Schlafmedizin und Unternehmen Fortbildungsveranstaltung 49. arbeitsmedizinischer Salon Berlin 06. Juni 2011 Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) P-GD Dr. Manuela Huetten
Rechtsgrundlagen BO Strab., BO Kraft, EBO Bedienstete im ÖPNV und bei den Eisenbahnen Leitlinie für die Beurteilung der Betriebsdiensttauglichkeit in Verkehrsunternehmen (VDV Schrift 714): 2.1: Atemstörung, z.b. unbehandeltes Schlafapnoe-Syndrom Schlafstörung mit Tagesschläfrigkeit VDV Schrift in Vorbereitung Fahrerlaubnisverordnung (FeV), Ausgangspunkt: Novellierung Juni 2007, Anlage 4, Gruppe II Lungen- und Bronchialerkrankungen 11.2.1 unbehandelte Schlafstörung, wenn messbare auffällige Tagesschläfrigkeit vorliegt nein 11.2.2 behandelte Schlafstörung, wenn keine messbare auffällige Tagessschläfrigkeit vorliegt ja Änderung G25: 2.1.1 unbehandelte schlafbezogene Atmungsstörungen (Schlafapnoe) und dadurch verursachte ausgeprägte Vigilanzbeeinträchtigungen 2
Risikofaktoren für f r Schläfrigkeit am Steuer : Schlafbezogene Atmungsstörungen Schlafdeprivation andere Schlafstörungen Alkohol Drogen Medikamente Schichtarbeit Alleinfahrten längere Fahrstrecken ohne Pausen George; Thorax 2004 3
Definition schlafbezogener Atmungsstörungen Obstruktive Apnoe: Vollständiges Sistieren des oronasalen Luftflusses für mindestens 10 sec bei fortbestehender Aktivität der Atmungsmuskulatur. Obstruktive Hypopnoe: Reduktion des oronasalen Flusses auf 50% oder weniger für mind. 10 sec mit konsekutivem Abfall der Sauerstoffsättigung von mind. 4%. Schulz (Hrsg.): Kompendium Schlafmedizin DGSM
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Definition schlafbezogener Atmungsstörungen Apnoe-Index (AI) = Anzahl der Apnoen pro Stunde Schlaf Apnoe-/Hypopnoe-Index (AHI) = Anzahl der Apnoen und Hypopnoen pro Stunde Schlaf Respiratory Disturbance Index (RDI) = Anzahl der Apnoen und Hypopnoen ohne Kenntnis der Schlafphasen Rasche et al. (Hrsg.): Schlafbezogene Atmungsstörungen in Klinik und Praxis; 1999 6
Schlafstörung mit Tagesschläfrigkeit Handlungshilfe für die betriebsärztliche Beurteilung von Fahrzeugführern und Betriebsbediensteten 1. Routinediagnostik 2. Weiterführende Diagnostik 3. Bescheinigung nach erfolgreicher Behandlung 4. Regelmäßige Kontrollen Anlage 1 Epworth Sleepiness Scale Fragebogen Anlage 2 Muster- Begleitschreiben 7
1. Routinediagnostik die Anamnese sollte zunächst um den Fragebogen zur Tagesschläfrigkeit erweitert werden der ausgefüllte Bogen ist Inhalt des Arzt Patient Gespräches wird in diesem Fragebogen eine Punktzahl von mehr als 11 erreicht, handelt es sich um einen Patienten mit Einschlafneigung am Tage darüber hinaus sollen folgende Fragen obligat gestellt werden: 1.Schnarchen Sie häufig (fast jede Nacht bzw. mehrmals in der Woche) oder berichtet Ihr Partner darüber 2. Haben Sie Atemaussetzer oder berichtet Ihr Partner darüber? 3.Leiden Sie am Tage unter Schläfrigkeit? (Fallen Ihnen die Augen zu, schlafen Sie ungewollt ein?) 4.Hatten Sie schon einmal während der Arbeit Sekundenschlaf? Sind Sie am Steuer schon einmal eingeschlafen? Werden die Fragen 1 und 2 mit ja beantwortet, besteht der Verdacht auch eine schlafbezogene Atemstörung. Werden die Fragen 3 oder 4 mit ja beantwortet, besteht der Veracht auf Tagesschläfrigkeit. 8
weitere Symptome, die einen Hinweis auf eine schlafbezogene Atemstörung geben können nächtliche Dyspnoe unruhiger Schlaf Nykturie nächtlicher Reflux Mundtrockenheit morgendliche Kopfschmerzen Konzentrationsstörungen Persönlichkeitsveränderungen Depressionen Potenzstörungen Kryger, Roth, Dement (editors): Principles and practice of sleep medicine; 3rd ed. 2000 9
Fragebogen zur Tagesschläfrigkeit (Epworth Sleepiness Scale) Datum: Die folgende Frage bezieht sich auf Ihr normales Alltagsleben in der letzten Zeit: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Sie in einer der folgenden Situationen einnicken oder einschlafen würden, - sich also nicht nur müde fühlen? Auch wenn Sie in der letzten Zeit einige dieser Situationen nicht erlebt haben, versuchen Sie sich trotzdem vorzustellen, wie sich diese Situationen auf Sie ausgewirkt hätten. Benutzen Sie bitte die folgende Skala, um für jede Situation eine möglichst genaue Einschätzung vorzunehmen und kreuzen Sie die entsprechende Zahl an: 0 = würde niemals einnicken 1 = geringe Wahrscheinlichkeit einzunicken 2 = mittlere Wahrscheinlichkeit einzunicken 3 = hohe Wahrscheinlichkeit einzunicken 10
Im Sitzen lesend Situation Wahrscheinlichkeit einzunicken Beim Fernsehen Wenn Sie passiv (als Zuhörer) in der Öffentlichkeit sitzen (z.b. im Theater oder bei einem Vortrag) Als Beifahrer im Auto während einer einstündigen Fahrt ohne Pause Wenn Sie sich am Nachmittag hingelegt haben, um auszuruhen Wenn Sie sitzen und sich mit jemand unterhalten Wenn Sie nach dem Mittagessen (ohne Alkohol) ruhig dasitzen Wenn Sie als Fahrer eines Autos verkehrsbedingt einige Minuten halten müssen Bitte nicht ausfüllen Summe 11
1. Routinediagnostik Anamnese: mit ESS 0 5 Nein; nur in Ausnahmefällen bei ausgeprägter Risikokonstellation, z.b. berichteter Sekundenschlaf 6 8 Sinnvoll bei zusätzlichen Risikofaktoren* 9 11 Empfohlen, insbesondere bei zusätzlichen Risikofaktoren > 11 Ja 12
1. Routinediagnostik Risikofaktoren: geben weitere Hinweise auf das Vorliegen einer Schlafstörung mit möglicher Tagesschläfrigkeit BMI > 30 Diagnostizierter Hypertonus COPD KHK Herzrhythmusstörungen Diabetes mellitus 13
1. Routinediagnostik Beurteilung: Bestehen ein oder mehrere dieser Risikofaktoren und klagt der Proband über Tagesschläfrigkeit, ist eine weitere Diagnostik notwendig, auch wenn das Ergebnis des ESS-Fragebogens unter 11 Punkte liegt. Fahrerlaubnisrecht! G 25: Liegt der BMI >= 30 kg/m² und kommen weitere Kriterien hinzu, wie z.b. Hypertonie, KHK, COPD, ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorligen einer schlafbezogenen Atmungsstörung erhöht. Entscheidung aufgrund der Arbeitsaufgabe! 14
Beschäftigungsverbote FEV: Wer beim Autofahren oder am Arbeitsplatz zwanghaft auch selten einschläft, muss zwingend einer weiteren Diagnostik zugeführt werden. Nur in diesem Fall kann der Proband bis zum Abschluss der Diagnostik nicht mehr im Fahrdienst eingesetzt werden. G25: Nur bei klinisch relevanter Tagesschläfrigkeit unter Berücksichtigung der individuellen Arbeitsaufgabe: Befristete gesundheitliche Bedenken bis zur Abklärung. 15
Stufendiagnostik BUB-Richtlinien: Stufe 1: Anamnese des Schlaf-/ Wachverhaltens Stufe 2: Klinische Untersuchung, insbesondere im Hinblick auf Stoffwechselerkrankungen, Herz-, Kreislauferkrankungen, Ventilationsstörungen, neurologische und psychiatrische Erkrankungen Stufe 3: Kontinuierliche Registrierung von Atmung, Sauerstoffgehalt des Blutes, Herzfrequenz und der Körperlage während einer mind. 6-stündigen Schlafphase Stufe 4: Polysomnographie Bundesanzeiger Nr. 57 vom 23.03.2004 16
2. Weiterführende Diagnostik Befristete betriebsärztliche Bedenken gegen die Fahrtauglichkeit rechtfertigen eine kassenärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit! weitere Abklärung über einen Lungenfacharzt, HNO und/oder ein Schlaflabor erfolgen! Begleitschreiben an Hausarzt Betriebliches Risikoscreening, z.b. MicroMesam geeignet zur Motivation der Mitarbeiter, zur Abschätzung der Schwere der Störung, aber: klärt nicht die Frage der Tagesschläfrigkeit! 17
2. Weiterführende Diagnostik - Folgen bei V.a. Schlafstörung mit Tagesschläfrigkeit sind befristete Bedenken (AU durch Kassenarzt) gerechtfertigt, es sei denn, es kann ein anderer AP zur Verfügung gestellt werden ggf. kann ein frühzeitig durchgeführter Vigilanztest die betriebsärztlichen Bedenken aufheben Wird die Diagnose Schlafapnoe gestellt, besteht weiterhin Tagesmüdigkeit und kann der Patient nicht behandelt werden, bestehen dauernde Bedenken gegen die Betriebsdiensttauglichkeit und gegen das Führen von Fahrzeugen der Gruppe II, sowie für Fahrzeuge mit PB 18
3. Bescheinigung nach erfolgreicher Behandlung Bescheinigung des Schlaflabors sollte enthalten: die durchschnittliche Nutzungsdauer pro Nacht und die Behandlungsdauer (mindestens täglich 4 Stunden über mindestens 2-4 Wochen) sofern zur Behandlung ein cpap Gerät o. ä. empfohlen war, Angaben über subjektive Besserung und einen unauffälligen Vigilanztest. 19
4. Regelmäßige Kontrollen NU spätestens nach einem Jahr mit fachärztlicher Bescheinigung 2. NU nach weiteren 2 Jahren, mit fachärztlicher Bescheinigung* weitere NU`s nach 3 Jahren Eine weitere betriebsärztliche Diagnostik ist dann nicht mehr notwendig! * ggf. reichen eine Anamnese: ESS, 4 Fragen, schlafmedizinisches Protokoll 20
4. Regelmäßige Kontrollen Bei Auftreten von z.b. gehäuften Unfällen oder neuen Risikofaktoren, wie z.b. einer Gewichtszunahme von 5 kg oder der Entwicklung eines Bluthochdrucks. Abbruch der Behandlung: Der Proband ist darauf hinzuweisen, dass er verpflichtet ist, den Abbruch der Behandlung oder die Veränderung des Risikoprofils unverzüglich dem Betriebsarzt mitzuteilen. 21
Schlafmedizin und Unternehmen Danke für Ihre Aufmerksamkeit! 22