Tarifautonomie schützen Flexibilität erhalten



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Transkript:

Tarifautonomie schützen Flexibilität erhalten Stellungnahme zur geplanten Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen 4. März 2016 Überregulierung von Zeitarbeit und Kooperationen schadet der Tarifautonomie und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Druckindustrie Die Möglichkeit, Auftragsschwankungen oder Ausfälle von Arbeitnehmern flexibel über Zeitarbeit kompensieren zu können und die rechtssichere Kooperation von Unternehmen mit unterschiedlichem Leistungsportfolio sind mitentscheidend für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Druckindustrie und ihrer Arbeitsplätze. Flexibilität sichert Arbeitsplätze. Der bvdm begrüßt, dass der am 16. November 2015 durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegte Diskussionsentwurf zur Neuregelung von Werkverträgen, Dienstverträgen und Zeitarbeit im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen überarbeitet worden ist. Der im Februar 2016 durch das Ministerium vorgelegte neue Arbeitsentwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze greift einige der auch durch den bvdm geforderten Änderungen auf. Weitere Anpassungen müssen jedoch noch folgen, andernfalls droht der Wirtschaft wie auch der Tarifautonomie in Deutschland erheblicher Schaden. I. Zeitarbeit im Streik Verfassungsrechtlich besonders bedenklich ist aus Sicht der Druckindustrie das geplante Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern zur Aufrechterhaltung der Produktion in einem Arbeitskampf. Der für die Tarifautonomie drohende Schaden durch einen solchen Eingriff in das Arbeitskampfrecht zu Gunsten der Gewerkschaften darf nicht mit einem schlichten Verweis auf den Text des Koalitionsvertrages ignoriert werden. Das Grundgesetz hat Vorrang vor dem Koalitionsvertrag. Das Bemühen eines Unternehmens, wirtschaftliche Schäden durch streikbedingten Arbeitsausfall zu vermeiden, stellt keinen Verstoß gegen Grundsätze des Arbeitsrechts dar. Einem bestreikten Unternehmen unter Androhung von Bußgeldern bis zu 500.000 zu verbieten, die Produktion durch den Einsatz von Arbeitswilligen aufrecht zu erhalten, ist geradezu absurd. bvdm. Friedrichstraße 194 199 D-10117 Berlin www.bvdm-online.de Seite 1/5

Mit der Tarifautonomie schützt das Grundgesetz das Recht von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Basis dieser Autonomie ist ein Gleichgewicht der Kräfte; faire Auseinandersetzungen erfordern ein ausgewogenes Repertoire an Waffen. Einmischungen Dritter, insbesondere des Staates, destabilisieren dieses Gleichgewicht. Staatliche Neutralität ist damit unverzichtbar für eine funktionierende Tarifautonomie. Gerade in der Druckindustrie insbesondere beim Drucken von Tageszeitungen ist das Aufrechterhalten der Produktion für einen Arbeitgeber das einzige Mittel, um den Druck durch einen Streik und den damit verbundenen wirtschaftlichen Schaden zu mindern. Eine ausgefallene Produktion kann, anders als in anderen Branchen, in der Regel nicht nachgeholt werden. Diese einzige Waffe im Arbeitskampf droht der Gesetzgeber den Unternehmen nun durch das Verbot von Zeitarbeit teilweise zu entziehen. Damit werden Zeitarbeitnehmer anders als die tatsächlich zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer des Betriebes, die sich für oder gegen den Streik entscheiden können gezwungen, einen Streik zu unterstützen, der sie noch nicht einmal betrifft. Eine Stärkung der Position der Zeitarbeitnehmer, wie durch die Entwurfsbegründung suggeriert, bewirkt dieser Entzug der Entscheidungsfreiheit nicht. Vielmehr werden sie für die Zwecke der streikenden Gewerkschaft instrumentalisiert. Diese Verletzung des staatlichen Neutralitätsgebots beeinträchtigt die Arbeitskampfparität und destabilisiert damit auch das System der Tarifautonomie insgesamt. Staatliche Schützenhilfe destabilisiert die Tarifautonomie. Angesichts der Weigerung der Politik, das Arbeitskampfrecht gesetzlich zu regeln und der Verlagerung diesbezüglicher Entscheidungen auf die Gerichte, hält der bvdm diesen punktuellen Eingriff zu Gunsten der Gewerkschaften für besonders fragwürdig. Wenn die Bundesregierung nicht bereit ist, die immer weitere Ausweitung der Kampfmittel der Gewerkschaften, wie etwa durch die Flashmob-Entscheidungen von BAG und BVerfG, zu korrigieren, hat sie und mit ihr die sie tragende parlamentarische Mehrheit eine besondere Verantwortung, durch einzelne Regelungen die Paritäten nicht noch weiter zu Lasten eines Tarifpartners zu verschieben. Das in den Tarifverträgen der Zeitarbeit derzeit enthaltene Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern in bestreikten Betrieben kann nicht zur Rechtfertigung dienen. Es erfasst nicht alle Fälle der Arbeitnehmerüberlassung. Insbesondere, wenn Zeitarbeitnehmer nach dem Grundsatz von equal pay bezahlt werden oder ein Haustarifvertrag besteht, gilt das tarifliche Einsatzverbot nicht. Ein gesetzliches Beschäftigungsverbot würde in seiner Wirkung sehr viel weiter gehen und auf eine staatliche Unterstützung von Streikmaßahmen hinauslaufen. Das geplante Zeitarbeitsverbot im Streik ist aus Sicht des bvdm ein verfassungswidriger Eingriff in die Tarifautonomie und sollte unbedingt aus dem Entwurf gestrichen werden. bvdm. Friedrichstraße 194 199 D-10117 Berlin www.bvdm-online.de Seite 2/5

II. Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten Die geplante Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten ist deutlich zu kurz und starr. Sie dient auch nicht dem Schutz der Zeitarbeitnehmer, sondern zielt offenbar darauf ab, die Aufnahme einer Tätigkeit in einem Zeitarbeitsunternehmen unattraktiv zu machen. Wenn der Gesetzgeber durch die Ausweitung von Freistellungsansprüchen in Form von Eltern- oder Pflegezeiten von den Unternehmen mehr Flexibilität erwartet, darf er ihnen nicht gleichzeitig bei der Überbrückung dieser Fehlzeiten Steine in den Weg legen. Die längerfristige Vertretung eines Arbeitnehmers, der etwa aufgrund einer Erkrankung oder Elternzeit fehlt, wird für die Unternehmen deutlich erschwert, wenn nach jeweils 18 Monaten der Vertreter ausgetauscht und neu eingearbeitet werden muss. Kurze Einsätze bei wechselnden Einsatzbetrieben, bei denen jeweils die Frist bis zur Aufstockung des Entgelts über Branchentarifverträge neu zu laufen beginnt, bedeuten sicherlich auch für die Zeitarbeitnehmer keinen Vorteil. Kann das Zeitarbeitsunternehmen den Arbeitnehmer nach 18 Monaten nicht in einem anderen Betrieb einsetzen, kann die Höchstüberlassungsdauer sogar zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Kürzere Einsätze nützen Zeitarbeitnehmern nicht. Positiv ist festzuhalten, dass von der Überlassungsdauer abweichende Regelungen in Tarifverträgen vereinbart werden können und sich anders als im ersten Entwurf auch nicht tarifgebundene Betriebe darauf berufen können. Die Nutzung tariflicher Öffnungsklauseln durch nicht tarifgebundene Betriebe auf 24 Monate zu begrenzen, stellt aus Sicht des bvdm jedoch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Das deutsche Arbeitsrecht kennt bisher keine vergleichbare Begrenzung; alle bestehenden gesetzlichen Öffnungsklauseln ermöglichen auch nicht tarifgebundenen Betrieben eine entsprechende Abweichungsmöglichkeit. Der jetzige Vorschlag greift daher aus Sicht des bvdm in unzulässiger Weise in die negative Koalitionsfreiheit der nicht tarifgebundenen Betriebe ein. III. Equal Pay Die Einführung eines Equal Pay -Anspruchs nach 9 Monaten wird längere Zeitarbeitseinsätze deutlich verteuern und damit unwirtschaftlich machen. Gleichzeitig greift der Gesetzgeber damit in geltende Tarifverträge ein. Auch in der Druckindustrie, wie in der Mehrheit der anderen Industriebranchen, wird das Zeitarbeitsentgelt gestaffelt nach der Einsatzdauer durch tarifliche Branchenzuschläge aufgestockt. Die vorgesehene Regelung, dass ein Abweichen vom Anspruch auf Equal Pay nach 9 Monaten durch einen Branchenzuschlagstarifvertrag nur dann möglich ist, wenn nach 15 Monaten Einsatz ein gegenüber einem Arbeitnehmer der Einsatzbranche gleichwertiges Arbeitsentgelt erreicht wird, stellt die geltenden Branchentarifverträge in Frage. Branchenzuschlagstarifverträge werden in Frage gestellt. Angesichts ihrer künftig begrenzten Wirkung wird zu prüfen sein, ob die Branchenzuschlagstarifverträge, die die Zeitarbeit schon nach kurzen Einsatzzeiten in der Druckindustrie bereits nach 4 Wochen schrittweise bvdm. Friedrichstraße 194 199 D-10117 Berlin www.bvdm-online.de Seite 3/5

verteuern, noch sinnvoll sind. Es stellt sich die Frage, weshalb der Gesetzgeber, nachdem seitens der Politik erfolgreich auf Branchentariflösungen hingewirkt wurde, nunmehr doch zum dirigistischen Schwert der staatlichen Regulierung greift. Dies desavouiert die Tarifautonomie. IV. Kennzeichnungspflicht Der Entwurf sieht vor, dass eine gültige Erlaubnis zur Überlassung von Arbeitnehmern dann keine Wirkung entfalten soll, wenn in den Verträgen zwischen Verleiher, Entleiher und Zeitarbeitnehmer nicht ausdrücklich Arbeitnehmerüberlassung als Vertragsgegenstand angegeben und die Person des Zeitarbeitnehmers konkretisiert wird. Die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses allein an Formalien zu knüpfen, ist nicht angemessen und schafft unverhältnismäßige Risiken. Der Einsatz von Werkverträgen zur Verschleierung anderer Vertragsformen ist schon nach derzeitiger Rechtslage unzulässig. Die hierfür vorgesehenen Sanktionen sind ausreichend und wirkungsvoll, weiterer Regulierungsbedarf besteht daher aus Sicht des bvdm nicht. Verstöße gegen Formalien rechtfertigen keine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses. Die Bekämpfung von einzelnen Missbrauchsfällen darf nicht zu Regelungen führen, die die legale Nutzung von Zeitarbeit durch Infragestellen einer wirksamen Überlassungserlaubnis unnötig erschwert. V. Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei Schwellenwerten Die Berücksichtigung von Zeitarbeitskräften bei den Schwellenwerten der Betriebsverfassung ist nicht in jedem Fall sinnvoll. Die Frage, ob ein Betrieb dem Betriebsverfassungsgesetz überhaupt unterliegt, kann nicht davon abhängen, ob zufälligerweise für einen bestimmten Zeitraum Zeitarbeitskräfte beschäftigt werden. Dies widerspricht dem Grundgedanken der persönlichen Zuordnung der Arbeitsverhältnisse zum Betrieb. Entsprechendes gilt insbesondere für die Bildung eines Wirtschaftsausschusses. Dieser ist ein auf die Arbeitnehmer des Betriebes gerichtete Institution. Nur für deren Belange lässt sich die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses begründen. VI. Unterrichtungspflichten gegenüber dem Betriebsrat Die Entscheidung make or buy ist Kern der unternehmerischen Freiheit, in den nicht durch regulatorische Maßnahmen eingegriffen werden darf. Arbeitsteilige Produktion und Kooperationen zwischen Unternehmen über Werkverträge müssen weiterhin ohne übertriebene betriebsinterne Bürokratie möglich sein. Ferner kann nicht jeder Einsatz eines Klempners oder Malers im Betrieb die Beteiligung des Betriebsrates auslösen. Der Betriebsrat hat schon jetzt ausreichende Informationsrechte bezüglich der Vergabe von Werkverträgen. Keinesfalls darf ein Unternehmen gezwungen werden, dem Betriebsrat Einblick in dem Datenschutz oder dem Geschäftsgeheimnis unterliegende Vereinbarungen zu gewähren. Bestehende Informationsrechte sind ausreichend. bvdm. Friedrichstraße 194 199 D-10117 Berlin www.bvdm-online.de Seite 4/5

Eine Einbeziehung des Fremdpersonals bei der Personalplanung nach 92 BetrVG ist ferner sachwidrig, da die Kooperation zwischen selbständigen Unternehmen gar nicht Gegenstand der Personalplanung sein kann. Im Gegenteil: Würden die Arbeitnehmer eines anderen Unternehmens in die Personalplanung mit einbezogen, so würde dies wohl eher für eine Verschleierung von Arbeitnehmerüberlassung statt einen echten Werkvertrag sprechen. VII. Definition des Arbeitsverhältnisses in 611a BGB Es ist zu begrüßen, dass der im ersten Entwurf des BMAS enthaltene Kriterienkatalog für die Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen gestrichen wurde. Die nunmehr vorgesehene Definition im neuen 611a BGB bildet den Stand der aktuellen Rechtsprechung ab und ändert daher die Rechtslage nicht. Daran sollte festgehalten werden. VIII. Kontrolle der Arbeitsschutzvorschriften durch den Zoll Zur Sicherstellung des Arbeitsschutzes für Werkvertragsarbeitnehmer soll die Zusammenarbeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) mit den Arbeitsschutzbehörden gestärkt werden. Der Zoll soll daher künftig offenbar auch die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften prüfen. Der Zoll wird immer mehr zur Arbeitspolizei ausgebaut. Selbst im Koalitionsvertrag ist an keiner Stelle davon die Rede, dass der Zoll Kontrollen beim Arbeitsschutz übernehmen soll. Neue Zuständigkeiten des Zolls haben bereits beim Mindestlohngesetz große Probleme verursacht. Der Zoll ist keine allgemeine Arbeitspolizei. Die Sicherstellung der Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften ist Aufgabe der Gewerbeaufsichtsämter und der Berufsgenossenschaften und wird von diesen für alle Arbeitnehmer gleichermaßen wahrgenommen. Auf die im Entwurf vorgesehene Regelung sollte daher verzichtet werden. Bundesverband Druck und Medien e.v. 4. März 2016 bvdm. Friedrichstraße 194 199 D-10117 Berlin www.bvdm-online.de Seite 5/5