Generalangriff auf Löhne und Sozialstaat in Europa Eine Herausforderung für die LINKE/Linke Projektgruppentreffen am 11. Februar 2012 1
Krise: Stunde der Neoliberalen? Die zweite Phase der großen Krise stellt sich als Window of Opportunity des phasenweise schon totgesagten Neoliberalismus heraus. Dessen AnhängerInnen verstehen es derzeit offenbar ziemlich gut, ihre historische Chance zu nutzen. (Steffen Stierle, attac April 2011) 2
Überblick: Elemente der Krisenpolitik - Umdeutung Bankenkrise in Staatsschuldenkrise - Generalangriff auf die Löhne und den Sozialstaat in Europa - Gegenwehr und Perspektiven für Deutschland 3
Umdeutung der Bankenkrise in Staatsschuldenkrise Woher kommt die Staatsverschuldung? - Bankenrettung - Konjunktur- und Stützungsprogramme gegen die Krise 2008/2009 - Steuerentlastung von Reichen und Unternehmen Wohin fließen die Rettungsgelder? - direkt an die Banken oder indirekt zur Stützung des Finanzsektor z.b. Irland: 35 Mrd. von 85 Mrd. Euro für die Wiederherstellung des Vertrauens in den irischen Bankensektor, 10 Mrd. Euro als unmittelbare Kapitalzuführung an ausgewählte Banken - Bedienung Zinslast, z.b. v.a. Griechenland 4
Krisenpolitik: ESFS/ESM, Fiskalpakt EFSF/ESM - derzeitiger/zukünftiger Rettungsschirm im Umfang von 440 Mrd. Euro und 500 Mrd. Euro (ESM geplant ab 1. Juli 2012, Unterschied EFSF: nicht nur Bürgschaft auch direkte Kredite) + 250 Mrd. Euro vom IWF - wichtig! Rettungsgelder werden nur im Gegenzug zu Sozialkürzungen und Wirtschaftsreformen vergeben ( Absichtserklärungen ) Fiskalpakt - Schuldenbremse auf Europäischer Ebene: - nicht mehr als 0,5% Neuverschuldung zur Wirtschaftsleistung - nicht mehr als 60% Staatsverschuldung, bei höherer Verschuldung müssen die Schulden um jährlich ein Zwanzigstel abgebaut werden. 5
Ergebnisse dieser Krisenpolitik - Finanzmarktregulierung bleibt außen vor - Verantwortliche der Krise werden nicht in die Pflicht genommen stattdessen zahlen Beschäftigte, Erwerbslose und Rentner/innen die Zeche für die Banken. Was droht mit dem Fiskalvertrag? - Eurostaaten müssten in fünf Jahren 1,5 Billionen Euro kürzen! - Deutschland müsste jedes Jahr 30 Milliarden Euro einsparen (bei derzeitiger Schuldenquote von 83 Prozent) 6
Krisenpolitik I: Umverteilung und Privatisierung - Erhöhung der indirekten und Verbrauchssteuern z.b. Portugal: Mehrwertsteuer für Strom und Erdgas von 6 auf 23 %, Verkehrstarife um 15 % - Verkauf öffentlichen Eigentums z.b. Griechenland, neu vereinbart: 19 Milliarden Euro bis 2015, u.a. sollen die Staatliche Lotterie, die Gaswerke und die staatlichen Raffinerien privatisiert werden. - Einschränkung öffentlicher Kontrolle z.b. verbietet die portugiesische Absichtserklärung, dem Staat und allen staatlichen Stellen den Abschluss von Verträgen, die den freien Kapitalverkehr behindern oder Auswirkungen auf die Leitung bzw. Beherrschung von Unternehmen haben. (Wissenschaftlicher Dienst Bundestag) 7
Krisenpolitik II: Angriff auf den Sozialstaat - Einschnitte in der Arbeitslosenversicherung in Höhe und Unterstützungsdauer (z.b. Portugal, Griechenland) Druck jede Arbeit anzunehmen (Hartz IV) - Gesundheitssystem: Abbau staatlicher Zuschüsse, z.b. Irland - Rente: Kürzungen und späteres Eintrittsalter (Rente mit 67) 8
Krisenpolitik II: Angriff auf Löhne, Arbeitsrechte, Tarifverträge - direkte Lohnsenkungen im öffentlichen Dienst - Mindestlöhne werden eingefroren (Portugal, Irland) oder gekürzt (Griechenland -22% von 751 auf 568 ) - Kürzung von Jahresurlaub und Feiertagen, z.b. Portugal: 25 auf 22 Tage - Aufweichung Kündigungsschutz, z.b. Portugal - Eingriffe Tarifverträge, Griechenland: Nachwirkung der Tarifverträge soll aufgekündigt werden 9
Krisenpolitik: Agenda 2010 für Europa - nur schneller und tiefer - Verschärfung der Krise, Zunahme von Arbeitslosigkeit und Armut - Hoffnung der Herrschenden auf Schocktherapie, um den europäischen Wirtschaftsraum zu stärken (Erinnern: Lissabon-Ziel, Europa bis 2010 zur wirtschaftlich dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Region machen) - Schlüsselrolle Deutschlands, Kanzlerin Merkel Auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen. (CDU-Fraktionschef Volker Kauder, Nov. 2011 CDU-Bundesparteitag, Leipzig) 10
Gegenwehr - Griechenland: mehrere Generalstreiks (mit Rücktritt des Regierungschefs) und aktuell - Portugal: 2010/2011 die größten Arbeitsniederlegungen seit der Revolution 1974 - Proteste/Streiks in Spanien, Italien, Belgien, Rumänien (Regierungsrücktritt), Großbritannien, Frage: Wie weiter und welcher Aussicht auf Erfolg? 11
Keine Krise in Deutschland I? Solidarität gefragt! europaweiter Abbau von Sozialstandards setzt Spirale nach unten in Gang und wird auch bei uns ankommen Richtig: - Deutschland bisher kein tiefer wirtschaftlicher Einbruch - Prognosen mit hoher Unsicherheit behaftet Aber 12
Keine Krise in Deutschland II? 1. Deutsche Schuldenbremse = Sozialabbau + erzwungene Privatisierung - Verbot neuer Schulden für Länder ab 2016, für Bund ab 2020 maximal 0,35% Neuverschuldung - läuft auf ein Verbot staatlicher Investitionen heraus = Privatisierung - wird jetzt schon darauf hin gearbeitet 2. Unsere Krisenerfahrung: Agenda 2010 - Ausbau Niedriglohnsektor - Expansion Leiharbeit, befristete Beschäftigung, Minijobs - Druck auf Arbeitsannahme durch Hartz IV So kam gesamtes Lohngefüge unter Druck 13
Lohndrücker Deutschland 14
Anknüpfungspunkte & mögliche Aktivitäten für DIE LINKE - Einbringen in geplante Krisenaktivitäten/ Maiproteste 12. Mai, Mai/Juni voraussichtliche Ratifizierung des Fiskalpakts und ESM, bis dahin auch Nachtraghaushalts, sowie 1. Mai - 2012 Tarifrunden für mehrere Millionen Beschäftigte Öffentlicher Dienst Bund/Kommunen: beginnt Ende Februar ca. 2 Mio. Beschäftigte Metall- und Elektroindustrie: beginnt Ende März 3,3 Mio. Beschäftigte Hohe Erwartungen: Post hat 4% abgeschlossen, ver.di und IG Metall fordern 6,5% - Einmischen, Unterstützen bei Krisenfällen (Schlecker, u.a.)? - Solidaritätstour mit griechischen, portugiesischen Genossen/innen? 15
Danke Protestdemonstr ration in Athen, Novemb ber 2011 16