- 22-10 Allgemeine Geschäftsbedingungen Lit.: Schlosser, Jura 1980, 381-389, 434-446. Ausführliche Nachweise bei Medicus, AT 5 27. I. Allgemeine Bedeutung II. Der Begriff der AGB, 305 BGB 1. Die einzelnen Voraussetzungen - Regelung des Inhalts von Verträgen Auch einseitige Rechtsgeschäfte, vgl. BGHZ 98, 24, 28 = NJW 1986, 2428, 2429. - AGB müssen vorformuliert sein. - Sie müssen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sein (Ausnahme: 310 III Nr. 2) - Sie müssen von einer Vertragspartei gestellt sein. 2. Die Abgrenzung zur Individualvereinbarung Der Vertragspartner muß die Möglichkeit gehabt haben, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. BGH NJW 1988, 410: "Aushandeln bedeutet... mehr als Verhandeln. Auch genügt hierfür nicht, dass das Formular dem Vertragspartner bekannt ist und nicht auf Bedenken stößt, dass der Inhalt lediglich erläutert oder erörtert wird. Vielmehr kann von "Aushandeln" nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen "gesetzesfremden" Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen." Vgl. auch BGHZ 143, 104, 111 f. III. Der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle 1. Sachlicher Anwendungsbereich, 310 BGB 2. Persönlicher Anwendungsbereich, 310 BGB a) Unternehmer und juristische Personen des öff. Rechts b) Verbraucherverträge 3. Umgehungsverbot, 306 a BGB IV. Die Einbeziehungsvoraussetzungen, 305 Abs. 2 BGB - Ausdrücklicher oder in Ausnahmefällen durch deutlich sichtbaren Aushang geführter Hinweis auf die AGB. - Möglichkeit für den Vertragspartner, in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen. - Einverständnis des Vertragspartners mit der Geltung der AGB. Die Bezugnahme auf AGB nach Vertragsschluß auf Rechnungen, Lieferscheinen etc. ist deshalb grundsätzlich wirkungslos (so schon die frühere Rechtsprechung).
- 23-1. Der Hinweis auf die AGB, 305 I Nr. 2 BGB nf ( 2 I Nr. 1 AGBG) Fall 58 (nach LG Köln, NJW 1970, 1750): Der im Parkhaus de P abgestellte Pkw des A wird aufgebrochen. A verlangt von P den Ersatz eines Fotoapparates, der dabei entwendet worden ist. P verweist auf die Aushänge an den Enden des Korridors, den jeder Kunde passieren muß, und an der Kasse, auf denen sich der Hinweis findet, dass für Inhalt und Ladung der eingestellten Kfz. kein Versicherungsschutz bestehe und keine Haftung übernommen werde. Lösungshinweis: Konkludenter Vertragsschluß, daher ausdrücklicher Hinweis nicht möglich. Deutlich sichtbarer Aushang reicht. Fall 59: Gebrauchtwagenhändler V verkauft dem K einen alten Opel zum Preis von EUR 2.000,--. Trotz Untersuchung hatte V einen vorhandenen Motorschaden nicht entdecken können. Auf der Rückseite eines Formulars, auf dem V und K den im einzelnen ausgehandelten Vertrag fixiert hatten, war u.a. die Klausel "Gekauft wie besichtigt, unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung" abgedruckt. nachdem K den Fehler entdeckt hatte, will er dem V das Fahrzeug wieder zurückgeben. V hingegen beruft sich auf seine AGB. Lösungshinweis: Wandlung: 437 Nr. 2, 434 BGB. Durch AGB ausgeschlossen? Begriff: 305 I BGB. Einbeziehung in den Vertrag? Hier ausdrücklicher Hinweis erforderlich. 2. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme, 305 II Nr. 2 BGB Die AGB müssen für einen Durchschnittskunden mühelos lesbar und ohne übermäßigen Zeitaufwand (angemessen im Verhältnis zum Umfang des beabsichtigten Geschäftes) verständlich sein. Bei Ausländern ist gegebenenfalls Übersetzung anzubieten. OLG Saarbrücken NJW-RR 2001, 993. 3. Die überraschende Klausel, 305 c I BGB Bestimmungen, die nach den Umständen so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner mit ihnen nicht zu rechnen brauchte, werden nicht Vertragsinhalt. Beachte: Im Unterschied zur typisierenden Inhaltskontrolle ( 307 309 BGB) ist der Überraschungseffekt nach 305 c I BGB aufgrund der individuellen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. 4. Sonderproblem: Einander widersprechende AGB Vgl. hierzu Striewe, Kollidierende Allgemeine Geschäftsbedingungen: Vertragsschluss und Vertragsinhalt: JuS 1982, 728 732. Die heute h.m. wendet die Auslegungsregeln der 154 I, 155 BGB an: Haben die Parteien durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie den Vertrag durchführen wollen, so gilt das Vereinbarte, nämlich die einander nicht widersprechenden Teile der beiden AGB. Im übrigen greift gem. 306 II BGB nf ( 6 II AGBG) dispositives Recht ein. Ist solches nicht vorhanden oder weicht der Vertrag vom Vorstellungsbild des Gesetzgebers wesentlich ab, so kommt die ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (vgl. MünchKomm/Basedow 4 6 AGBG Rn. 22 f.).
- 24 - V. Die Auslegung von AGB Dreher, Die Auslegung von Rechtsbegriffen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen: AcP 189 (1989), 342-385. Auslegung zu Lasten des Verwenders bedeutet, dass die kundenfeindlichste zu wählen ist, sofern sie zur Nichtigkeit (Unzulässigkeit) der Klausel führt (MünchKomm/Basedow 4 5 AGBG Rn. 18; Palandt/Heinrichs 60 5 AGBG Rn. 9). Nur, wenn die Klausel nach keiner Auslegungsmöglichkeit nichtig ist, gilt die kundenfreundlichste Variante. VI. Die Inhaltskontrolle Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn eine Bestimmung - mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist, oder - wesentliche sich aus der Natur des Vertrages ergebende Rechte oder Pflichten übermäßig (zweckgefährdend) einschränkt, oder - unklar oder unverständlich ist. 1. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, 309 BGB 2. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, 308 BGB Bsp.: BGH NJW 1990, 1784 (zu 10 Nr. 1 AGBG) - Bindungsfrist in Neuwagen-Verkaufsbedingungen: Gegenbeispiel: OLG Frankfurt a.m. NJW-RR 1998, 566. 3. Die Generalklausel des 307 I BGB a) Grundsatz, 307 I BGB Beispiele aus der Rspr.: - BGH NJW 1990, 716 - Globalzession mit dinglicher Verzichtsklausel, aber ohne Schutz vor Übersicherung - BGHZ 120, 300 = NJW 1993, 533 - erweiterter und verlängerter EV, falls nicht bei mehr als 20%iger Übersicherung Freigabe verlangt werden kann - BGHZ 125, 343 = NJW 1994, 1532 - Jederzeitiges Kündigungsrecht beim Kreditkartenvertrag (VISA) - BGHZ 127, 35 = NJW 1994, 2693 = ZIP 1994, 1358-10jährige Laufzeit (ohne Alternative) beim Unfallversicherungsvertrag Fall 60 (BGHZ 133, 184 = NJW 1996, 2574): Im Eingangbereich eines Supermarktes ist folgender Hinweis angebracht: Information und Taschenannahme. Sehr geehrte Kunden! Wir bitten Sie höflich, Ihre Taschen hier an der Information vor dem Betreten des Marktes abzugeben. Andernfalls weisen wir Sie höflichst darauf hin, dass wir an den Kassen gegebenenfalls Taschenkontrollen durchführen müssen. Der Verbraucherverein V klagt gemäß 1 UKlaG ( 13 AGBG) auf Unterlassung. Mit Aussicht auf Erfolg? Lösungshinweis: Grundlage: 1 I UKlaG. Voraussetzung: unangemessene Benachteiligung isv. 307 I BGB. Ankündigung der Taschenkontrolle hat rechtsgeschäftliche Natur. Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, BGHZ 124, 39 = NJW 1994, 188. Berufungsurteil: OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1995, 1330.
- 25 - b) Auslegungsregeln (1) 307 II Nr. 1 BGB Beispiele: - Vorschriften über Willensmängel (BGH NJW 1983, 1671) - Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung bei gegenseitigem Vertrag (BGH NJW 1982, 181) Vorteilsausgleichung etc. - Bankgebühr für Erfüllung gesetzlicher Pflichten (BGH NJW 2000, 651). Beispiele: (2) 307 II Nr. 2 BGB - Preisklausel beim Zeitschriftenabonnement: "Preiserhöhungen oder Änderungen der ortsüblichen Zustellgebühr entbinden nicht von diesem Vertrag, auch dann nicht, wenn diese Änderungen zwischen Vertragsschluß und Lieferbeginn liegen." (BGH NJW 1980, 2518). - Zulässige Haftungseinschränkung beim Gebrauchtwagenkauf: "... wie besichtigt und unter Ausschluß jeder Gewährleistung" (BGHZ 74, 383 = NJW 1979, 1886; BGHZ 98, 108; 108, 63). - Zu den Kardinalpflichten gehört neben den vertraglichen Hauptpflichten auch die Verpflichtung des Verwenders, seine Leistung innerhalb des vertraglich vereinbarten Zeitraums bzw. zu der vertraglich vereinbarten Zeit zu erbringen (OLG Köln NJW-RR 1998, 1274) Gegenüber Unternehmern (Kaufleuten): - BGHZ 89, 363 - Vertrag über Kaltlagerung von Fleisch, keine Freizeichnung für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit einfacher Gehilfen möglich, obwohl 11 Nr. 1 AGBG gegenüber dem Kaufmann nicht gilt. - BGH NJW 1991, 2630 - Endgültiger und gleichzeitiger Ausschluss von Wandelung und Minderung, auch wenn stattdessen ein Rücktrittsrecht eingeräumt wird. Fall 61 (nach LG Dortmund, VuR 1995, 137 ff.): Jurastudentin J freut sich, da sie es auf dem Robbie Williams Konzert bis in die dritte Reihe geschafft hat. Als er sie dann auch noch anlächelt, fällt J in Ohnmacht. Sie erleidet hierbei ernsthafte Verletzungen, da die Sanitäter aufgrund des zugebauten Bühnenbereichs zu spät Hilfe leisten können. Die Konzertveranstaltung lehnt eine Haftung mit dem Hinweis auf ihre AGB, nach der nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet werden soll, ab. Lösungshinweis: Soweit es um Gesundheit und Leben geht, gehört die Verkehrssicherungspflicht bei einer Konzertveranstaltung zu den Kardinalpflichten. Daher keinerlei Freizeichnung möglich. (3) 307 II Nr. 3 BGB nf c) Inhaltskontrolle bei Verbraucherverträgen Heinrichs, Das Gesetz zur Änderung des AGB-Gesetzes - Umsetzung der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen durch den Bundesgesetzgeber, NJW 1996, 2190. Das sonst geltende Dogma, dass Inhaltskontrollen nach 307 I BGB nach dem objektivierten Klauselinhalt vorzunehmen sind (generelle, überindividuelle Betrachtung), wird für Verbraucherverträge durch 310 III Nr. 3 BGB insofern durchbrochen, als alle Einzelfallumstände zu berücksichtigen sind. Anzulegen ist bei Verbraucherverträgen also zusätzlich ein konkret-individueller Maßstab.
- 26-4. Inhaltskontrolle außerhalb des Anwendungsbereichs der AGB-Vorschriften Coester-Waltjen, Die Inhaltskontrolle von Verträgen außerhalb des AGBG, AcP 190 (1990), 1-33. - Verträge auf den Gebieten des Arbeits-,, Familien-, Erb- und Gesellschaftsrechts, die von den AGB-Regelungen ausgenommen sind ( 301 IV BGB nf ( 23 I AGBG). - Vorformulierte Bedingungen, die nicht von einer Partei gestellt werden oder nicht für eine Vielzahl von Verträgen gedacht sind und bei denen es sich nicht um Verbraucherverträge handelt, 310 III Nr. 1 BGB nf ( 24a AGBG). - Individualvereinbarungen. Die Kontrolle erfaßt nach der Rspr. des BGH formelhafte Klauseln mit einschneidenden Rechtsfolgen, wenn sie vorher nicht ausführlich erläutert worden sind. Vgl. etwa BGHZ 101, 351 = NJW 1988, 135 = ZIP 1987, 1461 Gewährleistungsausschluß für Sachmängel in einem notariellen Individualvertrag). Grundlage der Überprüfung ist 242 BGB, die Maßstäbe können dem AGB- Recht entnommen werden (das aber keine unmittelbare Anwendung findet!). VII. Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit, 306 BGB Bunte, Ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit von AGB-Klauseln: NJW 1984, 1145 1150; Canaris, Die Unanwendbarkeit des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion, ergänzenden Auslegung oder Umdeutung von AGB bei den Kunden begünstigenden Klauseln: NJW 1988, 1243 1245; Medicus, Rechtsfolgen für den Vertrag bei Unwirksamkeit von AGB, in: Heinrichs/Löwe/Ulmer (Hrsg.), Zehn Jahre AGB-Gesetz, 1987, S. 83 97. 1. Grundsatz 2. Geltungserhaltende Reduktion? Teilweiser Verstoß einer Klausel gegen das Gesetz i.s. eines Übermaßes oder i.s. einer Regelung, die zulässige und unzulässige Teile enthält, zieht in der Regel deren völlige Unwirksamkeit nach sich. Die Aufrechterhaltung der Klausel im Rahmen des Zulässigen, sogenannte geltungserhaltende Reduktion, ist nach zutreffender hm unzulässig vgl. Palandt/Heinrichs 65 Vorbem. vor 307 RdNr. 8 mwn.