Weiterentwicklung des Schmerzmanagements auf der Intensivstation - Ist-Situation in ausgewählten Kliniken -

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Transkript:

Weiterentwicklung des Schmerzmanagements auf der Intensivstation - Ist-Situation in ausgewählten Kliniken - Nadja Nestler Paracelsus Medizinische Privatuniversität Institut für Pflegewissenschaft und praxis Strubergasse 21, A-5020 Salzburg www.pmu.ac.at

Aufbau Hintergrund Ergebnisse aus Datenerhebungen von Certkom e.v.» Wissen um Regelungen» Durchführung einer Schmerzerfassung» Schulung neuer Mitarbeiter Fazit

Hintergrund Unzureichendes Wissen zum Thema Schmerz bei Pflegenden (Michaels, Hubbartt, Caroll, & Hudson-Barr, 2007; Schreiber et al., 2014) Geringes Wissen zur Pathophysiologie und zur Schmerzbehandlung (Holley, McMillan, Hagan, Palacios, & Rosenberg, 2005; Lin, Chiang, Chiang, & Chen, 2008) Fehlendes Wissen zum Thema Schmerz bei Ärzten (Coulling 2005) Schriftliche Verfahrensregelungen zum Schmerzmanagement sind in Kliniken nur selten vorhanden (Fragemann, Meyer, Graf, & Wiese, 2012; Schafheutle, Cantrill, & Noyce, 2001; Watt-Watson et al., 2004) Fehlende Edukation in der Praxis (Watt-Watson et al., 2004)

Hintergrund Schwierigkeit der Schmerzerfassung bei bewusstlosen oder sedierten Patienten Lagerung, Bettruhe, Wunden, Drainagen und Kanülen verursachen Schmerzen Unbehandelter Schmerz bedingt Unannehmlichkeit, und bedeutet unzureichenden Schlaf, Disorientiertheit und Entkräftung (Jacobi et al. 2002) Notwendigkeit der Nutzung von validen und reliablen Schmerzerfassungsinstrumenten Voraussetzung für eine adäquate Schmerztherapie

Hintergrund Schmerzerfassungsinstrumente werden auf deutschen Intensivstation nur selten genutzt Es besteht Unklarheit, wie Schmerzerfassungsinstrumente in Kombination mit anderen Parametern zur Schmerzerfassung genutzt werden

Hintergrund Die systematische Evaluation von Schmerz, Sedierungsgrad und Delir selbst sowie zielgerichtete Protokolle zur Anpassung des Sedierungsgrades und zur Behandlung von Schmerz und Delir sind mit einer geringeren Inzidenz nosokomialer Infektionen, einer Verkürzung der Beatmungs- und Intensivbehandlungsdauer, einer geringeren Letalität sowie einem geringeren Ressourcenverbrauch assoziiert. (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften: S3-Leitlinie zu Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin)

Befragung von Pflegenden und Ärzten auf Intensivstationen durch Certkom e.v. Befragung zum Schmerzmanagement auf ihrer Intensivstation Vorbereitung auf die Zertifizierung Qualifizierte Schmerztherapie für Intensivstationen Keine Abfrage zu schmerzmedizinischem Wissen Erhebung zu vorhandenem Wissen zu bestehenden Regelungen - zum Schmerzassessment - zur medikamentösen Schmerztherapie - zur nicht-medikamentösen Schmerztherapie und deren Umsetzung

Vorgaben und Befragung vorab Erarbeitung von Strukturen / Regelungen von Prozessen für berufsgruppenübergreifendes Schmerzmanagement Erarbeitung in multiprofessioneller Arbeitsgruppe Stichprobe: 758 Pflegenden (w=594, m=157, missing=7) 314 mit Fachweiterbildung 164 ÄrztInnen (w=78, m=78, missing=8) alle ÄrztInnen sind FachärztInnen oder in Ausbildung zum Facharzt/zur Fachärztin auf 15 Intensivstationen in Deutschland und Österreich

Gibt es auf Ihrer Intensivstation schriftliche Regelung zur Zuständigkeit für die Schmerztherapie? Pflegende 10 8 6 4 P<0,05 mit Fachw. (n=313) ohne Fachw. (n=437) ja nein weiß ich nicht 10 ÄrztInnen (n=156) 8 6 4 ja nein weiß ich nicht

Bestehen medizinischer Standards, die medikamentöse Behandlung für die PatientInnen regeln 8 6 4 Pflegende P<0,05 mit Fachw. (n=314) ohne Fachw. (n=436) ja nein weiß ich nicht 10 ÄrztInnen (n=157) 8 6 4 ja nein weiß ich nicht

Schmerzerfassung mittels Selbsteinschätzung 95,5% der Pflegenden (n= 778) und 92,3% der ÄrztInnen (n=144) nutzen eine Skala zur Selbsteinschätzung 10 8 Kein Unterschied zwischen Pflegenden mit oder ohne Fachweiterbildung 6 4 Pflegende ÄrztInnen NRS VAS VRS Gesichter- Skala

Schmerzerfassung mittels Fremdeinschätzung 69,7% der Pflegenden (n=562) und 57,7% der ÄrztInnen (n=90) nutzen ein Instrument zur Fremdeinschätzung 8 6 Kein Unterschied zwischen Pflegenden mit oder ohne Fachweiterbildung ZOPA SAS/RASS u.v.m. 4 Pflegende ÄrztInnen BPS BESD CPOT R- FLACC CNPI P.A.I.N. andere

Sind Pflegende und ÄrztInnen in der Erhebung von Schmerzen bei nicht-kontaktierbaren Patienten geschult worden? 8 6 4 Pflegende mit Fachw. (n=308) P<0,05 ohne Fachw. (n=433) ja nein weiß ich nicht 5 4 3 1 ÄrztInnen (n=156) ja nein weiß ich nicht

Werden neue MitarbeiterInnen im Schmerzmanagement geschult? 8 6 4 Pflegende mit Fachw. (n=306) P<0,05 ohne Fachw. (n=437) ja nein weiß ich nicht 8 ÄrztInnen (n=152) 6 4 ja nein teilweise

Worin werden neue MitarbeiterInnen geschult? Schmerzspezifische Dokumentation Anwendung nicht-medikamentöse Maßnahmen Durchführung med. Schmerztherapie Erfassung Schmerzen mittels Skalen Erhebung Schmerzanamnese/nicht kontaktierbare Patienten Erhebung Schmerzanamnese/kontaktierbare Patienten ÄrztInnen (n=111) Pflegende (n=478) Information u. Aufklärung von Patienten 4 6 8 10

Fazit Wissen zu Regelungen ist weitgehend vorhanden» Zuständigkeiten» Medikamentöse Verfahrensregelung» der Pflegenden ohne Fachweiterbildung kennen medikamentöse Standards nicht Selbsteinschätzung von Schmerzen erfolgt weitgehend» Pflegende und ÄrztInnen nutzen teilweise unterschiedliche Skalen Fremdeinschätzung führen lediglich 69,7% der Pflegenden und 57,7% der ÄrztInnen durch» Teilweise dann auch mit nicht geeigneten Instrumenten Schulung neuer MitarbeiterInnen findet nicht in ausreichendem Maße statt Weiterer Verbesserungsbedarf Einsatz pflegerischer und ärztlicher SchmerzexpertInnen erscheint sinnvoll