Analyse diagnostischer Maßnahmen mit GKV-Routinedaten: Zur Richtlinienkonformität der Stufendiagnostik bei vermuteter Schlafapnoe

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Transkript:

Analyse diagnostischer Maßnahmen mit GKV-Routinedaten: Zur Richtlinienkonformität der Stufendiagnostik bei vermuteter Schlafapnoe AGENS Methodenworkshop 13.-14. Februar 2014 Hannover Schneider U, Linder R, Hagenmeyer E-G, Storz-Pfennig P, Verheyen F Motivation Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA, 2004): Änderung der Richtlinien Diagnostik von Schlafstörungen hinsichtlich anerkannter Untersuchungsmethoden bei schlafbezogenen Atemstörungen in der vertragsärztlichen Versorgung. Bis 2004: Polysomnographie (PSG) nur im Krankenhaus Leistung der GKV, nun Zulassung als ambulante ärztliche Leistung zu Lasten der GKV. Einteilung des Verfahrens in vier Stufen: 1. Anamnese 2. klinische Untersuchung 3. kardiorespiratorische Polygraphie (PG) 4. kardiorespiratorische Polysomnographie (PSG) 2

Polygraphie oder Polysomnographie? Kardiorespiratorische Polygraphie (PG) Kardiorespiratorische Polysomnographie (PSG) Messung peripherer Parameter des Herz- Kreislauf-Systems, der Atmung und der Körperlage. Die Schlafdauer wird als Schätzgröße ermittelt. Messung im Schlaflabor, die neben der Polysomnographie auch die Parameter des Herz-Kreislauf-Systems und der Atmung registriert. EEG: Elektroenzephalografie EOG: Elektrookulografie EMG: Elektromyografie Sie ermöglicht damit die Differentialdiagnostik sämtlicher schlafmedizinischer Erkrankungen einschließlich der schlafbezogenen Atmungsstörungen Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2005), Themenheft 27: Schlafstörungen, Berlin. 3 Daten und Fragestellungen durchgehend TK-versichert: 6,6 Mio. Versicherte 106.921 PSG bei 50.688 Patienten Vorquartale Analysequartale Nachbetrachtung Q1 und Q2 2009 Q3 2009 - Q1 2012 Q2 2012 Fragestellungen: Ausgangspunkt Termin der (Erst-)PSG a) Ging der PSG eine PG voraus? (Abgrenzung Index-PSG) b) Gewinn an Diagnoseinformationen durch PSG? (Quartalsbezug) c) Wurden Untersuchungen zur Ersteinstellung und weiteren Kontrollen nach einer Hilfsmittelverordnung mittels PSG erbracht? (Zuordnung zu Ersteinstellung) 4

ad a) Ging der PSG eine PG voraus? Polygraphie bis zu 90 Tage vor 1. PSG Polygraphie bis zu 180 Tage vor 1. PSG Index-PSG Versicherte mit Anteil in % Versicherte mit Anteil in % Stufendiagnostik Stufendiagnostik 50688 22055 43,51 30553 60,28 nur ambulant nur ambulant 23138 12902 55,76 16872 72,92 nur stationär nur stationär 27550 9153 33,22 13681 49,66 5 ad a) Ging der PSG eine PG voraus? Anteil Versicherter mit Polygraphie bis 180 Tage vor erster PSG (Nach KV der PSG) 63% 44% 58% 77% Korrektur um Fälle, bei denen keine Stufendiagnostik nach S3-Leitlinie 'nicht erholsamer Schlaf' vorgeschrieben ist. 71% 6

ad b): Diagnosegewinn nach PSG? Art der Diagnose im Vorquartal und im Quartal der PSG Vorquartal 4.428 ICD-10- Diagnosen PSG in 1. Quartalswoche: 3.587 Versicherte, davon: 2.709 Versicherte mit mind. einer ICD-10 für Schlafstörungen Vorquartal PSG-Quartal PSG-Quartal PSG in 1. Quartalswoche und quartalsgleiche Diagnose: 3.450 Versicherte, davon 1.428 Versicherte mit G47.39 im Vorquartal; 821 ohne Diagnose 3.425 ICD-10 Diagnosen bei G47.39 im Vorquartal Aufgreifkriterium Ergebnis 7 ad b): Diagnosegewinn nach PSG? PSG-Quartal, falls Vorquartal G47.39 im Vorquartal ICD-10 Titel Häufigkeit Anteil Häufigkeit Anteil* F51.- Nichtorganische 93 2,1 % 46 1,3 % Schlafstörungen G47.30 Zentrales Schlafapnoe- 102 2,3 % 72 2,1 % Syndrom G47.31 Obstruktives Schlafapnoe- 1.245 28,1 % 1.275 37,2 % Syndrom G47.32 Schlafbezogenes 22 0,5 % 20 0,6 % Hypoventilations-Syndrom G47.38 Sonstige Schlafapnoe 120 2,7 % 124 3,6 % G47.39 Schlafapnoe, nicht näher 1.660 37,5 % 1.327 38,7 % bezeichnet G47.3 Schlafapnoe 700 15,8 % 258 7,5 % G47.- Schlafstörungen 486 11,0 % 303 8,9 % Alle Diagnosen 4.428 100,0 % 3.425 100,0 % * Rundungsbedingte Differenzen. 8

ad c): Hilfsmittelversorgung und Ersteinstellungs-PSG? Hilfsmittel 90 Tage nach der PSG? 22.781 VE mit CPAP Anaylsequartale: Q3 2009 bis Q1 2012 Q2 2012 22.433 VE mit CPAP Nachbeobachtungszeitraum CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) 90 Tage nach 1. PSG ab Q3 2009 Versicherte mit Versicherte mit Anteil Versicherte Anzahl CPAP 1. PSG Hilfsmittelversorgung mit HM 50.688 22.781 44,94 23.388 Ersteinstellung durch PSG, weitere Kontrollen nur in Problemfällen eine PSG anstelle der PG erforderlich. Anteil der Kontrolluntersuchungen durch PSG? 9 ad c) Hilfsmittelversorgung und Ersteinstellungs-PSG PSG und PG innerhalb von 90 Tagen nach CPAP-Versorgung Anzahl Anteil in % PG oder PSG 90 Tage nach CPAP 5.475 24,4 darunter: PSG 90 Tage nach CPAP 3.957 18,6 PG 90 Tage nach CPAP 1.299 6,8 PG und PSG 90 Tage nach CPAP 219 1,0 keine Diagnostik 90 Tage nach CPAP 16.968 75,6 alle mit CPAP-Versorgung 22.443 100,0 Anmerkung: Nur CPAP-Versorgungen von 2009Q3 bis 2012Q1. Kontrollen nach Ersteinstellungs-PSG Polygraphie Polysomnographie 43,6 % 56,4 % Anmerkung: Alle PSG innerhalb von 30 Tagen wurden der Ersteinstellung zugerechnet. 10

Zusammenfassung in Thesen Folgerung 1: Nicht in allen Fällen wird die durch den G-BA in seiner Richtlinie geforderte Stufendiagnostik eingehalten. Es bestehen große Unterschiede zwischen ambulantem und stationärem Bereich. Folgerung 2: Hinsichtlich der Einhaltung der Stufendiagnostik bestehen deutliche regionale Unterschiede zwischen den KVen. Folgerung 3: Durch eine Polysomnographie kann nur in einem Teil der bestehenden unspezifischen Diagnosen die Genauigkeit erhöht werden. Folgerung 4: Untersuchungen zur Ersteinstellung nach einer CPAP-Versorgung werden zum großen Teil durch eine Polysomnographie erbracht. 11 Limitationen Bisher kaum Vorarbeiten zum zeitlichen Ablauf der Stufendiagnostik und der zeitlichen Abgrenzung in Routinedaten - keine Standards. Diagnosedaten lassen sich in Routinedaten nur schwer den diagnostischen Maßnahmen zuordnen. Notwendigkeit von PG und/oder PSG lässt sich aus den Routinedaten nicht ableiten. Offene Frage: Falls Index-PSG medizinisch angebracht, so müsste nach G-BA-Richtlinie dieser eine PG vorausgehen Ausgabenrisiko Falls Index-PSG nicht angebracht Einsparpotenzial 12

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. PD Dr. Udo Schneider www.wineg.de dr.udo.schneider@wineg.de