Psychische Störungen bei Hypophysenerkrankungen: Umgang mit der Hypophysenerkrankung und Möglichkeiten der psychologischen Betreuung

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Transkript:

Psychische Störungen bei Hypophysenerkrankungen: Umgang mit der Hypophysenerkrankung und Möglichkeiten der psychologischen Betreuung Dr. Monika Dorfmüller Leitende klinische Psychologin a. D., München

Aktuelle Menschenbilder unserer Gesellschaft, Leitbilder der Medien Propagierung des jungen, gesunden, vielseitig leistungsfähigen, erfolgreichen und gut ausstehenden Menschen mit den Spezifika von Frau und Mann.

Chronische Erkrankungen Meist nicht heilbar, teilweise mit schleichendem Verlauf. Krankheits- und behandlungsbedingte Belastungen, ausgeprägte Konsequenzen für Lebensplanung und Lebensführung mit individuellen Varianten, insgesamt körperliche, emotionale und soziale Belastungen. Notwendig auch eine ständige Kooperation der Patientinnen und Patienten mit ihren behandelnden Ärzten sowie die Notwendigkeit täglicher therapeutischer Maßnahmen. Subjektives Befinden und objektive Befunde können im Einzelfalle mehr oder minder auseinanderklaffen.

Chronische Erkrankungen (Forts.) Aus Zeitgründen müssen Aspekte des SCHMERZERLEBENS als komplexem Geschehen aus biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren und heute gültige, multimodale, interdisziplinäre Therapiekonzepte in diesem Kontext ausgeklammert werden. Auch der Sektor von Hypophysenerkrankungen bei MIGRANTINNEN und MIGRANTEN muss ausgeklammert werden, soll aber um seiner Dringlichkeit willen zumindest erwähnt werden.

Geschlechtsdifferenzierungen im Umgang mit Hypophysenerkrankungen Fragen der Geschlechtsidentität. Meist ausgeprägtere sprachliche Artikulation der Frauen, auch mehr Offenheit gegenüber dem Arzt über Gefühle zu sprechen. Frage- und Informationsbedürfnis ebenfalls nicht selten ausgeprägter beim weiblichen Geschlecht in Bezug auf Erkrankung, mit diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Dazu gesellschaftliche Rollenerwartungen an Mann und Frau. Gesundheits-, Körper- und Krankheitswahrnehmung meist ausgeprägter bei den Frauen.

Biographie mit subjektiv-individuellem Hintergrund und psychosoziale Aktualsituation und deren Konsequenzen für den Umgang mit der Krankheit Soziodemographische Variablen, Persönlichkeitsfaktoren, jeweiliges Entwicklungsalter bei Erkrankungsbeginn und im verlauf, psychosoziale Eckdaten, so genannte Life events, also einschneidende Lebensereignisse, vorbestehende und aktuelle Konflikte, vorbestehende psychische Traumatisierungen und emotionale Anpassungsstörungen. Mögliche Suchterkrankungen in der Vorgeschichte, Angst- und Zwangskrankheiten, psychiatrische Erkrankungen.

Die Rolle des Social Support Stabile, Rückhalt gebende oder eher neutrale oder wenig verlässliche soziale Stützen durch Familie, Angehörige, Freunde, Kollegen. Veränderungen in der Familien- und Sozialstruktur durch die chronische Erkrankung, Beziehungsveränderungen. Wesentlich: aufeinander zugehen, von Seiten des Erkrankten Hilfe im konstruktiven Sinne einfordern, auch Rücksichtnahme zur rechten Zeit annehmen bzw. anfordern.

Breites und wandlungsfähiges Spektrum von Reaktionen auf die Hypophysenerkrankung Krankenrolle als Zentrum, Scham, Gefühle der Hilflosigkeit, der Wut, des Ärgers und der Trauer, Schuld- Strafe-Problematik, Vorwurfshaltung. Mögliche zunehmende soziale Isolierung und Vereinsamung. Zuwendungssuche bis zur Konzentration auf eine Sonderrolle und Selbstmitleid. Projektion anderer Lebenskonflikte auf die chronische Erkrankung.

Breites und wandlungsfähiges Spektrum von Reaktionen auf die Hypophysenerkrankung (Forts.) Aktionismus, Flucht nach vorne, ausweichen vor der Erkrankung, indem Arzttermine nicht eingehalten werden, keine Aufklärungsgespräche gesucht werden usw. Demgegenüber günstig sachliches Beharren auf gut verständlicher Information, auf verständlichen Aufklärungsgesprächen mit der Möglichkeit von Nachfragen. Einholen einer zweiten Facharztmeinung ist durchaus gerechtfertigt

Sinnfragen Warum bin gerade ich betroffen, wofür werde ich bestraft, fühle mich nicht schuldig. Teilweise auch von Seiten der Angehörigen her hörbar. Sinnfragen reichen in den spirituellen Bereich, ohne dass der einzelne Patient einer Glaubensgemeinschaft angehören muss.

Weitere Symptomatik Zusätzliche körperliche Symptome (z. B. vegetative Symptomatik, Schmerzsymptomatik) bei bedrohlich erlebten Sondersituationen wie zum Beispiel anstehenden Entscheidungen, operativen Eingriffen usw. Unabhängig von der Hypophysenerkrankung können durchaus so genannte somatoforme Symptome begleitend auftreten, bei denen sich psychische und soziale Überforderung, Konflikte aus Vergangenheit und Gegenwart oder prognostisch als körperliche Symptome darstellen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass zumindest teilweise eigene Kontrollüberzeugungen und eine eigene, sonst im Leben praktizierte Handlungskompetenz zumindest vorübergehend nicht zum Tragen kommen bzw. erst mühsam wieder gewonnen werden müssen.

Cortison-Ängste Nicht selten Dämonisierung dieses hervorragend wirksamen Medikamentes. Sorgen vor Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Cushing-Syndrom, vor Hautveränderungen und weiteren körperlichen Symptomen. Dominant jedoch sollte die Anerkennung des Nutzens bei strenger und kompetenter Indikationsstellung des Arztes in enger Zusammenarbeit mit dem Patienten sein.

Zielvorstellungen (I) Eine der entscheidenden Fragen ist die der Wiedergewinnung bzw. Aufrechterhaltung der individuellen Identität, deren Unterstützung trotz der Hypophysenerkrankung. Dazu gehören Fragen der Selbstverwirklichung, der Selbstbestimmung, der persönlichen Würde, der individuellen Abgrenzung und die Anerkenntnis menschlicher Grundbedürfnisse wie menschlicher Nähe, Zuneigung, Sexualität usw. Krankheitsbezogene Lebensqualität mit vielen persönlichen Varianten.

Zielvorstellungen (II) Realistische Umgangsstrategien und Angstreduzierung: Umgangsstrategien werden realistisch meist nur eine bedingte Akzeptanz der chronischen Erkrankung erreichen können und sind ein nie abgeschlossener dynamischer Prozess mit Vor- und Rückschritten, mit aktiven und passiven Elementen. Ressourcenmodell, also entdecken und verstärken der eigenen, trotz der Krankheit gegebenen Kraftquellen körperlicher, seelischer, sozialer und spiritueller Art. Defizitmodelle im Rahmen einer chronischen Erkrankung sind wenig zielführend.

Zielvorstellungen (III) Aktives Anpassen, veränderte Wert- und Bedürfnishierarchie. Enttäuschungen, Wut, Ärger, Aggressionen und Aufbäumen zulassen und dies auch der Umgebung verständlich machen. Rückzug zur rechten Zeit, um zu sich selbst zu finden und vorübergehend sich abgrenzen zu können. Körper annehmen und verwöhnen. Hilfe annehmen!!! Tagebuch schreiben. Niederschriften von Gedanken, Belastungen, Hoffnungen und Ängsten. Meine Krankheit, meine Einordnung in meine Biographie, meine Verantwortung für den Umgang mit der Krankheit, für diagnostische und therapeutische Maßnahmen.

Angebote aus psychologischpsychotherapeutischer Sicht Kriseninterventionen. Supportive, also unterstützende Einzelgespräche, auch Familientherapien. Körperorientierte Therapien wie Gestalttherapie, Entspannungstechniken, Meditation, Atem-, Mal- und Musiktherapie, Tanz. Insgesamt Techniken der Stresswahrnehmung und Techniken der Stressbewältigung, um krankheitsüberlagernde und Lebensqualität beeinträchtigende Ängste und Spannungen zu reduzieren.

Selbsthilfegruppen

Subjektiv-objektive Erwartungen an Psychotherapie und Familientherapie Möglichkeiten der Finanzierung von Psychotherapien beispielsweise über die einzelnen Krankenkassen.