Siedlungsentwicklung in Österreich

Ähnliche Dokumente
Voraussetzungen und Praxis der Regionalpolitik - Übersicht

Perspektiven zur Positionierung von Stadtregionen in Österreich. Rudolf Giffinger Vortrag bei der ÖROK - ÖGR Fachtagung Wien, 9.11.

Erosion im österreichischen Siedlungssystem: strukturelle Kennzeichen und regionale Perspektiven

STADTENTWICKLUNG IN DEUTSCHLAND

Arbeitsplätze nach Wirtschaftssektoren

Bevölkerungsprognose für Österreich

Bevölkerungsentwicklung: Probleme, Chancen, Perspektiven

Tirols Wirtschaft im Bundesländervergleich 2015 Abteilung Wirtschaftspolitik und Strategie Juni 2015

Wachsende und schrumpfende Städte und Gemeinden in Deutschland

Bruttoregionalprodukt (BRP) je EinwohnerIn, laufende Preise, Index AT=100, EU28=100

Demographischer und ethnosozialer Wandel in Österreich Norbert Ortmayr

Eine ökonomische Standortbestimmung des Burgenlandes

Die Entwicklung Vorarlbergs vom Gastarbeiter- zum Einwanderungsland

Zuwanderung Chance und Herausforderung für das Handeln der Kommunen

STEP 2014 Kontext und Handlungsoptionen. DI Thomas Madreiter Abteilungsleiter Stadtentwicklung und Stadtplanung (MA 18)

Wachstumsperspektiven der deutschen Großstädte

Demographische Veränderungen

Zur Entwicklung der Stadtregionen in Österreich

stadtregion+ Strategien zur räumlichen Entwicklung der Stadtregion Wien Niederösterreich Burgenland

in der Region östlich von Wien

Gemeinden, Städte, Grundlagen. GS Mag. Dr. Thomas Weninger, MLS

1. Makroökonomische Daten. 2. Tourismusstatistik

Entwicklung des Siedlungssystems in Ungarn

DIE ATTRAKTIVITÄT DER PERIPHERIE. Stadtplanung aktuell 2006

Regionale Bevölkerungsentwicklung in der Steiermark

Österreich. von Elisabeth Lichtenberger. Mit 79 Figuren, 20 Karten, 119 Bildern und 75 Tabellen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt

Industrieland Oberösterreich. Daten & Fakten

Alterndes Österreich im alternden Europa. Ein Blick ins 21. Jahrhundert

und kein Ende in Sicht?

Demographischer Wandel - Herausforderung und Chance für f r das Miteinander der Generationen

Steiermark: Die wirtschaftliche Entwicklung der NUTS-3-Regionen

Arbeitswelt im Wandel: Was hat sich in Österreich in den vergangenen 20 Jahren getan?

Langfristige Bevölkerungstrends in Europa

STADTREGIONEN: EINE REALITÄT ERFORDERT ÜBERREGIONALE AUFMERKSAMKEIT.

Räumliche Muster der innerdeutschen Wanderungen von und nach Stuttgart: Wanderungsgewinne vor allem aus Baden-Württemberg

Nr.1. In Wien, Niederösterreich und

Bevölkerungsentwicklung im ländlichen Raum: Wer gewinnt wer verliert?

Das wachsende und das schrumpfende Österreich

PROTOKOLL. Thema/Titel: SWOT-Analyse

Tirol Werbung / Tourismus Netzwerk STATISTIK RUMÄNIEN 2017

1. Makroökonomische Daten. 2. Tourismusstatistik

Arbeitsmarktservice Burgenland

Diese Trends prägen steirischen Arbeitsmarkt bis 2030

Industrieland Oberösterreich. Daten & Fakten

Regionalprogramme der EU-Strukturfonds wirkten positiv: Geförderte Regionen wuchsen überdurchschnittlich

Gelingende Offene Jugendarbeit: Ein Standortfaktor für Kommunen mit Zukunft!

3. Die gesellschaftliche Entwicklung des Waldviertels

Salzburg altert: Trends, Ursachen, Konsequenzen

Stadtentwicklung in Europa

Zuzug ins Stadtumland Motive für die Wanderung im Ballungsraum Wien

1. Makroökonomische Daten. 2. Tourismusstatistik

Geschlechtersensible Regionalrecherche Burgenland im Rahmen des Workshop GEM/WIBAG

Urbanisierung abseits der globalen Metropolen

Optionaler Themenbaustein Demografischer Wandel

Was muss man aus der Demografie lernen?

Die demographische Entwicklung Vorarlbergs

Entwicklung der Kommunen im demografischen Wandel

Konjunkturbeobachtung für das Baugewerbe

Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung. Landesentwicklung und Regionalplanung

Wertschöpfung in ländlichen Räumen schaffen: xxxxxxxxx Mit investiver Förderung Wertschöpfung generieren

Ostschweiz: Sind wir gemeinsam stärker?

Die Arbeitsmarktlage im Fremdenverkehr 2001 Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Stellenangebot,...

TIROLER WIRTSCHAFT IM BUNDESLÄNDERVERGLEICH. Abteilung Wirtschaftspolitik, Innovation und Strategie Vorsprung durch Information

ERDKUNDE: Unterrichtsthemen Abitur 2019 (vgl. Anlage 3)

Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit ländlicher Räume

Zu einigen Auswirkungen der demographischen Entwicklung

Kleinräumige Bevölkerungsvorausberechnungen für die Stadt Trier

Vortrag an den Ministerrat. Aktuelle Arbeitsmarktlage

1. Makroökonomische Daten. 2. Tourismusstatistik

Vortrag an den Ministerrat. Aktuelle Arbeitsmarktlage

Vortrag an den Ministerrat. Aktuelle Arbeitsmarktlage

Arbeitskreis 1 Pflegevorsorge im demografischen Wandel

Vortrag an den Ministerrat. Aktuelle Arbeitsmarktlage

Bank Austria Economics and Market Analysis. Bundesländer. Aktuell. November

Durchschnittspreise Objektkategorie/Bundesland Durchschnitt Durchschnitt BAUGRUNDSTüCKE. Veränderung %

Beschäftigtenentwicklung in OÖ (am Arbeitsort) 2014 Vergleich mit 2013

Ländliche Wohnungsmärkte in Schrumpfungsregionen

1. Makroökonomische Daten. 2. Tourismusstatistik

1. Makroökonomische Daten. 2. Tourismusstatistik

Sozioökonomische Entwicklung Stadt Delitzsch. Förderer & Partner

Endbericht. Auswirkungen der Einführung der fahrleistungsabhängigen Maut auf Unternehmen. Umfrage Juni 2005

Beschäftigungswachstum trotz Konjunkturabschwung

Das Disparitätenproblem in der EU

1. Makroökonomische Daten. 2. Tourismusstatistik

Demographischer Wandel im Raum

Suburbanisierung von Handel und Dienstleistungen

VO Raumplanung und Raumordnung

Amt der Oö. Landesregierung Direktion Präsidium Information der Abt. Statistik. Regionales BIP 2011 nach Bundesländern 1/2013

Bericht zur demografischen Entwicklung der Stadt Lüdenscheid. Die Trends zur Bevölkerungsentwicklung zwischen 2008 und 2015

Verkehrsmittel Wo? Wohin? Straßenbahn Stadt in die Arbeit

Die Arbeitsmarktlage in der Baubranche im Jahr 2001 Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Stellenangebot,...

Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen. Regionenforum 2007 Planungsansätze im Pinzgau

Pendler. Fotografien: Andreas Bohnhoff

Tourismus-Bilanz der Wintersaison 2008/2009

TIROLER WIRTSCHAFT IM BUNDESLÄNDERVERGLEICH. September Abteilung Wirtschaftspolitik und Strategie Vorsprung durch Information

GW-WH - 3B Fragenkatalog

17/7. Vortrag an den Ministerrat. Aktuelle Arbeitsmarktlage GZ: BMASGK /0107-VI/A/6/2018. Betreff: Arbeitsmarktlage im Monat April 2018

Entwicklung von Wanderungsbewegungen in Nordrhein-Westfalen

Transkript:

Siedlungsentwicklung in Österreich Befunde und Perspektiven zur Entwicklung des Siedlungssystems in Österreich Rudolf Giffinger 1. regionale Wirtschaftsentwicklung 2. regionale Bevölkerungsentwicklung 3. Wanderungen 4. Perspektiven der regionalen Bevölkerungsentwicklung 1 zu den räumlich-institutionellen Vorausetzungen Österreich als Grenzland 85% der österreichischen Bevölkerung befinden sich in grenznahen Gebieten (max. 60 km von nächstgelegener Grenze) alle großstädtischen Ballungsgebiete 2 1

wirtschaftlicher Strukturwandel Landwirtschaft verliert auf unterstem Niveau Industrie und Gewerbe verliert nach 1992 weiterhin in Sachgüterproduktion Dienstleistungen nehmen zu gewinnt weiterhin produzentennahe Dienste Verlust bei sozialen/öffentlichen Diensten 2000000 1800000 1600000 1400000 1200000 1000000 800000 600000 400000 200000 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 Prim.S. Sekund.S. tert.s. 3 wirtschaftlicher Strukturwandel unselbständig Beschäftigte 2000: 2,122 Mio. nimmt kontinuierlich zu Sachgütererzeugung Expansion Pharmazeutika PKW-Einzelteile Verluste Textilindustrie Grundstoff- u. Schwerindustrie AP 1998/00: - 4.500 positiv: T,V,S,K,St negativ: W,Nö,B,Oö Dienstleistungen Expansion wirtschaftsbez. DL Gesundheit, Veterinäru. Sozialwesen Beherbergungs- u. GAststättenwesen Stagnation öffentliche Verwaltung AP 1998/00: +80.000 positiv: in allen Bdesl. B (3,1%), Oö (2,7), Nö, St, V, T, K, S, W (1,0) 4 2

Schwarz W. (1987) Langfristige industrielle Standortverschiebungen innerhalb Österreichs und ihre räumlichen Bestimmungsgründe, AMR-Info, Wien 5 Trends in der industriellen Entwicklung In Ö. Bedeutung der Standortfaktoren Einzelne Standortfaktoren wechseln ihre Bedeutung andere verlieren ihren Engpasscharakter Lokalisationsmuster ausgeprägter Westösterreich Trend eine sich Ende 70/Anfang 80er Jahre sich abschwächende Zentrum- Peripherie-Bewegung Schrumpfungsprozesse in Alten-Industriegebieten extreme Substanzverluste in großstädtischen Kerngebieten wichtig für Standortgunst Nähe zu westeurop. Exportmärkten und Innovationszentren qualitat. hochwertige Verkehrsinfrastruktur just-in-time-konzepte in der betriebl. Organisation reg. Wirtschaftsstrukturen, die spin-off-effekte begünstigen landschaftliche Attraktivität hemmende Faktoren Verdichtung und Bodenpreise in Ballungsräumen; industrielle Investitionsräume liegen außerhalb der mit Verdichtungsproblemen belasteten Ballungsräume; Megastrukturen der alten Industriegebiete organisatorisch, baulich, funktionell 6 3

regionale Disparitäten: Gebiete mit eingeschränkten Erwerbschancen Folgen in den 80er Jahren sehr hohe Pendleranteile kaum noch Abwanderungen kein Potenzial mehr hoher Anteil an Arbeitslosen v.a. Frauen ÖRK, 1991 7 regionale Disparitäten: Gebiete mit rückläufiger Entwicklung Folgen in den 80er Jahren betroffene Peripherie Grenzräume im Norden, Osten und Süden alte Industriegebiete Obersteiermark südl. Nö Abwanderung v.a. auch im Süden ÖRK, 1991 8 4

BIP in KKP: 1999 Die räumlichen Muster ändern sich nur langsam, aber Konvergenz in Regionalentwicklung Ostösterreich profitiert von Ostöffnung Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung 9 Entwicklung nach Größenklassen, 1991-2001 Wien als Primate City verliert ein wenig an Bevölkerung, deutlich mehr an Arbeitsplätzen Graz, Salzburg, Linz, Innsbruck ähnlich wie Wien, aber weniger Verluste an Arbeitsplätzen Mittelstädte stabile Entwicklung Kleinstädte vor allem positiv bei Beschäftigten 10 5

demografische Entwicklung Mittel- und Kleinstädte alten deutlich rascher als Großstädte Situation zu 2001 ist aber sehr unterschiedlich: 3 Mal so viel Jugendliche in Kleingemeinden als in Wien Kleinere Städte wachsen deutlich schneller als Mittelund Großstädte Großstädte brauchen eine positive Wanderungsbilanz 11 Beschäftigtenentwicklung 1991-2001 Arbeitsplatzentwicklung ca. 170.000: größter Gewinn in Gemeinden unter 5.000 EW Strukturwandel durchwegs Verluste in Sachgüterindustrie Handel geringe Verschiebungen zugunsten kleinerer Städte enorme Zuwächse in Städten und Gemeinden bei sehr unterschiedlichem Ausgangsniveau 12 6

Kennzeichen der Stadtregionen Kernstädte: Großstädte (=4 Landeshauptstädte) verlieren; Mittel- und Kleinstädte sowie Wien als wachsen sehr wenig große Gewinner sind die Außenzonen in allen Größenklassen als Ergebnis der Suburbanisierung Stadtregionen Österreichs: 2/3 aller EW und ¾ aller AP Stadtregion Wien weitaus am größten, aber am wenigsten ausgewogenes Verhältnis von EW zu AP Kernräume trotz Auslagerungen noch immer AP-Zentren 13 EW demografischer unter 15 Jahre: Wandel in den Stadtregionen nehmen in Stadtregion Wien am raschesten zu sind in der Bilanz von Kernstadt und Außenzone der Groß- und Mittelstädte stabil nehmen in Kleinstadtregionen deutlich ab EW über 65 Jahre: Ausnahme Kernstadt Wien und 4 Landeshauptstädte v.a. in Außenzonen starke Zunahmen 14 7

Arbeitsplatzentwicklung in Stadtregionen Stadtregionen, v.a. die Außenzonen als Zentren der Wirtschaftsentwicklung Gewinner sind v.a. die Zentralräume von Graz, Salzburg, Linz und Innsbruck alle Städte, am schnellsten Wien, verlieren die AP in der Sachgütererzeugung Zugewinne an APen daher primär im Handel und bei wirtschaftsnahen Diensten 15 Stadtregionen in Österreich weiträumige Verflechtungsräume bei Wien und Großstädten; manche Insellagen im alpinen Raum Zusammenwachsen der Stadtregionen entlang der wichtigsten Verkehrskorridore schon bei Abgrenzung mit Stand 1991 erkennbar; vermutlich mit Daten 2001 verifizierbar Stadtregionen liegen jeweils in einem Bundesland 16 8

in jedem Bundesland ZO als Kernstädte, Teil von Stadtregionen oder in Insellage in eher ländlich- Anforderungen an ZO im lokal-regionalen peripheren Gebieten Kontext Bedingungen für das Angebot von privaten und öffentlichen Einrichtungen in der Kernstadt, in der Außenzone und im ländlich-peripheren Raum sehr unterschiedlich divergentes Stadtwachstum Ist es daher noch sinnvoll, mit einem einheitlichen ZO- Konzept für das gesamte Bundesland zu agieren? Wären nicht bundesweite Konzepte für bestimmte Raumtypen effektiver für die räumliche Steuerung von zentralen Einrichtungen? 17 Entwicklungschancen z.b. für die Stadtregion Wien, Salzburg, Graz, Eisenstadt oder Städte im Rheintal Anforderungen an ZO im Kontext von durch Abbau der Grenzen Grenzen neue Bedingungen für polyzentrale Entwicklung unter Nutzung der Potenziale benachbarter Grenzstädte Gewinner und Verlierer Ist der ZO-Ansatz ein geeignetes Steuerungsinstrument für polyzentrale Entwicklungen? Müssten nicht solche Konzepte zwischen den betroffenen Ländern VO sowie MOE in- und ausländischen Städten aufeinander abgestimmt sein? 18 9

Wettbewerbsdruck für die Stadtregion Wien als europäische Metropolenregion angesichts sehr mobiler international agierender Unternehmen Anforderungen an ZO im europäischen Kontext präzise Angebotsplanung aufgrund kaum abschätzbarer Nachfrage mittel- und langfristig nicht möglich Wachstumspotenziale für alle Stadtgrößen Ist der ZO-Ansatz als Angebot orientierter Ansatz ein geeignetes Steuerungsinstrument für polyzentrale Entwicklungen auf Metropolenebene? Sollten Nachfrage orientiert Konzepte nicht möglich flexibel zwischen den betroffenen Ländern sowie in- und ausländischen Städten aufeinander abgestimmt sein? Ist es sinnvoll, dass die Stadt Wien im Zuge des STEP 05 ein polyzentrales Modell entwickelt, das weit nach Niederösterreich und bis Bratislava reicht, ohne dafür auch die Kompetenz zu besitzen? 19 10