Vorhandensein eines Vektors ξ = (ξ, ξ d+1 ) R d+1 mit der Eigenschaft, dass ξ Ỹ = ξ Y + ξd+1 ( C 1 + r m) > 0. ( ) Da das ursprüngliche (also nicht erweiterte) Modell arbitragefrei war, muss die hinzugefügte Komponente einen Eintrag 0 besitzen: ξ d+1 0. Bildet man den Erwartungswert mit einem P P in der Gleichung ( ), so erhält man 0 ξ d+1 (E ( C 1 + r ) m). Wegen m > Π sup (C) ist der Wert in der Klammer negativ, daher muss ξ d+1 < 0 gelten. Wird ( ) durch ξ d+1 geteilt, bekommt man 0 1 ξ d+1 ξ Y C 1 + r + m. 30

2.5 Arbitragepreise im einperiodischen Modell Somit ist m M, insbesondere ist m gröÿer oder gleich inf M. Um zu zeigen, dass das Inmum ein Minimum darstellt, sei eine nach m konvergierende Folge (m n ) n N M N gegeben. Zu jedem El t der Folge gibt es dann ein ξ n R d mit Ist m n + ξ n Y C 1 + r sup ξ n <, n N P-fast sicher. gibt es eine konvergente Teilfolge (Bolzano-Weierstraÿ) ξ nk ξ. Bei Übergang zum Grenzwert ist dann m + ξ Y C P-fast sicher, 1 + r d.h. m M. Ist sup ξ n = gegeben, n N so würde ggf. nach Übergang zu einer Teilfolge die Folge (η n ) n N = ( ξ n ξ n ) n N gegen ein η mit η = 1 konvergieren. Wegen gilt nach dem Grenzübergang m n ξ n + η C n Y (1 + r) η n η Y 0 P-fast sicher. Da das Modell arbitragefrei ist, folgt η Y = 0 P-fast sicher. Da das Modell nicht redundant war, gilt dann η = 0. Dies ist ein Widerspruch zu η = 1. 2.5.0.24 Folgerung: In einem arbitragefreien Modell M = ((Ω, F, P), Π, S) ist eine Option C genau dann duplizierbar, wenn es einen eindeutigen arbitragefreien Preis für C gibt, d.h. wenn Π sup (C) = Π inf (C) ist. Ist C nicht duplizierbar, dann ist Π(C) das oene Intervall Π(C) = (Π inf (C), Π sup (C)) Beweis. : Die Eindeutigkeit des Preises für eine duplizierbare Option ergibt sich aus dem 2.4.0.12.Satz. : Lt. dem 2.5.0.23. Satz gibt es nun für den eindeutigen Preis m = Π sup (C) = Π inf (C) zwei Portfolien ξ, η R d+1 mit (ξ η) Y = m + ξ Y (m + η Y ) C 1 + r C 1 + r 0, 31

2 Einperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung also (ξ η) Y = 0 P-fast sicher, da der Markt nach Voraussetzung arbitragefrei ist. Folglich ist m + ξ Y = C P-fast sicher 1 + r und C somit duplizierbar. Man zeigt im nicht-duplizierbaren Fall, daÿ Π inf (C) / Π(C) gilt. Analog verfährt man für das Supremum. Nach dem 2.5.0.23.Satz gibt es ein ξ R d, so daÿ Π inf (C) + Y ξ C 1 + r P-fast sicher gilt. Wegen der Unmöglichkeit, C zu duplizieren, muÿ auf einer Menge mit positivem Maÿ unter P die echte Ungleichheit gelten. Nimmt man nun das erweiterte Marktmodell mit Π d+1 = Π inf (C) und S d+1 = C. Sei dann ξ = (Π ξ Π inf (C), ξ, 1) R d+2. Somit erhält man ξ Π = Π ξ Π inf (C) ξ Π + Π inf (C) = 0 und ξ S = (1 + r) (Π ξ Π inf (C)) ξ S + C = (1 + r)( ξ Y + C 1 + r Π inf(c)) 0 P-fast sicher, wobei abermals mit positiver Wahrscheinlichkeit eine echte Ungleichung gilt. Damit hat man eine Arbitragegelegenheit. Daraus ergibt sich, dass Π inf (C) / Π(C) gilt. 2.6 Der zweite Hauptsatz der Wertpapierbewertung 2.6.0.25 Satz (Zweiter Hauptsatz der Wertpapierbewertung): Es sei M = ((Ω, F, P), Π, S) ein arbitragefreies Marktmodell, dann gilt: M ist vollständig P = 1, das heiÿt es gibt genau ein risikoneutrales Maÿ P. Beweis. : Ist das Modell vollständig, ist für jedes A F auch die Option C(ω) = 1 A duplizierbar. Daraus ergibt sich der Preis von C für jedes Element P P durch Daher gilt stets die Gleichung Π(C) = E ( C 1 + r ) = E (1 A ) 1 1 + r. P (A) = Π(C)(1 + r), 32

2.6 Der zweite Hauptsatz der Wertpapierbewertung welche P vollständig festlegt. : Wenn P nur aus dem Element P besteht und C eine Option ist, dann liefert der 2.5.0.17. Satz, daÿ die Menge der Preise dieser Option durch die Gleichung Π(C) = {E ( C 1 + r ) P P, E < } beschrieben wird. Da die Menge P nur ein Element hat, folgt daraus, dass E P (C) < sowie dass Π(C) einelementig ist. Nach der 2.5.0.24. Folgerung ist C duplizierbar. 33

3 Mehrperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung 3.0.0.26 Denition (Mehrperiodenmodell): Ein d-dimensionales mehrperiodisches Finanzmarktmodell M = ((Ω, F, (F i ) i T, P), (S i )) i T besteht aus einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P) einer Menge von Handelszeitpunkten T = {1,..., N} einer Filtrierung (F t ) t T von (Ω, F) und einem stochastischen Prozeÿ (S t ) t T (Ω, F, P) R d+1 0 3.0.0.27 Bemerkung: Der o.g. stochastische Prozeÿ kann in seine Komponenten zerlegt werden: (S t ) t T = (S 0 t,..., S d t ) t T. Der Vektor der Preise zum Zeitpunkt t ist dann 3.0.0.28 Generalvoraussetzung: Es sei S t = (S 0 t,..., S d t ). T = {0,..., N} eine diskrete Menge von äquidistanten Zeitpunkten. F = F N. F 0 = {, Ω}. (St 0 ) t T stets positiv, d.h. für jedes t aus T sei St 0 > 0 P-fast sicher. Dieses Wertpapier heiÿt risikofreies Wertpapier, i.d.r. einigt man sich darüber hinaus auf die Konvention S0 0 = 1. Wenn der risikofreie Zins innerhalb einer Periode r ist, dann ist das risikofreie Wertpapier zum Zeitpunkt t genau St 0 = (1 + r) t wert. 3.0.0.29 Bemerkung: Der reziproke Wert des risikofreien Papiers β t = 1 St 0 ist der Diskontierungsfaktor, welcher den anfänglichen Zeitwert eines Euro darstellt: dieser Betrag muss zum Zeitpunkt 0 in das risikofreie Wertpapier St 0 investiert werden, um zum Zeitpunkt t einen Euro zur Verfügung zu haben. Die Papiere St 1,..., St d heiÿen riskante Anlagen. 35

3 Mehrperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung 3.0.0.30 Denition: (St 0 ) t T wird als Numéraire bezeichnet. Diese Anlage steht in der Regel für eine sichere Investition. In jedem Fall erlauben die Eigenschaften des Numéraire, ihn als Bezugsgröÿe der anderen Wertpapiere (St k ) t T durch Einführung des Vektors ( S t ) t T, S t k = Sk t St 0, welcher relativer Wertpapierprozeÿ genannt wird, zu nutzen. 3.1 Selbstnanzierende Handelsstrategien 3.1.0.31 Denition (Handelsstrategie): Unter einer Handelsstrategie versteht man einen R d+1 -wertigen vorhersagbaren stochastischen Prozeÿ (ξ t ) t {0,..,N}. Sie wird selbstnanzierend genannt, wenn stets ξ t S t = ξ t+1 S t gilt. 3.1.0.32 Bemerkung: Die Selbstnanzierbarkeit bedeutet, dass an jedem Zeitpunkt t, an dem das Portfolio umgeschichtet wird, kein Wertverlust (genauer: keine Wertänderung) stattndet (z.b. in Form von Transaktionskosten, Entnahmen aus - /Zugaben zum Portfolio o.ä.). Die Vorhersehbarkeit bedeutet, dass die Positionen ξt k in den einzelnen Wertpapieren zum Zeitpunkt t bereits zum Zeitpunkt t 1 entschieden und bis zum Zeitpunkt t gehalten werden. 3.1.0.33 Denition (Portfoliowert): Der Wert V t (ξ) des Portfolios zum Zeitpunkt t ist durch das Skalarprodukt V t (ξ) = d i=0 ξ i t S i t gegeben. Dessen auf den Zeitpunkt 0 diskontierter Wert ist Ṽ t (ξ) = β t (ξ t S t ) = ξ t S t, wobei β t = 1 und S = (1, β St 0 t St 1,..., β t St d ) den Vektor der diskontierten Preise darstellt. 3.1.0.34 Bemerkung: Die Aussage ist gleichbedeutend mit bzw. mit der Gleichung ξ t S t = ξ t+1 S t ξ t+1 (S t+1 S t ) = ξ t+1 S t+1 ξ t S t V t+1 (ξ) V t (ξ) = ξ t+1 (S t+1 S t ). Zum Zeitpunkt t + 1 hat das Portfolio den Wert ξ t+1 S t+1 und ξ t+1 S t+1 ξ t+1 S t ist der Nettogewinn, welcher durch die Preisentwicklung zwischen den Zeitpunkten t und t + 1 entstanden ist. Das heiÿt: Wertänderungen bei selbstnanzierenden Handelsstrategien geschehen lediglich aufgrund von Preisänderungen der Wertpapiere. 36

3.2 Zulässige Handelsstrategien 3.1.0.35 Hilfssatz: Für eine Handelsstrategie ξ sind folgende Aussagen gleichwertig: 1. ξ ist selbstnanzierend. 2. Für jeden Zeitpunkt t {1,..., N} ist V t (ξ) = V 0 (ξ) + ξ j S j. Hierbei stehe S j für die (vektorielle) Dierenz S j S j 1. 3. Für jeden Zeitpunkt t {1,..., N} gilt die diskontierte Variante von (2), d.h. t j=0 Ṽ t (ξ) = V 0 (ξ) + ξ j S j, t j=0 wobei S j = S j S j 1 = β j S j β j 1 S j 1. Beweis. Hausaufgabe. 3.1.0.36 Satz: Für jeden vorhersehbaren Prozeÿ ((ξ 1 t,..., ξ d t )) 0 t N sowie jede F 0 -meÿbare Zufallsvariable V 0 gibt es genau einen vorhersehbaren Prozeÿ (ξ 0 t ) 0 t N, dergestalt, dass die Strategie ξ = (ξ 0,..., ξ d ) selbstnanzierend ist und den Startwert V 0 hat. Beweis. Die Bedingung der Selbstnanzierung Ṽ t (ξ) = ξ 0 t + ξ 1 t S 1 t + + ξ d t S d t t = V 0 + (ξj 1 S j 1 + + ξj d S j d ) deniert (ξ 0 t ). Die Vorhersehbarkeit ergibt sich durch die Umformung j=1 ξt 0 t 1 = V 0 + (ξj 1 S j 1 + + ξj d S j d ) j=1 + (ξ 1 t ( S 1 t 1) + + ξ d t ( S d t 1)). 3.2 Zulässige Handelsstrategien Für eine Handelsstrategie gilt möglicherweise ξ i t < 0. In diesem Fall sagt man, man sei in der entsprechenden Position S i t short gegangen, d.h. man hat sich ξ i t mal das Wertpapier S i geliehen. Mit der folgenden Denition verlangt man, dass der Wert des Portfolios in toto stets positiv bleibt. 3.2.0.37 Denition: Eine Handelsstrategie heiÿt zulässig, wenn sie selbstnanzierend ist und V t (ξ) 0 für jedes t {1,..., N} gilt. 3.2.0.38 Denition: Eine Arbitragestrategie ist eine zulässige Handelsstrategie ξ, deren Startwert bei 0 liegt und deren Endwert V N (ξ) nicht 0 ist. 37

3 Mehrperiodenmodelle zur Wertpapierbewertung 3.3 Martingale und Arbitragegelegenheiten 3.3.0.39 Denition: Ein adaptierter Prozeÿ (M t ) t=0,...,n reellwertiger Zufallsvariablen ist ein Martingal, wenn E(M t+1 F t ) = M t für jedes t N 1 gilt. Supermartingal, wenn E(M t+1 F t ) M t für jedes t N 1 gilt. Martingal, wenn E(M t+1 F t ) M t für jedes t N 1 gilt. Diese Denition lässt sich auf den mehrdimensionalen Fall ausweiten, indem man die obigen (Un-)gleichungen für die einzelnen Komponenten fordert. Im Zusammenhang mit nanzmathematischen Überlegungen bedeutet die Tatsache, dass für ein Wertpapier i die Preisentwicklung (S i t) 0 t N ein Martingal ist lediglich, dass zum Zeitpunkt t der zum Zeitpunkt t+1 erwartete Preis S i t+1 bei dem zum Zeitpunkt t gültigen Preis S i t liegt. Leicht ableiten lassen sich nun folgende Aussagen: 1. (M t ) 0 t N ist genau dann ein Martingal, wenn für jedes j 0 auch E(M t+j F t ) = M t gilt. 2. Ist (M t ) 0 t N ein Martingal, so gilt für jedwedes t N: E(M t ) = E(M 0 ). 3. Die Summe zweier Martingale ist wieder ein Martingal. 4. Dasselbe gilt für Super- und Submartingale. 3.3.0.40 Denition: Eine adaptierte Folge (H t ) 0 t N von Zufallsvariablen heiÿt vorhersagbar, wenn H t für jedes t 1 F t 1 -meÿbar ist. 3.3.0.41 Hilfssatz: Es sei ein Martingal (M t ) 0 t N und eine in bezug zu einer Filtrierung (F t ) 0 t N vorhersehbare Folge (H t ) 0 t N von Zufallsvariablen gegeben. Bezeichne M t = M t M t 1, dann ist die durch die Rekursionsbedingungen X 0 = H 0 M 0 X t = H 0 M 0 + H 1 M 1 + + H t M t denierte Folge (X t ) 0 t N von Zufallsvariablen in bezug auf die Filtrierung (F t ) 0 t N ein Martingal. 3.3.0.42 Bemerkung: (X t ) 0 t N heiÿt Martingaltransformierte von (M t ) durch (H t ). Konsequenz dieses Hilfssatzes ist, dass der Erwartungswert eines Portfolios mit einer selbstnanzierten Handelsstrategie dem ursprünglichen Wert des Portfolios entspricht, wenn die diskontierten Wertentwicklungsprozesse ( S i t) 0 t N Martingale sind. Beweis. (X t ) ist eine adaptierte Folge. Auÿerdem gilt für t 0: E(X t+1 X t F n ) = E(H t+1 (M t+1 M t ) F t ) = H t+1 E(M t+1 M t F t ) da H t+1 F t -meÿbar ist = 0. 38