Konflikte im Alltag tolerant lösen Baustein für die Gemeindearbeit Zusammengestellt von Annemarie Müller 1 Wieder ist mein Nachbar mit seinen dreckigen Stiefeln durch den Hausflur gestapft und hat seinen Schmutz nicht weggeräumt. Wie oft habe ich ihm das schon gesagt und es passiert nichts. Mich stört das sehr und ihn scheint es überhaupt nicht zu berühren. Ist das jetzt mein oder sein Konflikt? Was kann ich nur noch tun? Solche oder ähnliche, kleine oder große, schmerzende oder nur kratzende Konflikte bestimmen unseren Alltag. Manchmal stören sie uns sehr, manchmal können wir die Aufregung darüber nicht nachvollziehen. Aber es ist alltäglich, mit Konflikte zu leben. Sie gehören zu unserem Leben dazu, wie die Luft zum Atmen. Alle Generationen und Menschengruppen sind davon betroffen. Bei jedem Konflikt sind mindestens zwei Parteien beteiligt. Dies können einzelne Personen, Gruppen, Staaten oder Völker sein. Meisten nehmen wir einen Konflikt erst dann war, wenn es richtig Kracht oder zumindest eine Konfliktpartei stark leidet. Dann ist der anliegende Konflikt meist schon weit voran geschritten.eine faire Lösung, bei der alle Beteiligten wenig verletzt hervorgehen, wird um so schwieriger, je länger man mit einer Lösungssuche wartet. Konflikttheorie Um Konflikte zu verstehen, kann es hilfreich sein, sich mit der Theorie zu beschäftigen. Für einen Konflikt gibt es keine einheitliche Definition. Aus unterschiedlichen Sichtweisen erfolgen Beschreibungen des Phänomens. Nach dem Duden (1980) kommt Konflikt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie Zusammenstoß, Zwiespalt, Widerstreit. Eigenschaften von Konflikten Die Ursache für den Zusammenprall sind vielfältig, etwa unterschiedliche Interessen, Denkoder Wertevorstellungen, knappe Ressourcen, Informationsdefizit, Kommunikations- oder Beziehungsprobleme, aber auch ungleiche Machtstrukturen. Wichtig ist es, den bestehenden Konflikt wahrzunehmen und nicht mit den beteiligten Personen gleichzusetzen. Ungelöste Konflikten eskalieren Viele Menschen neigen dazu, Konflikte nicht wahrhaben zu wollen, wenn es geht, sie unter den Teppich zu kehren. Da aber verdrängte Konflikte meist zu unpassenden Zeiten und 1 Annemarie Müller M.A., ÖIZ, Kreuzstraße 7, 01067 Dresden, www.infozentrum-dresden.de
Orten oft stärker als zuvor - wieder auftreten, ist es sinnvoller, Lösungen in Konflikten zu suchen. Am schnellsten, auch am brutalsten und unbefriedigend ist eine Lösung durch Gewalt. Faire Lösungen verlangen Zeit und die beidseitige Bereitschaft, sich auf den Konflikt einzulassen. Wissenschaftler haben erkannt, dass unbearbeitet Konflikte immer nach einem ähnlichen Schema ablaufen. Die Chance, daraus wenig verletzt und ohne fremde Hilfe hervorzugehen, schwindet mit zunehmender Eskalation. Im schlimmsten Fall endet ein Konflikt in der gegenseitigen Vernichtung. (Methodenbaustein M 1) Chance eines Konflikts Jeder Konflikt bringt neben Stress und Emotionen auch Veränderungen und Entwicklungen ohne die unsere Welt langweilig und eintönig wäre. Konflikte fordern uns zu etwas Neuem heraus, bringen uns voran. Wichtig ist aber, wie wir den Konflikt lösen. Ziel sollte eine gemeinsame Lösungen, ohne Anwendung von Gewalt oder Ausspielung von Machtpositionen sein. Dann stehen am Ende nicht ein Gewinner und ein Verlierer, sondern zwei Parteien, die tolerant miteinander umgehen und einen fairen Ausgang suchen. Lösungsansätze Analyse von Konflikten Die Analyse von Konflikten kann schon ein Teil der Lösung sein. Beim genaueren Nachfragen wird der Konflikt transparent und die Hintergründe verständlicher. In manchen Fällen findet sich auch eine gemeinsame Lösung. (Methodenbaustein M 2) Kommunikation in Konflikten Eine ganz wichtige Funktion beim Umgang mit Konflikten hat die Kommunikation, verbal und nonverbal. Emotional erregt lässt sich sie schlechter kontrollieren. Dann sagen wir verletzende Worte, hören nur die Hälfte, deuten vorschnell und bringen damit den Konflikt zur Eskalation. Wenn die Worte ausgehen, wir Sprach-los werden, bekommt die physische Gewalt ein leichtes Spiel. Damit es anders verläuft, müssen wir unsere Kommunikation schulen. Dazu gehören Übungen, um z.b. Kritik weniger verletzend rüber zu bringen, eigene
Gefühle ehrlich benennen zu können, Kritik ohne sofortige Abwehr anzunehmen, dem anderen zuzuhören usw. (Weitere Hinweise Methodenbausteine M 3) Mediation in Konflikten Es gibt aber auch Konflikte, wo die Beteiligten nicht mehr miteinander sprechen können oder wollen. Dann kann die Hilfe eines neutralen Dritten sinnvoll sein. Dieser Mediator, soll den Konflikt nicht lösen, sondern nur unterstützen, damit die Parteien wieder miteinander sprechen können, um selbst die beste Lösung zu finden. Inzwischen gibt es ausgebildete Mediatoren, die gegen Honorar Konfliktlösungen begleiten. Sich trennen in Konflikten Aber es gibt auch Situationen, wo die Konfliktparteien keinen gemeinsamen Willen zur Lösung haben. Oft ist der Leidensdruck zwischen den Parteien unterschiedlich hoch. Das kann dazu führen, dass einer stark unter dem Konfliktgeschehen leidet, während der andere es als wenig bedeutend einschätzt und deshalb auch kein Interesse an einer Lösungssuche mitbringt. Dann gibt es immer noch den Weg, bewusst auseinander zu gehen, um so den eigenen Leidensdruck abzubauen. Zu gehen, ist da keine Schande! Machtpositionen in Konflikten Unterschiedliche Machtpositionen der Konfliktparteien erschweren eine faire Lösung. Deshalb sollte geprüft werden, welche Möglichkeiten es gibt, das Machtgefälle zu verringern. Eltern können sich auf Augenhöhe der Kinder begeben und so mehr Verständnis für das in jedem Falle schwächere Kind zeigen. In vielen Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Erwachsenen ist dies aber kaum umsetzbar. Das bedeutet, dass die Möglichkeit, einen Konflikt fair auszutragen und eine Lösung zu finden, die für beide Konfliktparteien befriedigend ist, geringere Chancen hat. Wir können also auch als Verlierer oder als Schuldiger aus einem Konflikt gehen. Dies mit Respekt und die Achtung zu tun verlangt viel von den Betroffenen. Manchmal kann es Jahre dauern, bis die Konfliktparteien wieder miteinander reden können, manchmal gelingt es nie. Strategien zur Lösung von Konflikten erlernen Wenn Konflikte zu unserem Zusammenleben als etwas Normales dazu gehören, sollte es auch normal sein, in fairer und toleranter Weise Konflikte zu lösen. Aber das müssen wir im Laufe unseres Lebens erlernen. Wir übernehmen dies als Heranwachsende von den uns umgebenden Erwachsenen. Womit wir Erfolg haben, verinnerlichen wir und wenden es bewusst oder unbewusst immer wieder an. Das müssen nicht immer die besten Lösungen sein. Deshalb lohnt es sich, genauer wahrzunehmen, wie wir uns in Konflikten verhalten, wie zufrieden wir mit den Lösungen sind und welche Leidenserfahrungen wir bei uns feststellen? Sollten wir andere Strategien erlernen? (Methodenbaustein M 4) Mit diesen knappen Ausführungen kann nur ein Anstoß gegeben werden, sich intensiver mit der Lösung von Konflikten zu beschäftigen. In schwierigen Fällen sollte man den Mut haben, einen Fachmann/-frau dazu zu holen. Das Material kann aber hilfreich sein, sich präventiv mit Analyse, Kommunikation und weiteren Lösungswegen zu beschäftigen und zu üben.
Wieder ist mein Nachbar mit seinen dreckigen Stiefeln durch den Hausflur gestapft und hat seinen Schmutz nicht weggeräumt. Wie oft habe ich ihm das schon gesagt und es passiert nichts. Mich stört das sehr und ihn scheint es überhaupt nicht zu berühren. Ist das jetzt mein oder sein Konflikt? Was kann ich nur noch tun? Da mein Nachbar immer noch nicht reagiert hat, ist es wohl mein Problem und da wohl nur ich darunter leide, muss auch ich etwas tun. Ich kann noch einmal zu ihm gehen und ihm sagen, wie sehr mich der Dreck im Hausflur stört. Ich kann s auch selbst wegkehren. Eigentlich ist er ja ein netter Kerl und ich unterhalte mich gern mit ihm über seine Wanderurlaube. Sollte ich mal wieder tun. Anscheinend bin ich ziemlich empfindlich, was Sauberkeit anbetrifft. Warum eigentlich?
Methodenbausteine Eskalation in Konflikten - M 1 Eskalationsstufen (nach Friedrich Glasl) I. Noch aus eigenen Kräften faire Lösung möglich 1. Verhärtung (mir geht der Typ schon lange auf die Nerven) 2. Debatte, Polemik (ich sollte mal mit ihm reden und ihn zulabern) 3. Taten statt Worte (dem werde ich es zeigen) II. Nur mit Hilfe Dritter faire Lösung noch möglich 4. Koalitionssuche (ich suche mir Freunde und Verbündete) 5. Gesichtsverlust (ich bringe ihn in peinliche Situationen) 6. Drohstrategien (wenn ich dich erwische, dann...) III. Keine faire Lösung mehr möglich 7. Begrenzte Vernichtungsschläge (ich mache meine Drohung wahr, so gut es geht) 8. Zersplitterung (ich höre nicht mehr auf die anderen, denn niemand versteht mich) 9. Gemeinsam in den Abgrund (ich weiß nicht mehr genau, worum es ging, aber ich habe dich vernichtet! mich wohl auch?)
Analyse von Konflikten M 2 Ziel: Eine Konfliktanalyse hilft dabei, den Konflikt differenzierter wahrzunehmen, ihn von außen und aus Sicht der anderen beteiligten Konfliktparteien zu sehen. Darüber hinaus entstehen bei der Analyse schon erste Ansätze zur Konfliktlösung. Mit der Analyse sollen Dinge sichtbar gemacht werden, die für das Verständnis des Konfliktes wichtig sind, aber, wie bei einem Eisberg unter dem Wasser liegen und somit nicht sofort wahrgenommen werden. Eine Konfliktanalyse kann von einer dritten Person, aber auch von einer der beteiligten Konfliktpartei erstellt werden. Sind alle beteiligten Parteien dazu bereit, kann es auch als ein möglicher Lösungsansatz verwendet werden. Zeitdauer: Solange, wie benötigt Material: großes Papier und Stifte Durchführung: Gemeinsam werden die folgenden Fragen beantwortet und wichtige Ergebnisse festgehalten. Dies kann auch mit Hilfe eines neutralen Moderators geschehen. 1. Konfliktdefinition, - WAS Worum geht es bei dem Konflikt? - Konflikt 2. Konfliktparteien WER Wer ist sichtbar daran beteiligt? - Konfliktparteien Welche Unterstützung haben die Parteien? - eventuelle weitere Parteien Welche Gefühle spielen eine Rolle? Gibt es psychische Besonderheiten bei den Parteien? Welche Beziehung/Abhängigkeiten besteht zwischen den Parteien? - Beziehungen /Machtverhältnisse 3. Konfliktgeschichte/Verlauf WIE Wie ist der Konflikt entstanden? Welche Vorgeschichte gibt es? - Geschichte/Vorgeschichte Wie hat sich der Konflikt entwickelt? - Verlauf Gibt es Nebenkonflikte/Konfliktverschiebungen? 4. Konflikthintergründe WARUM Welche Interessen/Ziele verfolgen die Parteien? - Gewinn/Verlust Welche Werte/Kulturen/Traditionen spielen eine Rolle? - Werte Welche Informationen sind den Parteien bekannt? - Informationsverlust Gibt es äußere Zwänge? 5. Lösungsansätze WIE WEITER Gibt es gemeinsame Interessen der Konfliktparteien? - Lösungsansätze Auswertung: In einer anschließenden Auswertung wird zusammen getragen, was deutlicher geworden ist, welcher mögliche Lösungsansatz sich gezeigt hat und wie weiter in dem Konflikt verfahren werden soll.
Kommunikation in Konflikten M 3 Regeln für Kommunikation in Konflikten Ein nicht ausgetragener oder verdrängter Konflikt belastet die Beziehung. Kommunikation wird schwierig oder es tritt sogar Sprachlosigkeit ein. Eine gelungene Kommunikation ist anderseits wichtigstes Mittel zur Konfliktlösung. Folgendes sollte bei der Kommunikation beachtet werden: Nehmen Sie die Meinung des anderen bewusst wahr, machen Sie ihm deutlich, was angekommen ist, frage Sie bei Unklarheiten noch einmal nach. Verwende Sie ICH -Botschaften, statt DU -Botschaften. Stellen Sie auch Ihre eigene Haltung in Frage. Drücken Sie sich klar und verständlich aus, verbal und nonverbal. Lassen Sie den anderen aussprechen und hören Sie ihm aufmerksam zu. Nehmen Sie Ihre eigenen Gefühle ernst und zeigen Sie sie auch Ihrem Gegenüber. Lassen Sie Kritik an Ihnen zu, ohne sich gleich verteidigen zu müssen. Vermeiden Sie Schwarz-Weiß-Malerei Behalten Sie den Hauptkonflikt im Blick. Unterscheiden Sie zwischen dem Konflikt und den beteiligten Personen. Ziehen Sie keine vorschnellen Schlüsse, sondern versuchen auch den anderen zu verstehen.
Konfliktstrategien 2 - M 4 Ziel: Die Teilnehmer werden sich dem Gebrauch ihrer eigenen unterschiedlichen Strategien im Umgang mit Konflikten bewusst. Gleichzeitig wird verdeutlicht, dass jeder Mensch sich in verschiedenen Situationen unterschiedlicher Strategien bedient. Dabei hat jede Strategie ihre Vor- und Nachteile, die durch diese Übung erkannt werden sollen. Zeitdauer: insgesamt ca. 45 Minuten Personenzahl: günstig sind mindestens 12 Personen Material: 5 Plakate in mindestens A3 Größe, auf vier der Plakate steht oben "Konfliktstrategie:", direkt darunter "Vorteile" und ungefähr in der Mitte "Nachteile", mindestens vier Eddings, ausreichend Platz Durchführung: Zunächst wird das Plakat ohne Aufschrift in die Mitte eines Raumes gelegt. Dazu ausreichend Eddings. Die Teilnehmer bekommen durch den Spielleiter die Aufgabe, soviel Konfliktbewältigungsstrategien auf das Plakat zu schreiben, die sie selber anwenden und die ihnen einfallen. Strategien, die bereits aufgeschrieben sind und trotzdem mehrmals genannt werden sollen, werden bei jeder zusätzlichen Nennung mit einem Strich versehen. Wenn kein Teilnehmer mehr schreiben möchte, werden alle Strategien noch einmal laut vorgetragen und es kann hinterfragt werden, was unter unverständlichen Nennungen zu verstehen ist. Anschließend werden die vier am häufigsten genannten Strategien auf die vier anderen Plakate geschrieben. Die Teilnehmer ordnen sich daraufhin gleichmäßig zu je einer Strategie zu. In Gruppenarbeit diskutieren die Teilnehmer nun Vor- und Nachteile der jeweiligen Strategie und schreiben sie auf. Im Plenum werden die Ergebnisse vorgestellt und diskutiert. Auswertung: Gibt es eine optimale Strategie für den Umgang mit Konflikten? Was lässt sich aus den Ergebnissen schlussfolgern? Quelle/ Verweis auf ähnliche Übungen: 2 nach Walker, Jamie (1995): Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Sekundarstufe I. Spiele und Übungen. Frankfurt a. M.: Cornelsen Scriptor, S. 138f.