Fall 2. Grundfall. A. Anspruch des K gegen V auf Übereignung und Übergabe des Buches gem. 433 I 1 BGB?
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- Franz Diefenbach
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1 Juristische Fakultät Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 Fall 2 Grundfall A. Anspruch des K gegen V auf Übereignung und Übergabe des Buches gem. 433 I 1 BGB? I. Anspruch entstanden Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und keine rechtshindernden Einwendungen. 1. Kaufvertrag Voraussetzung von 433 I 1 BGB: Kaufvertrag zwischen K und V (Kauf)Vertrag = zwei inhaltlich korrespondierende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen von mindestens zwei Personen, Angebot bzw. Antrag (vgl. 145 BGB) und Annahme (vgl. 147 ff. BGB) Dabei muss eine Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) erzielt werden, also über Kaufvertragsparteien, den Kaufgegenstand und den Kaufpreis. a) Angebot des V durch Vorschlag das Buch zu bestellen? Angebot = empfangsbedürftige Willenserklärung, die in der Regel inhaltlich so bestimmt sein muss, dass die Annahme durch ein bloßes Ja erfolgen kann 1
2 Indem der V dem K vorschlägt, das Buch in der anderen Filiale zu bestellen, könnte er ein Angebot auf den Abschluss eines Kaufvertrages machen. (Obersatz) Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die alle wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) enthält. Beim Kaufvertrag Vertragspartner, Kaufpreis und Kaufsache. Dazu müsste zunächst der äußere Erklärungstatbestand einer Willenserklärung erfüllt sein. Der äußere Tatbestand einer Willenserklärung beinhaltet aa) Äußerer Erklärungstatbestand Die Erklärung muss bei objektiver Betrachtung (aus Sicht eines objektiven Betrachters) den Schluss zulassen, dass es sich um ein Angebot handelt (denkt der Rechtsverkehr, dass eine rechtlich verbindliche Erklärung vorliegt?). Der tatsächliche Wille des Erklärenden ist hierbei unbeachtlich. - Handlungswillen Bewusstsein zu handeln - Rechtsbindungswillen Bewusstsein, eine irgendwie rechtserhebliche Handlung vorzunehmen (-) z.b. bei invitatio ad offerendum hier: In Filiale nachgefragt, es ist davon auszugehen, dass V sich rechtlich binden will. - (bestimmter) Geschäftswille Bewusstsein, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen Sind essentialia negotii enthalten? hier: Vertragspartner, Kaufsache (ausdrücklich), Preis (konkludent). bb) Innerer Erklärungstatbestand Die Erklärung muss dem Erklärenden auch zurechenbar sein. Nicht objektiv (von außen) sondern subjektiv ( von innen ) Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille (+) cc) WE abgegeben (+) 2
3 dd) WE zugegangen (+) ee) Zwischenergebnis: Wirksames Angebot des V (+) b) Annahme des Angebots durch K? aa) Äußerer Erklärungstatbestand K erklärt sich einverstanden Handlungswille, Rechtsbindungswille, Geschäftswille (+) bb) Innerer Erklärungstatbestand Handlungs-, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille (+) cc) WE wirksam geworden Die Willenserklärung wird erst wirksam, wenn der Erklärende sie abgegeben hat und sie dem Empfänger zugegangen ist. (1) Abgabe der WE Eine Willenserklärung ist abgegeben, wenn der Erklärende alles seinerseits Erforderliche getan hat, damit die Erklärung ohne sein weiteres Zutun dem Empfänger zugehen kann. hier (+) Merke: Mit der Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung bringt der Urheber der Erklärung seinen Rechtsbindungswillen objektiv zum Ausdruck. (2) Zugang der WE Die Willenserklärung ist zugegangen, wenn sie - derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, - dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, dass von ihr Kenntnis genommen wird. hier (+) 3
4 Merke: Es kommt also nicht auf die tatsächliche Wahrnehmung an. Ihr Zeitpunkt ist für den Erklärenden oft kaum feststellbar (wann genau liest der Empfänger den Brief?). Aus Gründen der Rechtssicherheit geht man daher von einem normativen Zugangsbegriff aus. c) Einigung über die essentialia negotii? Einigung über wesentliche Bestandteile des Kaufvertrages: - Kaufgegenstand - Kaufpreis - Vertragspartner d) Zwischenergebnis Wirksamer Kaufvertrag zwischen K und V geschlossen. 2. Rechtshindernde Einwendungen (-) 3. Zwischenergebnis Anspruch aus 433 I 1 BGB ist wirksam entstanden. II. Anspruch erloschen Der Anspruch könnte erloschen sein. Das ist dann der Fall, wenn eine rechtsvernichtende Einwendung vorliegt. 1. Erfüllung gem. 362 I BGB? Tatsächlich geschuldete Leistung: Verschaffung von Eigentum und Besitz am Buch, 433 I 1 BGB Beachte das Trennungsprinzip: In zeitlicher Hinsicht kommt eine Erfüllung erst am nächsten Tag bei der Abholung des Bandes in Betracht Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft können also auseinanderfallen. 4
5 a) Übereignung des Buches gem. 929 S. 1 BGB? aa) Einigung über den Eigentumsübergang, 929 S. 1 BGB Einigung = dinglicher Vertrag Voraussetzungen wie schuldrechtlicher (Kauf)Vertrag: Angebot und Annahme (vgl. 145 ff. BGB) (i) Angebot auf Eigentumsübertragung des V durch Übergabe des Buches an K (+) (ii) Annahme des Antrags durch Entgegennahme des Buches durch K (+) bb) Übergabe, 929 S. 1 BGB Hier: Übergabe durch Hinreichen und Entgegennahme des Buches cc) Berechtigung zur Übereignung des Buches (+) dd) Zwischenergebnis: Übereignung (+) b) Besitzverschaffung? (+), hier schon bei der Verschaffung des Eigentums geprüft c) Ergebnis: 362 I BGB (+) Erfüllung ist einen Tag nach Kaufvertragsschluss eingetreten. 2. Sonstige rechtsvernichtende Einwendungen (-) 3. Ergebnis Der Anspruch des K ist gem. 362 I BGB erloschen. III. Ergebnis Es besteht kein Anspruch des K gegen V aus 433 I 1 BGB (mehr). 5
6 B. Anspruch des V gegen K auf Zahlung des Kaufpreises, 433 II BGB? I. Anspruch entstanden (+), da wirksamer KV und keine rechtshindernden Einwendungen, s.o. II. Anspruch erloschen 1. Erfüllung gem. 362 I BGB Geschuldete Leistung: Zahlung des Kaufpreises (= Verschaffung des Eigentums an den Geldscheinen) Beachte: Unterschied zum Anspruch des K aus 433 I 1 BGB beide Ansprüche resultieren aus einem einheitlichen Kaufvertrag, erlöschen aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten. a) Einigung, 929 S. 1 BGB aa) Angebot auf Eigentumsübertragung (+), durch Übergabe der Geldscheine bb) Annahme des Antrags (+), durch Entgegennahme der Scheine b) Übergabe, 929 S. 1 BGB Hier: Übergabe durch Hinreichen und Entgegennahme der Geldscheine c) Berechtigung zur Übereignung der Geldscheine (+) d) Zwischenergebnis Anspruch aus 433 II BGB gem. 362 I BGB erloschen. 6
7 2. Sonstige rechtsvernichtende Einwendungen: (-) III. Ergebnis: V hat keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises (mehr), da dieser zwischenzeitlich erloschen ist. 7
8 Abwandlung Frage 1: Konnte V mit D einen wirksamen Kaufvertrag abschließen? Hier kein normaler Anspruchsaufbau, sondern konkrete Frage nach Rechtsmacht. Führt die Tatsache, dass V über den konkreten Gegenstand bereits einen Vertrag geschlossen hat dazu, dass er keinen weiteren Vertrag abschließen kann? Schuldrechtliche Verpflichtung: zur mehrfachen Übereignung ein und derselben Sache möglich (Vertrags- freiheit)- Sachenrechtliche Verfügung: Ausführung der Verpflichtung ggf. unmöglich, 275 I BGB, (es existiert bspw. kein zweiter Bildband mehr der übereignet werden könnte). Denn: Eine Sache kann nur einmal übereignet werden (Berechtigung fehlt). Ergebnis: die Tatsache, dass bereits ein konkurrierender Kaufvertrag besteht, führt nicht dazu, dass V die konkrete Rechtsmacht verliert, einen bzw. mehrere weitere Kaufverträge über denselben Gegenstand zu schließen. Aber: V macht sich ggf. schadensersatzpflichtig. 8
9 Frage 2: Konnte V dem D das Buch wirksam übereignen? 1. Einigung über den Eigentumsübergang, 929 S. 1 BGB a) Angebot auf Eigentumsübertragung des V durch Übergabe des Buches an D (+) b) Annahme des Antrags durch Entgegennahme des Buches durch D (+) 2. Übergabe, 929 S. 1 BGB Hier: Übergabe durch Hinreichen und Entgegennahme des Buches 3. Berechtigung zur Übereignung des Buches Hier: Eigentum des V (+) Merke: Das Verfügungsgeschäft ist streng vom Verpflichtungsgeschäft zu trennen (Trennungsprinzip). Für die dingliche Berechtigung ist völlig irrelevant, ob bzw. wie oft der Eigentümer die Sache (schuldrechtlich) verkauft hat. Aus 929 S. 1 BGB folgt, dass es nur und ausschließlich darauf ankommt, ob er (noch) dinglich Berechtigter ist, die Sache also übereignen kann. Nicht entscheidend ist, ob er sie vertragsrechtlich übereignen darf! 4. Erg.: Übereignung an D (+) 9
10 Frage 3: Könnte V, vorausgesetzt er wäre wieder im Besitz des an D übereigneten Buches, dem K das Buch noch wirksam übereignen? 1. Einigung über den Eigentumsübergang, 929 S. 1 BGB a) Angebot auf Eigentumsübertragung des V durch Übergabe des Buches an K (+) b) Annahme des Antrags durch Entgegennahme des Buches durch K (+) 2. Übergabe, 929 S. 1 BGB Hier: Übergabe durch Hinreichen und Entgegennahme des Buches 3. Berechtigung zur Übereignung des Buches Hier: Eigentum bereits verloren Folglich scheidet ein Eigentumserwerb vom Berechtigten gem. 929 S. 1 BGB aus (zum Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten vgl. die 932 ff. BGB). 4. Erg.: Übereignung (-) 10
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