A. Vorbemerkung Die relevanten völkerrechtlichen Dokumente sind: 1. Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 (UN-Charta) 2. UN Generalversammlung, Erklärung über völkerrechtliche Grundsätze für freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Sinne der Charta der Vereinten Nationen, vom 21.10.1970 (Friendly Relations Declaration) 3. Recht der Staatenverantwortlichkeit (StV), von der UN-Völkerrechtskommission (ILC) erarbeitet und 2001 von der UN-Generalversammlung positiv zur Kenntnis genommen 4. Wiener Vertragsrechtskonvention vom 23. Mai 1969 (WVK) B. Prüfungsgliederung I. Völkerrechtsbruch gegenüber Deutschland 1. Internationale Verbotsnormen a) Direkte Verbote internationaler Spionage b) Indirekte Verbote internationaler Spionage: Interventionsverbot und Prinzip der souveränen Gleichheit 2. Rechtfertigung a) Einwilligung durch US-Deutschland Geheimvertrag b) Rechtfertigung durch allgemeine Spionagepraxis 3. Verzicht bzw. Verwirkung des Rechts, die Verantwortlichkeit der USA geltend zu machen 4. Verfahrenshindernis tu quoque
Lösungsvorschlag Die USA könnten gegenüber Deutschland Völkerrecht verletzt haben, indem sie durch ihren Geheimdienst NSA Kommunikationsdaten und inhalte in Deutschland ausgespäht haben. I. Völkerrechtsbruch gegenüber Deutschland II. Deliktsfähigkeit Da es sich um Staaten und somit um geborene Völkerrechtssubjekte handelt, bestehen hinsichtlich der aktiven Deliktsfähigkeit von A und der passiven Deliktsfähigkeit von C keine Zweifel. III. Zurechenbarer Normverstoß 1. Zurechenbare Handlung Art. 4 Staatenverantwortlichkeit (?) Art. 5 Staatenverantwortlichkeit (+) Art. 7 Staatenverantwortlichkeit (-), kein ultra-vires Handeln ersichtlich. [Hintergrundwissen: Das Handeln seiner Organe und sonstiger mit der Ausübung öffentlicher Funktionen betrauter Entscheidungsträger wird dem Staat grundsätzlich auch im Falle der Kompetenzüberschreitung oder des Verstoßes gegen Weisungen (sog. ultra vires-handeln) zugerechnet.] 2. Internationale Verbostnormen a) Direkte Verbote internationaler Spionage aa) Völkerrechtliche Verträge Das Ausspionieren eines Staates durch einen anderen Staat könnte in Friedenszeiten durch spezielle völkerrechtliche Verträge verboten sein. Definition Völkerrechtliche Verträge = rechtsverbindliche Übereinkünfte zwischen Völkerrechtssubjekten mit Vertragsschlussfähigkeit (Staaten, Art. 6 WVK und internationale Organisationen), die dem Völkerrecht unterliegen (Art. 2 lit. 1 WVK). Hier: (-), siehe Sachverhaltshinweis
Exkurs: Internationale Spionage im bewaffneten Konflikt Art. 29 Haager Landkriegsordnung (HLKO): als Spion gilt, wer heimlich oder unter falschem Vorwand in dem Operationsgebiet eines Kriegsführenden Nachrichten einzieht oder einzuziehen sucht in der Absicht, sie der Gegenpartei mitzuteilen. Bemerkenswert: die genannten Verträge verbieten die gegenseitige Spionage der Kriegsparteien nicht als völkerrechtswidrig. Spione sind also nur nach nationalem Recht strafbar. Frage: Findet die HLKO, findet das humanitäre Völkerrecht hier Anwendung? Auch wenn im Sachverhalt von Krieg gegen den Terror die Rede ist, befinden sich die USA und Deutschland nicht in einem bewaffneten Konflikt, sodass die völkerrechtlichen Verträge des humanitären Völkerrechts (HLKO, Genfer Abkommen Nr. 1-4, Zusatzprotokoll 1 zu den Genfer Abkommen) nicht anwendbar und daher auch nicht zu prüfen sind. bb) Völkergewohnheitsrechtliches Verbot der internationalen Spionage? Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut: (1) Staatenpraxis als Ausdruck einer gemeinsamen Übung (consuetudo) als objektiv-empirisches Element (2) die Rechtsüberzeugung, also die Überzeugung der Staaten, zu dem Verhalten völkerrechtlich verpflichtet zu sein (opinio iuris), als subjektiv-wertendes Element. - Allgemeine Übung: verlangt eine einheitliche Staatenpraxis von einer gewissen Dauer, Einheitlichkeit und Verbreitung. Wie langdauernd, einheitlich und verbreitet die Übung sein muss, lässt sich nicht abstrakt-generell festlegen. Ein kürzerer Zeitraum kann durch eine sehr uniforme und verbreitete Staatenpraxis aufgewogen werden. Dabei ist vor allem auf die Praxis der Staaten abzustellen, die ein Interesse an der Sachmaterie haben (z.b. Küstenstaaten an den gewohnheitsrechtlichen Regeln des Festlandsockels). - opinio iuris: verlangt, dass die Staaten gewisse Verhaltensweisen als geboten erachten, weil sie die entsprechende Verhaltensregel als rechtsverbindlich betrachten. z.b. unverbindliche UN-Generalversammlungsresolution, wenn diese Resolution von allen UN- Mitgliedern einstimmig oder mit überwältigender Mehrheit verabschiedet wurde. Fraglich ist hier, ob Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung gegeben sind, aus denen auf ein völkerrechtliches Verbot der zwischenstaatlichen Spionage gefolgert werden könnte. Fast alle Staaten unterhalten Auslandsnachrichtendienste, die Auslandsspionage betreiben (Einwand der USA!). Allerdings sind auch in fast allen Staaten fremde Spione wegen Geheimnisverrats nach nationalem Recht strafbar (z.b. 99 StGB, 256 ÖStGB). Widerspruch hinsichtlich der dauerhaften, einheitlichen und verbreiteten Staatenpraxis: während man fremde Spione unter Strafe stellt, unterhalten alle Staaten eigene Spione.
Rechtsüberzeugung (-), dass Spionage völkerrechtlich verboten ist. Der Umstand, dass dieselben Staaten fremde Spionage unter Strafe stellen, bedeutet nur, dass fremde Spionage nach nationalen Staatsschutzgesetzen verboten ist. Eine klare Aussage über ein völkerrechtliches Verbot der Spionage lässt sich angesichts der widersprüchlichen Praxis nicht gewinnen. cc) Verbot von Spionage durch Allgemeine Rechtsgrundsätze, Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut: Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut (Allgemeine Rechtsgrundsätze): Anerkannte Rechtsprinzipien, die den meisten nationalen Rechtsordnungen gemeinsam sind. Haben vor allem lückenfüllende Funktion: wenn weder völkerrechtliche Verträge (Art. 38 I lit. a IGH-Statut) noch Völkergewohnheitsrecht (Art. 38 I lit. b IGH-Statut) vorhanden sind, um eine Rechtsfrage zu beantworten, dann können durch Analogieschluss Rechtsprinzipien der nationalen Rechtsordnungen in das Völkerrecht hineingeholt werden. Hier: könnte daran gedacht werden, dass ein einhelliges Verbot der fremden Spionage nach nationalen Strafgesetzbüchern als allgemeiner Rechtsgrundsatz i.s.d. Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut zu einem völkerrechtlichen Verbot wird. Gegenargument: Diese Auffassung verkennt, dass allgemeine Rechtsgrundsätze keine detaillierten nationalen Normen sind, sondern grundlegende Leitprinzipien, die für die nationalen Rechtssysteme von fundamentaler Bedeutung sind (z.b. Guter Glaube, Verhältnismäßigkeitsprinzip, Herausgabeanspruch). Weiteres Gegenargument: Im Übrigen spricht gegen einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verbots der zwischenstaatlichen Spionage, dass Staaten ihre eigene Spionagetätigkeit naturgemäß nicht unter Strafe stellen. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass es kein direktes internationales Verbot der zwischenstaatlichen Spionage gibt. b) Indirekte Verbote internationaler Spionage: Prinzip der souveränen Gleichheit und zwischenstaatliches Interventionsverbot Art. 2 Ziff. 1 UN-Charta: Grundsatz der souveränen Gleichheit bedeutet, dass kein Staat über einen anderen ohne dessen Zustimmung Herrschaftsgewalt ausüben darf (par in parem non habet imperium). Nach der Friendly Relations Declaration, die von der UN-Generalversammlung 1970 beschlossen wurde, haben die Staaten die gleichen Rechte und Pflichten und sind gleichwertige Mitglieder der internationalen Gemeinschaft unabhängig von den vielen tatsächlichen Unterschieden. Unmittelbar aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit wird das zwischenstaatliche Interventionsverbot abgeleitet: Staaten haben sich aus den Angelegenheiten herauszuhalten, die in die alleinige Zuständigkeit eines anderen Staates fallen (domaine réservé). Die Friendly Relations Declaration nennt als dritten Grundsatz das zwischenstaatliche Gebot, sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen. - Resolution selbst rechtlich unverbindlich. - Resolution fasst aber in diesem Grundsatz in Worte, was anerkanntes Gewohnheitsrecht ist.
- Innere Angelegenheiten sind, wie es der dritte Grundsatz der Friendly Relations Declaration und Art. 2 Ziff. 7 UN-Charta definieren, Angelegenheiten, die in die alleinige Zuständigkeit eines Staates fallen. Das ist immer dann zu bejahen, wenn diese Angelegenheit nicht den Regeln des internationalen Rechts unterworfen ist. Hier: Wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Staat die Kommunikation eines anderen Staates ausforscht, dann berührt das die inneren Angelegenheiten des ausgeforschten Staates, da der Staat international ja nicht verpflichtet ist, seine Kommunikation (und die Kommunikation seiner Bürger) offenzulegen. Lehre und Rechtsprechung gehen jedoch davon aus, dass nicht jeder Eingriff in die inneren Angelegenheiten vom völkerrechtlichen Interventionsverbot erfasst ist. Generell wird für eine Verletzung des Interventionsverbots verlangt, dass die Maßnahme ein gewisses Zwangselement in sich birgt. Anders ausgedrückt, der Eingriff in die inneren Angelegenheiten muss gewaltsam oder gebieterisch sein, mit der Folge, dass der gezwungene Staat der Kontrolle über die Angelegenheit beraubt ist. Es ist ein schmaler Grad zwischen Zwang und Überredung. IGH-Urteil (Nicaragua vs. USA) 27. Juni 1986, Rn. 205 Intervention is wrongful when it uses methods of coercion in regard to such choices, which must remain free ones. The element of coercion, which defines, and indeed forms the very essence of, prohibited intervention. Es ist also fraglich, ob der Spionagetätigkeit der USA ein solches Zwangselement innewohnt. Dagegen: Deutschland nicht zu einem bestimmten Verhalten gezwungen, zumindest solange die USA die gesammelten Daten nicht zu diesem Zweck nutzen. Dafür: Deutschland wird durch das geheime Ausspähen der Daten jede Möglichkeit genommen, über die Veröffentlichung und Verwendung seiner Kommunikationsdaten frei zu entscheiden. Dafür: Auch wenn die USA keine Dokumente oder Daten Deutschlands physisch beschlagnahmt haben, so hat das Aufzeichnen der gesamten Regierungskommunikation ähnlich schwerwiegende Auswirkungen auf die Verhandlungsmacht der beiden Staaten. Da in den internationalen Beziehungen permanent Verhandlungen über Streitfragen und politische Positionen stattfinden, lässt sich also gut argumentieren, dass das Ausforschen der gesamten Regierungskommunikation die souveräne Gleichheit des ausspionierten Staates verletzen kann. P: Reziprozität Nun hat allerdings laut Sachverhalt Deutschland auch die USA ausspioniert. Es stellt sich also die Frage, ob die Gegenseitigkeit des Ausspionierens den Vorwurf beseitigt, die USA verletze mit ihrer Praxis Deutschlands souveräne Gleichheit. Der Reziprozitätsgrundsatz im Völkerrecht: besagt, dass ein Staat gegenüber einem anderen Staat nicht an das Recht gebunden ist, an das sich der andere auch nicht hält. eine Reihe von fundamentalen Normen des Völkerrechts ist vom Reziprozitätsgrundsatz ausgenommen (Menschenrechte, Humanitäres Völkerrecht, Gewaltverbot, ius cogens).
Viele völkerrechtliche Verträge erlauben beispielsweise die Suspendierung des Vertrages durch die verletzte Vertragspartei, wenn die andere Vertragspartei eine erhebliche Vertragsverletzung begeht (vgl. Art. 60 WVK). Hier: Übertragen auf den vorliegenden Fall könnte also die Anwendung des Reziprozitätsgrundsatzes dazu führen, dass die USA im Bereich der zwischenstaatlichen Spionage nicht an das völkerrechtliche Prinzip der souveränen Gleichheit gebunden wäre. Der Reziprozitätsgrundsatz verlangt allerdings, dass die Verhaltensweisen hier das Ausspionieren annähernd gleich schwerwiegend sind, damit ein Staat sich von seiner Rechtsbefolgungspflicht lossagen darf. Dass Deutschland über die konventionelle geheimdienstliche Informationsbeschaffung hinaus die gesamte Kommunikation der USA abhört und speichert, ist kaum realistisch und wurde auch von den USA nicht behauptet. Die unterschiedliche Eingriffsschwere führt also zu dem Zwischenergebnis, dass trotz der Geheimdiensttätigkeiten Deutschlands die weitreichenden Methoden der NSA d.h. die Kommunikationsüberwachung des gesamten Staates eine verbotene Missachtung der souveränen Gleichheit Deutschlands darstellt. 3. Rechtfertigung Die USA wären allerdings dann nicht rechtsbrüchig, wenn sie ihr Verhalten rechtfertigen könnten. a) Einwilligung durch USA-Deutschland Geheimvertrag Möglicher Rechtfertigungsgrund durch Einwilligung, Art. 20 Staatenverantwortlichkeit (StV). Nach Art. 20 Staatenverantwortlichkeit schließt die Einwilligung eines Staates in die Begehung einer bestimmten Handlung die Rechtswidrigkeit der Handlung aus. Im vorliegenden Fall könnte Deutschland durch den Geheimvertrag in die Spionagetätigkeit der USA eingewilligt haben. Völkerrechtliche Verbindlichkeit von Geheimverträgen? Diese zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass sie weder bei den Vereinten Nationen registriert worden sind noch sonst der Öffentlichkeit zugänglich sind. Art. 102 UN-Charta verlangt von den Mitgliedstaaten (also auch von den USA und Deutschland), dass sie ihre Verträge beim UN-Generalsekretär registrieren lassen, mit der Folge, dass sie in der UN Treaty Series veröffentlicht werden (s. auch Art. 80 WVK). Hier: Deutschland und die USA haben diese Registrierung nicht vornehmen lassen und damit die Forderung des Art. 102 UN-Charta nicht erfüllt. Rechtsfolge? Die Rechtsfolge dieses Versäumnisses ist jedoch nicht die Rechtsunwirksamkeit des Vertrages. Vielmehr sind Deutschland und die USA lediglich daran gehindert, sich vor UN-Organen (z.b. dem IGH) auf den Geheimvertrag zu berufen. Er wird von UN-Organen als nicht- existent behandelt. Geheimvertrag im vorliegenden Fall anwendbar? Auf Basis der vorhandenen Sachverhaltsinformationen dreht sich der Geheimvertrag um den Austausch von Geheimdienstinformationen. Ein Austausch von Daten zwischen den Staaten ist allerdings substantiell eine andere Handlung als das eigenständige Sammeln von Daten, ohne die Kenntnis des betroffenen Staates. Insofern hat Deutschland mit dem Geheimvertrag nicht in die NSA-Ausspähungen eingewilligt.
Art. 20 Staatenverantwortlichkeit ist nicht einschlägig. b) Rechtfertigung als Repressalie Deutschland hat nicht geleugnet, selbst Spionage zu betreiben. Insofern stellt sich die Frage, ob die Tätigkeiten der NSA in Deutschland eine Gegenmaßnahme im Sinne des Art. 22, 49 ff. StV sind. Gegenmaßnahme (auch Repressalie) = eine Reaktion auf ein völkerrechtswidriges Verhalten eines anderen Staates, um diesen zu völkerrechtskonformen Handeln zu bewegen. Diese Reaktion stellt selbst eine völkerrechtswidrige Handlung dar, ist aber als Gegenmaßnahme gerechtfertigt und damit völkerrechtskonform. Hier: müsste das Datensammeln der NSA in Deutschland (rechtswidriger Eingriff der USA in die Souveränität Deutschlands) eine Reaktion auf das Datensammeln Deutschlands in den USA sein (rechtswidriger Eingriff Deutschlands in die Souveränität der USA). Ein Blick in Art. 49 Staatenverantwortlichkeit, der die Voraussetzungen von Gegenmaßnahmen nennt, verdeutlicht schnell, dass es sich bei der Datensammlung der NSA um keine Gegenmaßnahme handelt. Anlass der Datensammlung ist nämlich der Krieg gegen den Terror und nicht die Spionagetätigkeit Deutschlands. Die USA will also gar nicht erreichen, dass Deutschland seine Spionagetätigkeit aufgibt (Art. 49 Abs. 1). Es liegt also keine rechtfertigende Gegenmaßnahme vor. 4. Verzicht/Verwirkung des Rechts, die Verantwortlichkeit der USA geltend zu machen Nach Art. 45 StV verliert der verletzte Staat sein Recht, die Verantwortlichkeit des Verletzerstaates geltend zu machen, wenn er auf diesen Anspruch ausdrücklich oder konkludent wirksam verzichtet hat. Konkludenter Verzicht durch Geheimvertrag oder durch die eigene Spionagetätigkeit? Hinsichtlich des Geheimvertrages wird der Abschluss eines Informationsaustauschvertrages kaum als konkludenter Verzicht Deutschlands gedeutet werden können, gegen die Spionagetätigkeit der USA in Deutschland vorzugehen. Auch ist es etwas weit hergeholt, die eigene Spionagetätigkeit so zu deuten, dass Deutschland damit konkludent darauf verzichtet, anderen Staaten Spionage vorzuwerfen. Die Situationen, die Art. 45 StV mit dem konkludenten Verzicht vor Augen hat, sind z.b. Fälle, in denen ein Staat über Jahrzehnte nie den Vorwurf erhoben hat, obwohl er von der konkreten Spionage wusste. Bezogen auf die Totalüberwachung Deutschlands ist von einer langjährigen Spionage nicht auszugehen, da ja der Whistleblower Snowden die NSA Praxis erst 2013 offengelegt hat. 5. Verfahrenshindernis tu quoque Verteidigungsgrundsatz tu quoque (lateinisch: auch du ): danach kann der Angeklagte u.u. einwenden, der Gegner habe dasselbe getan wie er selbst, man könne ihn daher nicht deswegen anklagen. In der Staatenpraxis könnte dieser Grundsatz als Verfahrenshindernis gedeutet werden, das US Department of Defense, Office of General Counse, An Assessment of International Legal Issues of Information Operations, May 1999 The lack of strong international legal sanctions for peacetime espionage may also constitute an implicit application of the international law doctrine called tu quoque (roughly, a nation has no standing to complain about a practice in which itself engages).
einen verletzten Staat daran hindert, in diplomatischen Verhandlungen oder vor dem IGH den Vorwurf der Staatenverantwortlichkeit zu erheben. So brachte das US Verteidigungsministerium hinsichtlich der Frage der Spionage in Friedenszeiten vor, der Grundsatz tu quoque führte dazu, dass Staaten, die selbst ausländische Spionage betreiben, die Auslandsspionage anderer Staaten nicht beanstanden können. Das müsse jedenfalls dann gelten, solange die betroffenen Staaten kein explizites Spionageverbot vereinbart haben. Wie beim Reziprozitätsgrundsatz wird man allerdings auch hier zu dem Ergebnis gelangen, dass die Verhaltensweisen der USA und Deutschlands auf Grund der weitreichenden Methoden der NSA nicht vergleichbar sind. Zusatzinformation Der Einwand tu quoque wurde im Völkerrecht vor allem in internationalen Strafverfahren diskutiert ( der Kriegsgegner hat dieselben Kriegsverbrechen begangen ). Die internationalen Straftribunale haben die Verteidigungsstrategie verständlicherweise abgelehnt. Siehe Jugoslawientribunal, Urteil vom 14. Februar 200 (Prosecutor v. Kupreškić et. Al., TC). III. Ergebnis Die USA haben durch die vollständige Überwachung Deutschlands durch die NSA die souveräne Gleichheit Deutschlands verletzt.