Mechanismen nucleophiler Substitutionen am aliphatischen Kohlenstoff

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Transkript:

Vorlesung 16 Mechanismen nucleophiler Substitutionen am aliphatischen Kohlenstoff Bimolekulare nucleophile Substitutionen (S N 2-Reaktionen) In Vorlesung 11 hatten wir bereits die nucleophile Substitution von alogenid in alogenalkanen besprochen. 3.. 3 Ȯ... - δ δ- Br... O.... -.. Br Nucleophil Elektrophil Nucleofug (Abgangsgruppe) Für die Kinetik dieser Reaktion beobachtet man die folgenden Beziehungen: Zunahme der Konzentration des Produkts Geschwindigkeit = = Zeiteinheit d[ 2 5 O] d[ 2 5 O] d[ 2 5 Br] d[o ] = = = k [ 2 5 Br][O ] mol L s ; Verfolgung der Geschwindigkeit dieser Reaktion durch Titration von O möglich Geschwindigkeitsgesetz zweiter Ordnung besagt, dass Verdoppelung der Konzentration von 2 5 Br oder der Konzentration von O die Geschwindigkeit verdoppelt. Werden beide Konzentrationen verdoppelt, vervierfacht sich die Reaktionsgeschwindigkeit. Damit in Einklang steht ein Mechanismus, bei dem der Angriff des Nucleophils und die Ablösung des Nucleofugs konzertiert (gleichzeitig) ablaufen. - - Y: X X: Übergangszustand Der hierbei formulierte Rückseitenangriff führt zur Konfigurationsumkehr, wenn ein chirales Substrat eingesetzt wird. Experimentalchemie, Prof.. Mayr 79

- S Br 13 6 3 (R)-2-Bromoctan Übergangszustand Zweifache Konfigurationsumkehr führt zur Retention. Übung A16-1. Nach Vollhar, 3. Aufl., S. 219, 4. Aufl. S. 253 soll Umsetzung von (R)-2-Bromoctan mit Iodid-Ionen (S)-2-Iodoctan liefern, das durch Umsetzung mit NaS (R)-Octan-2-thiol ergeben soll. Erklären Sie, warum diese Reaktionsequenz in dieser Weise nicht ablaufen kann! Unimolekulare nucleophile Substitutionen (S N 1-Reaktionen) Nucleophile Substitutionen von tertiären Alkylhalogeniden folgen einem Geschwindigkeitsgesetz 1. Ordnung 3 3 Br 3 _ 2 5 O Ethanol Geschwindigkeit = d[( 3 Br] = Die Geschwindigkeit verdoppelt sich bei Verdoppelung der Konzentration an tert.-butylbromid. Die Geschwindigkeit ist unabhängig von der Konzentration an Ethanolat [ 2 5 O _ ]. Dieses Verhalten wird durch einen Mechanismus erklärt, bei dem das Nucleophil am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt nicht beteiligt ist. 3 3 Br 3 k 1 langsam tert.-butylkation oder Trimethylcarbenium-Ion 2 5 O Beachten Sie bei der Nomenklatur, dass der Begriff arbenium ein -Atom impliziert. In einem langsamen Ionisationsschritt bildet sich ein kurzlebiges arbokation (reaktive Zwischenstufe), das in einer raschen Folgereaktion mit dem Nucleophil abreagiert. Experimentalchemie, Prof.. Mayr 80

In der Literatur der früheren Jahre besteht Verwirrung bezüglich der Begriffe arbenium-ion, arbonium- Ion, arbokation. eute verwendet man arbokationen als Oberbegriff. arbenium-ionen sind arbokationen, die sich durch Zweizentren-Zweielektronen-Bindungen beschreiben lassen. arbonium-ionen besitzen dagegen Zweielektronen-Dreizentren-Bindungen arbokationen arbenium-ionen arbonium-ionen 3 3 3 dreifach koordinierter Kohlenstoff fünffach koordinierter Kohlenstoff Verläuft die Reaktion nach dem S N 1-Mechanismus, tritt Racemisierung ein. l 3 O 2, - S Racemat Während bei S N 2-Reaktionen aus den Substraten über einen einzigen Übergangszustand die Produkte entstehen, tritt bei S N 1-Reaktionen eine diskrete Zwischenstufe auf, bei deren Bildung und Weiterreaktion ein Übergangszustand durchlaufen wird. E S N 2 E S N 1 3 Br ( 3 Br Reaktionskoordinate Reaktionskoordinate Experimentalchemie, Prof.. Mayr 81

Welche Faktoren begünstigen S N 1-, welche S N 2-Reaktionen? 1) S N 1-Mechanismen treten nur auf, wenn die intermediären arbokationen durch Substituenten stabilisiert werden. 3 Methylkationen 3 2 ( 3 ) 2 primäre sekundäre arbokationen arbokationen ( 3 tertiäre arbokationen Primäre Alkyl-Kationen treten in Lösung nie auf! Eine Phenylgruppe stabilisiert häufig so gut wie zwei Alkylgruppen 3 3 3 3 Vinylgruppen stabilisieren etwas besser als Alkylgruppen 3 2 3 3 3 3 2 3 2) Polare Lösungsmittel, insbesondere protische Lösungsmittel, die die Ablösung der Abgangsgruppen durch -Brücken erleichtern, begünstigen S N 1 ( 3 l Aceton/ 2 0 ( 3 2 O ( 3 O l 90% Aceton / 10% 2 O k rel = 1 20% Aceton / 80% 2 O k rel = 60 000 3) Gute Abgangsgruppen beschleunigen S N 1- mehr als S N 2-Mechanismen 4) Sterische Abschirmung des Rückseiten-Angriffs verzögert S N 2 5) Starke Nucleophile beschleunigen die S N 2-Reaktion, nicht die S N 1-Reaktion (Nucleophilie-Reihen s. Vorlesung 11) Experimentalchemie, Prof.. Mayr 82

Zusammenfassung (vgl Vollhar, 3. Aufl., S. 258, 4. Aufl., S. 295/296) R X Nu R Nu X - R S N 1 S N 2 primäres Alkyl sekundäres Alkyl tertiäres Alkyl tritt i. A. nicht auf; nur möglich, wenn Substituent starke Resonanzstabilisierung ausübt i. A. langsam; tritt auf in protischen Medien bei Vorliegen guter Abgangsgruppen häufig häufig i. A. langsam; starke Nucleophile notwendig sehr langsam Übung A16-2. Bei der Umsetzung von Bromalkanen mit NaI in Aceton findet man folgende Reaktivitätsreihe: 3 Br 3 2 Br ( 3 ) 2 Br ( 3 Br 145 1 0,0078 keine Reaktion Erklären Sie diesen Befund! erstellung von alogenalkanen aus Alkoholen Da O eine schlechte Abgangsgruppe ist, kann die O-Gruppe nicht einfach durch alogenid ersetzt werden. Wiederholung: R O K Br keine Reaktion Protonierung der ydroxylgruppe ermöglicht dagegen den Austausch gegen Bromid und Iodid (Abgangsgruppe: Wasser!) 3 2 O Br 3 2 Br 2 O Experimentalchemie, Prof.. Mayr 83

Versuch: erstellung von Bromethan aus Ethanol, KBr und Schwefelsäure. Das entstehende Bromethan hat einen niedrigeren Siedepunkt (38 ) als Ethanol (78 ) und lässt sich abdestillieren. Im Gegensatz zu Ethanol ist Bromethan nicht mit Wasser mischbar. Wegen seiner hohen Dichte (1.46 g/cm 3 ) wird es unter Wasser gesammelt. Versuch: 2-Methyl-2-propanol (tert-butanol) reagiert bereits beim Schütteln mit konzentrierter Salzsäure zu 2-hlor-2-methyl-propan (tert-butylchlorid), das wiederum mit Wasser nicht mischbar ist (rasche S N 1-Reaktion über ( 3 als Zwischenstufe) l ( 3 O ( 3 l 3 O Primäre und sekundäre Alkylchloride lassen sich durch Umsetzung der Alkohole mit l im Allgemeinen nicht herstellen. Man erhält sie aus den Alkoholen durch Umsetzung mit Pl 3 (Phosphortrichlorid), Pl 5 (Phosphorpentachlorid), oder SOl 2 (Thionylchlorid). Auch primäre und sekundäre Alkylbromide werden häufig durch Umsetzung der Alkohole mit PBr 3 dargestellt. R O SOl 2 Die im Vollhar, 3. Aufl., S. 344-346, 4. Aufl., S. 393-395 abgebildeten Mechanismen dieser Reaktionen erleichtern das Verständnis. Sie brauchen diese Mechanismen zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht zu lernen. Experimentalchemie, Prof.. Mayr 84