Stuhltransplantation Christoph Högenauer Theodor Escherich Labor für Mikrobiomforschung Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie Universitätsklinik für Innere Medizin, Graz 8. Salzburger Hygienetage Schloss Goldegg, 8.5.2014
Intestinales Mikrobiom Menschliche Körper 10 13 (10 Billionen) Zellen 2 m 2 Haut 300 m 2 Schleimhaut (Darm) Intestinales Mikrobiom (Darmflora) 10 14 (100 Billionen) Bakterien 500-2000 Arten in jedem Menschen Insgesamt 40.000 Arten Große Unterschiede zwischen Individuen Großteil der Bakterien bisher unbekannt
Häufigkeitsverteilung der Bakterien im Magendarmtrakt
Bakterielle Taxonomie In phylogenetischen Analysen: OTU (operational taxonomic unit)
Humanes intestinales Mikrobiom (Darmflora) Dominanz von zwei Bakteriengruppen (Phyla): Gram-positive Firmicutes (z.b.: Clostridium, Bacillus) Gram-negative Bacteroidetes (z.b.: Bacteroides). Proteobacteria, Actinobacteria, Fusobacteria Ley RE et al. Cell 2006 Frank DN et al. Curr Opin Gastroenterol 2008
Analyse des humanen intestinalen Mikrobioms Kultur biochemische Charakterisierung ~ 40.000 Bakterienspecies; ~ 500-2000 / Mensch 99,99 % < 20 % 16S ribosomale RNA Amplifikation (PCR) Sequenzierung & Datenbankvergleich (GenBank)
Zusammensetzung des Mikrobioms im GI-Trakt Medical University of Graz Bashir M, Gorkiewicz G, Högenauer C. Manuscript in preparation
Beispiele für Aufgaben der humanen Darmflora / Mikrobiom Stoffwechsel Verwertung pflanzlicher Kohlenhydrate Abbau zu kurzkettigen Fettsäuren (10% der Gesamtkalorien) Vitaminsynthese (B-Vit., Vit. K,...) Detoxifikation von Ausscheidungsprodukten Funktion des Gastrointestinaltrakts Motilität Aufrechterhaltung des Epithels Verhinderung der Besiedlung durch pathogene Mikroorganismen Adipositas Metabolisches Syndrom Entwicklung des menschlichen Körpers Direkter Einfluss auf Herzgröße Motorische Entwicklung Einfluss auf ZNS Entwicklung Immunsystem Interaktion mit angeborenem und erworbenem Immunsystem. Wichtiger Faktor für die Prägung des Immunsystems Abwehr gegen Infektionen Chronisch entzündliche Darmerkrankungen Atopische Erkrankungen (Asthma)
Theodor Escherich Kinderarzt in Graz und Wien Endecker des Bakteriums Escherichia coli (E. coli) Forschungstätigkeit über Darmbakterien
Dysbiose und Entzündung B. fragilis PSA SFBs DC T Reg cell normales Mikrobiom T H 17cell DC CD4 + T cell T H 1cell FoxP3 + T Reg cell anti-inflammatory IL-10 T H 17cell pro-inflammatory T Reg cell Dysbiose (z.b. CED) T H 17cell adapt. from Round JL & Mazmanian SK Nature Rev Immunol 2009
Dysbiose Erkrankungen Intestinale Infektionen C. difficile Infektion (CDI) Immunologisch bedingte Erkrankungen Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) Typ 1 Diabetes Metabolische Erkrankungen Adipositas Typ 2 Diabetes Karzinomentstehung Kolonkarzinom, Mammakarzinom
Therapiekonzepte zur Beeinflussung der Dysbiose Antibiotika Lokal wirksam Systemisch wirksam Nahrung T Reg cell Dysbiosis T H 17cell Spezifische Diäten Präbiotika Probiotika Fäkale Mikrobiom Transplantation- Stuhltransplantation Austausch des Mikrobioms/Mikrobiota (Darmflora)
Clostridium difficile 10 20% der Fälle einer AAD Sporenbildendes anaerobes gram positives Stäbchen Toxinproduzierende Stämme Toxin A (Endotoxin) Cl Sekretion Proinflammatorisch Toxin B (Zytotoxin) Alteration deszytoskeletts Infektionsquelle Sporen Betten, Toiletten, Fußböden Hände, Stuhl von Krankenhauspersonal / Patienten
Clostridium difficile Infektion (CDI) Nosokomiale Infektion Ältere Pat. Hauptrisikofaktor: Antibiotika Schwere Grundkrankheit Langer Krankenhausaufenthalt Ambulante Infektion Patientinnen nach Geburt Mögliche Infektion über Tiere
ICD10-Diagnose für C. difficile in Österreich Ca. 8% Mortalität Schmid D. In Clostridium-difficile-Infektion Prävention, Diagnose, Therapie. Högenauer C. ed. UNI-MED, 2013
Clostridium difficile Infektion Häufigste bakterielle Infektion in entwickelten Ländern Mortalität 1-10% Standardtherapie Metronidazol Vancomycin Fidaxomicin 10-25% Rezidive nach Therapie oft mehrfach schwierig in der Behandlung Högenauer C. Clostridium-difficile-Infektion Prävention, Diagnose, Therapie. UNI-MED, 2013
Dysbiose bei C. difficile Infektion Veränderung in der Zusammensetzung der Darmflora Chang JY et al. J Infect Dis 2008 Abnahme der Anzahl an Bakterienarten (Richness)
Kolonisierungsresistenz gegenüber Pathogenen SHANAHAN F. GASTROENTEROLOGY 2010;139:1808 1812
Fäkale Mikrobiota Transplantation (FMT) Fäkale Bakterientherapie Stuhltransplantation Definition: Übertragung von Stuhl und damit Stuhlbakterien eines Gesunden in den Darm eines Erkrankten Ziel: Wiederherstellung eines gestörten intestinalen Mikrobioms Zhang F et al Am J Gastro 2012
Stuhltransplantation Geschichte 4 Jahrhundert: Chinesische Medizin Fäkale Suspensionen zur Therapie der Diarrhoe peroral 40er Jahre Afrikafeldzug (Afrikacorps) Therapie der Dysenterie mit Kameldung Bei Nomaden beobachtet Bacillus subtilis 50er Jahre: USA Behandlung einer Antibiotikaassoziierten Colitis durch Staphylokokken
Stuhltransplantation - Praktische Durchführung Spender Gesunde Individuen (Verwandte?) Ausschluss potentiell übertragbarer Erkrankungen Keine Antibiotikatherapie in den letzten 3-6 Monaten Patient (Empfänger) Bei CDI: Vortherapie mit Vancomycin bis 36h vor FMT Darmlavage mit PEG-Lösung bei endoskopischer Applikation
Protokoll für FMT Grazer Protokoll Präparation des Spender Stuhls Frischer Stuhl, nicht älter < 6 Std. (Laxantien?) Verdünnung des Stuhls mit 200-500ml NaCl 0,9% Filtration der Suspension
Stuhltransplantation - Techniken Über den Arbeitskanal des Koloskops Retentionseinlauf Über eine nasogastrale/ nasoduodenale Sonde - in Metaanalysen geringerer Therapieerfolg
Physiologischer gastroösophagealer Reflux in der ph-metrie + 5 cm Abbildung: Andreas Eherer, Graz
Protokoll für FMT Grazer Protokoll Transplantation über den Arbeitskanal des Coloskops
Klinische Studien: FMT bei rezidivierender CDI > 600 Patienten mit rezidiv. CDI in > 40 Publikationen Zumeist Fallserien von therapierefraktären Patienten Heilungsrate: 86-95% Vereinzelt eine 2. Behandlung nötig Sicherheit: Review von 317 Patienten: Symptome IBS (6 von 317) 13 Todesfälle (4% of 317) während des follow up CDI oder durch Grunderkrankung aber nicht Interventions-bedingt. Fallserie von 70 Pat. mit Langzeit - follow up 3 of 70 Pat. entwickelten Autoimmunerkrankungen Gough E et al. Clin Inf Dis 2011; 53:554 Borody TJ et al Gastroenterol Clin N Am 2012; 41: 781 803 Brandt LS et al. Am J Gastro 2012;107:1079
Veränderung der Vielfalt (Diversität) der Mikrobiota nach erfolgreicher FMT bei rezidiv. CDI 14 Tage nach FMT Els van Nood et al. N Engl J Med 2013
Hohe Mortalität Schwere und fulminante CDI Vancomycin p.o. und als Klysma Totale/subtotale Kolektomie mit Ileostoma Mortalität: 10 80% Bei Laktat > 5 mmol/l und Leukozyten > 50.000 fast 100% Mortalität unabhängig von der Behandlung Lamontagne F et al. Ann Surg 2007; 245:267
FMT für schwere CDI 21j Mann mit Zystischer Fibrose und CDI nach Antibiotikatherapie für Lungeninfektion Kein Ansprechen auf Vancomycin >72 h Zeichen einer Peritonitis und Ileus FMT über Koloskop in das Sigma Deutliche Verbesserung der CDI nach 1 Tag, Spitalsentlassung nach 21 Tagen Bauchinger S, Hoffmann KM, Högenauer C et al. ÖGKJ 2013
Fäkale Mikrobiota Transplantation Andere Indikationen
Colitis ulzerosa (CU) Chronisch entzündliche Darmerkrankung Auf Rektum und Colon beschränkt Immun-vermittelte Erkrankung unklarer Ätiologie Therapie: Salizylate Immunsuppressiva Azathioprin Biologika TNF-alpha Blocker Totale Kolektomie
Dysbiose bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Sartor RB. GASTROENTEROLOGY 2010;139:1816 1833
Wiederholte FMT bei CU Klinisches Ergebnis nach 90 Tage: 54% Pat. mit Ansprechen Patienten: n=15 Remission: 4/15 (27%) Partielles Ansprechen: 4/15 (27%) Kein Ansprechen: 7/15 (46%) Nebenwirkungen (3/15): Meteorismus Diarrhoe Keine schweren Nebenwirkungen kein Ansprechen partielles Ansprechen Remission Remission: Mayo< 2 Partielles Ansprechen: Reduktion von Mayo > 3
Stuhltransplantation bei metabolischem Syndrom Pat. mit metabolischen Syndrom Transplantation von Stuhl von schlanken Spendern Verbesserung der Insulinsensitivität 6 Wochen nach FMT
FMT Andere Indikationen Morbus Crohn Verschlechterung bei einigen Pat., geringe Verbesserung bei anderen Pat. Multiple Sklerose Fallberichte Reizdarmsyndrom funktionelle Darmerkrankungen Fallberichte
FMT : Nutzen - Risiko Potentielle Risiken: Mögliche Übertragung unbekannter pathogener Erreger (Bakterien, Vieren, Phagen, Pilze) Mögliche Aktivierung von unerwünschten Prozessen im Körper (Autoimmunerkrankungen, Tumorerkrankungen) Nutzen - Vorteile: Neue Therapiemöglichkeit von bisher nicht zu behandelnden Erkrankungen Bisher wenig berichtete Nebenwirkungen bei Applikation ins Colon Abwägung gegen NW etablierter Therapien (kombinierte Immunsuppression)
Zusammenfassung Die fäkale Mikrobiota Transplantation (FMT) ist ein neues vielversprechendes Therapiekonzept Behandlung von Dysbiose-assoziierter Erkrankungen FMT bei therapierefraktärer rekurrierenden C. difficile Infektion ist durch vorliegende Daten eine gut etablierte Indikation Bei Versagen aller konservativer Therapieversuche - fehlende Therapiealternativen Sichere Anwendung bei der Applikation ins Colon Alle anderen potentiellen Indikationen sind derzeit durch klinische Daten nicht ausreichend belegt Sollten daher nur in klinischen Studien durchgeführt werden Behebung der Dysbiose bedingt nicht unbedingt klinischen Erfolg