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Transkript:

Analysis I Universität Stuttgart, WS 05/06 M. Griesemer Inhaltsverzeichnis 1 Grundbegriffe 3 1.1 Aussagenlogik................................. 3 1.2 Mengen.................................... 4 1.3 Relationen................................... 6 1.4 Funktionen.................................. 6 1.5 N-Tupel und Folgen............................. 8 2 Die reellen Zahlen 9 2.1 Die Körperaxiome............................... 9 2.2 Die Ordnungsaxiome............................. 11 2.3 Das Vollständigkeitsaxiom.......................... 12 2.4 Betrag..................................... 14 2.5 Die natürlichen Zahlen............................ 14 2.6 Eigenschaften von N............................. 15 2.7 Ganze und rationale Zahlen......................... 15 2.8 Summen- und Produktzeichen........................ 16 3 Mächtigkeit von Mengen 17 3.1 Endliche Mengen............................... 17 3.2 Abzählbare Mengen.............................. 17 4 Die komplexen Zahlen 19 4.1 Der Körper C................................. 19 4.2 Betrag..................................... 20 4.3 Ganzzahlig Potenzen............................. 21 5 Zahlenfolgen 22 5.1 Definition und Beispiele........................... 22 5.2 Konvergenz.................................. 22 5.3 Monotone Folgen und Wurzeln........................ 24 1

2 5.4 Vergleichssätze für Folgen.......................... 25 5.5 Teilfolgen................................... 26 5.6 Vollständigkeit................................ 27 5.7 Bestimmte Divergenz............................. 27 6 Reihen 29 6.1 Definition und Beispiele........................... 29 6.2 Absolut konvergente Reihen......................... 31 6.3 Kriterien für absolute Konvergenz...................... 31 6.4 Bedingt konvergente Reihen......................... 32 6.5 Dezimalbrüche und g-adische Entwicklung................. 33 6.6 Cauchy-Produkt zweier Reihen....................... 34 6.7 Die Exponentialfunktion........................... 34 7 Stetige Funktionen 37 7.1 Definition und Beispiele........................... 37 7.2 Kriterien für Stetigkeit............................ 37 7.3 Der Zwischenwertsatz............................. 39 7.4 Stetige Funktionen auf kompakten Mengen................. 41 7.5 Grenzwerte einer Funktion.......................... 44 7.6 Monotone Funktionen............................ 49 7.7 Die Logarithmusfunktion........................... 51 7.8 Hyperbolische Funktionen.......................... 53 7.9 Trigonometrische Funktionen........................ 55 8 Differentialrechnung 60 8.1 Begriff der Ableitung............................. 60 8.2 Ableitungsregeln............................... 62 8.3 Extrema.................................... 64 8.4 Der Mittelwertsatz.............................. 65 8.5 Bernoulli-de l Hôpitalsche Regel....................... 67 8.6 Konvexe Funktionen............................. 69 8.7 Unstetigkeiten der Ableitung sind zweiter Art............... 72 8.8 Höhere Ableitungen.............................. 72 8.9 Taylorsche Formel mit Lagrange Restglied................. 74 8.10 Qualitative Fassung der Taylorschen Formel................ 76 8.11 Taylor-Reihen................................. 79

3 1 Grundbegriffe 1.1 Aussagenlogik Eine Aussage ist ein Satz in Worten oder Zeichen, der eindeutig als wahr oder falsch deklariert werden kann. Eine Aussageform ist ein Satz in Worten oder Zeichen, welcher mindestens eine Variable enthält und für jede zulässige Belegung der Variablen zu einer Aussage wird. Mit den Zeichen,,, werden zwei Aussagen (Aussageformen) miteinander zu einer neuen Aussage (Aussageform) verknüpft. Mit wird eine Aussage negiert. Diese Operationen sind durch Wahrheitswertetabellen definiert. Ein Axiom bezeichnet eine Aussage welche gemäß Vereinbarung wahr ist. Die Überschriften Theorem, Satz, Korollar und Lemma bezeichnen wahre Aussagen, welche aus den Axiomen hergeleitet werden können durch eine Folge von wahren Implikationen (Beweis). Satz 1.1.1. Die Verknüpfungen von Aussagen mit und sind kommutativ, assoziativ und es gelten die de Morganschen Regeln: (a b) ( a b) (a b) ( a b). Die Implikation a b ist gleichbedeutend mit a b. Satz 1.1.2. Für alle Aussagen a, b, c gelten die Distributivgesetze: a (b c) (a b) (a c) a (b c) (a b) (a c). Satz 1.1.3. Für alle Aussagen a, b gilt das Kontrapositionsgesetz: (a b) ( b a) (1) Da weiter a b äquivalent ist zu (a b) (b a), erhalten wir aus obigem Satz das Korollar: Korollar 1.1.4. Für alle Aussagen a, b gilt: (a b) [ (a b) ( a b) ]. (2) Quantoren. Sei A(x) eine vorgegeben Aussageform. Dann wird durch x A(x) : für alle x gilt A(x), (3)

4 ein Aussage bezeichnet, welche per Definition genau dann wahr ist, wenn A(x) wahr ist für alle x. Die Aussage x A(x) : es existiert ein x mit A(x), (4) ist per Definition genau dann wahr, wenn A(x) für mindestens ein x wahr ist. Für diese Quantoren findet man in der Literatur auch die Notationen und, welche daran erinnern, dass es sich um Ausdehnungen der Verknüpfungen und von zwei auf eine beliebige Zahl von Aussageformen handelt. Entsprechend sind die Regeln: x A(x) x A(x) x A(x) x A(x) Verallgemeinerungen der de Morganschen Regeln. 1.2 Mengen Eine Menge M ist eine Zusammenfassung von Objekten m, genannt Elemente von M, zu einem Ganzen. Man schreibt m M für die Aussage m ist Element von M, kurz m in M, und man schreibt m M, sprich m nicht in M, für die Negation davon. Auch die leere Menge, welche per Definition kein einziges Element enthält, ist eine Menge. Mengen können durch Aufzählung aller Elemente beschrieben werden oder auch durch eine Aussageform. Ist A(x) eine Aussageform, welche für alle x einer Grundmenge X definiert ist, dann bezeichnet A = {x X A(x)} die Menge aller x in X, für welche A(x) wahr ist. Wichtige Menge mit festen Namen sind N := {0, 1, 2,...} Z := {0, ±1, ±2,...} Menge der natürlichen Zahlen Menge der ganzen Zahlen Q := {m/n (m Z) (n N) (n 0)} R := Menge der reellen Zahlen C := Menge der komplexen Zahlen. Menge der rationalen Zahlen Man sagt A ist Teilmenge von B und schreibt A B, wenn jedes Element von A auch eine Element von B ist. D.h., A B (x A x B) Insbesondere gilt für jede Menge A, dass A und A A. Man schreibt A = B, wenn A B und B A. D.h., A = B (x A x B)

5 Weiter definiert man für beliebige Mengen A und B A B := {x (x A) (x B)} Durchschnitt A B := {x (x A) (x B)} Vereinigung A\B := {x A x B} Differenz Zwei Mengen mit leerem Durchschnitt heißen disjunkt. Falls A Teilmenge einer Grundmenge X ist, über welche kein Zweifel besteht, dann heißt das Komplement von A. A c := X\A Satz 1.2.1. Durchschnitt und Vereinigung von Mengen sind kommutativ und assoziativ. Weiter gelten für beliebige Mengen A, B, C die Distributivgesetze: A (B C) = (A B) (A C) A (B C) = (A B) (A C) Sei I eine beliebige Indexmenge, endlich oder unendlich, und für jedes i I sei A i ein Menge. Man spricht dann von der Familie (A i ) i I von Mengen und definiert A i := {x i I (x A i )} i I A i := {x i I (x A i )} Satz 1.2.2. Für beliebige Mengen B, (A i ) i I gilt i I B\ i I A i = i I B\A i B\ i I A i = i I B\A i Die Menge aller Teilmengen einer Menge A heißt Potenzmenge von A und wird mit P(A) bezeichnet. Das kartesische Produkt zweier Mengen A und B ist die Menge A B := {(a, b) a A b B} der geordneten Paare (a, b). Im allgemeinen A B B A. Weiter definiert man A 1 A 2 A n := {(a 1, a 2..., a n ) a i A i } R n := R... R n Faktoren

6 1.3 Relationen Eine Relation auf einer Menge A ist eine Teilmenge R von A A. Statt (a, b) R schreibt man z.b. a R b. Beispiel: Die Zeichen =, <, >,, definieren Relationen auf R. Eine Relation auf einer Menge A heißt Äquivalenzrelation, falls für alle a, b, c A (a) a a (reflexiv) (b) a b b a (symmetrisch) (c) (a b) (b c) a c (transitiv) Die Menge heißt Äquivalenzklasse von a. [a] := {b A b a} Beispiel: Es gibt eine Landverbindung von A nach B definiert eine Äquivalenzrelation zwischen Orten auf der Erde. Die entsprechenden Äquivalenzklassen heißen, je nach Grösse, Inseln, Kontinente oder Erdteile. Satz 1.3.1. Sei eine Äquivalenzrelation auf der Menge A. Dann gilt A = a A[a], wobei für alle a, b A entweder [a] = [b] oder [a] [b] =. D.h. induziert eine Zerlegung von A in paarweise disjunkte Äquivalenzklassen. Nach diesem Satz erzeugt jedes Element b [a] dieselbe Äquivalenzklasse wie a: [b] = [a] und heißt daher Repräsentant von [a]. Ist eine Äquivalenzrelation auf A, dann ist A/ := {[a] a A} (sprich A modulo ) die Menge der Äquivalenzklassen. 1.4 Funktionen Seien A, B beliebige Mengen. Eine Funktion oder Abbildung f von A nach B, f : A B,

7 ist eine Vorschrift, welche jedem Element x A ein Element y B zuordnet. Man schreibt y = f(x) oder f : x f(x) Dabei ist f der Name der Funktion, f(x) der Wert von f an der Stelle x, A der Definitionsbereich und B der Wertebereich von f. Die Menge G(f) := {(x, y) A B y = f(x)} heißt Graph von f. Ist U A und V B dann ist f(u) := {f(x) x U} Bild von U f 1 (V ) := {x f(x) V } Urbild von V. Letzteres ist auch definiert, wenn f nicht umkehrbar ist. Das Bild f(a) des Definitionsbereichs A heißt Bildmenge von f. Die Funktion f : A B heißt injektiv, wenn für alle x 1, x 2 A gilt f(x 1 ) = f(x 2 ) x 1 = x 2, und f heißt surjektiv, wenn für jedes y B ein x A existiert mit y = f(x). Wenn f zugleich injektiv und surjektiv ist, dann sagt man, f sei bijektiv. Ist der Wertebereich B wählbar so kann die Funktion immer surjektiv gemacht werden durch die Wahl B = f(a). Jede Funktion kann auch injektiv gemacht werden durch folgenden Trick: Man führt auf A eine Äquivalenzrelation ein durch Dann ist die neue Funktion x 1 x 2 f(x 1 ) = f(x 2 ). f : A/ B, [x] f(x) injektiv. Siehe Kapitel 7.9 für ein Beispiel einer so definierten Funktion. Ist f : A B bijektiv und y B dann existiert also genau ein x A mit f(x) = y. Man definiert dann f 1 (y) := x, d.h., wobei f 1 : B A, x = f 1 (y) y = f(x). Sind f : X Y und g : Y Z zwei gegebene Abbildungen, dann ist die Verknüpfung (Zusammensetzung, Komposition) g f : X Z von f und g definiert durch (g f)(x) := g(f(x)).

8 Satz 1.4.1. Die Verknüpfung von Abbildungen ist assoziativ. D.h., wenn f : X Y, g : Y Z und h : Z W, dann (h g) f = h (g f). Satz 1.4.2. Sind f : X Y und g : Y Z bijektiv, dann ist auch g f : X Z bijektiv und es gilt (g f) 1 = f 1 g 1. 1.5 N-Tupel und Folgen Jedes geordnete n-tupel (b 1,..., b n ) von Elementen b i einer nichtleeren Menge B kann man auffassen als eine Abbildung Entsprechend kann man b : {1, 2,..., n} B i b(i) := b i. B } {{ B } := {(b 1,... b n ) b i B} n Faktoren auffassen als Menge der Abbildungen b : {1,..., n} B. Diese Betrachtungsweise ist verallgemeinerungsfähig: Eine Folge (b 0, b 1,...) (b i ) i N in B ist eine Abbildung Die Menge der Folgen in B wird mit b : N B. i N B oder B N bezeichnet. Allgemeiner ist B A die Menge der Abbildungen von der Menge A in die Menge B.

9 2 Die reellen Zahlen Die Menge der reellen Zahlen wird im wesentlichen (bis auf Isomorphie) eindeutig charakterisiert durch eine Liste von Axiomen. 2.1 Die Körperaxiome Die Menge R der reellen Zahlen bilden einen Körper. D.h., es gibt zwei Abbildungen + : R R R (Addition) : R R R (Multiplikation) mit den folgenden Eigenschaften. (K1) Die Addition ist kommutativ und assoziativ: a + b = b + a, a + (b + c) = (a + b) + c (K2) Es gibt ein Element 0 R, genannt Null, sodass a + 0 = a für alle a R (K3) Zu jedem Element a R gibt es ein Element ( a) R, sodass a + ( a) = 0. (K4) Die Multiplikation ist kommutativ und assoziativ: a b = b a, a (b c) = (a b) c (K5) Es gibt ein Element 1 R\{0}, genannt Eins, sodass a 1 = a für alle a R (K6) Zu jedem Element a R\{0} gibt es ein Element a 1 R, sodass a a 1 = 1. (K7) Für alle reellen Zahlen a, b, c gilt das Distributivgesetz a (b + c) = a b + a c.

10 Bemerkungen: 1. Auch Q und C sind Körper. Der kleinste Körper F 2 enthält nur die Elemente 0 und 1. In diesem Körper ist 1 + 1 = 0 also 1 = 1. 2. Die neutralen Elemente Null und Eins bezüglich Addition und Multiplikation sind eindeutig. 3. Die inversen Elemente bezüglich Addition und Multiplikation sind eindeutig. Satz 2.1.1 (Rechenregeln). Für alle a, b R gilt: a) ( a) = a und falls a 0, dann (a 1 ) 1 = a b) ( a) + ( b) = (a + b) und (a 1 ) (b 1 ) = (a b) 1 c) a 0 = 0 und ( 1) a = a d) (a b = 0) (a = 0) oder (b = 0) e) ( 1) ( 1) = 1 und ( a) 1 = (a 1 ) f) a + x = b hat die eindeutige Lösung x = b + ( a), a x = b, für a 0, hat die eindeutige Lösung x = b a 1. Für reelle Zahlen a, b definiert man a b := a + ( b), a b := a b 1 falls b 0 und der Multiplikationspunkt wird meist weggelassen, d.h., ab := a b. Aus den Axiomen und obigem Satz folgen nun leicht die Regeln (Aufgabenblatt 3): a c + b d ad + bc =, cd a c b d = ab cd, a/c b/d = ad cb. Bemerkung. Da auch die komplexen Zahlen einen Körper bilden, gelten alle Rechenregeln aus diesem Kapitel auch für komplexe Zahlen.

11 2.2 Die Ordnungsaxiome Es gibt eine Teilmenge P R, genannt Menge der positiven Zahlen, mit folgenden Eigenschaften: (O1) Für jede reelle Zahl a R ist entweder a P, a = 0 oder a P. (O2) Für alle a, b P ist a + b P und a b P. Die Zahlen a R mit a P heißen negative Zahlen. Bemerkung: Aus dem Axiom (O1) folgt, dass 1 1, denn wegen 1 0 muss entweder 1 P oder 1 P aber nicht beides! Falls a, b R und b a P, dann schreibt man dafür b > a oder a < b und sagt b ist größer als a, bzw. a ist kleiner als b. Insbesondere ist a P äquivalent zu a > 0. Mit dieser Definition und (O1) gilt für alle Paare von reellen Zahlen a, b entweder b > a, b = a oder b < a (Trichotomiegesetz), und die Axiome (O1) und (O2) können nun äquivalent wie folgt formuliert werden: (O1) Entweder a > 0, a = 0 oder a < 0. (O2) Aus a > 0 und b > 0 folgt a + b > 0 und ab > 0. Satz 2.2.1. Für alle reellen Zahlen a, b, c, d gilt: a) (a < b) (b < c) a < c b) a < b (a + c < b + c) c) a < b a > b d) (a < b) und (c > 0) ac < bc (a < b) und (c < 0) ac > bc e) a 0 a 2 > 0, insbesondere 1 = 1 1 > 0 f) a > 0 a 1 > 0 und a < 0 a 1 < 0 g) 0 < a < b impliziert. a b < 1, b a > 1 und 1 a > 1 b

12 h) (a < b) und (c < d) a + c < b + d i) (0 < a < b) und (0 < c < d) ac < bd k) (a < b) und (0 < λ < 1) a < λa + (1 λ)b < b. Bemerkungen: 1. Setzt man nun 2 := 1 + 1, 3 := 2 + 1, etc. dann folgt aus e),f) und g) dass 0 < 1 < 2 < 3 und 0 < 1 3 < 1 2 < 1. 2. Aus der Eigenschaft k) mit λ = 1/2 folgt, dass das arithmetische Mittel (a + b)/2 von a und b zwischen a und b liegt: a < a + b 2 Man schreibt a b, wenn a > b oder a = b. Die Aussage a b ist analog definiert. Folgende Teilmengen von R heißen Intervalle. < b. [a, b] := {x R a x b} abgeschlossenes Intervall (a, b) := {x R a < x < b} offenes Intervall [a, b) := {x R a x < b} (a, b] := {x R a < x b} [a, ) := {x R a x} (, b) := {x R x < b}, und analog für (a, ) und (, b]. Die Intervalle [a, b) und (a, b] nennt man halboffen. 2.3 Das Vollständigkeitsaxiom Sei A R, dann heißt jede reelle Zahl β mit x A x β obere Schranke von A. Falls eine obere Schranke von A existiert, dann heißt A nach oben beschränkt. Die kleinste obere Schranke β einer nach oben beschränkten Menge A heißt Supremum von A und man schreibt: β = sup(a). Ist β R eine obere Schranke von A und zusätzlich β A dann heißt β größtes oder maximales Element oder Maximum von A und man schreibt β = max(a).

13 Bemerkung. Das größte Element und die kleinste obere Schranke einer Menge sind eindeutig wenn sie existieren. Es gilt weiter Vollständigkeitsaxiom: β = sup(a) β A β = max(a) β = sup(a) β = max(a) Ist A R nicht leer und nach oben beschränkt, dann hat A eine kleinste obere Schranke in R. D.h., sup(a) existiert. Sei A R. Jede reelle Zahl α mit x A x α heißt untere Schranke von A. Wenn A eine untere Schranke hat, dann heißt A nach unten beschränkt. Wenn A nach unten und nach oben beschränkt ist, dann heißt A beschränkt. Die größte untere Schranke von A heißt Infimum von A. Falls α eine untere Schranke von A ist und zusätzlich α A, dann heißt α kleinstes Element oder Minimum von A α = min(a). Aus dem Vollständigkeitsaxiom folgt die Existenz des Infimum: wenn A nach unten beschränkt ist, dann ist A = { x x A} nach oben beschränkt und inf(a) = sup( A). Ist A R nicht nach oben beschränkt, dann drücken wir das aus durch die Gleichung und entsprechend bedeutet sup(a) = (5) inf(a) =, (6) dass A nicht nach unten beschränkt ist. Damit existieren sup(a) und inf(a) immer als Elemente der erweiterten reellen Zahlengeraden R = R {, }. Die Relation < wird von R auf R fortgesetzt durch die Definitionen < x <, <, was konsistent ist mit (5) und (6). Weiter ist für a R + a =, + a = a =, falls a > 0 a =, falls a < 0 a ± = 0 + = =, =

14 und analoge Formeln gelten, welche durch Vorzeichenwechsel und Vertauschen von Faktoren oder Summanden resultieren. Aber z.b. + und / sind nicht definiert. Bemerkung: + und sind keine reellen Zahlen! 2.4 Betrag Der Betrag einer reellen Zahl a R ist definiert durch also a = max{a, a} und a = ± a. Satz 2.4.1. Für alle a, b R gilt a := (i) a 0 und [ a = 0 (a = 0) ] (ii) a b = a b (iii) a + b a + b { a a 0 a a < 0 2.5 Die natürlichen Zahlen Eine Teilmenge M R heißt induktiv, falls 0 M und x M x + 1 M. Per Definition ist N die kleinste induktive Menge. Aus dieser Definition von N folgt sofort das Induktionsprinzip: Falls M N, 0 M und (n M n + 1 M), dann ist M = N. Als Anwendung dieses Prinzips beweisen wir die folgenden zwei Sätze. Satz 2.5.1. Ist eine assoziative binäre Operation auf einer Menge A, dann kommt es auch bei mehr als drei Operanden (Summanden, Faktoren) nicht auf die Stellung der Klammern an. Beispiele: Addition und Multiplikation in R, Verknüpfung von Abbildungen. Satz 2.5.2. Ist eine kommutative und assoziative binäre Operation auf einer Menge A, dann kommt es auch bei mehr als zwei Operanden (Summanden, Faktoren) nicht auf deren Reihenfolge an.

15 2.6 Eigenschaften von N Lemma 2.6.1. (a) n N n 0, genauer: n = 0 oder n 1. (b) m, n N m + n, mn N (c) m, n N, m n n m N (d) n N (n, n + 1) N =. Satz 2.6.2. Jede nichtleere Teilmenge von N hat ein kleinstes Element. Satz 2.6.3 (Zweite Form des Induktionsprinzips). Sei M N, 0 M und wenn {0,... n} M, dann sei auch (n + 1) M. Dann ist M = N. Satz 2.6.4. N ist nicht nach oben beschränkt. Beweis. Sei N nach oben beschränkt. Dann existiert eine kleinste obere Schranke β := sup(n) von N in R. Die Zahl β 1 ist dann keine obere Schranke von N; also gibt es ein n N mit β 1 < n. Daraus folgt β < n + 1 N. Also ist β keine obere Schranke von N, im Widerspruch zur Definition von β. Korollar 2.6.5 (Archimedisches Axiom). Für jedes Paar positiver reeller Zahlen a, b existiert eine natürliche Zahl n mit na > b. Insbesondere gibt es zu jedem a > 0 eine natürliche Zahl n N mit (1/n) < a. 2.7 Ganze und rationale Zahlen Die Menge Z der ganzen Zahlen und die Menge Q der rationalen Zahlen sind definiert durch Satz 2.7.1. Z := {x R x N oder x N} Q := {x R x = (m/n), mit m, n Z, und n 0} a) m, n Z m + n, mn Z und es gelten alle Körperaxiome ausser (K6). (Z ist ein kommutativer Ring mit Eins.) b) Q ist ein Körper. Satz 2.7.2. Zu jedem Paar reeller Zahlen a < b gibt es eine rationale Zahl q mit a < q < b.

16 Beweis: Aufgabenblatt 6. Satz 2.7.3 (Division mit Rest). Sei q N\{0} gegeben. Dann gibt es zu jedem n Z eindeutig bestimmte Zahlen m Z und r {0,..., q 1} (Rest) mit n = mq + r. Es ist m = [n/q] die größte ganze Zahl kleiner oder gleich n/q. 2.8 Summen- und Produktzeichen Für beliebige reelle Zahlen a 1,... a n R definiert man n a i := a 1 + a 2 +... + a n, i=1 n a i := a 1 a 2... a n. i=1 Satz 2.8.1. Mit a i, b k und λ seien reelle Zahlen bezeichnet. (a) (b) (c) (d) ( n ) ( n ) a i + b i = i=1 i=1 i=1 i=1 n (a i + b i ) und λ i=1 ( n )( n ) n a i b i = ( a i b i ) ( n )( m ) a i b k = i=1 n a i i=1 k=1 n a i i=1 i=1 n ( m ) a i b k = i=1 k=1 n a i = i=1 n λa i i=1 m ( n ) a i b k = k=1 i=1 n,m i=1,k=1 (a i b k ).

17 3 Mächtigkeit von Mengen Zwei Mengen A, B heißen gleichmächtig, wenn es eine bijektive Abbildung φ : A B gibt. Wir schreiben dafür A B. Bemerkung: Gleichmächtigkeit ist eine Äquivalenzrelation auf jeder Familie von Mengen. 3.1 Endliche Mengen Sei I n := {1,..., n}. Ist A eine Menge mit A I n, dann sagen wir A hat n Elemente oder die Kardinalität von A ist n, in Zeichen card(a) = n. Per Definition ist card( ) = 0. Mengen endlicher Kardinalität heißen endliche Mengen. Bemerkung: Die Bijektion φ : A I n ist der Zählvorgang. Satz 3.1.1. (a) Die Kardinalität einer endlichen Menge ist eindeutig. (b) Ist B endlich und A B, dann ist auch A endlich und card(a) card(b). (c) Sind A, B endlich und disjunkt, dann ist card(a B) = card(a) + card(b). Satz 3.1.2. Jede endliche Teilmenge von R hat ein größtes und ein kleinstes Element. 3.2 Abzählbare Mengen Eine Menge A heißt abzählbar, wenn sie endlich oder gleichmächtig wie N (abzählbar unendlich) ist. Bemerkung: 1. Wenn A abzählbar unendlich ist, dann gibt es eine bijektive Abbildung φ : N A. D.h., man kann A als Folge auffassen: A = {a 0, a 1, a 2...}, wobei a n = φ(n). 2. Wenn A abzählbar ist und A B, dann ist auch B abzählbar. Satz 3.2.1. (a) Jede Teilmenge einer abzählbaren Menge ist abzählbar. (b) Sind A, B abzählbar, so ist auch A B abzählbar. (c) Ist (A k ) k 0 eine abzählbare Familie von abzählbaren Mengen, dann ist auch abzählbar. k 0 A k

18 Satz 3.2.2. Die Menge Q der rationalen Zahlen ist abzählbar. Satz 3.2.3. Sei A eine beliebige Menge. Dann gibt es keine surjektive Abbildung von A auf die Potenzmenge von P(A). Insbesondere ist P(N) nicht abzählbar. Satz 3.2.4. Die Menge {0, 1} N der {0, 1}-Folgen ist gleichmächtig wie P(N), also ebenfalls nicht abzählbar. Beweis.. Die Abbildung P(N) {0, 1} N A χ A, wobei χ A die charakteristische Funktion der Menge A ist, ist bijektiv. Satz 3.2.5. Die Menge R der reellen Zahlen ist überabzählbar.

19 4 Die komplexen Zahlen 4.1 Der Körper C Die Menge R R versehen mit der Addition und der Multiplikation (a, b) + (c, d) = (a + c, b + d) (a, b) (c, d) = (ac bd, ad + bc) wird mit C bezeichnet. Die Elemente von C heißen komplexe Zahlen. Satz 4.1.1. C ist ein Körper. Bemerkung: 1. Die Rechenregeln für reelle Zahlen aus Abschnitt 2.1 gelten auch für komplexen Zahlen, da sie aus den Körpereigenschaften von R alleine hergeleitet wurden. 2. Für die Elemente der Teilmenge R {0} = {(a, 0) a R} gilt (a, 0) + (b, 0) = (a + b, 0) (a, 0) (b, 0) = (ab, 0). Das heißt, R {0} ist invariant unter Addition und Multiplikation und verhält sich unter diesen Operationen gleich wie R. Wir werden daher im folgenden (a, 0) C mit a R identifizieren und R als Teilmenge von C auffassen. Die komplexe Zahl heißt imaginäre Einheit. i := (0, 1) C Satz 4.1.2. i 2 = 1 und a + ib = (a, b) für alle a, b R. Sei z = a + ib C, dann heißt a Realteil von z, a = Re(z), und b heißt Imaginärteil von z, b = Im(z). Weiter ist z := a ib die zu z konjugiert komplexe Zahl. Satz 4.1.3. Für alle z, w C gilt (i) (ii) z + w = z + w zw = z w (iii) Re(z) = (z + z)/2, Im(z) = (z z)/(2i) (iv) z R z = z (v) z = a + ib z z = a 2 + b 2.

20 4.2 Betrag Zu jeder reellen Zahl A > 0 gibt es eine eindeutig bestimmte reelle Zahl a > 0 mit a 2 = A (Beweis später). a heißt Wurzel von A und wird mit A bezeichnet. 0 := 0. Falls 0 A < B, dann B + A > 0 und somit B A = B A B + A > 0. Ist a eine reelle Zahl, dann folgt a = a 2. Sei z = a + ib C (a, b R), dann heißt z := z z = a 2 + b 2 (absoluter) Betrag von z. Offenbar ist der Betrag von z = a+ib der Abstand des Punktes (a, b) R 2 vom Ursprung (0, 0). Satz 4.2.1. Seien z, w C, dann gilt (i) z 0 und ( z = 0 z = 0) (ii) zw = z w (iii) z + w z + w (Dreiecksungleichung) (iv) Re(z), Im(z) z Re(z) + Im(z) (v) z 0 z 1 = z/ z 2 Aus der Dreiecksungleichung folgt unmittelbar: Korollar 4.2.2. (1) z 1,..., z n C n k=1 z k n k=1 z k (2) z, w C z w z w. Satz 4.2.3 (Cauchy-Schwarz-Bunjakowski). Sind (z 1,..., z n ), (w 1,..., w n ) C n dann ( n n ) 1/2 ( n ) 1/2 z k w k z k 2 w k 2, k=1 k=1 k=1 wobei Gleichheit genau dann gilt, wenn eines der n-tupel ein Vielfaches des anderen ist.

21 4.3 Ganzzahlig Potenzen Sei z C und n N. Dann wird z n rekursiv definiert durch z 0 := 1 und z n+1 := z n z. Weiter ist z n := (z 1 ) n. Satz 4.3.1. Für alle z, w C\{0} und alle n, m Z gilt (i) (zw) n = z n w n, (z 1 ) n = (z n ) 1 (ii) (iii) z n z m = z n+m (z n ) m = z (nm) Beweis. Mit vollständiger Induktion. Satz 4.3.2 (Fundamentalsatz der Algebra). Jede Gleichung z n + a n 1 z n 1 + a n 2 z n 1 +... a 1 z + a 0 = 0 mit Koeffizienten a 0, a 1,... a n 1 C (n 1) hat mindestens eine Lösung z C. Dieser Satz wird erst später bewiesen.

22 5 Zahlenfolgen 5.1 Definition und Beispiele Eine Folge (z n ) n N komplexer Zahlen z n ist eine Abbildung z : N C. Statt z(n) schreibt man oft z n. Die Zahlen z n heißen Glieder der Folge (z n ). Auch eine Abbildung z : N k C, wobei N k = N + k und k Z wird als Folge bezeichnet. Der Folgenindex n muss also nicht bei 0 beginnen. 5.2 Konvergenz Die Folge (z n ) n N komplexer Zahlen konvergiert gegen z C, in Zeichen lim z n = z, oder z n z (n ), n falls zu jedem ε > 0 eine natürliche Zahl N existiert, so dass n N z n z < ε. z heißt Limes oder Grenzwert der Folge (z n ) n N. Eine Folge (z n ) n N heißt konvergent, falls sie einen Grenzwert hat. Sonst heißt sie divergent. Eine Folge heißt Nullfolge, falls sie gegen 0 C konvergiert. Die Menge heißt ε-umgebung von z. B ε (z) := {w C : w z < ε} Satz 5.2.1. Der Grenzwert einer Folge ist eindeutig. Bemerkung: Die Aussage, dass ein N N existiert, so dass z n B ε (z) für alle n N, ist äquivalent zur Aussage, dass z n B ε (z) für alle bis auf endlich viele n N. Für letzteres ist die Sprechweise für fast alle n N üblich. Also lim n z n = z genau dann wenn für jedes ε > 0, z n B ε (z) für fast alle n N. Eine Zahl w heißt Häufungspunkt der Folge (z n ) n N, falls für jedes ε > 0 z n z < ε für unendlich viele n. Beispiele: Die Folge ( 1) n hat die Häufungspunkte 1 und 1. Die Folge i n hat die vier Häufungspunkte 1, i, 1 und i. Für die Folge aller rationalen Zahlen ist jede reelle Zahl ein Häufungspunkt (Aufgabenblatt 6). Satz 5.2.2. Wenn die Folge (z n ) n N gegen z konvergiert, dann ist z der einzige Häufungspunkt.

23 Bemerkungen: 1. Nach diesem Satz ist eine Folge divergent, wenn sie keinen oder mehr als einen Häufungspunkt hat. 2. Die Umkehrung von diesem Satz ist falsch! Die Folge (a n ) mit a n = 1 für gerade n und a n = n für ungerade n hat den einzigen Häufungspunkt 1 aber keinen Grenzwert. Satz 5.2.3. Die folgenden Aussagen sind äquivalent: (i) w ist ein Häufungspunkt der Folge (z n ). (ii) Zu jedem ε > 0 und zu jedem N N gibt es ein n N, so dass z n w < ε. Eine Folge (z n ) n N C heißt beschränkt, falls ein R > 0 existiert mit Satz 5.2.4. z n R für alle n N. (i) lim n z n = z lim n z n = z (ii) Jede konvergente Folge ist beschränkt. Beispiele: Die Folgen a n = n, a n = ( 2) n, und a n = n! sind nicht beschränkt und somit divergent. Satz 5.2.5 (Rechenregeln). Seien (z n ) n N und (w n ) n N komplexe Folgen mit lim n z n = z und lim n w n = w, und sei c C. Dann gilt: (a) lim n (z n + w n ) = z + w (b) (c) lim n (cz n ) = cz und lim n (c + z n ) = c + z lim n (z n w n ) = zw (d) Falls z 0 dann ist z n 0 für fast alle n und lim n 1/z n = 1/z. Fibonacci Folge. Die Folge 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21,... ist definiert durch a 0 = 1, a 1 = 1 und a n+1 = a n + a n 1, n 1. Diese Folge wird im Aufbau von Pflanzen beobachtet. Sie ist divergent, da sie unbeschränkt ist, aber die Folge der Quotienten (a n+1 /a n ) hat einen Grenzwert x (Beweis später), den wir aus der Rekusionsrelation mit obigem Satz berechnen können: Aus a n+1 a n = 1 + a n 1 a n folgt im Limes n, dass x = 1 + x 1, was auch die Gleichung ist welche vom Verhältniss des goldenen Schnitts erfüllt wird. Man findet x = (1 + 5)/2.

24 5.3 Monotone Folgen und Wurzeln Eine reellwertige Folge (a n ) n 0 heißt (streng) monoton wachsend, falls a n a n+1 (bzw. a n < a n+1 ) für alle n N. Monoton fallend und streng monoton fallend sind analog definiert. Eine Folge heißt monoton, falls sie monoton wachsend oder monoton fallend ist. Hat eine monotone Folge den Grenzwert L, dann schreibt man dafür a n L (n ), bzw. a n L (n ). Satz 5.3.1. Jede beschränkte monotone Folge (a n ) n N ist konvergent und es gilt a n sup{a n n N} (n ) bzw. a n inf{a n n N} (n ). Lemma 5.3.2 (Bernoullische Ungleichung). Für alle n N und alle x 1 gilt (1 + x) n 1 + nx. Als Anwendung von Satz 5.3.1 beweisen wir: Satz 5.3.3. Sei a > 0 und k N, k 2. Dann gibt es eine eindeutig bestimmte Zahl x > 0 mit x k = a. x heißt k-te Wurzel von a, in Zeichen x = k a. Weiter gilt x = lim n x n für jede Folge (x n ) n 0 mit x 0 > 0 und x n+1 := 1 ( (k 1)x n + a ). k xn k 1 Bemerkung: Aus 0 < a < b folgt k a < k b. Berechnung von 3: Zur Berechnung von 3 benutzen wir die Folge (x n ) definiert durch x 0 = 2 und x n+1 = 1 ) (x n + 3xn. 2 Es folgt, dass: x 1 = 1.75 x 2 = 1.7321... x 3 = 1.732050810 x 4 = 1.732050808

25 Satz 5.3.4 (Eulersche Zahl e). Die Folge n (1+1/n) n ist streng monoton wachsend und ( e := lim 1 + 1 n 1 = n n) k!, wobei k=0 1/k! := lim n n k=0 (1/k!). Ausserdem ist 2 e 3. Bemerkungen: 1. Die Zahl e ist irrational und e = 2.7182818... (Beweis später). 2. Der Beweis von obigem Satz beruht auf der binomischen Formel und auf Satz 5.3.1. Heuristisch lässt sich die behauptete Gleichung wie folgt verstehen. Für k 1 gilt ( ) n 1 n(n 1)... (n k + 1) = k n k k!n k also = 1 k! ( 1 + 1 n) n = 1 + = 1 + ( 1 1 n k=1 k=0 ) ( 1 2 n n ( ) n 1 k n k k=1 n ( 1 1 1 k! n ) ( 1 k 1 ), n ) ( 1 2 ) ( 1 k 1 ) n n woraus im Limes n (formal) die erwünschte Gleichung entsteht. Aus der letzten Gleichung erkennt man auch, dass (1 + 1/n) n streng monoton wachsend ist. 5.4 Vergleichssätze für Folgen Satz 5.4.1. Ist (p n ) n 0 eine reelle Nullfolge, N 0 N und z n p n für n N 0, dann ist lim n z n = 0. Insbesondere ist lim n z n = 0 genau dann, wenn lim n z n = 0. Satz 5.4.2. Sind (a n ) n 0 und (b n ) n 0 reelle Folgen mit lim n a n = a, lim n b n = b und a n b n für unendliche viele n, dann gilt a b. Bemerkung: Aus der stärkeren Annahme, dass sogar a n < b n für alle n, folgt auch nur a b, wie man am Beispiel a n = 0, b n = 1/n sieht.

26 Satz 5.4.3 (Sandwich Theorem). Es seien (a n ) n 0 und (b n ) n 0 reellwertige Folgen mit lim a n = L = lim b n. n n Ist (c n ) n 0 eine weitere Folge, N 0 N und a n c n b n für n N 0, dann ist auch (c n ) n 0 konvergent und lim n c n = L. Die obigen Sätze finden Anwendung in den Beweisen der folgenden Sätze: Satz 5.4.4. Sei (z n ) n 0 eine beliebige Zahlenfolge. Dann sind äquivalent: (a) (b) Satz 5.4.5. lim n z n = z lim n Re(z n ) = Re(z) und lim n Im(z n ) = Im(z). (a) z < 1 lim n z n = 0 (b) z > 1 und k N lim n n k /z n = 0 (c) lim n n n = 1 (d) a > 0 lim n n a = 1 Satz 5.4.6. Sei (a n ) n 0 eine Folge nicht-negativer reeller Zahlen und sei k N mit k 2. Dann gilt lim a n = a lim k a n = k a. n n 5.5 Teilfolgen Sei (z n ) n 0 eine beliebige Folge und k n k eine streng monoton wachsende Folge von natürlichen Zahlen, dann heißt (z nk ) k 0 Teilfolge der Folge (z n ). Satz 5.5.1. Folgende Aussagen sind äquivalent: (a) lim n z n = z (b) Jede Teilfolge von (z n ) n 0 konvergiert gegen z. Beispiel: ( lim 1 + 1 ) n ( = lim 1 + 1 ) 2n = e, n 2n n 2n denn (1 + 1/2n) 2n ist eine Teilfolge der Folge (1 + 1/n) n mit Grenzwert e. Also folgt die letzte Gleichheit aus den Sätzen 5.4.6 und 5.5.1. Satz 5.5.2. Die Zahl w C ist genau dann ein Häufungspunkt der Folge (z n ) n 0, wenn eine Teilfolge (z nk ) existiert mit lim k z nk = w.

27 5.6 Vollständigkeit Nach Satz 5.2.4 ist jede konvergente Folge beschränkt. Umgekehrt braucht eine beschränkte Folge nicht konvergent zu sein. Es gilt aber der wichtige Satz: Theorem 5.6.1 (Bolzano-Weierstraß). Jede beschränkte Folge in C hat eine konvergente Teilfolge. Für reellwertige Folgen folgt dieser Satz aus dem Lemma: Lemma 5.6.2. Ist (a n ) n N eine beschränkte reellwertige Folge, dann ist der grösste Häufungspunkt von (a n ) n N. lim (sup a k ) n k n Eine Folge (z n ) n 0 heißt Cauchy-Folge, wenn zu jedem ε > 0 ein N N existiert, so dass z n z m < ε für n, m N. Theorem 5.6.3. Eine Folge in C ist genau dann konvergent, wenn sie eine Cauchy- Folge ist. Satz 5.6.4. Das Archimedische Axiom (Aussage von Korollar 2.6.5), sei erfüllt. Dann sind folgende Aussagen über die reellen Zahlen sind äquivalente Formulierungen des Vollständigkeitsaxioms. (i) Jede nichtleere nach oben beschränkte Menge hat eine kleinste obere Schranke. (ii) Jede reellwertige Cauchy-Folge ist konvergent. (iii) Ist (I n ) n 0 eine Folge von abgeschlossenen Intervalen I n = [a n, b n ], a n < b n, mit I n I n+1 und b n a n 0 für (n ), dann gibt es (genau eine) reelle Zahl x mit {x} = n 0 I n 5.7 Bestimmte Divergenz Sei (a n ) n N eine reelle Zahlenfolge. Falls zu jeder (noch so großen) Zahl M R ein N N existiert, so dass n N a n > M (bzw. a n < M), dann schreiben wir lim a n = n (bzw. lim n a n = ).

28 Satz 5.7.1. Seien (a n ) n N, (b n ) n N reelle Zahlenfolgen und (z n ) n N eine komplexe Zahlenfolge. (a) Sei lim n a n =, und b n c für fast alle n, dann lim (a n + b n ) =. n (b) Sei lim n a n =, und b n c > 0 für fast alle n, dann lim a nb n =. n (c) Sei lim n a n = 0, und a n > 0 für fast alle n, dann lim n 1 a n =. (d) Falls lim n z n =, dann ist z n 0 für fast alle n N und Beispiel: a n = n3 n + 5 2n + 1 lim n 1 z n = 0. = n3 n 1 1/n2 + 5/n 3 2 + 1/n = n 2 b n, wobei lim n n 2 = und lim n b n = 1/2. Also ist b n 1/4 für fast alle n und somit lim a n = lim n 2 b n =, n n nach Satz 5.7.1 (b). Folgender Satz ist eine Verallgemeinerung von Satz 5.3.1. Satz 5.7.2. Sei (a n ) n N eine monotone reellwertige Folge. Dann gilt lim n n = sup{a n n N} ((a n ) monoton wachsend) lim n n = inf{a n n N} ((a n ) monoton fallend)

29 6 Reihen 6.1 Definition und Beispiele Sei (z k ) k 0 eine gegebene Folge komplexer Zahlen. Dann nennt man die Folge n s n := n k=0 z k eine Reihe. Die Folgenglieder s n heißen Partialsummen und die Zahlen z n heißen Glieder der Reihe. Wenn die Reihe (s n ) konvergiert, dann heißt Summe der Reihe (s n ). Bemerkungen: k=0 z k := lim n 1. Auch die Folge der Partialsummen (s n ) wird mit k=0 z k bezeichnet. k=0 z k steht also sowohl für die Reihe als auch für deren Summe. Aus dem Zusammenhang wird aber immer klar werden, welche Bedeutung gemeint ist. 2. Nach Theorem 5.6.3 konvergiert eine Reihe genau dann, wenn die Partialsummen eine Cauchy-Folge bilden, d.h., wenn für jedes ε > 0 ein N N existiert, so dass n n > m N z k < ε. (Cauchy-Kriterium für Reihen.) Wichtige Beispiele z k = 1 + z + z 2 + z 3 +... k=0 1 k = 1 + 1 2 + 1 3 +... k=1 ( 1) k 1 k = 1 1 2 + 1 3... k=1 k=0 n k=0 z k k=m+1 geometrische Reihe harmonische Reihe alternierende harmonische Reihe z k k! = 1 + z + z2 2 + z3 3! +... Exponentialreihe

30 Satz 6.1.1. Falls k=0 z k konvergiert, dann gilt lim z k = 0. k Bemerkung: Die Umkehrung dieses Satzes ist falsch, wie das nachfolgende Beispiel der harmonischen Reihe zeigt. Geometrische Reihe. Für z C\{1} ist n s n = z k = 1 zn+1 1 z. k=0 Da, nach Satz 5.4.5, lim n z n+1 = 0 für z < 1, folgt z k = 1 für z < 1. 1 z k=0 Für z 1 ist lim n z n 0, also die Reihe nach Satz 6.1.1 divergent. Harmonische Reihe. Sei s n = n 1 k=1. Dann ist k s 1 = 1 s 2 = 1 + 1 2 ) s 4 = 1 + 1 ( 1 2 + 3 + 1 > 1 + 2 1 4 2 }{{} >2 (1/4)=1/2 ( 1 s 8 = s 4 + 5 + 1 6 + 1 7 + 1 ) > 1 + 3 1 8 2. }{{} >4 (1/8)=1/2 Mit Induktion in n sieht man, dass s 2 n > 1 + n/2. Die Folge (s n ) ist also unbeschränkt und somit divergent. Genauer 1 k = nach Satz 5.7.2. k=1 Satz 6.1.2. Seien k=0 z k und k=0 w k konvergente Reihen und sei λ C. Dann gilt ( ) ( (z k + w k ) = z k + w k ), k=0 k=0 k=0 λz k = λ z k. k=0 k=0

31 6.2 Absolut konvergente Reihen Eine Reihe k=0 z k heißt absolut konvergent, falls k=0 z k konvergent ist. Theorem 6.2.1. Jede absolut konvergente Reihe ist konvergent. Bemerkung: z k konvergent k=0 z k <. Satz 6.2.2 (Umordnungssatz). Ist k=0 z k absolut konvergent und σ : N N bijektiv, dann ist auch k=0 z σ(k) absolut konvergent und es gilt z σ(k) = k=0 z k. k=0 6.3 Kriterien für absolute Konvergenz Satz 6.3.1 (Majorantenkriterium). Falls z k c k für fast alle k und falls c k konvergent ist, dann ist die Reihe z k absolut konvergent. Die Kontraposition dieses Satzes ist ein wichtiges Kriterium für Divergenz und daher hier als Korollar formuliert: Korollar 6.3.2. Falls 0 c k a k für fast alle k und k=0 c k divergent ist, dann ist auch k=0 a k divergent. Beispiel. Aus 1/ n 1/n und n=1 1/n = folgt n=1 1 n =. Sei (a n ) n N eine Folge reeller Zahlen. Dann sind limes superior und limes inferior dieser Folge wie folgt definiert: Bemerkung: ( lim sup a n := lim n n lim inf n a n := lim n ( k=0 ) sup a k k n ) inf k n a k 1. Die Folgen n sup k n a k und n inf k n a k sind monoton. Also existieren lim sup n a n und lim inf n a n immer als Elemente von R {± }. 2. Wenn a := lim n a n existiert, dann gilt lim sup n a n = a und lim inf n a n = a (Aufgabenblatt 9).

32 Theorem 6.3.3 (Wurzelkriterium). Sei k 0 z k eine Reihe mit komplexen Gliedern z k. Dann gilt lim sup n lim sup n zn < 1 n n k 0 zn > 1 k 0 z k z k ist absolut konvergent. ist divergent. Bemerkungen: Falls lim sup n n z n = 1, kann die Reihe sowohl konvergent als auch divergent sein. Z.B. ist n 2 konvergent und n 1 divergent aber in beiden Fällen ist lim sup n n z n = 1. Satz 6.3.4 (Quotientenkriterium). z n 0 und (a) Gibt es ein q < 1 und ein N N, so dass z n+1 z n q für n N, dann ist z n absolut konvergent. (b) Gibt ein N N, so dass z n 0 dann ist z n divergent. und z n+1 z n 1 für n N, Bemerkung: In Anwendungen kommt es häufig vor, dass r = lim n z n+1 /z n existiert. In diesem Fall folgt aus Satz 6.3.4 r < 1 r > 1 n=0 n=0 z n z n konvergiert absolut. divergiert. 6.4 Bedingt konvergente Reihen Eine konvergente Reihe, die nicht absolut konvergent ist, heißt bedingt konvergent. Eine Reihe mit reellen Gliedern von abwechseldem Vorzeichen heißt alternierende Reihe. Satz 6.4.1 (Leibniz). Jede alternierende Reihe n 0 ( 1)n a n mit a n 0, n, ist konvergent. Wenn s n = n k=0 ( 1)k a k und s = lim n s n, dann ist s s n a n+1 und s s n hat dasselbe Vorzeichen wir das erste vernachlässigte Glied: ( 1) n+1 a n+1.

33 Beispiel: Die alternierende harmonische Reihe ist nach Satz 6.4.1 konvergent. 1 1 2 + 1 3 1 4 +... Was die Konvergenzaussage betrifft, folgt Satz 6.4.1 aus dem Kriterium von Abel: Satz 6.4.2 (Abelsches Kriterium). Sind die Partialsummen der Reihe n 0 z n beschränkt und ist (p n ) n 0 eine monotone fallende Nullfolge, dann ist die Reihe konvergent. Beispiel. Die Reihe z n p n n 0 n=1 ist für z < 1 absolut konvergent und für z > 1 divergent (Wurzelkriterium!). Für z = 1 ist (7) die harmonische Reihe, also divergent. Für z = 1 und z 1 ist diese Reihe nach Satz 6.4.2 konvergent, denn die Partialsummen von n 1 zn sind beschränkt und 1/n 0 (n ). Satz 6.4.3 (Riemannscher Umordnungsatz). Die Reihe k=0 a k, a k R, sei bedingt konvergent. Dann gibt es zu jeder reellen Zahl s eine bijektive Abbildung σ : N N, so dass a σ(k) = s. 6.5 Dezimalbrüche und g-adische Entwicklung Beispiele: k=0 π = 3.14259265... = 3 + 1 10 + 4 10 2 + 1 10 3 +... z n n 317.56 = 3 10 2 + 1 10 + 7 + 5 10 + 6 10 2 sind Dezimalbruchdarstellungen oder Dezimalbruchentwicklungen von π bzw. 317.56. Ist g N, g 2 und a R gegeben durch a = a k g k, a k {0,..., g 1} k= n (7)

34 dann schreibt man a = a n a n+1... a 0, a 1 a 2 a 3... und nennt dies die g-adische Entwicklung von a. Für g = 10 spricht man von der Dezimal(bruch)entwicklung, für g = 2 von der Dual(bruch)entwicklung. Bemerkungen: 1. Die g-adische Entwicklung ist nicht eindeutig! Z.B. ist für g = 10 0, 999.... := k=1 9 10 k = 9 10 1 1 1/10 = 1, 000... 2. Jede g-adische Entwicklung stellt eine reelle Zahl dar. Satz 6.5.1. Sei g N, g 2. Dann hat jede reelle Zahl a 0 eine g-adische Entwicklung a = a n a n+1... a 0, a 1 a 2 a 3... a i {0,... g 1}. Sie ist eindeutig, wenn man verbietet dass a i = g 1 für fast alle i. 6.6 Cauchy-Produkt zweier Reihen Satz 6.6.1. Sind k 0 z k und k 0 w k absolut konvergent und ist γ n := n z k w n k, k=0 dann ist auch die Reihe n 0 γ n absolut konvergent und es gilt ( ) ( ) z k w k = γ n. k 0 k 0 n 0 Die Reihe n 0 γ n heißt Cauchy-Produkt der Reihen k 0 z k und k 0 w k. 6.7 Die Exponentialfunktion Wir wissen aus Abschnitt 6.3, dass die Reihe k=0 zk /k! absolut konvergent ist für alle z C. Die Abbildung exp : C C definiert durch die Summe exp(z) = k=0 z k k! = 1 + z + z2 2! + z3 3! +... heißt Exponentialfunktion.

35 Theorem 6.7.1. Für alle z, w C gilt Satz 6.7.2. exp(z + w) = exp(z) exp(w). (a) z 1,... z n C dann gilt ( n ) exp z i = i=1 n exp(z i ). i=1 (b) exp(z) 0 für alle z C und exp(z) 1 = exp( z). (c) x R exp(x) > 0. (d) e = exp(1) ist irrational. Satz 6.7.3. Für alle rationalen Zahlen p/q, p Z, q N\{0} gilt exp(p/q) = q e p =: e p/q. Dieser Satz legt es nahe, für alle z C zu definieren: e z := exp(z). Wir werden später sehen, dass exp die Menge R bijektiv auf (0, ) abbildet. Die Umkehrfunktion heißt Logarithmusfunktion. Satz 6.7.4 (Restgliedabschätzung und Stetigkeit). (a) Für alle z C und alle N N\{0} ez (b) Falls lim n z n = z, dann gilt N 1 n=0 z n n! z N N! e z. lim n ezn = e z. Satz 6.7.5. Für alle z C gilt Satz 6.7.6. Für alle t R gilt ( lim 1 + z n = e n n) z. e it = 1.

36 Für t R definieren wir Satz 6.7.7. Für alle t R gilt cos(t) := Re(e it ) = eit + e it 2 sin(t) := Im(e it ) = eit e it 2i cos(t) = sin(t) = ( 1) n t2n (2n)! n=0 ( 1) n t 2n+1 (2n + 1)! n=0 = 1 t2 2 + t4 4!... = t t3 3! + t5 5!... mit absolut konvergenten Reihen.

37 7 Stetige Funktionen 7.1 Definition und Beispiele Eine Funktion f : D C heißt stetig in ξ D, falls zu jedem ε > 0 ein δ > 0 existiert, so dass z ξ < δ, z D f(z) f(ξ) < ε. Die Funktion f heißt stetig, falls sie in jedem Punkt von D stetig ist. Beispiele: 1. Die Funktion f(z) = az + b (a, b C) ist überall in C stetig. Zum Beweis wähle δ = ε/ a falls a 0 und δ = 1 falls a = 0. 2. Die Dirichletsche Funktion f(x) = { 1 x Q 0 x R\Q ist nirgendwo stetig. 3. Die Funktion f : R R definiert durch { x x Q f(x) = 0 x R\Q ist nur in x = 0 stetig. 7.2 Kriterien für Stetigkeit Theorem 7.2.1. Sei f : D C und ξ D. Dann sind äquivalent: (a) f ist stetig in ξ. (b) Für jede Folge (z n ) in D mit lim n z n = ξ gilt (f ist folgenstetig.) lim f(z n) = f(ξ). n Beweis. (a) (b). Sei f stetig in ξ und sei (z n ) eine Folge in D mit lim n z n = ξ. Ist ε > 0, dann existiert nach Voraussetzung ein δ > 0, so dass z ξ < δ, z D f(z) f(ξ) < ε. (8) Da lim n z n = ξ, gibt es ein N N, so dass z n ξ < δ für n N. Also, zusammen mit (8), n N f(z n ) f(ξ) < ε.

38 Dies beweist (b). (a) (b). Ist f nicht stetig in ξ dann existiert ein ε > 0 ohne passendes δ > 0. Insbesondere genügt δ = 1/n für kein n N. Also gibt es zu jedem n N ein z n D mit z n ξ < 1/n aber f(z n ) f(ξ) ε. D.h., lim n z n = ξ während lim n f(z n ) f(ξ). Somit ist (b) nicht wahr. Beispiele: Folgende Funktionen sind auf ganz C stetig. z Re(z), z Im(z) (Satz 5.4.4) z z (Satz 5.2.4) z e z (Satz 6.7.4) Die Abbildung x x ist auf [0, ) stetig (Satz 5.4.6). Für komplexwertige Funktionen f und g mit Definitionsbereichen D(f) und D(g) werden die neuen Funktionen f + g, fg, f/g und f definiert durch (f + g)(z) := f(z) + g(z) D(f + g) := D(f) D(g) (fg)(z) := f(z)g(z) D(fg) := D(f) D(g) (f/g)(z) := f(z)/g(z) D(f/g) := D(f) {z D(g) g(z) 0} f (z) := f(z) D( f ) := D(f). Analog zu f werden auch Re f, Im f und f auf D(f) definiert. Satz 7.2.2. Sind f und g stetig in ξ, so sind auch f + g, fg und, falls g(ξ) 0, f/g stetig in ξ. Beweis. Sei (z n ) eine Folge in D(f/g) mit lim n z n = ξ. Dann gilt, nach Theorem 7.2.1, f(z n ) f(ξ), g(z n ) g(ξ), (n ) und g(z n ) 0 nach Definition von D(f/g). Also, nach Satz 5.2.5, lim (f/g)(z f(z n ) n) = lim n n g(z n ) = f(ξ) g(ξ) = (f/g)(ξ). D.h., f/g ist stetig in ξ. Die anderen Behauptungen werden analog bewiesen. Polynome. Eine Funktion p : C C der Form p(z) := a n z n + a n 1 z n 1 +... + a 1 z + a 0 mit Koeffizienten a 0,..., a n C und a n 0 heißt Polynom vom Grad n. Ein Quotient p/q von zwei Polynomen p und q 0 heißt rationale Funktion. Satz 7.2.3. Jedes Polynom und jede rationale Funktion ist stetig.

39 Beweis. Die Behauptung folgt aus Beispiel 1, Abschnitt 7.1, per Induktion mit Hilfe von Satz 7.2.2. Satz 7.2.4. Seien A, B, C C. Ist f : A B stetig in ξ und g : B C stetig in η = f(ξ), dann ist g f : A C stetig in ξ. Beweis. Wir verwenden die Charakterisierung der Stetigkeit in ξ aus Theorem 7.2.1. Sei also (z n ) eine Folge in A mit lim n z n = ξ. Dann gilt da f stetig ist in ξ, und somit lim f(z n) = f(ξ) = η n lim g(f(z n)) = g(η) = g(f(ξ)), n da g stetig ist in η. Also ist g f stetig in ξ. Beispiele: Sei f stetig (in ξ). Aus Satz 7.2.4 und den Beispielen zu Theorem 7.2.1 folgt, dass auch Re f, Im f und f stetig sind (in ξ). Da ausserdem t e it stetig ist, folgt nun dass die Funktionen cos t = Re(e it ) und sin t = Im(e it ) auf ganz R stetig sind. Lipschitz-Bedingung. Eine Funktion f : D C heißt Lipschitz-stetig (genügt einer Lipschitz-Bedingung), wenn eine Konstante L existiert, so dass f(z) f(w) L z w für alle z, w D. Zum Beispiel ist die Funktion f(z) = z Lipschitz-stetig mit Konstante L = 1, denn z w z w. Satz 7.2.5. Genügt f einer Lipschitz-Bedingung, dann ist f stetig. Beweis. Aufgabenblatt 10. 7.3 Der Zwischenwertsatz Theorem 7.3.1. Ist f : [a, b] R stetig und f(a) < 0 < f(b) (oder f(a) > 0 > f(b)), dann existiert ein x (a, b) mit f(x) = 0. Proof. Sei f(a) < 0, f(b) > 0 und sei K := {x [a, b] f(x) 0}. Dann ist K denn a K, und K ist nach oben beschränkt. Also existiert ξ = sup K R

40 nach dem Vollständigkeitsaxiom. Offenbar gilt ξ [a, b]. Wir zeigen dass f(ξ) = 0. Nach Definition von ξ ist ξ 1/n keine obere Schrank von K. D.h., es existiert ein x n K mit x n > ξ 1/n. Nach Definition von ξ und K gilt ausserdem Also lim n x n = ξ und, da f stetig ist, ξ 1/n < x n ξ, und f(x n ) 0. f(ξ) = lim n f(x n ) 0. (9) Nach (9) ist ξ < b und somit ξ + 1/n b für n N gross genug. Aber ξ + 1/n K, nach Definition von ξ, also f(ξ + 1/n) > 0. Da f stetig ist folgt f(ξ) = lim n f(ξ + 1/n) 0. (10) Nach (9) und (10) muss f(ξ) = 0, und insbesondere ξ {a, b}. Beispiel. Jedes reelle Polynom p(x) = x n + a n 1 x n 1 +... + a 0 mit n ungerade hat mindestens eine reelle Nullstelle. Korollar 7.3.2. Ist f : [a, b] R stetig und f(a) < c < f(b) (oder f(a) > c > f(b)), dann existiert ein x (a, b) mit f(x) = c. Beweis. Satz 7.3.1 anwenden auf die Funktion g(x) = f(x) c. Korollar 7.3.3. Ist I R ein beliebiges Intervall und f : I R stetig, dann ist auch f(i) ein Intervall und (α, β) f(i) wobei α = inf x I f(x) und β = sup x I f(x). Beweis. Wenn α = β dann ist f konstant und die Aussage trivial. Sei also α < β und η (α, β). Dann existieren a 1, a 2 I mit f(a 1 ) < η < f(a 2 ). Nach Korollar 7.3.2 existiert ein ξ zwischen a 1 und a 2 mit f(ξ) = η. Dies zeigt, dass (α, β) f(i). Eine reelle Zahl y mit y < α oder y > β kann, nach Definition von α und β, nicht zu f(i) gehoeren. Also ist f(i) eines der vier Intervalle (α, β), (α, β], [α, β), [α, β]. Monotonie. Sei D R und f : D R. Dann heißt f (streng) monoton wachsend, wenn für alle x, y D x < y f(x) f(y) (bzw. f(x) < f(y)). (Streng) monoton fallend ist analog definiert. Die Funktion f heißt streng monoton wenn sie entweder streng monoton fallend oder streng monoton wachsend ist.

41 Satz 7.3.4. Ist f : D R streng monoton wachsend (fallend), dann bildet f die Menge D bijektiv auf f(d) ab und f 1 : f(d) D ist ebenfalls streng monoton wachsend (fallend). Wurzel. Sei k N und k 2. Die Funktion f : [0, ) R mit f(x) = x k ist (als Polynom) stetig und inf f(x) = 0 = f(0), sup x 0 f(x) =. x 0 Also f([0, )) = [0, ), nach Korollar 7.3.3. Da f ausserdem streng monoton wachsend ist, folgt mit Satz 7.3.4, dass f : [0, ) [0, ) bijektiv und die Inverse f 1 : [0, ) [0, ) wieder streng monoton wachsend ist. Wegen x = f(f 1 (x)) = f 1 (x) k ist f 1 (x) die kte Wurzel von x. Damit ist die Existenz und Eindeutigkeit der kten Wurzel zum zweiten Mal nachgewiesen. Logarithmus. exp : R R ist stetig und inf x R ex = 0, sup e x =, x R wobei e x > 0 für alle x. Also gilt exp(r) = (0, ). Weiter ist exp streng monoton wachsend, denn für h > 0 gilt e h > 1 + h > 1 und somit e x+h e x = e x (e h 1) > 0. Die Abbildung exp : R (0, ) ist also bijektiv nach Satz 7.3.4. Die Umkehrabbildung heißt Logarithmusfunktion. log := exp 1 : (0, ) R 7.4 Stetige Funktionen auf kompakten Mengen Man nennt eine Menge U C offen, wenn zu jedem z U ein ε > 0 existiert, so dass B ε (z) U. Die Menge U heißt abgeschlossen wenn C\U offen ist. Falls eine Zahl R existiert sodass z U z R. dann ist U beschränkt. Eine Menge die beschränkt und abgeschlossen ist heißt kompakt. Satz 7.4.1. Folgende Aussagen über K C sind äquivalent.

42 (i) K ist kompakt (ii) Jede Folge in K hat eine in K konvergente Teilfolge. (K ist folgenkompakt.) Beweis. (i) (ii). Sei (z n ) eine Folge in K. Da K beschränkt ist, ist auch die Folge (z n ) beschränkt und hat daher, nach Satz 5.6.1, eine konvergente Teilfolge (z nk ). Sei z := lim k z nk. Versuchweise nehmen wir an z C\K. Da C\K offen ist gibt es dann es eine ε Umgebung B ε (z) mit B ε (z) C\K. Wegen z nk z folgt z nk B ε (z) und somit z nk K, für k gross genug. Ein Widerspruch! Also z K. (i) (ii). Ist K nicht kompakt, dann ist K nicht beschränkt oder K ist nicht abgeschlossen. Im ersten Fall ist K in keiner noch so großen Kugel B n (0), n N, enthalten. Also gibt es zu jedem n N ein z n K mit z n n. Diese Folge hat keine konvergente Teilfolge da jede Teilfolge, wie (z n ), auch unbeschränkt ist. Sei nun K nicht abgeschlossen. Dann ist C\K nicht offen. Also gibt es ein z C\K ohne passende ε Umgebung in C\K. Das heisst, B ε (z) K für alle ε 0. Insbesondere B 1/n (z) K für alle n N. Wähle z n B 1/n (z) K. Dann ist (z n ) eine Folge in K mit lim n z n = z. Also gilt auch lim k z n k = z für jede Teilfolge (z nk ). Da z K ist somit (ii) falsch. Theorem 7.4.2. Sei K C kompakt und f : K R stetig. Dann nimmt die Funktion f auf K ihr Maximum und ihr Minimum an. D.h., es existieren z min, z max K, so dass für alle z K. f(z min ) f(z) f(z max ) Proof. Sei β := sup{f(z) z K}. Dann gibt es eine Folge (z n ) K mit lim f(z n) = β. (11) n Da K kompakt ist, gibt es, nach Satz 7.4.1, eine in K konvergente Teilfolge (z nk ). Sei z max := lim k z nk K. Da f stetig ist und wegen (11) folgt f(z max ) = lim k f(z nk ) = β. Also f(w) β = f(z max ) < für alle w K. Da auch g = f stetig ist gibt es auch ein z min K mit g(w) g(z min ) für alle w K. Also f(w) f(z min ) für alle w K.