Landesdirektion Sachsen Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Verwaltungsfachangestellte/r vom 16. Oktober 2012 bis 19. Oktober 2012 3. Prüfungsaufgabe: Personalwesen Arbeitszeit: 120 Minuten Hinweis: Bitte geben Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen den Bearbeitungsstand Ihrer VSV an! Beantworten Sie die Fragen und begründen Sie Ihre Antworten mit den einschlägigen Rechtsvorschriften. Diese Aufgabe besteht aus 3 Blatt!
Sachverhalt: Bei der Stadt Sonnental (Mitglied im KAV Sachsen e. V.) ist seit 1. November 2011 Frau Susi Langstrumpf, geb. am 3. Oktober 1977, als vollbeschäftigte Verwaltungsfachangestellte unbefristet beschäftigt. Im Arbeitsvertrag wurde schriftlich eine Probezeit von 5 Monaten vereinbart. In der Zeit vom 5. April bis 18. Mai 2012 war Frau Langstrumpf auf Grund einer Blinddarmoperation arbeitsunfähig erkrankt. Im Oktober 2012 ehelicht Frau Langstrumpf ihren langjährigen Lebensgefährten. Aus diesem Grund beschließt sie, sich künftig nur noch ihren hausfraulichen Pflichten zu widmen. Deshalb gibt sie am 16. Oktober 2012 in der Personalstelle der Stadt Sonnental ein Schreiben folgenden Inhalts ab: Hiermit kündige ich mein Arbeitsverhältnis mit der Stadt Sonnental außerordentlich, da ich nach meiner Eheschließung so schnell wie möglich nur noch als Hausfrau tätig sein möchte. Sollte eine außerordentliche Kündigung nicht möglich sein, kündige ich ordentlich zum 30. November 2012... Die zuständige Personalsachbearbeiterin erklärt ihr darauf hin am 17. Oktober 2012, dass die außerordentliche Kündigung nicht zulässig und die ordentliche Kündigung nicht fristgerecht sei. Die Stadt Sonnental sei jedoch bereit, mit ihr einen Auflösungsvertrag abzuschließen. Bearbeitungshinweise: 1. Frau Langstrumpf ist Mitglied der Gewerkschaft verdi. 2. Die Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse ist grundsätzlich zu unterstellen. 3. Aus den Personalunterlagen von Frau Langstrumpf ist Folgendes ersichtlich: 01.09.1998 bis 26.08.2001 Ausbildung bei der Stadt Sonnental 01.10.2001 bis 30.09.2005 Fachhochschulstudium 01.11.2005 bis 31.10.2007 Beschäftigte bei der Stadt Sonnental 01.11.2007 bis 30.09.2011 Mitarbeiterin in der Buchhaltung bei der Schneider GmbH Eintrag vom 1. November 2011: Beginn der Beschäftigungszeit wird auf den 01.11.2011 festgesetzt. Fragen: 1. Prüfen Sie, ob auf das Arbeitsverhältnis von Frau Langstrumpf der TVöD unmittelbar und zwingend anzuwenden ist! (12) 2. Prüfen Sie, ob der Beginn der Beschäftigungszeit von Frau Langstrumpf bei der Stadt Sonnental richtig festgesetzt war! Korrigieren Sie ggf. das Datum in den Personalunterlagen (1. November 2011)! (12)
3. Prüfen Sie, ob die Festsetzung der Probezeit für Frau Langstrumpf korrekt war! Geben Sie das Ende der Probezeit an! (9) 4. Prüfen Sie, ob Frau Langstrumpf während ihrer Erkrankung Anspruch auf Entgelt hatte! Wenn ja für welchen Zeitraum? (24) 5. Prüfen Sie die am 17. Oktober getroffenen Aussagen der zuständigen Personalsachbearbeiterin: a) Ist die außerordentliche Kündigung der Frau Langstrumpf zulässig? (9) b) Ist die ordentliche Kündigung zum 30. November 2012 wirksam? Gehen Sie dabei auch auf eventuelle Formvorschriften ein! (23) 6. Erläutern Sie den Begriff Auflösungsvertrag! Was ist zu beachten, damit dieser wirksam ist? (6) Aufgabe: Alle Fragen sind unter Angabe der entsprechenden Rechtsgrundlage zu begründen!
Lösungsskizze: zu 1. Prüfen Sie, ob auf das Arbeitsverhältnis der Frau Langstrumpf der TVöD unmittelbar und zwingend anzuwenden ist! Fraglich ist, ob die Rechtsnormen des TVöD für das Arbeitsverhältnis der Frau L. bindend sind. Nach 4 Abs. 1 TVG gelten die Rechtsnormen des TV unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Fraglich ist, ob AG und AN tarifgebunden sind. Die Stadt S. ist Mitglied im KAV Sachsen e. V. (VKA zugehörig). Sie ist damit Mitglied einer Tarifvertragspartei i. S. des 2 Abs. 1 TVG. Frau L. ist Mitglied der Gewerkschaft verdi, damit auch Mitglied einer Tarifvertragspartei. Demzufolge besteht beiderseits Tarifgebundenheit ( 3 Abs. 1 TVG). Der Geltungsbereich des TVöD trifft auf das Arbeitsverhältnis der Frau L. zu: Nach 1 Abs. 1 gilt dieser Tarifvertrag für Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem AG stehen, der Mitglied eines Verbandes der VKA ist. Für Frau L. trifft dies zu. Ferner liegt keine Ausnahme vom Geltungsbereich entsprechend des 1 Abs. 2 TVöD vor. Ergebnis: Der TVöD gilt zwingend und unmittelbar, d. h. mit normativer Wirkung für das Arbeitsverhältnis der Frau L. (12) zu 2. Prüfen Sie, ob der Beginn der Beschäftigungszeit der Frau Langstrumpf bei der Stadt Sonnental richtig fest gesetzt war! Korrigieren Sie ggf. das Datum in den Personalunterlagen! Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber (hier: Gemeinde Sonnental) in einem Arbeitsverhältnis ( 611 BGB) zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist ( 34 Abs. 3 S. 1 TVöD). (hier: grundsätzlich die Zeit ab 01.11.2011) Die im Ausbildungsverhältnis bei der Stadt Sonnental zurück gelegte Zeit und das Studium zählen nicht als Beschäftigungszeit (keine Leistungs- und Vergütungspflicht). Die zuvor in S. im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit wird als Beschäftigungszeit nach o. g. Vorschrift angerechnet: 2 Jahre ( BGB); Zeiten in der Wirtschaft zählen nicht. Ergebnis: Der Beginn der Beschäftigungszeit wurde für Frau Langstrumpf nicht korrekt fest gesetzt richtig ist der 01.11.2009. (12) zu 3. Prüfen Sie, ob die Festsetzung der Probezeit für Frau Langstrumpf korrekt war! Wann endete diese? Gem. 2 Abs. 4 S. 1 TVöD beträgt die Pz 6 Monate, wenn keine kürzere vereinbart wurde. 2 Abs. 4 S. 2 TVöD greift nicht. Hier: Pz 5 Monate zulässig Beginn der Pz: 01.11.2011 ( 187 Abs. 2 S. 2 BGB) Ende (5 Monate): 31.03.2012 ( 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB). Ergebnis: Die Probezeit endete am 31.03.2012 ( 9)
zu 4. Prüfen Sie, ob Frau Langstrumpf während ihrer Erkrankung Anspruch auf Entgelt hatte! Wenn ja für welchen Zeitraum? Gem. 22 Abs. 1 S. 1 TVöD erhalten Beschäftigte, die infolge Krankheit arbeitsunfähig werden, ohne dass sie daran ein Verschulden trifft, bis zur Dauer von sechs Wochen das Entgelt nach 21 TVöD. (Unter Krankheit versteht man jede seelische oder körperliche Beeinträchtigung hier: Blinddarm-OP -, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führt (Kausalität).) 1 An der Arbeitsunfähigkeit trifft L. kein Verschulden i. S. der Protokollerklärung zu 22 Abs. 1 S. 1 TVöD. Dieses wäre nur gegeben, wenn sie die Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich (mit Wissen und Wollen) oder grob fahrlässig (erforderliche Sorgfalt grob außer Acht lassend) herbeigeführt hätte (vgl. 276 BGB). Dafür ergeben sich aus dem Sachverhalt keine Hinweise. Vorerkrankungen nach 22 Abs. 1 S. 2 TVöD i. V. m. 3 EFZG sind ebenfalls aus zu schließen. Demnach hat Frau L. Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem. 22 Abs. 1 S. 1 TVöD für die Dauer von 6 Wochen: FB 05.04.2012 ( 187 Abs. 2 BGB) FE 16.05.2012 ( 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB) Frau L. war bis 18.05.erkrankt. Fraglich ist, ob sie für die restliche Zeit noch Anspruch auf Krankengeldzuschuss nach 22 Abs. 2 TVöD hat. Gem. 22 Abs. 3 Satz 1 TvöD ist die Zahlung des Krankengeldzuschusses und die Dauer seiner Zahlung von der Beschäftigungszeit abhängig. ( 34 Abs. 3 TVöD). Bz (Erläuterung s. Aufgabe 2) zählt vom 01.11.09. Zum Zeitpunkt der Erkrankung hat Frau L. eine Bz von mehr als 2 Jahren (01.11.09 bis März 2012), damit hat sie Anspruch auf Krankengeldzuschuss längstens bis zu 13 Wochen. Ergebnis: 05.04.2012 bis 16.05.2012 Entgeltfortzahlung, Anspruch auf Krankengeldzuschuss besteht vom 17.05. bis 18.05.12. (24) zu 5. Prüfen Sie die am 17. Oktober getroffenen Aussagen der zuständigen Personalsachbearbeiterin: a) Ist die außerordentliche Kündigung der Frau Langstrumpf zulässig? 626 Abs. 1 BGB: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Tatsache ist, Frau L.(Einzelfall) möchte ihre Berufstätigkeit aufgeben; Unter Abwägung der Interessen der Vertragspartner (der AG erwartet die kontinuierliche Erfüllung der Arbeitsaufgaben) ist es Frau L. durchaus zumutbar, dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt und nur unter Beachtung der Kündigungsfristen gekündigt wird. Ergebnis: Die außerordentliche Kündigung ist unzulässig, ( 9) 1 Zusatzpkt.
Zu 5. b) Ist die ordentliche Kündigung zum 30.11.2012 wirksam? Gehen Sie dabei auch auf ev. Formvorschriften ein! Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, d. h. sie muss dem anderen Vertragspartner wirksam zugehen, in Herrschaftsbereich ( 130 BGB). Vorliegend gab Frau L. das Kündigungsschreiben am 16.10.2012 in der Personalstelle ab wirksamer Zugang. Die Kündigung muss, um wirksam zu sein, schriftlich erfolgen ( 623 BGB), - hier (+). Das Arbeitsverhältnis von L. hat am 01.11.2011 begonnen. Am Tag des Zugangs der Kündigung, 16.10.2012, hat das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Monate bestanden ( 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB). Die Kündigungsfrist nach 34 Abs. 1 S. 1 TVöD greift deshalb nicht. Nach 34 Abs. 1 S. 2 TVöD richtet sich die Kündigungsfrist nach der Beschäftigungszeit beim selben AG ( 34 Abs. 3 S. 1, 2 TVöD). Beginn der Bz (s. Aufgabe 2): 01.11.2009 bis zum Zugang der Kündigung hat Frau L. eine Beschäftigungszeit von mehr als 2 Jahren und unter 5 Jahren ( BGB s. o.) zurück gelegt. Die Kündigungsfrist beträgt 6 Wochen zum Schluss des Kalendervierteljahres. Die Frist beginnt am 17.10.2012 zu laufen ( 187 Abs. 1 BGB). Ende der 6 Wochen: 27.11.2012 ( 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB), allerdings zum Schluss des Kalendervierteljahres: 31.12.2012. Ergebnis: Die Kündigung ist zwar form-, aber nicht fristgerecht erfolgt. Damit ist sie nicht zum 30.11. wirksam. Zu 6.: Erläutern Sie den Begriff Auflösungsvertrag! Was ist zu beachten, damit dieser wirksam ist? 33 Abs. 1 Buchst. b TVöD: Das Arbeitsverhältnis endet jederzeit (d. h. ohne Einhaltung von Kündigungsfristen) im gegenseitigen Einvernehmen (d. h. übereinstimmende WE seitens des AG und des AN). Der Auflösungsvertrag muss nach 623 BGB schriftlich abgeschlossen werden, um wirksam zu sein. (23) ( 6) Aufbau, Gliederung, Stil ( 5)