Kriterien für den Anbau von Weizen aus biologisch-dynamischer Züchtung



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Forschung Rubrik Forschung Kriterien für den Anbau von Weizen aus biologisch-dynamischer Züchtung Die Back- oder Verarbeitungsqualität Dr. Ludger Linnemann, Forschungsring e.v. Darmstadt, linnemann@forschungsring.de, Tel: 06155-6421-19 Zusammenfassung Weizenmehl Type 550 Brotvolumen [ml/100 g Mehl] Backverhalten Unter 600 nicht befriedigend 601 bis 630 Befriedigend 631 bis 660 Gut Über 660 sehr gut über 701 gute Aufmischqualität Tabelle 1: Offizielle Einstufung der Mehlqualität anhand des Brotvolumens ermittelt im Standard Backtest RMT des MRI (Max Rubner-Institut, Detmold, Bundesforschungsanstalt für Getreide, 8AGF 1994) 40 Lebendige Erde 2/2015 Im folgenden Bericht werden Ergebnisse präsentiert, die auf langjährigen Untersuchungen mit dem sogenannten Optimierten-Backtest (OBT) und Öko-Weizensorten basieren. Der OBT wurde im Forschungsring mit Unterstützung des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL- heute BÖLN) entwickelt. Mit der Optimierung konnte gezeigt werden, dass eine verbesserte Teigknetung zu sehr hohen Volumenausbeuten führt. Dies ist möglich, indem eine optimale Konsistenz des Teiges ermittelt wird, die dazu führt, dass auch auf niedrigen Niveaus des Kornproteins ab ca. 9,5 % die Proteinqualität des Weizens vollständig in Brotvolumen umgesetzt wird. Erklärt wird dieses Phänomen dadurch, dass die Kleberqualität mit zunehmender Proteinkonzentration sinkt und folglich auf niederem Proteinniveau am höchsten ist. Vergleichbare Ergebnisse wurden im Praxistest auch in einer Bio-Bäckerei erzielt. Wichtig zu wissen ist, dass die sortenspezifische Proteinqualität genetisch fixiert ist. Nur durch die Kenntnis der Backqualität biodynamischer Sorten kann mit den Proteinwerten die Backqualität in bestimmten Grenzen zur Qualitätssicherung geschätzt werden. Die genannten Details sind inzwischen auch für konventionelle Weizensorten bestätigt worden. Auf Grundlage der neuen Erkenntnisse zur Bewertung der Verarbeitungsqualität von Weizen ergeben sich folgende Möglichkeiten zur Verbesserung bestehender Verhältnisse für alle Teilnehmer der gesamten Wertschöpfungskette: Der vereinbarte Anbau von wenigen Sorten mit geprüft hoher Proteinqualität sichert eine sehr hohe Backqualität und erleichtert die Qualitätssicherung. Die einheitliche Verwendung biodynamisch gezüchteter Sorten stärkt das Profil der Demeter-Bewegung und erfüllt auch die Verbrauchererwartungen. Die biodynamische Züchtung kann aus der gestiegenen Sortennachfrage zukünftig vermehrt neue Sorten mit höheren Erträgen züchten. Der Wert des Weizens lässt sich besser bestimmen. Auch auf Grenzstandorten kann hochwertiger Weizen angebaut werden. Bei Unterschreiten der Proteingrenzwerte kann Weizen ohne Wertverlust für Vollkornprodukte verwendet werden Hintergrund Biologisch-dynamisch gezüchtete Weizensorten sind an die besonderen Bedingungen des Ökolandbaus und die Anforderungen von Verarbeitern angepasst. Bei den Anforderungen handelt es sich um freie Vereinbarungen, welche sich an objektiven Kriterien orientieren. Solch ein objektives Kriterium ist das Brotvolumen, mit dem das Backverhalten eines Mehles im Verfahren des Standardbacktests RMT (Rapid-Mix-Test) bewertet wird (siehe Tabelle 1). Aus Tabelle 2 werden Produktionsziele ersichtlich, die zeigen, dass Handelsmehle von Weizen aus konventionellen Anbausystemen 13,7 % Mehlprotein benötigten (14,5 % Protein im Korn), um als sehr gut bewertet zu werden. Die geprüften Öko-Weizenmehle benötigten 11,8 % Mehl-Protein (12,5 % Protein im Korn), um als befriedigend bewertet zu werden. Vor diesem Hintergrund wird über die Verarbeitungsqualität aus wissenschaftlicher Sicht diskutiert. Im Ökolandbau sind derartig hohe Proteinwerte im Mittel der Jahre nur in wenigen begünstigten Gebieten zu erreichen. Als Ausweg wurden zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Backqualität (Kleegras- Vorfrucht, Weite Reihe, E-Sorten) in der Vergangenheit entwickelt, die jedoch gemessen mit dem offiziellen Standardbacktest RMT keine

Forschung merkliche Verbesserung erbrachten. Erst mit dem Aufkommen von biodynamisch gezüchteten Sorten stieg das Proteinniveau merklich an. Allerdings fielen die Bewertungen auch dieser Sorten nach wie vor anhand des RMT nicht deutlich besser aus. Müller und Bäcker verlangen bisher für die Herstellung von Backwaren wie Brötchen, Croissants, Zwieback u.s.w. aus hellen Mehlen der Type 550 Weizen mit hohen Kleber- oder Proteinwerten. Eine Verbesserung der Mehlqualität in einem Anbausystem, in dem Stickstoff nur begrenzt verfügbar ist, schien bisher aus den geschilderten Bedingungen heraus als unmöglich. Allerdings fielen wiederholt Diskrepanzen zwischen Laborwerten und den Erfahrungen von Bäckern auf. Eine Überprüfung der Ergebnisse von verschiedenen Backtests weltweit ergab die interessante Tatsache, dass der deutsche Standardbacktest RMT unrealistisch niedrige Werte insbesondere im unteren Proteinbereich bzw. für Ökoweizen liefert. Neue Sorten weisen darüber hinaus hohe Kleberprotein-Qualitäten auf, die vom Backtest und über Proteinoder Kleberwerte offensichtlich nicht erfasst werden können (Linnemann et al. 2002). Vor diesem Hintergrund wurde der RMT verbessert und der sogenannte Optimierte-Backtest entwickelt und anhand von biologisch-dynamisch gezüchteten Sorten geprüft (LinneHandelsmehle [Type 550] mann 2011). Im Folgenden werden die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt präsentiert und die sich daraus ergebenden Folgen für die gesamte Wertschöpfungskette diskutiert. Material und Methoden Parallel zur Optimierung des RMT wurden 9 Weizensorten in Streifenversuchen (siehe Abbildung 1) in drei verschiedenen Klimaräumen angelegt, um eine möglichst große Spreizung der Mehlqualitäten zu erreichen. Eine Übersicht über die Standorteigenschaften der drei Streifenversuchsstandorte zeigt Tabelle 3. Am Standort Alsfeld (Betrieb Kasper) handelt es sich um eine Mittelgebirgslage im Vogels berg (AlsfeldLiederbach) mit einer langjährigen Jahres-Durchschnittstemperatur von 7,8 C. Am Standort Liederbach stehen die Öko-Landessortenversuche (LSV) des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH). Am Standort Halle/Saale (Betrieb Gut Döll- Protein ICC 167 [%,TS] Brot-Volumen [ml/100 g Mehl] Backverhalten Öko-Weizen Handelsmehle RMT 11,8 611 Befriedigend Konv. Weizen Handelsmehle RMT 13,7 668 Sehr gut Tabelle 2: Bewertung von Handelsmehlen in Abhängigkeit vom Anbausystem (ÖkologischKonventionell) im Mittel der Jahre 2006 bis 2010 (MRI 2010) nitz KG, Th. Schubert) handelt es sich um eine Tieflandlage im Bereich von Schwemmlanden der Saale und Elster mit sehr heterogenen Bö den. Prägend für die Ertragsbildung sind Frühsommer-Trockenheiten und kontinentales Klima. Am Standort Stuttgart-Möhringen (Betrieb K. Wais) handelt es sich um fruchtbare Böden in Tallagen mit einer langjährigen Jahres-Durchschnittstemperatur von 8,8 C. Abbildung 1: Streifenversuch mit 9 Weizensorten am Standort Alsfeld (2009) Die Aussaat der Streifen erfolgte betriebsüblich mit den am Hof vorhandenen Drillmaschinen auf einer Fläche von etwa 800 m2 je Sorte. Das Getreide wurde vor der Aussaat mit Tillecur gegen Steinbrand behandelt. Auf allen Aussaatflächen standen Leguminosen als Vorfrucht. Nach Mähdrusch jedes Streifens wurden die sortenreinen Partien in BigBags nach Standort getrennt gelagert. Alle verwendeten Sorten wurden entweder vom Züchter direkt oder als ökologisches Saatgut von Öko-Vermehrern bezogen. Die konventionell gezüchteten Sorten Certo (C), Capo (E) und Achat (E) dienten als Vergleichssorten. Butaro (E) erhielt 2008 eine Zulassung und ersetzte die Sorte Naturastar im zweiten Jahr. Die Vermahlung von etwa 300 kg Weizen erfolgte in einer Walzenstuhl-Mühle (Ulstermühle in Tann, 10 T/Tag) über 12 Passagen zur Lebendige Erde 2/2015 41

Rubrik Forschung Standort Ackerzahl Ertragsniveau (*dt/ha) Bodentyp Bodenart Alsfeld 51 50 Braunerde aus Basalt sandiger Lehm Halle/Saale 50 35 Sandlöss sandiger Lehm Stuttgart 70 60 pseudovergleyte Parabraunerde toniger Lehm * im Mittel der Jahre unter anderem als Auswirkung von Boden und Witterung Tabelle 3: Standorteigenschaften der Streifenversuchsstandorte in 2008 und 2009 Abb. 2: Typische Zeit-Kraft Kurve eines Teiges mit Vollrezeptur aus sortenreinem Mehl (T550). Aus der Konsistenzkurve des Teiges ist ersichtlich, dass der Teig nach 4 Minuten voll entwickelt war und damit die Voraus setzung für ein optimales Brotvolumen gegeben war. Mehltype 550 mit einem Ausmahlungsgrad von etwa 79 %. Mit den Mehlen wurden anschließend in der Herzberger Bio-Bäckerei in Fulda Backversuche durchgeführt, um die Ergebnisse des Optimierten-Backtests mit Ergebnissen aus der Praxis vergleichen zu können. Die Optimierung des Backtestes erfolgte in Anlehnung an Angaben aus der internationalen Literatur (Details in Linnemann 2011) und der Ar beitsvorschrift des deutschen Rapid-Mix-Tests (BAGF, 1994). Die Optimierung basiert auf einer praxisnahen Teigverarbeitung mit optimierter Knetdauer (siehe Abbildung 2). Hierfür wurde ein elektronisch geregelter Dough Lab Messkneter (Newport Scientific, AU) mit 63 bis 126 Umdrehungen pro Minute (UPM) verwendet, ausgerüstet mit einem temperierbaren 50 Gramm Brabender Doppel Z-Arm Kneter. Im RMT wird jeder Teig bei 1.250 UPM für 1 Minute geknetet, was prinzipiell zu einer Überknetung des Teiges führen kann. Das Brotvolumen wird mit einem kalibriertem Volumeter und 2 mm Glaskugeln ermittelt. Ergebnisse und Diskussion Im Rahmen der Optimierung standen Proben aus einem Landessortenversuch von Rainer Schmidt in Kirchberg (Jagst) aus dem Jahr 2007 zur Verfügung, die mit dem OBT und dem RMT (Labor Aberham) untersucht wurden. Die Feuchtkleberanalysen wurden ebenfalls parallel vom Labor Aberham und vom MRI in Detmold untersucht. Zwei bemerkenswerte Tatsachen fielen auf. Zum einen führte der RMT bei allen untersuchten Proben zu Volumenausbeuten < 600 ml ( nicht befriedigend siehe Tabelle 1), während der OBT im Mittel zu 30 % höhere Volumenausbeuten führte. Damit erreichten alle untersuchten Sorten mit Ausnahme der Sorte Naturastar ein sehr gutes Backverhalten (Abbildung 3). Bisher völlig unbekannt ist die in Abbildung dargestellte Tatsache, dass die Messung des Feuchtklebers nicht reproduzierbar ist. Die Unterschiede sind so gravierend, dass diese Methode zur Bestimmung der Klebermenge völlig ungeeignet ist. Für die Nutzer dieser Methode dürften in der Vergangenheit starke Nachteile entstanden sein, da im Ökolandbau bis heute die Bezahlung anhand von Feuchtkleber erfolgt. Aber unabhängig von der Methode zeigen die Volumenausbeuten eine nur schwache Beziehung zum Feuchtkleber. Eine Überprüfung dieser Beobachtung bestätigte, dass im untersuchten Sortiment keine enge Beziehung zwischen Protein und Brotvolumen nachzuweisen war, was auch aus Studien des MRI bekannt ist (Seling 2010). Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass die Proteinqualität im Gegensatz zur Proteinmenge eine enge Beziehung zum Brotvolumen aufwies (Abbildung 4). Das Brotvolumen konnte nur zu 26 % aus den Proteingehalten, aber zu 81 % aus einem Parameter der Proteinqualität abgeleitet werden. Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass mit zunehmender Proteinkonzentration die Proteinqualität abnimmt. Derartige Phänomene wurden zwar in der Literatur beschrieben (Preston et al. 1997), traten aber in Verbindung mit dem RMT bisher nicht in Erscheinung. Anders ausgedrückt, wurde die geringere Proteinkonzentration durch eine höhere Proteinqualität kompensiert. Daher wiesen Proben mit 8,8 % Mehl-Protein (9,5 % Korn- Protein) ein Brotvolumen von 681 ml auf, wofür der RMT einen Bedarf von 13,7 % Protein ausweist (siehe Tabelle 2). Die Probe wäre, mittels RMT untersucht, als Futterweizen eingestuft worden. Eine wichtige Frage entsteht, inwiefern die Ergebnisse des OBT auf Ergebnisse in der Praxis übertragbar sind. Hierzu wurden Versuche in der Herzberger Bio-Bäckerei durchgeführt. Aus Tabelle 4 ist zu erkennen, dass die Volumenausbeuten ausgewählter Proben weit über dem Grenzwert von 660 ml Volumen für eine sehr gute Verarbeitung liegen. Aufgrund des von Herzberger eingesetzten Backmittels lagen die Volumenausbeuten höher als im OBT ohne dieses Backmittel. Die Übereinstimmung mit Ergebnissen aus der Praxis 42 Lebendige Erde 2/2015

Forschung kann als sehr gut bezeichnet werden. Im Vergleich zur Bäckerei spiegelt der OBT weniger maximale Volumenausbeuten, als vielmehr das Potenzial der untersuchten Sorten. Wie man an dem Beispiel sieht, können die maximal erreichbaren Volumenausbeuten je nach verwendetem Backmittel sogar deutlich höher liegen. Eine Probe, die im OBT gut abschneidet, wird auch als Vollkornbrot diese Qualität in stark abgeschwächter Form aufweisen. Mit Vollkornmehl kann der OBT jedoch nicht durchgeführt werden, da die Kleiepartikel im Mehl den Kleberfilm unterbrechen und als Folge Gas entweicht. Der Test differenziert verschiedene Proben daher nur schwach und ist somit wenig aussagekräftig. Die geprüften biologisch-dynamisch gezüchteten Weizensorten verfügten über eine besonders hohe Proteinqualität und wiesen in einem Bereich, der bisher als minderwertig eingestuft wurde, sehr gute Verarbeitungsqualitäten auf (Abbildung 5). Häufig ist es so, dass konventionell gezüchtete Sorten wie Achat riskant für den Landwirt sind, da sie auf hohe Ertragsleistungen gezüchtet wurden. Dem gegenüber lassen sich mit den untersuchten biodynamischen Sorten im Mittel mehrerer Jahre zuverlässig hohe Volumenausbeuten erzielen. Mit dem Nachweis höherer Verarbeitungsqualität durch den OBT wurde allerdings auch nachgewiesen, dass es derzeit keine Schnellmethode zur Bestimmung der Backqualität von Weizen gibt. Will man dennoch eine Qualitätssicherung erreichen, so gibt es derzeit nur eine Möglichkeit: den Anbau biologisch-dynamisch gezüchteter Sorten bzw. von Sorten mit geprüfter Backqualität. Abb. 3: Vergleichende Messungen von Backvolumen und Feuchtkleber mit 10 Weizensorten vom Öko-Weizensortenversuch (Kirchberg/Jagst, Ernte 2007). Indem bereits geprüfte biologischdynamisch gezüchtete Sorten angebaut werden, lassen sich verschiedene Vorteile ohne großen Aufwand nutzen. Wie in Abbildung 5 dargestellt, kann auf deutlich mehr Flächen erfolgreich Weizen mit hoher Backqualität angebaut werden. Für die Züchtung besteht bei verbesserter Nachfrage von Saatgut die Möglichkeit, künftig ertragsstärkere Sorten mit sehr hoher Proteinqualität zu züchten. Was vielfach übersehen wird in der Qualitätssicherung ist die Tatsache, dass man mit wenigen, aber dafür geprüften Sorten Abb. 4: Links: Beziehung zwischen Volumenausbeute (Optimierter-Backtest) und Proteinkonzentration im Mehl eher schwach ausgeprägt. Rechts: Beziehung zwischen Volumenausbeute je Prozent Protein und Proteinkonzentration im Mehl (= Proteinqualität). Streifenversuche mit 9 verschiedenen Sorten an den Standorten Alsfeld, Halle-Saale, Stuttgart Ernte 2008 & 2009 (Linnemann 2011). Lebendige Erde 2/2015 43

Rubrik Forschung Sorte Mehl-Protein (%,TS) ICC 105/2 Herzberger Volumen* (ml /100g Mehl) optimierter Backtest Volumen* (ml /100g Mehl) Wiwa 10,5 821 821 Ataro/Wiwa/Aszita (25/50/25) 10,3 834 859 Goldblume/Ludwig (30/70) 9,6 722 804 Achat 8,8 739 750 Mittelwert 9,8 779 a 809 a Tabelle 4: Herstellungsvergleich Backwaren: Volumenausbeuten Herzber ger (Kaiserbrötchen) versus optimierter Backtest. Herzberger-Re zeptur. (Alsfeld 2009). ( Mittelwerte unterscheiden sich bei gleichen Buchstaben nicht) Danksagung Am Erfolg der Studie haben verschieden Personen mitgewirkt, bei denen ich mich herzlich bedanken möchte. Vor allem bei Herrn Wolfgang Gutberlet und Dr. Schlinzig, die das Projekt in Kooperation mit der Herzberger Bäckerei Fulda ermöglichten, sowie bei Herrn Groll, Herrn Swoboda und den Mitarbeitern in der Herzberger Bäckerei. Die finanzielle Förderung verdanken wir dem Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). deutlich geringere, sortenbedingte Qualitätsschwankungen erwarten kann, als das derzeit mit einem Sammelsurium verschiedenster Sorten möglich ist. Nicht umsonst verpflichten große Mühlen, Bäckereien und Händler in Kooperationsverträgen Landwirte zum Anbau weniger, aber ausgesuchter Sorten mit genetisch fixierten Verarbeitungseigenschaften. Im Rahmen der biologisch-dynamischen Bewegung bedeutet der gezielte Anbau geprüfter Sorten einen Schritt in die Richtung, von der Verbraucher denken, dass er schon längst verwirklicht wurde. Auch das biologisch-dynamische Qualitätsprofil gewinnt damit an Format. Da die Backqualität der biologischdynamischen Sorten bekannt ist, kann man tendenziell wieder die Proteinwerte zur Orientierung heranziehen, was mit anderen Sorten nicht möglich ist, ohne sie vorher zu prüfen. Schließlich ist es mit dem OBT möglich, nachzuweisen, dass selbst auf marginalen Standorten sehr guter Brotweizen erzeugt werden kann und sogar Korn-Proteinwerte ab 9,5 % den unteren Grenzwert bilden, ab dem Weizenmehle nach mindestens 21 Tage Lagerung problemlos zu Brötchen verarbeitet werden können. Mehle reifen, und grenzwertige Mehle sollten unbedingt gut gereift sein, bevor sie zu hochwertigen Teigwaren verbacken werden. Eine Voraussetzung zur Verwendung einzelner Sorten (Hofsorten) ist, dass die Sorten mehrjährig geprüft wurden und über eine sehr hohe Proteinqualität verfügt, die auf niedrigem Proteinniveau durchaus am Höchsten sein kann, wie in Abbildung 4 gezeigt wurde. Bei Mischung unbekannter Sorten hingegen kann eine hohe Backqualität keinesfalls erwartet werden. Die hier gezeigten Werte besitzen ausschließlich Gültigkeit für die hier untersuchten Sorten. Abbildung 5: Volumenausbeute von Weizenmehl (T550) in Abhängigkeit von Sorte (Mischung = Goldblume/Ludwig) und Proteinkonzentration (Alsfeld, 2009). Wie kann der OBT verwendet werden? Beispiel aus der Praxis Eine Mühle bzw. Erzeugergemeinschaft hatte in 2014 eine 100 Tonnen umfassende Charge Getreide im Vertragsanbau mit im Mittel 9,5 % Korn-Protein im Silo und ist unsicher, ob die Qualität hoch genug ist. Eine Überprüfung mit dem OBT an zwei Mustern erbrachte den Nachweis sehr guten Backverhaltens. Der Weizen wurde auf Grundlage des Backtests in Bäckereien verwertet. Die Landwirte konnten ihren Weizen als Qualitätsweizen verkaufen und hatten keine Verluste zu verzeichnen. Die Mühle musste keinen teureren Weizen zukaufen. Quellen AGF, Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung (Hrsg.): Standard-Methoden für Ge treide Mehl und Brot. Schäfer, Detmold (1994). MRI (Hrsg.): Brotgetreideernte 2010 Qualität der Deutschen Brotgetreideernte (Weizen, Roggen und Dinkel) Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide, Detmold. http://www.mri.bund.de/fileadmin/service/pressemitteilungen/mri_pm_100929. pdf. Linnemann, L. (2011): Entwicklung einer prozessnahen Diagnostik der Mehlqualität und Teigbereitung zur optimierten Herstellung von Backwaren aus Öko-Weizensorten. Studie im Auftrag des Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau. Linnemann L., G. Leithold & R. Rauber (2002): Kleberqualität als Bewertungskriterium der Back qualität von Weizen Neue Erkenntnisse zu einem alten Thema. Getreide Mehl & Brot, 56, 147-154. Preston K.R., K.J. Quail, S. Zounis & P.W. Gras (1997): No-time dough baking performance and mixing properties of Canadian Red Spring wheat cultivars using Canadian and Australiean test procedures. Aust. J. Agric. Res. 48, 587-593. 44 Lebendige Erde 2/2015