JAP. [Juristische Ausbildung & Praxisvorbereitung] 2005/2006

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201 256 www.manz.at JAP [Juristische Ausbildung & Praxisvorbereitung] must know Judikatur Das Schengener Informationssystem Sterbehilfe Versetzung und Versetzungsschutz Eingetragene Personengesellschaften Die monistische SE fasst Fuß Die Behandlung von ausländischen Investmentfonds im Ertragsteuerrecht Das neue österreichische Schiedsrecht, Teil 2 Sachenrechtliche Änderungen im ABGB durch die Handelsrechtsreform Höchstrichterliche Entscheidungen aus den zentralen Prüfungsfächern Musterfall 2005/2006 04 Musterfälle aus Öffentlichem Wirtschaftsrecht und Bürgerlichem Recht Redaktionsleitung Alexander Reidinger Redaktion Ulrike Frauenberger-Pfeiler Thomas Klicka Georg Kofler Roman Alexander Rauter Susanne Reindl Gert-Peter Reissner Eva Schulev-Steindl Korrespondenten Martin Binder Friedrich Harrer Ferdinand Kerschner Willibald Posch ISSN 1022-9426

JAP Das neue österreichische Schiedsrecht Die wichtigsten Neuerungen des SchiedsRÄG 2006 im Überblick Teil 2 JAP 2005/2006/41 594 ff ZPO idf des Schiedsrechts-Änderungsgesetzes 2006 Schiedsverfahren; Schiedsspruch; Aufhebungsklage; gerichtliches Verfahren Mit 1. 7. 2006 tritt das SchiedsRÄG 2006 (BGBl I 2006/7) in Kraft. Die folgende Darstellung vervollständigt den in Teil 1 begonnen Überblick über die Neufassung des österreichischen Schiedsverfahrensrechts. Von Christian Koller Inhaltsübersicht: F. Durchführung des Schiedsverfahrens 1. Allgemeines 2. Rechtshilfe durch Gerichte G. Schiedsspruch und Beendigung des Schiedsverfahrens 1. Anwendbares materielles Recht 2. Entscheidungsfindung durch ein Schiedsrichterkollegium 3. Schiedsvergleich und Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 4. Beendigung des Schiedsverfahrens 5. Entscheidung über die Kosten 6. Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung des Schiedsspruchs H. Rechtsbehelfe gegen den Schiedsspruch 1. Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs und Aufhebungsgründe 2. Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Schiedsspruchs 3. Wahrnehmung von Aufhebungsgründen außerhalb des Aufhebungsverfahrens I. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche J. Gerichtliches Verfahren und Sonderbestimmungen 1. Zuständigkeit und Verfahren 2. Sonderbestimmungen für Konsumenten und Arbeitsrechtssachen K. Zusammenfassung F. Durchführung des Schiedsverfahrens 1. Allgemeines Die Parteien sind auch bei der Verfahrensgestaltung weitgehend frei. Dabei können sie auf eine Verfahrensordnung verweisen, wie sie zum Beispiel vom Internationalen Schiedsgericht der Wiener Wirtschaftskammer zur Verfügung gestellt wird, oder auch eigene Regeln aufstellen, sofern diese nicht zwingenden Bestimmungen des vierten Abschnittes widersprechen. Nur für den Fall, dass weder die von den Parteien vereinbarte Verfahrensordnung noch subsidiär das Gesetz eine Regelung enthält, können die Schiedsrichter nach freiem Ermessen vorgehen (vgl 594 Abs 1). Unabhängig davon ist jedenfalls zwingend dem fair trial isd Art 6 EMRK entsprechend vorgesehen, dass die Parteien fair zu behandeln sind und stets jeder Partei das rechtliche Gehör zu gewähren ist (vgl 594 Abs 2). Überdies kann gem 594 Abs 3 das Recht jeder Partei, sich durch eine Person ihrer Wahl vertreten oder beraten zu lassen, nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Bei einem Verstoß gegen diese Grundsätze ist der Schiedsspruch aufhebbar. Anders als im gerichtlichen Verfahren (vgl 396 ZPO) ist nicht schon aufgrund der Säumnis des Beklagten das Vorbringen des Klägers für wahr zu halten und eine Säumnisentscheidung zu fällen. Vielmehr hat das Schiedsgericht über das Vorbringen des Klägers zu verhandeln und allenfalls auch Beweise aufzunehmen (vgl 600 Abs 2). Abweichend von der bisher geltenden Rechtslage (vgl 587 Abs 2 ZPO alte Fassung) können die Parteien aber vereinbaren, dass das Schiedsgericht im Fall der Säumnis dazu ermächtigt ist, eine (echte) Säumnisentscheidung zu fällen. 2. Rechtshilfe durch Gerichte Da dem Schiedsgericht grundsätzlich keine Zwangsgewalt zukommt und es nicht zur Vornahme sämtlicher richterlicher Handlungen, wie zb zur eidlichen Vernehmung eines Zeugen, befugt ist, bedarf es der gerichtlichen Rechtshilfe. Nach der bisher geltenden Rechtslage wurden Rechtshilfeersuchen von Schiedsgerichten wie solche von inländischen Gerichten behandelt (vgl Art XIII EGJN). 602 verweist nunmehr aber auf die Bestimmungen über die Rechtshilfeersuchen ausländischer Gerichte. Dies wurde vom Gesetzgeber dem Boltzmann-Entwurf folgend als zweckmäßiger angesehen, weil dadurch insb 39 Abs 2 JN erfasst wird, der Ersuchen um solche Handlungen regelt, die dem österreichischen Prozessrecht unbekannt sind. 1) Als weiteres Novum ist zu nennen, dass nicht allein das Schiedsgericht, sondern auch die Parteien selbst mit Zustimmung des Schiedsgerichts die gerichtliche Rechtshilfe beantragen können. G. Schiedsspruch und Beendigung des Schiedsverfahrens 1. Anwendbares materielles Recht Das bisher geltende Recht enthält keine explizite Regelung, welches materielle Recht das Schiedsgericht seiner 1) Vgl Erläut zur RV 1158 BlgNR 22. GP 21 (SchiedsRÄG 2006). 244 Ü Christian Koller Ü Das neue österreichische Schiedsrecht, Teil 2 JAP [2005/2006] 04

Entscheidung zugrunde zu legen hat. 2) Nach 603 Abs 1 ist in erster Linie das von den Parteien vereinbarte Recht ausschlaggebend. Das Gesetz ermöglicht den Parteien die Wahl von Rechtsvorschriften oder Rechtsregeln, wodurch klargestellt wird, dass nicht nur das (gesatzte) Recht eines bestimmten Staates oder vergleichbarer Organisationen, sondern auch sonstige Systeme von Handlungsanordnungen (wie etwa die UNI- DROIT-Principles of International Contract Law) gewählt werden können. 3) Haben die Parteien das materielle Recht eines Staates gewählt, so ist im Zweifel das Kollisionsrecht dieses Staates nicht erfasst (Ausschluss der Gesamtverweisung). Fehlt eine Vereinbarung der Parteien hinsichtlich des anwendbaren Rechts, dann hat das Schiedsgericht abweichend von Art 28 ModellG ohne Rückgriff auf ein Kollisionsrecht jene Rechtsvorschriften anzuwenden, die es für angemessen erachtet. Dies bedeutet freilich nicht, dass die Schiedsrichter dazu ermächtigt werden, vollkommen willkürlich Rechtsvorschriften auszuwählen; vielmehr wird auch der Bezug einer Rechtssache zu einer bestimmten Rechtsordnung ausschlaggebend sein, und daher die Wahl des sachnächsten Rechtes vom kollisionsrechtlichen Grundprinzip der engsten Beziehung geleitet werden. 4) Unklar ist jedoch nach dem Wortlaut des 603 Abs 2, ob das Schiedsgericht in seiner Wahl auf die Rechtsvorschriften nur eines Staates beschränkt ist oder etwa auch Rechtsvorschriften verschiedener Staaten zur Beurteilung der Rechtssache heranziehen kann. Eine Billigkeitsentscheidung kommt gem 603 Abs 3 nur dann in Betracht, wenn die Parteien das Schiedsgericht dazu ausdrücklich ermächtigt haben. 2. Entscheidungsfindung durch ein Schiedsrichterkollegium Grundsätzlich ist für jede Entscheidung des Schiedsgerichts die Stimmenmehrheit aller Mitglieder erforderlich, wobei der Vorsitzende von den Parteien oder allen Mitgliedern des Schiedsgerichts ermächtigt werden kann, in Verfahrensfragen allein zu entscheiden. 604 Z 2 verhindert die Möglichkeit einzelner Schiedsrichter, die Handlungsunfähigkeit des Schiedsrichterkollegiums durch ungerechtfertigte Nichtteilnahme an der Abstimmung herbeizuführen. Es können daher die übrigen Schiedsrichter entscheiden, jedoch wird die Stimmenmehrheit von der Gesamtzahl aller teilnehmenden und nicht teilnehmenden Schiedsrichter berechnet. 3. Schiedsvergleich und Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut Der in 605 Z 1 vorgesehene Schiedsvergleich ist auch nach der bisher geltenden Rechtslage zulässig. 5) Die objektive Schiedsfähigkeit vermögensrechtlicher Ansprüche hängt jedoch nicht mehr von der Vergleichsfähigkeit der Rechtssache ab (vgl schon Teil 1 Pkt C.1.). Der Gesetzgeber musste daher die Zulässigkeit des Schiedsvergleiches in 605 wieder auf vergleichfähige Rechtssachen einschränken, um nicht über den Umweg der Schiedsgerichtsbarkeit ansonsten unzulässige Dispositionen zu ermöglichen. Anstatt des Schiedsvergleichs steht den Parteien aber auch der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zur Verfügung. In Österreich ist ein Schiedsvergleich als Vollstreckungstitel anerkannt (vgl 1 Z 16 EO). Da dies nicht in allen Ländern der Fall ist, bringt der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut den Vorteil der weitreichenden Vollstreckbarkeit im Ausland nach dem NYÜ mit sich. Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut nicht aber der Schiedsvergleich hat dieselbe Wirkung wie jeder Schiedsspruch in der Sache, er ist mit der Aufhebungsklage anfechtbar und muss die inhaltlichen und formellen Voraussetzungen eines Schiedsspruchs nach 606 erfüllen. 4. Beendigung des Schiedsverfahrens In 608 wird in Anlehnung an Art 32 ModellG die häufig unklare Frage der Verfahrensbeendigung geregelt. Abgesehen vom Schiedsspruch in der Sache und dem Schiedsvergleich besteht die Möglichkeit der Beendigung des Schiedsverfahrens durch Beschluss nach 608 Abs 2. Ein solcher Beschluss ist unter anderem bei Klagsrücknahme vorgesehen, sofern nicht der Beklagte widerspricht und das Schiedsgericht ein berechtigtes Interesse des Beklagten an der endgültigen Beilegung der Streitigkeit anerkennt. Der Beklagte wird immer dann ein berechtigtes Interesse an der endgültigen Streitbeilegung haben, wenn das Risiko besteht, erneut in ein Schiedsverfahren zum selben Streitgegenstand verwickelt zu werden. 6) Ein Beendigungsbeschluss ist auch dann zu fällen, wenn die Fortsetzung des Verfahrens unmöglich geworden ist. Einen Unterfall der Unmöglichkeit stellt es dar, wenn die Parteien das Verfahren nicht weiter betreiben, obwohl das Schiedsgericht sie schriftlich dazu auffordert und auf die Möglichkeit der Beendigung hinweist. Mit der Beendigung des Schiedsverfahrens endet auch das Amt des Schiedsgerichts mit Ausnahme von Nachbereitungshandlungen, wie zb der Übermittlung des Schiedsspruchs an die Parteien (vgl 608 Abs 3). Wird in der Folge der Schiedsspruch aufgehoben oder nach einer Beendigung gem 608 Abs 2 erneut ein Verfahren eingeleitet, so ist ein neues Schiedsgericht zu bilden. 5. Entscheidung über die Kosten Das Recht vor der Reform wie auch das ModellG sah keine Bestimmung über die Kostenentscheidung durch das Schiedsgericht vor. 609 enthält daher die sehr wichtige Klarstellung, dass das Schiedsgericht grundsätzlich über die Verpflichtung zum Kostenersatz zu entscheiden und diesen dann auch betragsmäßig festzusetzen hat, unabhängig davon, ob dies in der Schiedsverein- 2) Vgl Liebscher/Schmid in Weigand, Practitioner s Handbook on International Arbitration (2002) Austria Rz 194. 3) Vgl Erläut zur RV 1158 BlgNR 22. GP 22 (SchiedsRÄG 2006). 4) So bereits Bajons, Zur Nationalität internationaler Schiedssachen, in FS Kralik (1986) 3 (26) zum Art VII des Europäischen Übereinkommens; differenzierend Oberhammer, Erläuterungen 110. 5) Vgl nur Fasching, Schiedsgericht 136; ders, Lehrbuch² Rz 2221. 6) So zur vergleichbaren Rechtslage in Deutschland Schlosser in Stein/ Jonas, ZPO IX 22 (2002) 1056 Rz 4; diesem folgend v Saucken, Reform 288, der daraus folgert, dass eine Klagsrücknahme ohne Anspruchsverzicht ein berechtigtes Interesse des Beklagten an der Fortführung des Verfahrens indiziere. JAP [2005/2006] 04 Ü Christian Koller Ü Das neue österreichische Schiedsrecht, Teil 2 245

JAP barung oder einer Zusatzvereinbarung ausdrücklich festgelegt wurde. 7) Die Kostenentscheidung hat in Form eines Schiedsspruchs zu ergehen, wodurch einerseits die internationale Vollstreckbarkeit nach dem NYÜ und andererseits die Anfechtbarkeit der Entscheidung beim ordentlichen Gericht sichergestellt wird. Ausdrücklich geregelt ist nunmehr auch, dass das Schiedsgericht den Kläger zum Kostenersatz verpflichten kann, wenn es sich mangels Vorliegens einer Schiedsvereinbarung für unzuständig erklärt. 8) Die festgesetzten Grundsätze für die Kostenentscheidung des Schiedsgerichts lehnen sich an das Kostenersatzrecht des Außerstreitgesetzes und der ZPO an. Das Schiedsgericht hat jedoch einen breiten Entscheidungsspielraum; es hat die Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und es kann alle zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung angemessenen Kosten berücksichtigen. 9) 6. Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung des Schiedsspruches 610 schafft eine Grundlage für die bekannten prozessualen Instrumente der Berichtigung und Ergänzung einer Entscheidung (vgl 419 und 423 ZPO) auch für den Schiedsspruch. Darüber hinaus ist auch die Erläuterung des Schiedsspruchs vorgesehen, womit Fälle erfasst werden sollen, in denen der Schiedsspruch unklar oder unverständlich gefasst ist. Der Begriff des Erläuterns anstatt des Auslegens (vgl 1058 dzpo) wurde gewählt, um zu verdeutlichen, dass das Ergebnis des Schiedsspruchs durch die Erläuterung nicht mehr verändert werden kann. 10) Eine Erläuterung ist nur dann zulässig, wenn die Parteien dies wenn auch durch Verweis auf eine Schiedsverfahrensordnung (vgl Art 29 ICC Rules, Art 35 Swiss Rules) vereinbart haben. Vor der Entscheidung über einen Antrag auf Berichtigung, Erläuterung oder Ergänzung ist jedenfalls der jeweils anderen Partei rechtliches Gehör zu gewähren (vgl 610 Abs 2). Während Berichtigung und Erläuterung zum Bestandteil des (ursprünglichen) Schiedsspruchs werden, ist bei einer Ergänzung ein eigenständiger und neuer Schiedsspruch zu fällen. Daraus folgt, dass bei einer Berichtigung oder Erläuterung des Schiedsspruchs die Anfechtungsfrist nicht neu zu laufen beginnt. H. Rechtsbehelfe gegen den Schiedsspruch 1. Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs und Aufhebungsgründe Der Schiedsspruch hat zwischen den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils (vgl 607). Zur Bekämpfung des Schiedsspruchs ist wie auch nach der bisher geltenden Rechtslage ausschließlich 11) die Aufhebungsklage (Rechtsgestaltungsklage) vorgesehen. Die Aufhebungsgründe werden in 611 Abs 2 taxativ aufgezählt. Sie entsprechen in Anlehnung an Art 34 ModellG weitgehend den Versagungsgründen für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach Art V des NYÜ. Der Schiedsspruch kann aus folgenden Gründen aufgehoben werden: Ü Fehlen einer gültigen Schiedsvereinbarung und mangelnde subjektive Schiedsfähigkeit (sie liegt vor, wenn eine Partei nach ihrem Personalstatut nicht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung befähigt war); Ü Vorliegen einer gültigen Schiedsvereinbarung, falls das Schiedsgericht seine Zuständigkeit und somit das Vorliegen einer gültigen Schiedsvereinbarung verneint hat; Ü Verletzung des rechtlichen Gehörs; die zu 595 Abs 1 Z 2 ZPO alte Fassung unterschiedliche Formulierung soll klarstellen, dass nicht jede Gehörverletzung einen Aufhebungsgrund darstellt, so würden bspw Mängel bei der Beweisaufnahme nicht ausreichen. 12) Ansonsten ist keine inhaltliche Änderung gegenüber der bisher geltenden Rechtslage bezweckt; Ü Kompetenzüberschreitung durch das Schiedsgericht (sofern diese nicht präkludiert ist, vgl 592 Abs 2) und Entscheidungen ultra petita, dh dass im Schiedsspruch mehr zugesprochen wird, als das (Schieds-)- Begehren umfasst. Dieser Aufhebungsgrund entspricht der bisher geltenden Rechtslage (vgl 595 Abs 1 Z 5 ZPO alte Fassung). Ausdrücklich vorgesehen ist nunmehr, dass nur der mangelhafte Teil des Schiedsspruchs aufzuheben ist; Ü Unzulässige Bildung oder Zusammensetzung des Schiedsgerichts. Im Einklang mit dem ModellG jedoch abweichend von der dzpo ist nicht erforderlich, dass sich der Konstituierungsmangel auch auf das Ergebnis des Verfahrens ausgewirkt hat; Ü Verstoß des Schiedsverfahrens gegen ordre public (= verfahrensrechtlicher ordre public). Dieser neu eingefügte Aufhebungsgrund stellt klar, dass auch außerhalb der Verletzung des rechtlichen Gehörs grobe Verfahrensfehler, die von der Rechtsordnung nicht mehr akzeptiert werden können, zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen. 13) Abweichend von Art 34 Abs 2 lit a Punkt (iv) ModellG wurde der Aufhebungsgrund des Verfahrensverstoßes eng ausgestaltet; Ü Strafrechtliche Wiederaufnahmegründe isd 530 Abs 1 Z 1 bis 5, nicht jedoch Gründe nach Z 6 (Auffinden einer früheren Entscheidung über die Sache) und Z 7 (Auffinden neuer Tatsachen oder Beweismittel); lediglich in Schiedsverfahren mit Verbraucherbeteiligung und in Arbeitsrechtssachen bilden die beiden letztgenannten Wiederaufnahmegründe auch Aufhebungsgründe (vgl 617 Abs 6); 7) Vgl zur bisher geltenden Rechtslage Fasching, Schiedsgericht 109, 129; ders, Lehrbuch² Rz 2212; vgl aus der Rsp OGH 22. 3. 1995, 7 Ob 647/94 JBl 1995, 598. 8) Diese Kompetenz zur bisher geltenden Rechtslage ablehnend vgl Fasching, Der Kostenersatzanspruch des Beklagten bei Unzuständigkeitsausspruch des Schiedsgerichtes, in FS Habscheid (1989) 93 (96); krit v Saucken Reform 306, da die Beschränkung der Ersatzpflicht auf den Kläger unangemessen sei. 9) Vgl 41 Abs 1 ZPO, der von zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten spricht. Dieser Unterschied soll hervorheben, dass Schiedsgerichte sich nicht an die Rsp zum ZPO-Kostenersatzrecht halten müssen, vgl Oberhammer, Erläuterungen 125. 10) Vgl Erläut zur RV 1158 BlgNR 22. GP 25 (SchiedsRÄG 2006). 11) Außer die Parteien haben eine zweite Schiedsinstanz vereinbart; dies ist in der Praxis äußerst selten. 12) Vgl dazu Erläut zur RV 1158 BlgNR 22. GP 27 (SchiedsRÄG 2006); s auch Oberhammer, Erläuterungen 132. 13) Vgl die Beispiele bei Oberhammer, Erläuterungen 134. 246 Ü Christian Koller Ü Das neue österreichische Schiedsrecht, Teil 2 JAP [2005/2006] 04

Ü Mangelnde objektive Schiedsfähigkeit. Nach der bisher geltenden Rechtslage stellte ein Schiedsspruch über einen nicht objektiv schiedsfähigen Streitgegenstand einen Nichtschiedsspruch dar, der ipso iure wirkungslos ist. 14) Ü Verstoß des Schiedsspruchs gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (= materiellrechtlicher ordre public). Der Verstoß gegen zwingendes Recht, das auch durch eine Rechtswahl nicht abbedungen werden kann (vgl 595 Abs 1 Z 6 ZPO alte Fassung), zählt gem 617 Abs 6 nur noch in Schiedsverfahren mit Verbraucherbeteiligung und in Arbeitsrechtssachen zu den Aufhebungsgründen. Die beiden letztgenannten Aufhebungsgründe sind auch ohne Vorbringen des Klägers von Amts wegen wahrzunehmen (vgl 611 Abs 3). Die Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs ist binnen einer Frist von drei Monaten ab Empfang (Zustellung) des Schiedsspruches zu erheben. Strafrechtliche Wiederaufnahmegründe können mittels Aufhebungsklage jedoch innerhalb von vier Wochen ab Rechtskraft des Strafurteils bzw des Einstellungsbeschlusses über das Strafverfahren geltend gemacht werden. Darüber hinaus besteht für diese Wiederaufnahmegründe eine absolute Klagefrist von zehn Jahren (vgl 611 Abs 4 ivm 534 Abs 3 ZPO). Österreichische Gerichte sind gem 577 Abs 1 nur für die Aufhebung inländischer Schiedssprüche zuständig (vgl schon Teil 1 Pkt B.1.). 2. Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Schiedsspruchs Durch 612 wird den Parteien ermöglicht, in den Fällen eine Feststellungsklage auf Bestehen oder Nichtbestehen eines Schiedsspruchs zu erheben, in denen unklar ist, ob das Schiedsgericht überhaupt einen Schiedsspruch erlassen hat oder nicht etwa ein Schiedsgutachten oder eine sonstige informelle Handlung des Schiedsgerichtes vorliegt. 15) In Anlehnung an 228 ZPO setzt dieser Antrag ein rechtliches Interesse des Antragstellers voraus. Unklar ist in diesem Zusammenhang, ob die Feststellungsklage auf Nichtbestehen des Schiedsspruchs auch erhoben werden kann, wenn eine Entscheidung über einen objektiv nicht schiedsfähigen Streitgegenstand gefällt wurde oder der Schiedsspruch ordre public-widrig ist. Diese Frage stellt sich nur hinsichtlich inländischer Schiedssprüche, weil für diese kein Exequaturverfahren vorgesehen ist (siehe sogleich unten Pkt 3). Dagegen spricht, dass die genannten Gründe ausdrücklich als Aufhebungsgründe normiert sind und für die Erhebung der negativen Feststellungsklage, anders als für die Aufhebungsklage, keine Frist vorgesehen ist. Andererseits sieht der Gesetzgeber in 613 vor, dass derart mangelhafte Schiedssprüche in anderen Verfahren von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht zu beachten sind; diesen gegenüber liegt folglich ein Nichtschiedsspruch vor. ME ist die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage zu befürworten, denn die Parteien haben auch nach Ablauf der Frist für die Aufhebungsklage ein Interesse daran, Rechtsklarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Schiedsspruchs zu erlangen. Es ist nicht zu befürchten, dass negative Feststellungsklagen lediglich dazu verwendet werden, die Anfechtungsfrist des 611 Abs 4 zu umgehen, denn die im Schiedsverfahren unterlegene Partei wird in der Regel daran interessiert sein, so schnell wie möglich Sicherheit bezüglich der Wirksamkeit des Schiedsspruches zu erlangen. 16) 3. Wahrnehmung von Aufhebungsgründen außerhalb des Aufhebungsverfahrens Der Staat sollte in keinem Zeitpunkt gezwungen werden, ordre public-widrige Entscheidungen und solche über einen nicht objektiv schiedsfähigen Streitgegenstand die in sein Rechtsprechungsmonopol eingreifen anzuerkennen oder zu vollstrecken. Der Gesetzgeber sieht deshalb in 613 vor, dass solche Schiedssprüche in anderen (als dem Aufhebungs-)Verfahren vor Gerichten oder Behörden nicht zu beachten sind. Diese Regelung zielt auf inländische Schiedssprüche ab, weil diese anders als ausländische Schiedssprüche unmittelbar vollstreckbare Exekutionstitel darstellen (vgl 1 Z 16 EO), ohne dass ein vorangehendes Exequaturverfahren vorgesehen ist, in dem Versagungsgründe für die Vollstreckung geprüft werden. Ebenso verhält es sich, wenn ein Schiedsspruch in einem anderen gerichtlichen oder behördlichen Verfahren als präjudiziell anerkannt werden soll. 17) Das Gericht oder die Behörde prüft inzidenter ohne Bindungswirkung für andere Verfahren ob ein Schiedsspruch zu beachten ist oder nicht. Nach Ansicht des Gesetzgebers soll diese Lösung der Inzidentalprüfung im jeweiligen Verfahren einen Anreiz für die Parteien darstellen, die Frist für einen Aufhebungsantrag nicht ungenützt verstreichen zu lassen, sondern eine allseitige (bindende) Entscheidung über das Vorliegen eines ordre public-verstoßes oder über das Fehlen der objektiven Schiedsfähigkeit im Aufhebungsverfahren zu erreichen. 18) ME ist jedoch auch die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des Schiedsspruches zulässig (siehe Pkt 2.), wodurch widersprüchliche wenn auch nicht bindende Entscheidungen verschiedener Gerichte bzw Verwaltungsbehörden vermieden werden. I. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich wie auch bisher nach den Bestimmungen der EO, soweit nicht Völker- bzw Gemeinschaftsrecht etwas anderes bestimmt; sehr große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem NYÜ zu. 19) Ergänzend ist gem 614 vorgesehen, dass Schiedssprüche auch dann anzuerkennen und zu vollstrecken sind, wenn die zugrunde liegende Schiedsvereinbarung zwar zb nicht den Formerfordernissen des Art II NYÜ entspricht, aber sowohl die österrei- 14) Vgl statt vieler Fasching, Lehrbuch² Rz 2222; aus der Rsp: OGH 13. 1. 2004, 5 Ob 123/03d SZ 2004/1 = wobl 2005, 181. 15) Vgl Erläut zur RV 1158 BlgNR 22. GP 28 (SchiedsRÄG 2006). 16) Vgl v Saucken Reform 336. 17) Vgl dazu Oberhammer, Erläuterungen 143. 18) Vgl Erläut zur RV 1158 BlgNR 22. GP 29 (SchiedsRÄG 2006); krit dazu v Saucken Reform 336. 19) Vgl ausführlich Burgstaller, Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in Österreich, ZfRV 2000, 83. JAP [2005/2006] 04 Ü Christian Koller Ü Das neue österreichische Schiedsrecht, Teil 2 247

JAP chischen Formvorschriften (vgl 583) erfüllt als auch die (Formvorschriften) des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts. Eine weitere Neuerung besteht darin, dass die Vorlage der Urschrift oder einer beglaubigten Abschrift der Schiedsvereinbarung gem Art IV Abs 1 lit b NYÜ nur mehr nach Aufforderung durch das Gericht daher bei Zweifel über das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung erforderlich ist. Es wird somit das Formalerfordernis der Vorlage eingeschränkt. Daraus darf nicht geschlossen werden, dass auf den Nachweis der Existenz der Schiedsvereinbarung, sofern diese umstritten sein sollte, verzichtet wird. 20) Weiterhin ist jedoch mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung gem Art IV Abs 1 lit a NYÜ eine gehörig beglaubigte (legalisierte) Urschrift des Schiedsspruchs oder eine ordnungsgemäß beglaubigte Abschrift desselben vorzulegen. J. Gerichtliches Verfahren und Sonderbestimmungen 1. Zuständigkeit und Verfahren Für die Aufhebungsklage, die Feststellungsklage auf (Nicht-)Bestehen des Schiedsspruchs sowie die Mitwirkung bei der Bestellung oder Abberufung der Schiedsrichter sind gem 615 Abs 1 die Landesgerichte eigenzuständig. Örtlich zuständig ist, sofern die Parteien hierüber keine Vereinbarung bereits im Schiedsvertrag oder nach 104 JN getroffen haben, das Gericht, in dessen Sprengel der Sitz des Schiedsgerichts liegt. Liegt der Sitz des Schiedsgerichts im Ausland oder ist dieser noch nicht bestimmt, so ist das Handelsgericht Wien zuständig. Fallen die dem Schiedsspruch zugrunde liegenden Rechtsstreitigkeiten unter die Handelsgerichtsbarkeit (isd 51 JN) oder handelt es sich um Arbeitsrechtssachen (isd 50 Abs 1 ASGG), so entscheiden die Landesgerichte in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen oder als Arbeits- und Sozialgerichte, in Wien das Handelsgericht Wien oder das Arbeits- und Sozialgericht Wien. Das Verfahren für die Aufhebungsklage und die Feststellungsklage richtet sich grundsätzlich nach dem Erkenntnisverfahren der ZPO, auf das Verfahren in Angelegenheiten nach dem dritten Titel (Bildung des Schiedsgerichtes) sind die Bestimmungen des AußStrG anwendbar. Schiedsverfahren werden grundsätzlich nicht-öffentlich geführt und unterliegen dem Gebot der Vertraulichkeit. Um diesen Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit nicht im staatlichen Verfahren zunichte zu machen, ermöglicht der Gesetzgeber einer Partei bei Vorliegen berechtigter Interessen, den Ausschluss der Öffentlichkeit zu beantragen (vgl 616 Abs 2). 2. Sonderbestimmungen für Konsumenten und Arbeitsrechtssachen Die Notwendigkeit, Schutzbestimmungen für Konsumenten vorzusehen, ergibt sich daraus, dass das SchiedsRÄG 2006 in Anlehnung an das ModellG weitgehend auf die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit abgestimmt ist, und daher eigene Regelungen für besonders schutzwürdige Personenkreise aufgestellt werden müssen. Gem 617 Abs 1 können Schiedsvereinbarungen zwischen Unternehmern und Verbrauchern nur für bereits entstandene Streitigkeiten geschlossen werden, wodurch eine Beschränkung der objektiven Schiedsfähigkeit normiert wird. Für Schiedsvereinbarungen zwischen Unternehmern und Konsumenten, und auch zwischen Konsumenten untereinander, gelten strengere Formvorschriften. Anders als im Unternehmerbereich, in dem die Formvorschriften hauptsächlich die Sicherung des Inhalts der Schiedsvereinbarung bezwecken, verfolgen die Formgebote im Bereich der Konsumenten den Zweck, letztere vor dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung und den möglichen Folgen zu warnen und Übereilung beim Abschluss zu verhindern. Nach 617 Abs 2 muss die Schiedsvereinbarung in einem eigenhändig vom Verbraucher unterzeichneten Dokument enthalten sein, wobei dieses Dokument ausschließlich Vereinbarungen über das Schiedsverfahren, nicht aber sonstige Vereinbarungen, enthalten darf. Überdies trifft den Unternehmer eine schriftliche Belehrungspflicht über Bedeutung und Auswirkung des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung; wird diese schriftliche Rechtsbelehrung unterlassen, so ist der Schiedsspruch nach 617 Abs 7 aufhebbar. Verbraucher werden davor geschützt, sich Schiedsverfahren an Orten stellen zu müssen, die für sie nicht vorhersehbar oder nicht leicht erreichbar sind. 21) Es ist daher gem 617 Abs 4 der Sitz des Schiedsgerichts in der Schiedsvereinbarung festzulegen. Verfahrenshandlungen an anderen Orten sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers oder in Ausnahmesituationen zulässig. Die Wahl eines Schiedsortes, zu dem der Verbraucher keine Nahebeziehung isd 617 Abs 5 hat, ist nur beachtlich, wenn sich der Verbraucher auf die Schiedsvereinbarung beruft, indem er selbst die Klage beim Schiedsgericht erhebt oder sich auf das Verfahren einlässt. Klagt der Verbraucher in diesem Fall hingegen beim staatlichen Gericht, so ist die Schiedsvereinbarung nicht zu beachten. (Zu den Erweiterungen der Aufhebungsgründe bei Verbraucherbeteiligung vgl bereits oben Punkt H.1.). Gem 618 sind die für Konsumenten geltenden Schutzbestimmungen des 617 Abs 2 bis 7 auch auf Arbeitsrechtssachen nach 50 Abs 1 ASGG sinngemäß anzuwenden. K. Zusammenfassung Das österreichische Schiedsrecht wird durch das SchiedsRÄG 2006 umfassend neu geregelt. Die Übernahme des ModellG bewirkt eine Anpassung an international anerkannte Standards und steigert die Attraktivität Österreichs als Austragungsort für Schiedsverfahren. Dabei wurde das ModellG nicht sklavisch übernommen, sondern auf österreichische Besonderheiten Bedacht genommen. Im Vordergrund steht nunmehr im gesamten Bereich des Schiedsverfahrens die Parteiautonomie, die nur dort Einschränkungen er- 20) Vgl Oberhammer, Erläuterungen 148. 21) So die Erläut zur RV 1158 BlgNR 22. GP 30 (SchiedsRÄG 2006). 248 Ü Christian Koller Ü Das neue österreichische Schiedsrecht, Teil 2 JAP [2005/2006] 04

Ü fährt, wo Rechtsschutzgarantien gewahrt werden müssen. Als wesentliche Neuerungen sind zu nennen: die Ausweitung der objektiven Schiedsfähigkeit, die Erweiterung der sofort anfechtbaren Entscheidungen (Zuständigkeit, Schiedsrichterablehnung), die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie die Neuregelung der Aufhebungsgründe. Ü Kontrollfragen Sind der Parteiautonomie bei der Verfahrensgestaltung Grenzen gesetzt? Gibt es ein Pendant zum gerichtlichen Vergleich auch im Schiedsverfahren? Wie kann man gegen einen Schiedsspruch vorgehen? Welche besonderen Schutzbestimmungen bestehen für Konsumenten? Ü Zum Autor Mag. Christian Koller ist Assistent am Institut für Zivilverfahrensrecht der Universität Wien. JAP [2005/2006] 04 Ü Christian Koller Ü Das neue österreichische Schiedsrecht, Teil 2 249