Die manipulierbare Persönlichkeit Zur Veränderung von Charakter und Verhalten durch Tiefe Hirnstimulation

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Transkript:

Die manipulierbare Persönlichkeit Zur Veränderung von Charakter und Verhalten durch Tiefe Hirnstimulation Dr. phil. Dipl.-Phys. Sabine Müller Charité - Universitätsmedizin Berlin Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Forschungsbereich Mind and Brain mueller.sabine@charite.de Symposium Turm der Sinne, Nürnberg, 15.10.2011

Persönlichkeitsveränderungen durch Eingriffe in das Gehirn Physikalische und chemische Eingriffe in das Gehirn sind Eingriffe in die materielle Basis der Persönlichkeit. Kognitive Fähigkeiten, Stimmung, Persönlichkeit und Verhalten können durch neurochirurgische Eingriffe in das Gehirn sowie durch elektrische oder magnetische Stimulation des Gehirns verändert werden: entweder als ungewollte Nebenwirkung z. B. bei THS zur Therapie motorischer Störungen oder als Ziel des Eingriffs z. B. bei THS zur Behandlung psychiatrischer Erkrankungen

Tiefe Hirnstimulation (THS) Seit ca. 1950: Stereotaktische Operationen zur Behandlung von Bewegungsstörungen THS: modernstes Verfahren zur Therapie von Bewegungsstörungen, wenn Medikamente die Symptome nicht mehr durchgreifend bessern können Neurologie Morbus Parkinson Essentieller Tremor Dystonie Tremor bei Multipler Sklerose Epilepsie seltene Tremorformen komplexere Bewegungsstörungen: - Chorea Huntington - nach Schädel-Hirn-Trauma Wachkoma Psychiatrie Zwangsstörungen Depression Alkoholismus Heroinsucht Schwere Adipositas Tourette-Syndrom

Morbus Parkinson Pathologie: progressive Degeneration von Dopaminproduzierenden Zellen im Nigrostriatum Ungleichgewicht der elektrischen Aktivität in einem Netzwerk subcorticaler Strukturen Symptome: Neurologisch: Tremor, Rigor, Akinesie, Dyskinesie psychiatrisch: Depression (70%), Angststörung (69%), Apathie (48%), Reizbarkeit (47%), Verschlechterung von Exekutivfunktionen (41%) Therapiemethoden: ablative Neurochirurgie (Thalamotomie, Pallidotomie) L-Dopa + Dopaminagonisten Tiefe Hirnstimulation (THS) 4

Wie funktioniert Tiefe Hirnstimulation? 1. Stereotaktische Operation: Über ein kleines Bohrloch (ca. 14 mm) im Schädel werden mit Hilfe eines stereotaktischen Rahmens Sonden an genau voraus berechneten Stellen im Gehirn platziert. M. Parkinson: Nucleus subthalamicus, GPi oder Vim (Thalamus) Dystonie: Globus pallidum (Gpi) 2. Implantation eines Impulsgebers unter dem Schlüsselbein und dünner subkutaner Drahtverbindungen 3. Einstellung der Stimulationsparameter (Amplitude, Frequenz, Impulsdauer) durch den behandelnden Arzt telemetrisch über Funk mit Hilfe eines speziellen Programmiergerätes 4. Ein- und Ausschalten der Stimulation sowie Feineinstellung der Stimulationsstärke durch den Patienten über eigene Programmiereinheit das eigene Gehirn in den Griff bekommen

Wie funktioniert Tiefe Hirnstimulation? Zielgebiete der THS bei Parkinson

Wie funktioniert Tiefe Hirnstimulation? Stereotaktischer Rahmen Einführen einer Elektrode

Wie funktioniert Tiefe Hirnstimulation?

Wie funktioniert Tiefe Hirnstimulation? 1. Stereotaktische Operation: Über ein kleines Bohrloch (ca. 14 mm) im Schädel werden mit Hilfe eines stereotaktischen Rahmens Sonden an genau voraus berechneten Stellen im Gehirn platziert. M. Parkinson: Nucleus subthalamicus, GPi oder Vim (Thalamus) Dystonie: Globus pallidum (GPi) 2. Implantation eines Impulsgebers unter dem Schlüsselbein und dünner subkutaner Drahtverbindungen 3. Einstellung der Stimulationsparameter (Amplitude, Frequenz, Impulsdauer) durch den behandelnden Arzt telemetrisch über Funk mit Hilfe eines speziellen Programmiergerätes 4. Ein- und Ausschalten der Stimulation sowie Feineinstellung der Stimulationsstärke durch den Patienten über eigene Programmiereinheit das eigene Gehirn in den Griff bekommen

Wirkungen der THS bei Parkinson Patienten Benabid et al., Lancet Neurology 2009 Kleiner-Fisman et al., Movement Disorders 2009 (Werte in Klammern)

Spielsucht durch dopaminerge Medikamentation Heilung durch THS Bandini F et al.: Using STN DBS and medication reduction as a strategy to treat pathological gambling in Parkinson s disease. Parkinsonism and Related Disorders 13 (2007) 369-371 Bei zwei Patienten trat innerhalb von 2 Monaten nach Steigerung der Dosis der dopaminergen Medikation pathologische Spielsucht auf. Folgen: finanzieller Ruin; soziale Probleme; bei einem Patienten: Betreuer vom Gericht bestellt THS und Reduktion der dopaminergen Medikamente dramatische Verbesserung der Spielsucht 11

Kleptomanie durch THS? Ein Mann wurde wegen eines Ladendiebstahls vor Gericht gestellt. Er plädierte auf Schuldunfähigkeit: Er habe gestohlen, weil Prof. Bothe ihm Mikroelektroden zur Parkinson-Therapie implantiert habe. Ausrede oder THSverursachte Verhaltensänderung?

Impulskontrollstörung durch THS Sensi M et al.: Explosive-aggressive behavior related to bilateral subthalamic stimulation. Parkinsonism Related Disorders 2004;10: 247-51 64-jähriger Parkinson-Patient Nach Aktivierung des Stimulators: spontane, nichtprovozierte aggressive Ausbrüche mit körperlichen Angriffen gegen andere Patienten und Familienmitglieder drei Vorfälle von Kleptomanie Systematische Tests klare Korrelation der Stimulation und des aggressiven Verhaltens Antipsychotisches Medikament (Quetiapin) Kontrolle der psychiatrischen Symptome; anhaltend nach Absetzen

Ansteckendes Gelächter durch THS Krack P et al.: Mirthful laughter induced by subthalamic nucleus stimulation. Mov Disord 2001,16(5):867-75 2 Parkinson-Patienten: therapeutische Parameter: hypomanisches Verhalten. Kurzzeitige Stimulation mit um 50 % erhöhten Parametern: Lustige Assoziationen Heiteres Lachen Ansteckung der Ärzte mit Gelächter

Manie und Hypersexualität durch THS (1) Romito et al.: Transient mania with hypersexuality after surgery for high frequency stimulation of the subthalamic nucleus in Parkinson's disease, Movement Disorders 2002; 17(6):1371-4 30 Parkinson-Patienten, behandelt mit THS 5 Pat. (16,7%) entwickelten Störungen der Stimmung (Manie) und/oder des sexuellen Verhaltens nach THS. remarkable disorders no disorders Patient 1: Manie sexuelles Interesse, Wünsche und Aktivitäten stark gesteigert deutliche Beeinträchtigung des Soziallebens Patient 2: Manie sexuelles Interesse stark gesteigert sexuelle Belästigung weiblicher Krankenhausmitarbeiterinnen wahllose Sexualkontakte

Manie und Hypersexualität durch THS (2) Houeto et al., Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry 2002, 72(6) Patient 1: abnormes Sexualverhalten mit Exhibitionismus Patient 2: Sexuell deviantes Verhalten: Exhibitionismus, verstärkte Libido, aber schlechtes Sexualleben mit Gattin Angst der Gattin, vor allem Sorge um die Kinder der Nachbarschaft Spielsucht Fernreisen; Verdacht auf Sextourismus

Manie und Hypersexualität durch THS (3) Herzog et al., Movement Disorders 2003, 18(11) Patientin: erstmalig eine manische Episode mit psychotischen Symptomen (Paranoia) Kaufsucht (Kleidung) Extremes Misstrauen gegenüber ihren Kindern Verliebtheit in zwei behandelnde Neurologen Verlust normaler sozialer Hemmungen Krause et al. Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry 2001, 70(4) 3 von 18 Patienten: starke Zunahme der Libido 2 Pat.: stationäre psychiatrische Behandlung erforderlich

Veränderung des künstlerischen Ausdrucks durch THS Witt K, Krack P, Deuschl G: Change in artistic expression related to subthalamic stimulation. J Neurol. 2006 ;253(7): 955-6 vor THS Mit THS

Verschlechterung der soziomoralischen Urteilsfähigkeit durch THS Brentrup A et al.: Alterations of sociomoral judgement and glucose utilization in the fronto-medial cortex induced by electrical stimulation of the subthalamicus nucleus (STN) in Parkinsonian patients, 55. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie e.v., 2004 2 von 15 Patienten: soziale Anpassungsstörung (> 1 Jahr) Stimulation ON: Novelty seeking: (von 1,5 auf 2,3; Normal: 2,2 3,2) Gewissenhaftigkeit: (von 2,4 auf 1,7; Normal: 1,9 3,2) Soziomorale Urteilsfähigkeit: (auf der 6-stufigen Kohlberg- Skala von Level 4 auf Level 2)

Auswirkungen von THS auf Familie, Partnerschaft und Beruf : Stimmung, Einkommen, soziales Leben, Beziehungen zu Kindern, Familienleben : Partnerschaft (Ehe), Berufstätigkeit Schüpbach et al.: Neurosurgery in Parkinson Disease: A distressed mind in a repaired body? Neurology 2006; 66: 1811-6

Auswirkungen von THS auf Familie, Partnerschaft und Beruf : Stimmung, Einkommen, soziales Leben, Beziehungen zu Kindern, Familienleben : Partnerschaft (Ehe), Berufstätigkeit Schüpbach et al.: Neurosurgery in Parkinson Disease: A distressed mind in a repaired body? Neurology 2006; 66: 1811-6

Dilemma: Manisch oder beweglich? Leentjens et al. 2004. Manipuleerbare wilsbekwaamheid: Een ethisch probleem bij elektrostimulatie van de nucleus subthalamicus voor ernstige ziekte van Parkinson. Dutch Journal for Medicine 148(28): 1394-8

Dilemma: Manisch oder beweglich? Leentjens et al. 2004. Manipuleerbare wilsbekwaamheid: Een ethisch probleem bij elektrostimulatie van de nucleus subthalamicus voor ernstige ziekte van Parkinson. Dutch Journal for Medicine 148(28): 1394-8 Stimulation aus Motorisch schwer behindert Kognitiv nicht beeinträchtigt einwilligungsfähig Pflegeheim Stimulation an Motorisch nicht behindert (leicht) manisch Nicht einwilligungsfähig Psychiatrie Entscheidung über An- oder Abschalten der Stimulation? Lokale Ethikkommission: Patient soll selbst entscheiden bei abgeschalteter Stimulation Entscheidung des Patienten: Stimulation anstellen!

Psychische Veränderungen durch THS bei Parkinson-Patienten Manie Apathie Depression Angststörungen emotionale Überempfindlichkeit Suizidneigung verringerte moralische Kompetenz Euphorie, hohe Energie vergrößertes Streben nach neuen Erfahrungen verringerte soziale Konformität vergrößerte Risikobereitschaft vergrößerte Libido veränderte familiäre Beziehungen vergrößerte Konzentrationsfähigkeit, Motivation, Aufmerksamkeit Abnahme von Depression, Angst, Anspannung, Erschöpfung, Zwangsstörungen Wiederbelebung sozialer Aktivitäten

Mögliche Ursachen der Nebenwirkungen der THS bei Parkinson-Patienten 1. Chirurgischer Eingriff Läsion, zeitweise Schwellung, ggf. intrakranielle Blutungen, Infektionen 2. Elektrische Stimulation, evtl. Fernwirkungen 3. Reduktion von L-Dopa Methodische Probleme: 1. Einige Nebenwirkungen sind schwer zu messen und zu quantifizieren. Häufigkeit schwer zu bestimmen 2. Die Bedeutung einiger Nebenwirkungen für das Leben der Patienten ist unklar, insbes. i. Vgl. mit dem natürlichen Krankheitsverlauf.

THS zur Therapie psychiatrischer Erkrankungen Arbeitsgruppe Methode Störung Sturm/Schläpfer (Köln/Bonn); Greenberg/Brown (USA) Greenberg/Brown (USA); Nuttin (Belgien) Stimulierung des Nucleus accumbens Deaktivierung der Capsula interna (crus anterior) Zwang, Depression, Angst, Sucht, Tourette-Syndrom Zwang Aouizerate (Frankreich) Stimulierung des Nucleus caudatus Zwang Mayberg/Lozano (Kanada) Deaktivierung der subgenualen Region des anterioren Cingulums (Cg 25) Depression

THS: Stimulation des Belohnungszentrums zur Therapie von Depression u.a. Sturm und Schläpfer (Köln/Bonn): Stimulation des Nucleus accumbens Der N. accumbens ist Teil des Belohnungszentrums des Gehirns. Hypothese: Depression ist wesentlich Unfähigkeit zur Freude (Anhedonie).

THS: Stimulation des Belohnungszentrums zur Therapie von Depression u.a. Sturm: Doppelblindstudie mit 10 Patienten: Remission: 1 Response: 6 keine Veränderung: 2 Verschlechterung: 1 1. Fallbeispiel: Patientin, die täglich bis zu 16 Stunden mit Zwangshandlungen verbrachte und als austherapiert galt: Drei Monate nach der Aktivierung der Elektroden waren die Zwänge verschwunden, und die Frau konnte erstmalig ein normales Leben führen. 2. Fallbeispiel: Ein Patient mit schwerer Zwangsstörung leitet nach THS den Bau von Kraftwerken im Ausland.

THS: Stimulation des Cg25 zur Therapie von Depression THS nach Mayberg und Lozano PET-Untersuchung: cerebral blood flow (CBF) vor und nach THS im Cg25

THS: Stimulation des Cg25 zur Therapie von Depression 6 Patienten mit schwerer therapieresistenter Depression 1 Monat nach THS-Beginn: Response bei 2 Patienten 2 Monate nach THS-Beginn: Response bei 5 Patienten 6 Monate nach THS-Beginn: Response bei 4 Patienten (3 mit Remission) Bei den 4 bis 5 Patienten mit Response: Normalisierung der Schlafstörungen Zunahme von Energie, Interesse, sozialen Aktivitäten, psychomotorischer Geschwindigkeit Rückgang von Apathie und Anhedonie Bessere Fähigkeit, Tätigkeiten zu planen, zu beginnen und zu Ende zu führen Verbesserung bestimmter kognitiver Fähigkeiten Das Cg25 ist wahrscheinlich ein kritischer Punkt eines Netzwerks, das die Stimmung reguliert. Bei Depressionen ist dort häufig Hyper- oder Hypoaktivität festzustellen.

THS zur Therapie von Zwangsstörungen: Erfahrung eines Patienten Patient mit schweren Zwangsstörungen, mit THS behandelt von Nuttin (Belgien) Jeder fand, dass ich ein ganz anderer Mensch geworden bin. Mein bester Freund und einige Familienmitglieder haben Nuttin gemailt, um ihn und den medizinischen Stab für das haftbar zu machen, was sie mir angetan haben. Es ist nur schade, dass ich niemals länger als ein Jahr gut sein kann. Die Stimulatoren arbeiten auf Batteriebasis, und diese müssen eben ausgewechselt werden, wenn sie ganz leer sind. Die Monate davor habe ich das Gefühl, dass ich eine leer werdende Taschenlampe bin. Dann nimmt der Zwang wieder zu, so dass ich endgültig von neuem genauso unter Zwang bin wie früher. Es ist einerseits herrlich zu wissen, dass ich ein ziemlich normales Leben führen kann. Aber andererseits ist es beängstigend, dass ich abhängig bin von den Apparaten und Knöpfen in Leuven. (Tammer 2006)

Fazit (1) THS beeinflusst bei vielen Patienten deutlich die Stimmung, bestimmte kognitive Funktionen, aber auch Persönlichkeitseigenschaften wie Novelty seeking, Risikobereitschaft, Gewissenhaftigkeit, moralische Kompetenz, soziale Anpassung. Die Veränderungen werden teils positiv, teils negativ, teils ambivalent bewertet (subjektiv, von den Angehörigen sowie in psychologischen Tests). In einer bedeutenden Minderheit von Fällen treten psychiatrische Störungen auf (Depression, Apathie, Hypomanie, Hypersexualität, Kleptomanie). Die Wirkung von THS ist für den Einzelfall nicht sicher vorhersehbar. Minimale Veränderungen der Stimulationsparameter sowie der Elektrodenposition beeinflussen das Ergebnis ganz entscheidend.

Fazit (2) THS ist ein mächtiges Instrument, das allerdings noch nicht ganz beherrscht wird. Gründe: enge räumliche Nähe der für die Motorik, kognitive Funktionen, Stimmung und Gefühle relevanten Hirnstrukturen starke Wechselwirkungen und Rückkopplungen Neurogenese noch nicht verstanden

Empfehlungen Aufklärung der Patienten auch über komplexe, schwer messbare Nebenwirkungen, insbes. Persönlichkeitsveränderungen und Folgen für Partnerschaft und Beruf Geeignete Einschlusskriterien Adaptation der Stimulationsparameter nicht nur zur Optimierung motorischer Funktionen, sondern auch in Hinsicht auf Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Autonomie und der sozialen Kompetenzen der Patienten Odysseus-Testamente für den Umgang mit möglichen problematischen Verhaltensänderungen durch THS

Zum Nachlesen

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