Innerörtliche Unfälle mit Fußgängern und Radfahrern Jörg Ortlepp Leiter Verkehrsinfrastruktur Bundestagung Unfallkommission Dresden, 23./24. Sept. 2014
2 Hintergrund Gestaltung der Infrastruktur oft an Kfz-Verkehr ausgerichtet Fußgänger und Radfahrer als schwache Verkehrsteilnehmer besonders gefährdet 39 % aller innerorts in Deutschland Verunglückten (97.941) 60 % aller innerorts in Deutschland Getöteten (636) Untersuchungsfragen Gibt es ein typisches Unfallgeschehen? Welche Ursachen haben diese Unfälle? Welchen Einfluss hat die Gestaltung der Verkehrsanlagen?
3 Methodik Untersuchung am Beispiel von Berlin (U(P) 2006 2010) Makroskopische Unfallanalyse Identifizierung von UHS mit Fußgänger und Radfahrerbeteiligung (mind. 10 U(P) in 5 Jahren) Analyse von 20 UHS mit den höchsten Unfallkosten Unfalldiagramme Auswertung von Karten und Bildmaterial Ortsbesichtigung Sonderauswertung für junge Fußgänger (besonders hohes Unfallrisiko)
4 Unfallkonstellationen (Makroanalyse) Kfz-Radfahrer und Kfz-Fußgänger ist die dominierende Unfallkonstellation Unbekannte Dunkelziffer bei Alleinunfällen
5 Verkehrsleistungsbezogenes Unfallrisiko (Makroanalyse) Besonders hohes verkehrsleistungsbezogenes Unfallrisiko für junge Fußgänger (6-17 Jahre)
6 Hauptverursacher (Analyse der 20 UHS) Kfz ist häufig Hauptverursacher bei Radverkehrsunfällen
7 Unfalltypen nach Unfallkonstellationen (Analyse der 20 UHS)
8 Fehlverhalten der Kfz-Fahrer (Analyse der 20 UHS)
9 Fehlverhalten der Radfahrer (Analyse der 20 UHS)
10 Fehlverhalten der Fußgänger (Analyse der 20 UHS)
11 Besonderheiten bei verschiedenen Unfalltypen Abbiegeunfälle 62 % Rechtsabbiegeunfälle (meist Radverkehr in gleicher Fahrtrichtung) 38 % Linksabbiegeunfälle (meist Fußgänger beider Laufrichtungen) Jeder achte Unfall mit falscher Flächennutzung oder Rotlichtmissachtung durch Radfahrer oder Fußgänger
12 Besonderheiten bei verschiedenen Unfalltypen Einbiegen-/Kreuzen-Unfälle mit Radfahrern 73 % an Knotenpunkten ohne Lichtsignalanlage (90 % Hauptschuld Kfz) mehr als jeder fünfte Radfahrer nutzte dabei falsche Flächen (Linksfahren) 27 % an Knotenpunkten mit LSA (79 % Hauptschuld Radfahrer) bei mehr als der Hälfte Rotlichtverstoß durch Radfahrer 22 % der hauptverursachenden Radfahrer unter Alkohol- oder Drogeneinfluss
13 Besonderheiten bei verschiedenen Unfalltypen Überschreiten-Unfälle (Fußgänger) 79 % an Kreuzungen und Einmündungen (60 % Hauptschuld FG) an Stellen mit LSA 40% Rotlichtmissachtung der FG 21 % abseits der Knotenpunkte und Querungsanlagen
14 Infrastrukturelle Defizite Unfälle mit abbiegenden Kraftfahrzeugen Sichthindernisse Unzureichende Furtmarkierungen Sehr weit abgesetzte Fußgängerfurten Keine gesonderten Abbiegephasen (auch zweistreifiges Abbiegen) Lange Räumwege hohe Geschwindigkeiten am Konfliktpunkt Große Abbiegeradien, Einfahrkeile und freie Rechtsabbieger
15 Infrastrukturelle Defizite Kreuzen-, Einbiegen- und Überschreiten-Unfälle Sichthindernisse Spitze Kreuzungswinkel Fehlende oder unwirksame geschwindigkeitsdämpfende Maßnahmen
16 Infrastrukturelle Defizite Fehlende Querungsmöglichkeiten Fehlende Querungsstellen Fehlende Maßn. gegen ungewollte Querungen Fehlende Furten an einzelnen Knotenpunktarmen Fehlende oder lückenhafte Radverkehrsführung im Knotenpunkt Hohe Trennwirkung führt vermehrt zu Linksfahrten im Radverkehr
17 Infrastrukturelle Defizite Weitere unfallbegünstigende Situationen Querungen von Hauptverkehrsstraßen an Umsteigehaltestellen und Bahnhöfen (Fußgänger)
18 Unfallgeschehen junger Fußgänger Im gesamten Hauptverkehrsstraßennetzt verteilt (punktuelle Häufungen sind selten) Unfälle i.d.r am Morgen (Schule) und nachmittags zw. 13-19 Uhr Junge Fußgänger sind häufiger Hauptverursacher des Unfalls (63 % im Vergleich zu 40 % bei Fußgängern anderen Alters) Häufigste Unfallursachen: Queren abseits der Querungsstellen, Hervortreten hinter Sichthindernissen und Rotlichtverstoß Verhältnismäßig viele Unfälle an Haltestellen (9 % im Vergleich zu 4 %)
19 Empfehlungen zum Verkehrsverhalten Kraftfahrer Schulterblick! Immer mit Radfahrern rechnen (auf allen Flächen, aus allen Richtungen) Radfahrer Linksfahren, Gehwegfahren und Fahren bei Rot ist gefährlich Vorsicht beim Einfahren in den fließenden Verkehr Fußgänger Vorgesehene Querungsstellen nutzen Keine riskanten Überquerungsversuche
20 Empfehlungen zur Verkehrsinfrastruktur Infrastrukturgestaltung entsprach oft nicht den Regelwerksempfehlungen Typische Probleme, für die im Regelwerk Vorgaben und Maßnahmenvorschläge genannt sind (u. a. RASt 2006, RiLSA 2010, ERA 2010, EFA 2002): Beseitigen von Sichthindernissen Konsequente Furtmarkierungen Getrennte Lichtsignalphasen Vermeidung zügiger Ein-/ Abbiegerführung Bedarfsgerechte Querungsstellen Netzlücken.
21 Vermeidung von Unfällen mit jungen Fußgängern Stets besondere Vorsicht geboten Insbesondere an HVS und an Orten, an denen sich junge Fußgänger oft aufhalten Insbesondere am Morgen und am gesamten Nachmittag Erstellung von Schulwegplänen (sichere Wege aufzeigen) Umfassende Aufklärungsarbeit in Schulen und durch die Eltern Sichere Wege nutzen, auch in der Freizeit!
22 Fazit Hohe Bedeutung regelkonformen Verhaltens Aufklärungsarbeit notwendig! Bekannte infrastrukturelle Defizite Regelwerkskonforme Anlagen! Konsequente Arbeit der Unfallkommissionen und Beseitigung der vorhandenen Mängel Gewährleistung personeller und finanzieller Mittel
23 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Weiter Informationen: Unfallforschung der Versicherer www.udv.de unfallforschung@gdv.de Tel. 030-2020-5872