SALU 2008 Neue Medien im Mathematikunterricht Kategorie Allgemeinbildende Schulen Sekundarstufe I Beitrag des Gymnasiums am Krebsberg Neunkirchen Eine Unterrichtsstunde zum Thema Quadratische Funktionen und Gleichungen in Klassenstufe 9 unter Einsatz eines Taschencomputers: Zeichnen von Parabel-Gesichtern Inhalt: 1. Überlegungen zum Einsatz eines Taschencomputers im Mathematikunterricht 2. Konzeption der Unterrichtsreihe 3. Beschreibung der Unterrichtsstunde Zeichnen von Parabel-Gesichtern 3.1 Ziel der Stunde 3.2 Methodisch-didaktische Überlegungen 3.3 Verlauf der Stunde 3.4 Einige Schülerbeispiele 3.5 Reflexion StR in Ruth Scherer
1. Überlegungen zum Einsatz eines Taschencomputers im Mathematikunterricht 1.1 Anforderungen an einen guten und modernen Mathematikunterricht: - Orientierung an einer Neuen Aufgabenkultur (d.h. weg von zeitaufwändigen und langweiligen Routinerechnungen hin zu anwendungsorientierten Aufgaben, Aufgabenvariation, offenen Aufgabenstellungen und Aufgaben mit mehreren Lösungswegen) Modellieren Problematisieren/ Vermittlung unterschiedlicher Problemlösestrategien - Über Mathematik sprechen/ kommunizieren - Förderung von selbständigem, entdeckendem, kooperativem und kreativem Lernen 1.2 Die Bedeutung Neuer Medien im MU Der sinnvolle Einsatz Neuer Medien im Mathematikunterricht stellt eine wertvolle Unterstützung der in 1.1 aufgeführten Ansätze dar. Die Arbeit mit Neuen Medien bietet Schülern die Möglichkeit, ein größeres Verständnis für mathematische Zusammenhänge und Sachverhalte statt ein auf algorithmisches Rechnen beschränktes Wissen aufzubauen. Speziell bei der Behandlung von Funktionen (z.b. Lineare Funktionen in Klassenstufe 7 und Quadratische Funktionen in Klassenstufe 9) bietet der Einsatz Neuer Medien vielfältige Chancen. Der Einsatz von Funktionenplotter und Tabellenkalkulationssoftware (TKS) ermöglicht ein ständiges Nebeneinanderstellen und betrachten von Graph, Tabelle und Term, was die Schüler die Zusammenhänge leichter erkennen lässt: Funktionen Graph Tabelle Term 1
Ein gleichzeitiges Arbeiten in verschiedenen Ebenen sowie die Erzeugung zahlreicher Beispiele in kurzer Zeit sind möglich. Dies kann den Schülern ohne Zweifel helfen, Eigenschaften von Funktionen selbst zu entdecken und zentrale Grundvorstellungen zu entwickeln. Sie können Parameter beliebig variieren und dabei beobachten, wie sich der Graph jeweils verändert (vgl. Konzeption der Unterrichtsreihe, Arbeitsblätter im Anhang). Das Betrachten von Funktionenscharen gewinnt damit gegenüber dem Betrachten einzelner Funktionen an Bedeutung, was den Schülern hilft, sich charakteristische Formen von Graphen verschiedener Funktionstypen einzuprägen. Bei vielen Aufgabentypen hat der Schüler zudem die Freiheit, den Lösungsweg einzuschlagen, den er bevorzugt. So kann er beispielsweise gesuchte Funktionswerte ermitteln durch: a) Ablesen am Graphen, b) Ablesen aus der Tabelle oder c) Einsetzen in die Funktionsgleichung. Die unterschiedlichen Lösungswege sollten in der Klasse präsentiert und diskutiert werden (über Mathematik sprechen). In den saarländischen Lehrplänen wird ebenfalls ausdrücklich auf die Vorteile des Einsatzes Neuer Medien bei Behandlung von Funktionen hingewiesen. 1 Entschlossen bei der Behandlung des Themas Quadratische Funktionen Mathematik- Software einzusetzen, habe ich mich für ein sogenanntes Handheld -Gerät entschieden; hierzu zählen grafikfähiger Taschenrechner (GTR), Taschencomputer (TC) und Laptop. Die Ausstattung der Schüler mit Laptops wäre für alle Fächer nicht nur für den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht - von Vorteil, ist aber aufgrund hoher Kosten und hoher Empfindlichkeit der Geräte kaum realisierbar. Bei GTR und TC handelt es sich um kleinere, robustere Geräte, die dem Schüler Funktionenplotter und Tabellenkalkulationssoftware an die Hand geben. Der Taschencomputer, z. B. Voyage 200 und TI-Nspire von Texas Instruments oder der ClassPad von Casio, bietet zusätzlich Computeralgebra-Software (CAS) und Dynamische Geometrie-Software (DGS). Hauptvorteil von GTR und TC gegenüber fest installierten Computern ist, dass diese zu jeder Zeit (auch zuhause und bei Klassenarbeiten) verfügbar sind. Die ständige Verfügbarkeit der Geräte ist von großem pädagogischen Wert: 1 vgl. z.b. Lehrplan für das Fach Mathematik, Klassenstufe 9, S. 62 ff. 2
Nur so können Schülerinnen und Schüler langfristig Medienkompetenz erwerben. Schülerinnen und Schüler können ihren individuellen Lösungsweg gehen und selbst entscheiden, ob der Rechnereinsatz dazugehört oder nicht. Das Medium steht nicht im Mittelpunkt, sondern hat Werkzeugcharakter. 2 Für meine Unterrichtsreihe, die ich im Folgenden beschreibe, habe ich bei Texas Instruments einen Klassensatz des TI-Nspire ausgeliehen und den Schülern der Klasse 9.3 des Gymnasiums am Krebsberg zur Verfügung gestellt. 2. Konzeption der Unterrichtsreihe Bei der Planung einer Unterrichtsreihe mit Taschencomputer sollte man sich grundsätzlich folgende Fragen stellen: Welches Vorwissen über die Bedienung des Taschencomputers bringen die Schüler mit? An welchen Stellen der Unterrichtsreihe ist es sinnvoll den Taschencomputer einzusetzen? Wie sollen die Schüler ihre Ergebnisse bei der Arbeit mit dem Taschencomputer dokumentieren? Ein großer Teil der Klasse 9.3 hatte durch den Einsatz des Voyage 200 bei der Behandlung linearer Funktionen in Klassenstufe 7 (Frau Bullacher) bereits Erfahrung mit dem Arbeiten mit Taschencomputer. So konnte ich die Einführung in die Bedienung des TC relativ knapp halten. Den Schülern ohne Vorkenntnisse wurde in Schülerarbeitsphasen häufig von Mitschülern geholfen. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass trotz Einsatz Neuer Medien im Mathematikunterricht das händische Zeichnen von Graphen und Erstellen von Tabellen geübt wird. Dies ist unter Anderem ein Grund dafür, dass mir der Einsatz des TC in einigen Phasen des Unterrichts weniger sinnvoll schien und auf die Benutzung des TC dort weitestgehend verzichtet wurde. 2 Barzel, Bärbel / von Saint-George, Guido: Organisationsformen des Lernens mit Neuen Medien. In: Leuders, Mathematik-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, S. 234. 3
Bei der Konzeption meiner Unterrichtsreihe war mir zudem wichtig, häufige Schülerarbeitsphasen einzuplanen. Sowohl in Übungs- als auch in Erarbeitungsphasen sollten die Schüler selbständig (oft mithilfe des TC) mathematische Probleme lösen und neue Sachverhalte erarbeiten. In solchen Phasen ist es notwendig, dass die Schüler ihre Arbeit mit dem TC ausführlich dokumentieren. Nachfolgende Tabelle bietet einen Überblick über die von mir geplante und durchgeführte Unterrichtsreihe sowie die eingesetzten Medien: Abkürzungen: TC: Taschencomputer (TI-Nspire) OHP+V: Overheadprojektor und Viewscreen 3 AB: Arbeitsblatt Tafel und Lehrbuch werden nicht extra genannt. Zwei ausgewählte Arbeitsblätter, bei denen der TC eine besonders wichtige Rolle spielt und eigenständiges Experimentieren der Schüler unterstützt, sind im Anhang beigefügt. Diese sind in der Tabelle grau unterlegt. Thema Einstieg: Vergleich linearer und quadratischer Zusammenhänge anhand einer Anwendungsaufgabe Einführung in die Bedienung des TC Die Normalparabel und ihre Eigenschaften Die Gleichung Verschiebung in y-richtung Verschiebung in x-richtung y AB Medien TC, OHP+V 2 = a x AB, TC, OHP+V Die Scheitelpunktform [und Übungen dazu] Die allgemeine Form AB, TC, OHP+V AB, TC, OHP+V teilweise TC 2 y = ax + bx + c [und Übungen dazu] teilweise TC Die Nullstellenform y = a (x x 1) (x x 2) [und Übungen dazu] AB, teilweise TC Bestimmung der Funktionsgleichung einer Parabel aus einem Bild Komplexere Anwendungsaufgaben und Übungen Zeichnen von Parabel-Gesichtern teilweise TC TC, OHP+V 3 Gerät, mit dem das Display des Lehrer-TCs projiziert werden kann 4
3. Beschreibung der Unterrichtsstunde Zeichnen von Parabel-Gesichtern (letzte Stunde der Unterrichtsreihe; Übungsstunde) 3.1 Ziel der Stunde Die Schüler zeichnen mit dem Taschencomputer selbst erfundene Gesichter, die sich mithilfe stückweise definierter quadratischer Funktionen darstellen lassen. 3.2 Methodisch-didaktische Überlegungen Das Zeichnen von Bildern mit dem TC macht den Schülern großen Spaß und es werden alle wichtigen, in der Unterrichtsreihe behandelten Themen und Begriffe wiederholt: Die Schüler müssen sich überlegen: Welche Darstellungsform einer Parabel wähle ich am besten? Scheitelpunktform, Nullstellenform oder Allgemeine Form? Wie muss ich in der gewählten Form die Parameter variieren, damit die Parabel gestreckt oder gestaucht, in x- und/oder y-richtung verschoben wird? Wie bette ich die Graphen am geschicktesten ins Koordinatensystem ein? Wo schneiden die Graphen die x-achse (Nullstellen)? Wo schneiden sich zwei Graphen (Schnittpunkte)? Die Schüler stoßen zusätzlich (von selbst) auf die Frage: Wie bekomme ich es hin, dass der Taschencomputer nur ein Stück/ einen Ausschnitt des Graphen zeichnet? Im Unterricht muss also an gegebener Stelle der Βegriff stückweise definierte Funktion besprochen werden. Zudem muss den Schülern erklärt werden, wie man solche stückweise definierten Funktionen mit dem TC zeichnet, sprich man muss die Eingabesyntax vorgeben. Wie dies mit dem TI-Nspire funktioniert, ist in den Schülerbeispielen (Kapitel 3.4) erkennbar, wo neben den erfundenen Parabelgesichtern (Graphen) auch die zugehörigen Funktionsterme abgedruckt sind. 3.3 Verlauf der Stunde Zu Beginn der Stunde habe ich mithilfe des TC, des Viewscreen und eines Overheadprojektors ein von mir erfundenes und im TC gespeichertes Parabel-Gesicht an die Wand des 5
Klassenraums projiziert. Die Schüler haben sofort erkannt, dass dieses Gesicht aus Stücken von Parabeln zusammengesetzt ist. Am Beispiel eines Graphen aus dem Bild habe ich den Schülern erklärt, was eine stückweise definierte Funktion ist und die benötigte Syntax zur Eingabe in den TC an die Tafel geschrieben. An einigen weiteren Beispielen ist die Eingabe solcher Funktionsterme geübt worden. Anschließend haben die Schüler den Auftrag erhalten, selbst Parabel-Gesichter zu entwerfen und mit dem TC darzustellen. Die Schüler haben sich dazu in Gruppen zusammengesetzt, um sich gegenseitig beraten zu können. Die verbleibende Unterrichtszeit hat den meisten Schülern nicht gereicht, so dass sie ihre Bilder als Hausaufgabe für die nächste Stunde fertiggestellt haben. 6
3.4 Einige Schülerbeispiele Antonia Geßner: 7
Katja Michel: 8
Michael Kraus: Blumenfreund 9
Michael Kraus: Japaner 10
Sebastian Wagmann: 11
3.5 Reflexion Die Aufgabe Zeichnen von Parabel-Gesichtern mit dem TC bietet eine sehr gute Alternative zu herkömmlichen, oft langweiligen Wiederholungen und Übungen. Anwendungsbezogen, selbständig und mit hoher Motivation werden gleichzeitig alle behandelten Themen der Unterrichtseinheit wiederholt. Über die Ergebnisse (Bilder) der Schüler war ich überrascht und erfreut. Einige Schüler haben weit über den aktuellen Unterrichtsstoff hinaus gearbeitet und experimentiert (siehe z.b. Kap. 3.4: Sebastian Wagmann). Die schönsten Bilder wurden vergrößert und im Klassensaal aufgehängt. Dadurch erhalten die Werke der Schüler die gebührende Anerkennung. Insgesamt habe ich am Ende der Unterrichtsreihe durchweg positive Rückmeldung von den Schülern erhalten. Mir und den Schülern hat das Arbeiten mit dem Taschencomputer großen Spaß gemacht! 12