> Studie. Talentmanagement. Wie Unternehmen in dynamischen Umfeldern Talente fördern und nutzen 2007 / 7. www.detecon.com



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Transkript:

> Studie Talentmanagement Wie Unternehmen in dynamischen Umfeldern Talente fördern und nutzen 2007 / 7 www.detecon.com

Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne schriftliche Genehmigung der Detecon International GmbH reproduziert oder vervielfältigt werden. Veröffentlicht durch Detecon International GmbH, Frankfurter Straße 27, D-65760 Eschborn www.detecon.com

Talentmanagement Studie < Vorwort In einem dynamischen Marktumfeld ist der Kampf um Talente ein wettbewerbsentscheidender Faktor für Unternehmen, darüber besteht auf Topmanagement-Ebene kein Zweifel mehr. Die menschliche Fähigkeit und das Können, problemlösend zu handeln und Reaktionen auf Veränderungen in Markt und Wettbewerb zu finden, gewinnt mit steigender Dynamik an Bedeutung und ist für Flexibilität und Innovationskraft moderner Organisationen von entscheidender Bedeutung. Dabei ist die Qualifikation von Mitarbeitern nur eine Facette, die in der Auswahl der richtigen Menschen von Relevanz für ein Unternehmen ist. Wesentlicher ist das Talent, die besonderen Fähigkeiten, Probleme zu lösen und das darauf aufbauende Können potenzieller Mitarbeiter. Unsere Aufgabe als Führungskräfte und Manager ist es, diese Talente zu entdecken, zu gewinnen und zu binden, ihr Können zu entwickeln und Entwicklung möglich zu machen. Talentmanagement ist derzeit ein Schlagwort. Viele Ratgeber und Studien bestätigen die Notwendigkeit hierfür. Dennoch findet sich kaum ein Modell oder eine Anleitung, die managementorientiert wesentliche Überlegungen aufzeigt und ein praktikables Instrumentarium an die Hand gibt. Mit der vorliegenden Studie erhalten Sie, neben einem Modell, Einblicke in die und Ideen aus der Praxis ebenso wie einen theoretischen Rahmen. Dies erlaubt Ihnen eine Einschätzung der aktuellen Situation Ihres Unternehmens wie auch der zukünftigen Bedarfe. Die Durchführung der Studie und das Interesse unserer Kunden, an dieser Studie teilzunehmen, untermauert die Dringlichkeit des Themas. Das anhaltende Interesse an den Ergebnissen manifestiert die Relevanz von Talentmanagement auch auf höchster Ebene. Lernen Sie Hebel für die Entwicklung von Talentmanagement in Ihrem Unternehmen kennen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Anwendung. Peter Langosch Managing Partner, Head of Competence Practice Operations & Performance

> Studie Talentmanagement Inhaltsverzeichnis Vorwort 1 1. The War for Talents Ist der Krieg vorbei? 3 2. Talent und Talentmanagement mehr als klassische Personalentwicklung 4 3. Das Setting Untersuchungsfragen, Unternehmen, Vorgehen 6 4. Das Framework Bausteine des Talentmanagements 7 5. Talentmanagement-Praxis Was wird im Unternehmensalltag genutzt? 11 6. Die Erkenntnisse in einem Modell 17 7. Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis - Diskussion der Ergebnisse 24 8. Möglichkeiten und Grenzen des Modells vor dem Hintergrund der Praxiserfahrungen 31 9. Fazit Worauf kommt es an und wie kommt man dort hin? 32 10. Appendix I - Dynamikbetrachtung 36 11. Appendix II - Größenangaben zu den untersuchten Unternehmen 38 12. Appendix III - Hypothesen für die Interviewdurchführung 39 Anhang 40 Abbildungsverzeichnis 40 Die Autoren 41 Das Unternehmen 42

Talentmanagement Studie < 1. The War for Talents 1 Ist der Krieg vorbei? Dass Talentmanagement ein essentieller Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist, steht außer Frage. Insbesondere in sehr dynamischen Märkten, die von kurzen Produktlebenszyklen und einem hohen Innovationsdruck geprägt sind, ist das menschliche Talent, kreativ und problemlösend auf komplexe und überraschende Impulse aus dem Markt und vom Wettbewerb zu reagieren, die entscheidende Größe, um Wettbewerbsvorteile zu erreichen und im Markt die Nase vorn zu haben. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Weit gefehlt. Nach wie vor zeigt sich, dass Talentmanagement, das Rekrutieren und Identifizieren von Talenten, die Platzierung von Talenten, die konsequente Nutzung von Talenten für die Erreichung von Unternehmenszielen und die Bindung von Talenten an das Unternehmen hoch komplexe Herausforderungen sind, die nur von wenigen Unternehmen sicher und umfassend bewältigt werden können. Ein Paradoxon, das es hier zu behandeln gilt, ist sicher der Spagat zwischen der zielgerichteten Nutzung eines Talents und dem notwendigen Freiraum, den Talententwicklung - wie wir später sehen werden - benötigt. Spätestens hier wird klar, dass Talentmanagement sich nicht auf die klassischen HR-Prozesse reduzieren lässt, sondern dass hier Führung eine ganz entscheidende Rolle spielt, die Paradoxien situativ auszubalancieren. Untersuchungen an Unternehmen, die in dynamischen Märkten erfolgreich und führend operieren, haben gezeigt, dass ein wesentlicher Baustein des Erfolges die Art und Weise ist, wie diese Unternehmen Talente identifizieren, integrieren und aufbauen. 2 In diesen Organisationen hat sich Talentmanagement sozusagen organisch entwickelt, ebenso wie der gesamte ökonomisch erfolgreiche Umgang mit der Dynamik des Umfeldes. Das heißt auch, dass sich diese Unternehmen des Weges und einer eventuellen Systematik nicht bewusst sind. Nachdem wir in der Studie Vom Wissen zum Können Talentmanagement bei Höchstleistungsunternehmen 3 untersucht haben, folgt in dieser Studie eine Analyse von Talentmanagement, wie es in der Unternehmenspraxis stattfindet. Basis ist die Hypothese, dass es im Talentmanagement sowohl komplizierte (eher prozessorientierte administrative Fragestellungen, die in erster Linie von HR als Supportfunktion durchgeführt werden) als auch komplexe Anteile (die in der Führung bearbeitet werden müssen) gibt. Zielsetzung ist herauszufinden, auf welcher Ebene und in welcher Ausprägung Talentmanagement angewendet wird und ob es bewusst oder unbewusst eingesetzt wird. Dabei geht es um die Identifikation von Werkzeugen und der jeweiligen Erfahrungswerte der Unternehmen mit ihrem Modell des Talentmanagements, vorgestellt an Fallbeispielen. Das Ergebnis ist die Ableitung eines Entscheidungsmodells, das es dem Praktiker erlaubt, die eigene Situation im Reifegrad einzuordnen und den Adaptionsgrad zur Umwelt- und Marktkomplexität einzuschätzen. 1) Vgl. Michaels, E./Handfield-Jones, H./Axelrod, B.: The War for Talents, 2001 2) Wohland, G. et al: Vom Wissen zum Können (Höchstleister-Studie), Detecon International Gmbh; 2004. 3) Als Höchstleistungsunternehmen werden Unternehmen bezeichnet, die dynamikrobust sind, d.h. mit der Komplexität dynamischer Märkte überdurchschnittlich gut umgehen können.

> Studie Talentmanagement 2. Talent und Talentmanagement mehr als klassische Personalentwicklung Talent und Talentmanagement Talent ist eine innere Begabung, eine Voraussetzung für überdurchschnittliche Leistungen, durch die eine Person Dinge leichter und besser machen kann als andere, die dieses Talent nicht besitzen. Talent zeigt sich in der tatsächlichen Bewältigung von Problemen. Talent als Leistungsvoraussetzung ist die Basis für Können. Was einem Menschen leichter fällt als anderen, ist sein Talent. Talent ist die Basis für Höchstleistung und damit für Können. Wenn es an Können mangelt, werden Talente benötigt. ( ) Marktdruck erzeugen Unternehmen nicht durch das, was Menschen im Durchschnitt können (das können alle), sondern durch das, was seine Talente als Ausnahmeleistung hervorbringen können. ( ) Talent kann nicht gemessen oder abgefragt werden. Es wird nur an der Lösung des passenden Problems sichtbar. Vorher erkennen sich Talente nur gegenseitig. Zur Förderung von Talenten werden Talente benötigt. 4 Talentmanagement 5 ist das Identifizieren, Selektieren, Fördern und Fordern und adäquates Einsetzen und Binden von Talenten bzw. Mitarbeitern mit besonderen Fähigkeiten und Begabungen in einer Organisation Talentmanagement setzt auf Instrumente, die Raum für Problemlösungshandeln und dessen Beobachtung bieten. Die Instrumente setzen daran an, Gelegenheiten für Talentoffenbarung und ihre Beobachtung zu schaffen. Zu nennen wären hier beispielsweise geschützte Bereiche innerhalb der Organisation, in denen das Ausprobieren neuer Handlungsmuster möglich ist, bspw. Entwicklungsprojekte oder das Ausprobieren neuer Organisationsformen innerhalb der bestehenden Organisation. Diese Instrumente können als komplex in dem Sinne bezeichnet werden, dass sie bewusst Raum für Überraschungen und somit auch für das Entdecken und Fördern von Talent schaffen. In hochdynamischen Umfeldern kommt es vermehrt auf Können und somit auf Talent an, da man sich im Unternehmensalltag zunehmend mit überraschenden, nicht vorher plan- und steuerbaren Problemlagen auseinandersetzen muss. Talentmanagement setzt aufgrund der steigenden Umfelddynamik auf komplexere Methoden und Strukturen, um eben diese Umfeldkomplexität zu bewältigen. Talentmanagement setzt im Gegensatz zum stärker administrativ ausgerichteten Skillmanagement auf Führung statt auf Steuerung. Steuerung funktioniert, wenn zwischen Führungskräften und Mitarbeitern ein Wissensgefälle existiert, sprich die Führungskräfte über mehr Wissen verfügen als Mitarbeiter. 4) Studie: Vom Wissen zum Können, Detecon International Gmbh; 2004 5) Talentmanagement wird im Folgenden mit TM abgekürzt 4

Talentmanagement Studie < Bei hoher Dynamik versagt Steuerung, da die tagtäglich mit neuen Herausforderungen konfrontierten Mitarbeiter Gegenwissen aufbauen. Besonders in dynamischen Situationen muss sich der Führende auch immer am Geführten und dessen Gegenwissen und Können orientieren. Eine so praktizierte Führung orientiert sich bei entsprechend talentierten Geführten immer auch an Talent. Führungskräfte, die so führen, agieren als Talentmanagement- Agents. Wenn Führungskräfte Talente fördern, indem sie Mitarbeiterentwicklung als Führungsgegenstand begreifen und umsetzen, ermöglichen sie die Entstehung von Talent als Basis für Können. Gleichzeitig legen sie bei den Mitarbeitern die Grundlagen für die Motivation zur Entwicklung und Umsetzung der eigenen Talente ( Wollen ). Neben Können und Wollen signalisieren sie den Mitarbeitern damit auch die nötigen Freiräume zur ( Dürfen ) und den Bedarf an ( Sollen ) Talententwicklung. Voraussetzungen für Talententwicklung von Seiten der Mitarbeiter und Führungskräfte Führungskräfte Sollen Dürfen Talent-Entwicklung Wollen Können Mitarbeiter Abb. 1: Spannungsfeld Talent-Entwicklung Talentmanagement setzt auf dezentrale Formen der organisatorischen Verankerung der Personalarbeit. Man kann auch von föderativen Talentmanagementstrukturen sprechen. 6 Dabei ist das Talentmanagement gerade auch in der Peripherie der Organisation ansässig, das Zentrum (z.b. die zentrale Personalabteilung) führt und unterstützt die Peripherie in Sachen Talentmanagement, statt durch Vorgaben zu steuern. Diese Form der Talententwicklung kann es nur bei einer Wertekultur geben, die Talententdeckung und -förderung jenseits vorgefertigter Kompetenzbilder ermöglicht, in dem Werte wie Vertrauen, der Mut zu neuen Problemlösungen etc. kommuniziert und gelebt werden. Sie lebt durch das Vorbild des Top-Managements. Das Können der Mitarbeiter wird als wesentlicher Wettbewerbsfaktor in einem hoch-dynamischen Umfeld betrachtet. Die Wertekultur fungiert als wesentliches Wahrnehmungs- und Orientierungsmuster für die Mitarbeiter und Führungskräfte und ermöglicht den konstruktiven Umgang mit Freiräumen, die zur Talententwicklung eingeräumt werden. 6) Föderative Strukturen bauen auf dem Subsidiaritätspinzip auf, d.h. Aufgaben werden auf die Ebenen ( herunter ) delegiert, auf denen sie am besten bewältigt werden können (entspricht dem politischen Föderationsgedanken). 5

> Studie Talentmanagement 3. Das Setting Untersuchungsfragen, Unternehmen, Vorgehen Zur Vertiefung der Erkenntnisse über das Thema Talentmanagement führten wir Gespräche mit Unternehmensvertretern. Dabei standen folgende Fragen im Vordergrund: Wird Talentmanagement in irgendeiner Form angegangen? und wenn ja: Wird das Talentmanagement bewusst oder eher intuitiv betrieben? Welche Werkzeuge werden wie im Talentmanagement genutzt? Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen diesen Werkzeugen? Welche unterschiedlichen Ausprägungen von Talentmanagement gibt es? Welche Erfahrungswerte haben die Unternehmen mit dem eingesetzten Talentmanagement gemacht? Gesprächsbasis waren Hypothesen, die in den Interviews weiterentwickelt oder verworfen wurden. 7 Unternehmensauswahl Unser Interesse gilt dem Talentmanagement bei Unternehmen, die in dynamischen Märkten agieren. Dementsprechend war der Fokus der Unternehmensauswahl gesetzt. Zunächst wurde eine Vorauswahl interessanter Unternehmen anhand der Berichterstattung in der aktuellen Wirtschaftspresse vorgenommen. Dabei haben wir den Auswahlfilter speziell auf die Personalarbeit in solchen Unternehmen gerichtet. Hier wurden insbesondere Auszeichnungen und Rankings für besonders gute Personalarbeit (Top Job, Great Place to Work etc.) als Indizien für Talentmanagement-Aktivitäten in den Unternehmen herangezogen. Mit diesen Kriterien haben wir 26 Firmen ausgewählt und kontaktiert. Schließlich gelang es, 12 Unternehmen für die Teilnahme an der Untersuchung zu gewinnen. Zahlen, Daten, Fakten zu den Unternehmen Die untersuchten 12 Unternehmen stammen aus den folgenden Branchengruppen: Manufacturing (3 Unternehmen) Verkehr (1 Unternehmen) Handel (3 Unternehmen) Sonstiges verarbeitendes Gewerbe (5 Unternehmen) 7) Die Hypothesen im Einzelnen finden sich in Appendix III. 6

Talentmanagement Studie < Es handelt sich durchwegs um Branchen mit hoher Marktdynamik, sei es im Hinblick auf die Innovationsdynamik, die Veränderungsdynamik im Unternehmensbestand der Branche oder die Preisdynamik. 8 Die Unternehmen sind gezielt aus unterschiedlichen Branchen und Größenklassen gewählt, um branchen- oder größenbedingte Spezifika ausblenden zu können. 9 Im Mittelpunkt des Interesses stehen generelle Merkmale des Talentmanagements. Vorgehen Wir haben mit den Vertretern der Unternehmen eingehende Interviews durchgeführt, um qualitative Aussagen zum Thema Talentmanagement zu gewinnen. Als Interviewtechnik setzten wir auf gering strukturierte Interviews. Diese Interviewtechnik bietet den Vorteil, auch Erkenntnisse gewinnen zu können, die man vorab so nicht erwarten kann. Wir verwendeten einen Interviewleitfaden als Orientierungsrahmen. Der Leitfaden setzte sich aus den oben erwähnten Hypothesen zum Talentmanagement zusammen, die aus einem Framework abgeleitet wurden. 4. Das Framework Bausteine des Talentmanagements Zielsetzung Grundsätzlich dient das Talent-Framework dem Ziel, gleichzeitig explorativ und strukturiert vorgehen zu können. Zielsetzung des Frameworks ist: ein Erklärungs- und Beschreibungsraster für die möglichen Ausprägungen des Talentmanagements bei Unternehmen in dynamischen Märkten zu liefern, eine Basis für Hypothesen zur Durchführung der Interviews zu generieren und vor allem zu zeigen, aus welchen Bausteinen ein Talentmanagement besteht und wie diese ineinader greifen. Unterscheidungen Wie die Höchstleister-Studie basiert auch das Framework auf dem Prinzip der Unterscheidung. Wir werden zeigen, aus welchen Bausteinen Talentmanagement im Einzelnen besteht und wo die Unterschiede zur reinen Skillverwaltung in den einzelnen Bausteinen liegen. 8) Ausführlichere Erläuterungen zur Dynamik in den betrachteten Branchen finden sich in Appendix I. 9) Angaben zu den Größenklassen der untersuchten Unternehmen finden sich in Appendix II. 7

> Studie Talentmanagement Die Arbeit mit Unterscheidungen ist insbesondere im Hinblick darauf hilfreich, dass sie es ermöglicht, eine übergeordnete externe Perspektive einzunehmen. Die Frage nach der anderen Seite der Unterscheidung, nach dem passenden Gegenteil eines Sachverhalts, ermöglicht es, gerade auch im Unternehmensalltag, eingefahrene Sichtweisen zu überwinden, nicht offensichtliche Facetten eines Sachverhalts zu erkennen und somit zu Lösungsansätzen zu kommen, die sonst verschlossen geblieben wären. Talentmanagement und Skillmanagement Grundsätzlich unterscheiden wir in Talentmanagement und Skillmanagement (siehe Abb. 2 Skillmanagement und Talentmanagement). Skillmanagement ist die Verwaltung von Fähigkeiten, bspw. das Katalogisieren von Skill-Profilen. Mit Skillmanagement wird das Wissen von Mitarbeitern kategorisiert. Es dient der Zuordnung von Menschen zu Aufgaben. Dort, wo es darauf ankommt, personelle Kapazitäten schnell, eindeutig und zielorientiert in Einsatz zu bringen, wo wohlstrukturierte und standardisierte Aufgabenstellungen in großer Zahl zu erledigen sind, ist Skillmanagement erfolgreich. Talentmanagement hingegen beschäftigt sich mit Talent als der Basis des Könnens der Mitarbeiter. Es setzt sich mit dem auseinander, was über das explizite, in Berufsabschlüssen und Qualifikationsnachweisen erfassbare Wissen hinausgeht und befasst sich mit der Grundlage dessen, was sich erst bei der Lösung konkreter Probleme zeigt, also mit Talent. Dort, wo es darauf ankommt, neuartige oder überraschende Problemstellungen zu bewältigen, wo bislang unbekannte bzw. ungenutzte Talente erschlossen oder aufgebaut werden sollen, ist dies der zweckmäßige Ansatz. kompliziert Die Einheit der Unterscheidungen komplex Wissen (Skill-Profil) Kompetenz Können (Talent) Skillmanagement (Skill-Verwaltung) HR-Management Talentmanagement (Entdecken, Fördern) Auf systemtheoretischer Basis werden Unterscheidungen als Erkenntnismittel verwendet. Dadurch werden Zusammenhänge sichtbar, die ohne Unterscheidung unsichtbar bleiben. Abb. 2: Skillmanagement und Talentmanagement 8

Talentmanagement Studie < Wissen und Können / komplex und kompliziert Mit der grundsätzlichen Unterscheidung in Skill- und Talentmanagement sind zwei weitere Unterscheidungen eng verbunden: die Unterscheidungen Wissen und Können sowie kompliziert und komplex. Komplizierte Sachverhalte lassen sich erlernen und mit Wissen beherrschen. Kompliziertes ist zwar nicht als einfach beschreibbar, aber es ist in dem Sinne trivial, dass sich die eindeutigen Wirkungszusammenhänge logisch erschließen lassen. Komplexe Sachverhalte hingegen bergen stets Überraschungen, sie lassen sich nur mit Können handhaben. Betriebswirtschaftliches Fachwissen bspw. ist sicher kompliziert, aber erlernbar. Tatsächliches Praxishandeln im Unternehmen erfordert aber mehr als dieses reine Wissen, hier ist Können zur Bewältigung von Herausforderungen notwendig. Dieses Können kann nicht im klassischen Sinne durch reine Wissensvermittlung 10 erlernt werden, es kann nur durch Erfahrungen im realen Handeln und Problemlösen erworben werden. 11 Bausteine des Talentmanagement Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidungen erschließt das Talentmanagement-Framework die relevanten Felder für die empirische Untersuchung. Die Untersuchungsfelder sind entsprechend der Höchstleister-Studie 1 gewählt: Instrumente (des Personalmanagements), Führung, Organisation und Kultur. Untersuchungsfelder sind die Bausteine des Talentmanagements. Instrumente und Führung sind direkt wirkende Elemente, die die konkrete Ausgestaltung des Talentmanagements direkt beeinflussen. Organisation und Kultur hingegen sind Rahmenbedingungen, auf denen Talentmanagement aufbaut. Sie sind notwendige Voraussetzungen, die jedoch indirekt und unterstützend wirken. 10) Mit reiner Wissensvermittlung ist die Lehrmethodik bspw. im schulischen oder universitären Bereich gemeint. 11) Nehmen Sie das Fußballspiel als Beispiel aus der Alltagswelt: Die Spielregeln lassen sich mehr oder minder problemlos erlernen. Sie sind sozusagen der triviale Anteil. Das Spiel an sich ist jedoch ein komplexer Sachverhalt, es birgt immer auch das Moment der Überraschung und lässt sich kaum sicher vorhersagen. Genau das macht ja seinen Reiz aus und so gibt es hier eben Könner, sprich Talente. 9

> Studie Talentmanagement Bausteine des Talentmanagements Direkte Ansatzpunkte Instrumente formal Führung informal Talentmanagement Organisation Kultur Unterstützende, indirekte Ansatzpunkte Abb. 3: Bausteine des Talentmanagement Bei allen Bausteinen wirken formale wie auch informale (nicht systematisch und absichtlich initiierte) Anteile auf das Talentmanagement. Um die Wirkweise der Bausteine zu verdeutlichen, lässt sich folgendes Bild verwenden: Organisation und Kultur sind der Humus, auf dem die Pflanze Talentmanagement gedeiht, während Instrumente und Führung die Werkzeuge des Gärtners und sein Pflegen sind. Die Unterscheidungen bilden dann den Untersuchungsrahmen innerhalb der einzelnen Bausteine. Skill-Management Framework die Unterscheidungen Talentmangement Skill-Profile, Checklisten, Kompetenz- Portfolio etc. zur Skill-Verwaltung Steuerung der Mitarbeiter, Administration Verankerung TM in zentraler HR-Abteilung Instrumente Führung Organisation Frei- und Schutzräume zur Talententdeckung und -Förderung Orientierung am Können der Geführten, Führung als Mitarbeiterentwicklung Dezentrale Verankerung TM, informale Strukturen Verhaltenskultur Kultur Wertekultur Das Framework spannt den Betrachtungsfokus von trivialen, wenig-komplexen hin zu komplexen Bestandteilen und Wirkungsweisen der einzelnen Bausteine auf. Abb. 4: Bausteine des Frameworks 10

Talentmanagement Studie < Insbesondere interessierte uns, in welchem Maße komplizierte und komplexere Bestandteile bei den einzelnen Bausteinen genutzt werden. Weiterhin stand im Fokus, wie das Zusammenspiel der einzelnen Bausteine funktioniert und wie das Talentmanagement im Hinblick auf die Balancierung von Freiraum zur Talententwicklung und zielgerichteter Talentnutzung wirkt. Möchte man einen Überblick darüber erhalten, was ein in der Organisation integriertes Talentmanagement ausmacht, kann es jedoch nicht genügen, die einzelnen Bausteine isoliert voneinander zu betrachten. Ein System ist mehr als die Summe seiner Elemente, so auch ein Talentmanagement-System. Ein vollständiges Bild von Talentmanagement lässt sich nur durch die gemeinsame Betrachtung der untersuchten Bereiche Instrumente, Führung, Organisation sowie Kultur gewinnen. 5. Talentmanagement-Praxis Was wird im Unternehmensalltag genutzt? Wie und in welchem Ausmaß die einzelnen Bausteine in den von uns untersuchten Unternehmen tatsächlich genutzt werden, soll nun im Überblick dargestellt werden. Instrumente Im Hinblick auf die verwendeten Instrumente geht es weniger darum, einen Katalog von Personalentwicklungs-Tools aufzuzeigen, wie dies häufig der Fall ist. Vielmehr steht hier im Vordergrund, welche Instrumente das Personalmanagement wie einsetzt. Entsprechend der Unterscheidung von Skill- und Talentmanagement als den zwei Seiten des Personalmanagements kann man die verwendeten Instrumente unterscheiden. Skillprofile, also feststehende Vorstellungen über das richtige Kompetenzportfolio der Mitarbeiter, über notwendige und messbare Qualifikationen, sowie Standardtrainings, Checklisten etc. sind Instrumente zur Skillverwaltung. Sie sind Instrumente zur zielgerichteten Nutzung von Wissen und sind insbesondere dort, wo standardisierte Aufgabenstellungen in großer Zahl zu erledigen sind, mehr als adäquat. Talentmanagement setzt hingegen an der komplexen Seite der Unterscheidung an. Talent als Basis von Können geht über rein explizit erfassbares Wissen hinaus. Instrumente mit komplexerem Charakter lassen Freiraum für Überraschung und Zufall im Hinblick auf die Entdeckung und Entwicklung von Talenten. Solche Instrumente sind Frei- und Schutzräume, Netzwerke, in denen Talent im Erfahrungsaustausch und besonders auch bei der tatsächlichen Lösung von Problemen entdeckt und gefördert werden kann. Diese Instrumente bieten die Möglichkeit da, wo unbekannte Fähigkeiten der Mitarbeiter vermutet werden können, bislang ungenutzte personelle Kapazitäten zu erschließen. Wo neuartige, unvorhergesehene Problemstellungen zu bewältigen sind bzw. sein werden, sind diese Instrumente geeignet, die für solche Herausforderungen nötigen Talente in der Organisation zu entdecken und zu entwickeln. 11

> Studie Talentmanagement Die folgende Grafik gibt einen Überblick über die eingesetzten Instrumente in den untersuchten Unternehmen. Eingesetzte Instrumente bei den untersuchten Unternehmen überwiegend komplexe Instrumente 8 % 33 % überwiegend triviale, wenig komplexe Instrumente triviale und komplexe Instrumente 59 % Abb. 5: Eingesetzte Instrumente Es überwiegt eine Kombination von trivialen und komplexen Instrumenten des Talentmanagements (59%), rein auf komplexen Instrumenten setzen 8% der befragten Unternehmen auf. Führung Führung ist das Bindeglied zwischen den Personal- bzw. Talentmanagement-Verantwortlichen und den Talenten im Unternehmen. Führung kann als Pendant zu Steuerung (und Administration) verstanden werden. Hier interessiert also, inwiefern Steuerung und Verwaltung im Sinne der zielorientierten Talentnutzung zum Einsatz kommen. Ebenso interessierte uns, inwiefern auf Führung im Sinne von Orientierung an den Geführten und deren Können gesetzt wird. Wird Führung in diesem Sinne gelebt, haben Führungskräfte die Möglichkeit, das Können der Mitarbeiter im täglichen Handeln zu beobachten und somit Talente zu entdecken und zu entwickeln. 12

Talentmanagement Studie < Bei den untersuchten Unternehmen ergab sich hierzu folgendes Bild: Führungsverständnis in den untersuchten Unternehmen Steuerung / Verwaltung 25 % Führung 75 % Abb. 6: Führungsverständnis Ein auf Steuerung und Kontrolle basierendes Führungsverständnis ist in 25% der Unternehmen zu finden, 75% der befragten Unternehmen integrieren komplexe Aspekte in ihr Führungsverständnis (Freiräume, Orientierung an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Mitarbeiter, Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter). Organisation Organisation ist ein eher indirekter Ansatzpunkt. Hier geht es prinzipiell um die Frage, wie das Talentmanagement in der Organisationsstruktur verankert ist. Ist Talentmanagement eine zentralisierte Angelegenheit der Personalabteilung oder liegt die Zuständigkeit für Talentmanagement dezentral in der gesamten Struktur, z.b. bei den einzelnen Führungskräften in allen Unternehmensbereichen? 13

> Studie Talentmanagement Hier ergab sich folgendes Bild: Organisation des Talentmanagements in den untersuchten Unternehmen 42 % Unternehmen mit tendenziell zentralem Talentmanagement Unternehmen mit tendenziell dezentralem Talentmanagement 58 % Abb. 7: Organisation des Talentmanagement 42% der Unternehmen arbeiten mit einem zentral gesteuerten Talentmanagement, d.h. Talentmanagement-Aktivitäten werden vornehmlich durch die Personalabteilung wahrgenommen. Bei 58% der untersuchten Unternehmen findet sich ein dezentrales Talentmanagement, d.h. Führungskräfte, Mitarbeiter und Personalabteilung sind gleichberechtigt in die Talentmanagement-Aktivitäten eingebunden. Neben der formalen organisationsstrukturellen Gestaltung ist im Zusammenhang mit dem Baustein Organisation insbesondere auch die Frage nach der Nutzung informaler Strukturen für das Talentmanagement interessant. Werden informale Netzwerke ( communities of practice ) etc. in den Unternehmen angeboten und gefördert, um Talente zu entdecken und zu entwickeln? In den untersuchten Unternehmen fanden sich solche Strukturen in unterschiedlichem Ausmaß: 14

Talentmanagement Studie < Nutzung informeller Strukturen im Talentmanagement bei den untersuchten Unternehmen systematische Nutzung informeller Strukturen 33 % 34 % keine Nutzung informeller Strukturen 33 % unsystematische Nutzung informeller Strukturen Abb. 8: Nutzung informeller Strukturen im Talentmanagement Je 1/3 der untersuchten Unternehmen nutzen informelle Strukturen nicht, unsystematisch (werden nur sporadisch bzw. in Teilbereichen der Organisation genutzt) oder systematisch (Nutzung in allen Teilen der Organisation, aktive Unterstützung und Anerkennung dieser Strukturen). Die Frage nach informalen Strukturen, in denen Talentmanagement verwurzelt ist, verweist dann auch auf den nächsten Baustein unseres Frameworks: Kultur. Kultur Kultur ist ebenfalls ein indirekter, dafür aber tief in der Organisation verankerter Talentmanagement-Baustein. Unter Kultur versteht man die spezifischen Grundannahmen, Werte und Symbole, die eine Organisation prägen. Die Kultur beeinflusst die Annahmen der Akteure über die Organisation wesentlich. Sie ist neben der Organisationsstruktur der entscheidende Orientierungsrahmen für das Handeln von Führungskräften und Mitarbeitern. Im Hinblick auf die dem Framework zugrunde liegenden Unterscheidungen kann man zwischen Verhaltens- und Wertekultur unterscheiden. Eine Verhaltenskultur besteht aus Regeln und Anweisungen zum richtigen Verhalten. Richtig bedeutet im Unternehmen i.d.r. zielorientiert. Daher ist eine solche Kultur für die zielorientierte Talentnutzung vorteilhaft. Festgelegte Verhaltensvorstellungen können aber, wie vorgefertigte Skillanforderungen, kaum Raum für Überraschungen bieten. Eine solche Kultur ist daher wenig komplex und setzt auf Wissen statt Können. 15

> Studie Talentmanagement Eine Wertekultur vermittelt weniger konkrete Verhaltenserwartungen als grundlegende Werte und Normen, an denen sich die Handelnden orientieren können. Im Hinblick auf die Zielorientierung ist sie damit weniger konkret, ermöglicht aber andererseits die Talententdeckung und -förderung jenseits vorgefertigter Anforderungen und erschließt dem Talentmanagement die notwendige Komplexität, um auch nicht vordefinierbares Können zu erschließen und zu entwickeln. Die nachfolgende Übersicht vermittelt einen Überblick über die Verteilung der beiden Kulturausprägungen in den untersuchten Unternehmen. Kulturausprägungen bei den untersuchten Unternehmen Unternehmen mit tendenzieller Verhaltenskultur 33 % Unternehmen mit tendenzieller Wertekultur 67 % Abb. 9: Kulturausprägungen Bei 33% der untersuchten Unternehmen ließ sich tendenziell eher eine Verhaltenskultur feststellen, während bei 67% der untersuchten Unternehmen tendenziell eher eine Wertekultur vorzufinden war. 16

Talentmanagement Studie < 6. Die Erkenntnisse in einem Modell Vor dem Hintergrund unserer Fragestellungen war es unser Ziel, ein Strukturierungsmodell zu erarbeiten, mit dem der Praktiker seine Erfahrungen zum Talentmanagement einordnen kann und das Entscheidungshilfe für Fragen weiterer Aktivitäten in Sachen Talentmanagement bietet. Drei Stufen des Talentmanagements Es lassen sich grundsätzlich drei Formen des Talentmanagements unterscheiden. Diese Grundformen sind relativ deutlich voneinander unterscheidbare Stufen im Talentmanagement. Die Stufen differenzieren sich hinsichtlich der Art und Weise, wie die einzelnen Bausteine des Talentmanagements genutzt werden. Sie unterscheiden sich aufgrund des situativ jeweils zu bewältigenden Komplexitätsgrads, d.h. bei geringem Komplexitätsgrad, sprich standardisierbaren und planbaren Aufgaben, wenn bekannte Skills bekannten Aufgaben zugeordnet werden müssen, kommen eher wenig komplexe Bestandteile des Talentmanagement zum Einsatz. Bei steigender Komplexität und Dynamik dann, wenn es zunehmend auf Können statt Wissen ankommt, bedarf es zunehmend auch komplexerer Bestandteile im Talentmanagement. Die folgende Grafik verdeutlicht den Aufbau des Modells: Drei Stufen des Talentmanagements hoch TM-S Grad der Komplexität gering T+E / PE TSMHR TM-S = Talentmanagement-System TSMHR = Traditionelles Strategisches Management von Humanressourcen T+E/PE = Training und Entwicklung / Personalentwicklung gering Agilität der Organisation hoch Abb. 10: Die drei Stufen des Talentmanagements 17

> Studie Talentmanagement Training und Entwicklung / Personalentwicklung Die erste Entwicklungsstufe des Talentmanagements lässt sich am treffendsten als Basiskonzept Training und Entwicklung / Personalentwicklung bezeichnen. Grundsätzlich ist die Herangehensweise in dieser ersten Stufe sehr methodisch. Methodenbasierte Trainings und Fortbildungen prägen diesen Ansatz. Talentmanagement hat hier noch so gut wie keine strategische Bedeutung, sondern wird oftmals als bürokratischer Aufwand, verursacht durch die Personalabteilung, betrachtet. Die Führungskräfte sehen sich eher in einer Steuerungs-, als in einer Führungsrolle. Führungstrainings werden eingesetzt, wirken sich jedoch nicht im realen Alltagshandeln aus. Talentmanagement ist in dieser Ausgangskonzeption auch nicht in der gesamten Organisation verankert. Eher ist es eine Aufgabe der Personalabteilung. Die Führungskräfte sehen es nicht als ihre Rolle an Mitarbeiter zu entwickeln. Das Führungsverständnis ist eher an der Erreichung von Sachzielen orientiert. Personalentwicklungsmaßnahmen werden deshalb auch nur durch die zentrale Personalabteilung durchgeführt. Die Kultur kann als reine Verhaltenskultur bezeichnet werden. Misstrauen und Risikovermeidung prägen das Handeln. Personalentwicklung wird als nice to have, aber nicht als wirklich nötig betrachtet. Im Hinblick auf eine Steigerung der Agilität der Organisation ist die Reichweite dieses Konzepts relativ begrenzt. Allerdings kommt es bei geringem Komplexitätsgrad auch eher darauf an, das vorhandene Skillportfolio den plan- und standardisierbaren Aufgaben sinnvoll zuzuordnen bzw. die Skills entsprechend den Rollenanforderungen zu entwickeln. Training und Entwicklung / Personalentwicklung Sehr methodisches Vorgehen, regelbasiert, vorgefertigte Skill-Anforderungen, Betonung von Wissen, keine Nutzung komplexerer Strukturen Steuerung und Kontrolle statt Führung, Manager sehen sich eher in Steuerungs-Rolle Talentmanagement als zentrale Angelegenheit der Personalabteilung Geringes Top- Management- Interesse, reine Verhaltenskultur, Personalentwicklung schön, aber nicht unbedingt nötig Abb. 11: Zusammenfassung Stufe 1 Training und Entwicklung / Personalentwicklung 18