Spontanatmung vs. Beatmung: Ist der alte Mensch, der atmen kann, auch beatembar? Moderne Beatmungsstrategien

Ähnliche Dokumente
ultraprotektive Beatmung?

Evidenz der lungenprotektiven Beatmung in der Anästhesie. SIGA/FSIA Frühlingskongress. 18. April 2009 Kultur- und Kongresszentrum Luzern

Basics Beatmung. P. Becker Institut für Anästhesie und Intensivmedizin Diakonissenkrankenhaus Mannheim

Alternative Beatmungsstrategien. PD Dr. M. Gehling Chirurgische Intensivstation 1, Klinikum Kassel Kassel

Beatmung bei COPD und neurologischen Erkrankungen

Nichtinvasive Notfallbeatmung. Aus : Der Notarzt, 5/2009, S.168ff; C. Dodt

Physiologie der Atmung

Ausbildung zum Rettungssanitäter. Seminarleiter. Geräte im Notarztwagen. Die Beatmungsformen Ausbildung zum Rettungssanitäter 1

Aufgaben der Beatmung

AECOPD Claudia Schrag Klinik für Intensivmedizin Kantonsspital St. Gallen

Beatmung für Einsteiger

Workshop Beatmung IPPV, SIMV, PCV, CPAP, DU, NIV, PEEP, PIP

Akute respiratorische Insuffizienz - Evidenzbasierter Behandlungspfad

Vergleich von invasiver und nichtinvasiver Beatmung

Atmung & praktische Hilfen. Prof. Martin Brutsche

Weaning: Wann beginnen? Pathophysiologie des Weanings? Prädiktoren? Welche Verfahren? Entwöhnung von der Beatmung. Entwöhnung von der Beatmung

Umfrage zur Therapie von ARDS-Patienten 2010/2011

Invasive Beatmung Rien ne va plus?

Umsetzung im klinischen Alltag

Vermeidung von Beatmung. Beatmung bei Kindern. Vermeidung von Beatmung. Verbesserung der Oxygenierung. Verbesserung der Oxygenierung

Lungenfunktionsteste. Dr. Birgit Becke Johanniter-Krankenhaus im Fläming GmbH Klinik III (Pneumologie)

Weaning nach Plan. Diskontinuierliches Weaning in der Praxis WER/ WANN/ WIE? Dirk Jahnke Fachkrankenpfleger A&I Oldenburg

Peter Kremeier, Christian Woll

Peter Kremeier, Christian Woll

ECMO bei Lungenversagen

Hartmut Lang 1.1 Obere Atemwege Untere Atemwege Atemhilfsmuskulatur Physiologie 13 Zum Weiterlesen und Nachschlagen 16

Grundlagen der Medizinischen Klinik I + II. Dr. Friedrich Mittermayer Dr. Katharina Krzyzanowska

Frühmobilisation während dem Weaning Möglichkeiten und Grenzen

Nicht invasive Beatmung (NIV)

Kontinuierliches / diskontinuierliches Weaning?

Beatmungskurven Gimmick oder Werkzeug?

Driving Pressure: Das neue Allheilmittel?

Hemolung. Michael Giebe Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivtherapie Praxisanleiter

Beatmung & Weaning bei problematischen Lungenpatienten. Welche Ziele hat die von uns durchgeführte Beatmung? P. Schenk

Recruitmentmanöver der Lunge

Süha Demirakca Klinik für Neonatologie Universitäts Medizin Mannheim. Synchronisation der Beatmung - Bewährtes und Innovatives -

Akute Dyspnoe aus Sicht des Notfallmediziners

Die schwierige Beatmung Was sollte man beachten? P. Schenk

Vorwort... V Anschriften... XI Abkürzungen... XIII Einleitung Heinrich F. Becker... 1

9. KARDIOLOGIE-SYMPOSIUM DES HERZZENTRUMS HIRSLANDEN ZENTRALSCHWEIZ. Dyspnoe bei Belastung Ein alltägliches Problem und seine Lösung

6.1.1 Intraoperative Beatmung

Jubiläum 30 Jahre Thomas Schaible Klinik für Neonatologie Universitätsmedizin Mannheim

Exazerbierte COPD. Fallbeispiel

Leitfaden zur Patientenauswahl EXTRAKORPORALE CO2-ENTFERNUNG MIT DEM HEMOLUNG RAS

REST AND PROTECT TM mit der Respiratory Dialysis HEMOLUNG RAS. Ein minimal invasives Verfahren für die extrakorporale CO 2. -Entfernung.

Michael Pfeifer Regensburg/ Donaustauf. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

Nicht-invasive Beatmung

Nicht - invasive Beatmung bei hämato-onkologischen und KMT-Patienten

Herz und Kreislauf Teil 1

Notfälle im Kindesalter

bellavista 1000 Effiziente lungenprotektive Beatmung

Intensivmedizin bei. adipositas

Christian Dohna-Schwake

Prof. R. Dembinski GESUNDHEIT NORD KLINIKVERBUND BREMEN VON MENSCH ZU MENSCH

Unterstützung der Entwöhnung durch Physiotherapie

Moderne Therapie der Herzinsuffizienz und Asthma/COPD zwei unvereinbare Entitäten. Stefan Hammerschmidt Klinikum Chemnitz ggmbh

Obere und untere Luftwege

Atmungsphysiologie I.

Vigaro PLBV1. Der Schlüssel zur perfekten Ausatmung. Pursed Lips Breathing Ventilation


Außerklinische Beatmung bei chronischer Ateminsuffizienz

typische Fehler in der Intensivmedizin

Anhang Bewertungstabellen

Anästhesiebeatmung von Säuglingen und Kindern. Michael U. Fischer Freiburg

Bedeutung der Pneumonie. Santiago Ewig Thoraxzentrum Ruhegebiet Kliniken für Pneumologie und Infektiologie Herne und Bochum

ARDS Aktuelles zu Ätiologie, Pathophysiologie, Definitionen und Outcome. Prof. Dr. Thomas Bein Universitätsklinikum Regensburg

F E NO im klinischen Alltag: Bedeutung beim Asthma Management

DEPARTMENT OF ANESTHESIOLOGY AND OPERATIVE

Wertigkeit und Aussagekraft des 6-Minuten-Gehtests und Sit-to-Stand-Tests

Up-to-date: Intensivmedizin bei Schädel-Hirn-Trauma

Atemnot beim Kind. Prof. Dr. med. Jürg Hammer. Leitender Arzt Intensivmedizin und Pneumologie

Assistierte Autogene Drainage Aktive Sekretmobilisation in Theorie und Praxis

PROCALCITONIN (PCT) ALS WICHTIGE KOMPONENTE KLINISCHER ENTSCHEIDUNGSALGORITHMEN ZUR STEUERUNG DER ANTIBIOTIKA-THERAPIE

Lungenfibrose Stellenwert von Training / Bewegung im häuslichen Umfeld. OÄ Dr. Waltraud Riegler Abteilung für Pneumologie

Prophylaktischer Einsatz von Non-invasiver Beatmung bei Kindern mit pulmonalem Risiko während allogener Stammzelltransplantion

Termine Grundlagenseminar: März Mai Juni September November Dezember

Neue Lungenfunktionstechniken vom Labor in die Klinik Philipp Latzin 24. Januar 2013

Konzepte zur Automatisierung der Beatmung

Atmungsphysiologie I.

Notfall quick. Der Fakten-Turbo für den Notfalleinsatz. von Philippe Furger. 2. vollst. überarb. Aufl. Thieme 2009

Minimale Grösse Maximale Leistung

Nicht-invasive Beatmung in der Präklinik

Neonaten, Kinder, Erwachsene

Ausserklinische Beatmung bei chronischer Ateminsuffizienz

Konventionelle Röntgendiagnostik des Thorax. Fallbeispiele aus der Praxis

Training können den Behandlungserfolg steigern

Gliederung. Anatomie. Mechanik. Gastransport. Gasaustausch. Ventilation und Perfusion

HAMILTON-C1 neo. HAMILTON-C1 neo. Atmen heisst Leben

Abkürzungsverzeichnis

Procalcitonin-gesteuerte Antibiotikatherapie in der Intensivmedizin

Beatmung wird sichtbar PULMOVISTA 500

Pneumologische Funktionsdiagnostik. Grundlagen II Lungenvolumina und Kapazitäten

Belegte Effekte von Mobilisierungsmaßnahmen

Sicherung des Atemweges während der Anästhesie... Wie lange habe ich denn eigentlich Zeit dafür... Präoxygenierung wie lange ist erforderlich?

Ernährung des Intensivpatienten Wieviel darf es sein?

IV 19.4 Monitoring des beatmeten Intensivpatienten

Allergische bronchopulmonale Aspergillose - ABPA bei Mukoviszidose

MT Verkürzung der Beatmungsdauer um bis zu 33%* SMARTCARE /PS

Beatmungsformen. Reinhard Larsen, Thomas Ziegenfuß

Transkript:

Spontanatmung vs. Beatmung: Ist der alte Mensch, der atmen kann, auch beatembar? Moderne Beatmungsstrategien Georg-Christian Funk Wien Intensivstation

Wie verändert sich das respiratorische System im Alter? Beatmungstrategie im Alter?

Komponenten des respiratorischen Systems

Normale Spontanatmung

Alterung des Lungenparenchyms 29 Jahre, Nichtraucher 100 Jahre, Nichtraucher 68 Jahre, COPD

Alterung des Lungenparenchyms Ito Chest 2009;135;173-180

Spontanatmung im Alter Verlust elastischer Fasern PEEPi

Sequentielles Airtrapping dynamische Überblähung PEEPi

Im Alter: Erhöhte Atemruhelage wegen Überblähung Silbernagl S, Taschenatlas Pathophysiologie, Thieme 1998

Hohes Alter: Kollaps der basalen Alveolen

Normale Lungenalterung L U N G E N A L T E R U N G LUNGENFUNKTION COPD Tod im hohen Alter 100 Jahre? Natürliches Lungen- versagen mit ca.140 Jahren 50 100 150 LEBENSALTER IN JAHREN Ito Chest 2009;135;173-180

Lungenfunktion mit 100 Jahren noch ausreichend? Normaler FEV 1 Verlust: ca. 18 ml / Jahr Kritisches FEV 1 : 20 ml/kg 18 ml/kg FEV1 (Liter) : 80 kg, FEV 1 1900 ml = 24 ml/kg : 70 kg, FEV 1 1400 ml = 20 ml/kg Bei normaler Lungenalterung: Lungenfunktion mit 100 Jahren noch ausreichend Alter (Jahre) Kohansal R. Am J Respir Crit Care Med 2009;1803 10 Haber P. Lungenfunktion und Spiroergometrie, Springer 2004

Alterung der Komponenten des respiratorischen Systems

Alter Steife Thoraxwand mehr elastischer Widerstand (= Compliance) Belastung der Atemmuskulatur A T E M MU S K U L A T U R Janssens ERJ 1999;13:197-205

Alterung der Komponenten des respiratorischen Systems

Maximale inspiratorische Atemmuskelkraft - - - - Tobin Principles & Practice of Intensive Care Monitoring, Chapter 28

Balance von Beanspruchung und Ressourcen des respiratorischen Systems Energiebedarf Energieversorgung Atemminutenvolumen Mechanische Arbeitslast Neuromuskuläre Kapazität Vassilakopoulos et al. ERJ 1996;9:2383-400

Balance von Beanspruchung & Ressourcen des respirat. Systems im ALTER?? Energieversorgung Energiebedarf Atemminutenvolumen Mechanische Arbeitslast Neuromuskuläre Kapazität

Beanspruchung & Ressourcen des respirat. Systems im ALTER bei akuter Krankheit Energieversorgung Respiratorische Insuffizienz Energiebedarf Atemminutenvolumen Neuromuskuläre Kapazität Mechanische Arbeitslast

Zusammenfassung I Respiratorisches System im Alter: höhere Last weniger Ressourcen kein Problem bei Ruheatmung und Gesundheit weniger Reserven mir schnellerer respiratorischer Dekompensation bei kritischer Krankheit

T Welche Beatmungstrategie für alte Patienten?

Beatmungstrategie im Alter Atemwegszugang: nicht-invasiv > invasiv Beatmungsform: assistiert > kontrolliert Beatmungsmuster: synchron > asynchron Sedierung: wach > schlafend Ram RS. Cochrane Database Syst Rev. 2005;25:CD004360 Putensen C. Curr Opin Crit Care. 2005;11:63-8 Tobin M. Ann Intern Med. 2010;153:240 245 Girard T. Lancet 2008; 371: 126 34

Beatmungstrategie im Alter Atemwegszugang: nicht-invasiv > invasiv Beatmungsform: assistiert > kontrolliert Beatmungsmuster: synchron > asynchron Sedierung: wach > schlafend Ram RS. Cochrane Database Syst Rev. 2005;25:CD004360 Putensen C. Curr Opin Crit Care. 2005;11:63-8 Tobin M. Ann Intern Med. 2010;153:240 245 Girard T. Lancet 2008; 371: 126 34

Beatmungs-induzierter Lungenschaden Whitehead T. Thorax 2002;57:635-642

Beatmungs-induzierte Atemmuskelschwäche DAUER DER BEATMUNG 2 3 Stunden 18 69 Stunden Levine S. N Engl J Med 2008;358:1327 35.

Lange Beatmungsdauer Atemmuskelschwäche Maximale Kraft des Zwerchfells (cmh 2 O) Dauer der Beatmung (Stunden) Hermans G. Crit Care. 2010;14(4):R127

Potentieller negativer Einfluss von Beatmung auf das insuffiziente respiratorische System Energieversorgung Energiebedarf Atemminutenvolumen Neuromuskuläre Kapazität Mechanische Arbeitslast

Beatmungstrategie im Alter Atemwegszugang: nicht-invasiv > invasiv Beatmungsform: assistiert > kontrolliert Beatmungsmuster: synchron > asynchron Sedierung: wach > schlafend Ram RS. Cochrane Database Syst Rev. 2005;25:CD004360 Putensen C. Curr Opin Crit Care. 2005;11:63-8 Tobin M. Ann Intern Med. 2010;153:240 245 Girard T. Lancet 2008; 371: 126 34

Tägliche Sedierungspause mit Aufwachversuch Anteil der lebenden Patienten (%) Aufwachversuch + Spontanatemversuch Nur Spontanatemversuch Tage nach Randomisierung Girard T. Lancet 2008; 371: 126 34

Klinische Beurteilung des alten beatmeten Menschen Intubiert & kontrollierte Beatmung Wie ist die Atemmechanik? Verursacht die Beatmung einen Schaden? Assistierte Beatmung Sind Beanspruchung & Ressourcen des respirator. Systems in Balance? Sind Patient & Respirator synchron?

Beurteilung der Atemmechanik unter Volumen-kontrollierter Beatmung (Spitzendruck Plateaudruck) / Flow = Resistance (Plateaudruck - PEEP tot ) / VT = Elastance

Expiratorische Flowlimitierung und Air Trapping NORMAL AIRTRAPPING Flow Flow Druck Druck

Klinische Beurteilung des alten beatmeten Menschen Intubiert & kontrollierte Beatmung Wie ist die Atemmechanik? Verursacht die Beatmung einen Schaden? Assistierte Beatmung Sind Beanspruchung & Ressourcen des respirator. Systems in Balance? Sind Patient & Respirator synchron?

Sind Beanspruchung & Ressourcen des respiratorischen Systems in Balance? Klinik und Blutgase Energiebedarf Energie- versorgung Atemminutenvolumen Mechanische Arbeitslast Neuromuskuläre Kapazität

Sind Beanspruchung & Ressourcen des respiratorischen Systems in Balance? Zeichen der be-/überlasteten Atemmuskulatur: Hohe Atemfrequenz, niedriges Atemzugvolumen Einsatz der Atemhilfsmuskulatur Akute respiratorische Azidose ( paco 2 + ph)

Sind Beanspruchung & Ressourcen des respiratorischen Systems in Balance? Zeichen der be-/überlasteten Atemmuskulatur: Paradoxe Atmung

Überlastetes respiratorische System: Ist die Atemmuskulatur schwach? Energieversorgung Energiebedarf Atemminutenvolumen?? Neuromuskuläre Kapazität Mechanische Arbeitslast?

Ist die Atemmuskulatur schwach? Klinische Indizien: Lange Sedierung, aggressive Beatmung, Sepsis, Relaxierung Schwäche der peripheren Skelettmuskeln Schwacher Hustenstoß Sekretretention Immer: akuter Anstieg des paco 2 während gescheitertem Spontanatemversuch Messwert: Maximaler inspiratorischer Druck (MIP)

Maximaler inspiratorischer Druck (MIP) Messung bei verschlossenen Inspirationsschenkel & offenem Exspirationsschenkel Referenzwert: Männer: MIP < -80 cmh 2 O; Frauen: MIP < -70 cmh 2 O; MIP Marini JJ et al. J Crit Care 1986;1:32

Anteil entwöhnter Patien nten Kein Training Maximaler inspiratorischer Atemwegsdruck Training 0-10 -20-30 Training Kein Training -15-15 -18-25 Vorher Nachher Tage nach Weaningbeginn Cader SA. Journal of Physiotherapy 2011;56: 171 177

Prävention von Atemmuskelschwäche Sparsame Sedierung Sedierungspausen Konkomitante Spontanatmung zulassen Frühe Rehabilitation

Klinische Beurteilung des alten beatmeten Menschen Intubiert & kontrollierte Beatmung Wie ist die Atemmechanik? Verursacht die Beatmung einen Schaden? Assistierte Beatmung Sind Beanspruchung & Ressourcen des respirator. Systems in Balance? Sind Patient & Respirator synchron?

Sind Patient & Respirator synchron?

Zusammenfassung Das respiratorische System ist auch im hohen Alter beatembar, hat aber reduzierte Reserven Protektive Strategien für Lunge und Atemmuskulatur: Atemwegszugang: nicht-invasiv > invasiv Beatmungsform: assistiert > kontrolliert Beatmungsmuster: synchron > asynchron Sedierung: wach > schlafend georg-christian.funk@meduniwien.ac.at