Der Gastroenterologe Zeitschrift für Gastroenterologie und Hepatologie Elektronischer Sonderdruck für Ein Service von Springer Medizin Gastroenterologe 2012 7:228 233 DOI 10.1007/s11377-011-0603-4 Springer-Verlag 2012 zur nichtkommerziellen Nutzung auf der privaten Homepage und Institutssite des Autors Diarrhö nach Reisen außerhalb Deutschlands Travellers diarrhea www.dergastroenterologe.springer.de
Schwerpunkt: Gastroenterologische Reisemedizin Gastroenterologe 2012 7:228 233 DOI 10.1007/s11377-011-0603-4 Online publiziert: 15. April 2012 Springer-Verlag 2012 Redaktion A. J. Ullmann, Würzburg J. F. Riemann, Ludwigshafen Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin, Berlin Diarrhö nach Reisen außerhalb Deutschlands Hintergrund Durchfälle und andere gastrointestinale Beschwerden sind die häufigsten Gesundheitsstörungen während Tropenaufenthalten. Diarrhö ist auch das häufigste Leitsymptom importierter Infektionskrankheiten bei Tropenrückkehrern. Hierbei handelt es sich meist um sog. Reisediarrhöen mit unkompliziertem und selbstlimitierendem Verlauf. Meist beginnt die Symptomatik wenige Tage nach der Einreise in das Zielgebiet und wird durch das unterschiedliche gastrointestinale Keimspektrum verursacht. Die überwiegende Mehrzahl der Episoden heilt im Mittel nach 3 4 Tagen ohne Komplikationen wieder ab. Während der akuten Krankheitsphase kommt es jedoch bei 40% der Reisenden zu teilweise erheblichen Beeinträchtigungen der eigentlich geplanten Aktivitäten. So müssen Studienreisen unterbrochen, Tauchgänge abgesagt oder Safaris verlegt werden. Dies kann bei dem sehr knappen Zeitkonto der meisten Reisenden zu erheblichen Beeinträchtigungen im Urlaubserleben führen. Insofern ist der beratende Arzt häufig gefordert, dem Reisenden Konzepte zum Akut management und zur Vermeidung der Reisediarrhö mitzugeben. Epidemiologie 228 Der Gastroenterologe 3 2012 Das Auftreten von Durchfällen ist von einer Vielzahl Faktoren abhängig. Wesentlich sind die hygienischen Standards des Ziellandes bei der Nahrungsmittelzubereitung. Diese können erheblichen Veränderungen unterworfen sein. So hat zum Beispiel die Inzidenz der Reisediarrhö bei Brasilientouristen in den letzten 2 Jahrzehnten deutlich abgenommen, was u. a. auf verbesserte Hygienestandards in der Tourismusindustrie zurückzuführen ist.» Wesentlich sind die hygienischen Standards des Ziellandes bei der Nahrungsmittelzubereitung Reisende aus Industrienationen weisen eine weit höhere Rate von Durchfallepisoden auf als solche aus Entwicklungsländern [2]. Ein interessantes Detail bleibt die Beobachtung, dass Reisende aus Großbritannien signifikant mehr Durchfallepisoden entwickeln als andere Europäer oder als Nordamerikaner [3]. Die Gründe hierfür sind noch nicht geklärt. Der Verdacht, dass Abenteuer- und Rucksackreisende einem höheren Durchfallrisiko ausgesetzt sind, drängt sich intuitiv auf. Allein durch die ständig wechselnden, oft hygienisch nicht einwandfreien Nahrungsmittelquellen scheint ein weit höherer Erregerkontakt wahrscheinlich. Jedoch fehlen hier vergleichende Untersuchungen. Im Hinblick auf Pauschaltouristen konnten Studien an jeweils denselben Zielorten eine sehr hohe Variabilität der Durchfallinzidenz nachweisen, die durch die erheblichen Unterschiede in den Hygienestandards einzelner Hotels bedingt war [3]. Hier könnten Kontrollmaßnahmen der Tourismusindustrie potenziell schnelle Abhilfe schaffen. Das Essen außerhalb des Hotels scheint bei Pauschalurlaubern keinen wesentlichen Einfluss auf die Durchfallhäufigkeit zu haben [3]. Eine besondere Rolle spielen Ausbrüche von Durchfallerkrankungen auf Kreuzfahrtschiffen, die erheblichen Umfang annehmen können. Vor allem bei Beteiligung von Noro- oder Rotaviren als verursachende Pathogene kann es hier aufgrund der engen Platzverhältnisse leichter zur Übertragung kommen. Neben Reiseart und -ziel spielt auch die Reisesaison bei tropischen Destinationen eine erhebliche Rolle. In vielen Ländern treten während der Monsunzeit zusätzliche Hygieneprobleme durch überlastete Abwassersysteme auf. In Bezug auf Wirtsfaktoren wurde wiederholt demonstriert, dass alle Faktoren, die zur Erniedrigung des Magen-pH führen wie z. B. Gastrektomie, langdauernde Säureblockade mit Protonenpumpenhemmern (PPI) oder gastrointestinale Motilitätsstörungen eine Erhöhung der Durchfallinzidenz zur Folge haben. Die Inzidenz der Reisediarrhö nimmt mit höherem Lebensalter ab [1, 3]. Dies mag mit einer erworbenen Immunität oder mit risikobehafteteren Essgewohnheiten bei jungen Reisenden zusammenhängen. Ätiologie Ursächlich liegt am häufigsten eine Infektion mit enterotoxinbildenden Eschericha coli (ETEC) zugrunde (. Tab. 1). Daneben kommt jedoch eine Vielzahl ande
Schwerpunkt: Gastroenterologische Reisemedizin Tab. 1 Häufigkeit von enteropathogenen Erregern bei Reisedurchfall in verschiedenen Urlaubsregionen. (Nach [3]) Erreger Goa (n = 293) Kenia (n = 379) Jamaica (n = 322) ETEC 24,3 33,3 11,9 Shigellen 9,6 9,2 0,3 Salmonellen 10,2 2,6 7,8 Campylobacter jejuni 2,7 4,5 5,0 Aeromonas 3,4 2,4 Plesiomonas 6,8 1,8 Vibrionen 5,5 4,0 Giardia lamblia 4,4 0,6 Entamoeba histolytica 2,0 0,6 Cryptosporidia 1,7 0,3 Cyclospora cayetanensis 0,7 Rotaviren 5,1 5,6 9,2 Enteritische Adenoviren 1,7 3,4 3,5 Norwalk-Viren 1,7 1,3 Andere 1,7 0,3 Kein Erregernachweis 44,2 49,7 68,3 Tab. 2 Klinische gastrointestinale Symptomatik und spezifische enteropathogene Keime Symptomatik Fieber Inkubationszeit Enteropathogene Nausea, Erbrechen 5 15 min Schwermetalle Nausea, Erbrechen, 1 18 h ETEC, Staph. aureus, Bacillus cereus wässrige Diarrhö Wässrige Diarrhö, 5 h bis 3 Tage Vibrio cholerae, ETEC atonisches Erbrechen Nausea, Erbrechen, Diarrhö, Myalgien, Zephalgien + 12 h bis 3 Tage Rotavirus, Adenovirus, Norwalk-Virus Diarrhö (z. T. blutig) und abdominelle Krämpfe Gastrointestinale Blutung Malabsorptive Diarrhö, Meteorismus, Völlegefühl rer Erreger in Frage. Schwerere Verläufe mit behandlungsbedürftigen Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten und/oder Ruhr wurden in verschiedenen Studien in 3 15% der Fälle beobachtet [4]. Bei Erkrankungsbeginn bereits während des Auslandsaufenthalts oder innerhalb weniger Tage nach Rückkehr liegt zumeist eine bakterielle Ätiologie vor. Viral bedingte Enteritiden haben ebenfalls eine kurze Inkubationszeit. Bei Erkrankungen, die sich später als 8 10 Tage nach Rückkehr manifestieren, sowie bei anhaltenden oder rezidivierenden Durchfällen ist vor allem an parasitäre Infektionen + 1 3 Tage Campylobacter jejuni, Shigella, Entamoeba histolytica, Salmonella, Yersinia, Clostridium difficile ± 1 3 Tage EHEC, CMV 1 2 Wochen Giardia lamblia, Cryptosporidium parvum, Mikrosporidien, Cyclospora cayetanensis CMV Zytomegalievirus, EHEC enterohämorrhagische Escherichia coli, ETEC enterotoxische Escherichia coli. zu denken, die sich auch erst nach längerem Intervall klinisch bemerkbar machen können. Durchfallfrequenz, Stuhlbeschaffenheit sowie zusätzliche Symptome und Befunde geben wichtige Hinweise auf die Ätiologie, erlauben jedoch keine spezifische Diagnose (. Tab. 2). D Stets muss daran gedacht werden, dass Durchfälle und gastrointestinale Beschwerden auch im Rahmen systemischer Infektionen auftreten. So berichten bis zu 20% der Patienten mit Malaria tropica über Durchfälle und andere gastrointestinale Symptome wie Erbrechen und abdominelle Schmerzen [5]. Bei Fieber und Durchfällen nach Aufenthalt in Malariagebieten ist daher immer eine Malaria durch Blutuntersuchungen auszuschließen. Vor allem bei Durchfällen mit chronischem oder chronisch rezidivierendem Verlauf kommt differenzialdiagnostisch zusätzlich eine große Zahl nichtinfektiöser Erkrankungen in Frage, einschließlich chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen. Hier ist zu berücksichtigen, dass Durchfallerkrankungen während oder nach einer Auslandsreise nicht immer in einem kausalen Zusammenhang zu dieser stehen müssen. Als pathogene Erreger kommen bei chronischen Durchfällen insbesondere auch Parasiten in Frage. Hier sind insbesondere Giardia lamblia und Entamoeba histolytica zu nennen, seltener sind auch Infektionen durch Cyclospora cayetanensis oder Kryptosporidien nachweisbar [6]. Diagnostik Diagnostik und Therapie richten sich nach Schweregrad der Erkrankung, Lebensalter des Patienten, vorliegenden Grunderkrankungen und ggf. isolierten Erregern. Bei der unkomplizierten Reisediarrhö des Erwachsenen ohne Grunderkrankungen ist eine unspezifische symp tomatische Therapie ohne gezielte Diagnostik ausreichend. Das Erzwingen einer ätiologischen Abklärung ist hier weder nutzen- noch kosteneffektiv. Untersuchungen sollten nur angefordert werden, wenn ihr Ergebnis wesentlich das klinische Management beeinflussen kann, wie z. B. bei immunsupprimierten Patienten. Die Suche nach Leukozyten bzw. Laktoferrin im Stuhl ist eine nützliche Untersuchung, da ein Positivbefund auf eine entzündliche Diarrhö hinweist. Bei Patienten mit positivem Leukozytennachweis im Stuhl sind die häufigsten Erreger Salmonella, Shigella, Camplylobacter, C. difficile, Yersinia sowie enterohämorrhagische und enteroinvasive E. coli (EHEC und EIEC). Ist der Test negativ, dann ist eine Stuhlkultur nicht unbedingt notwendig: In wenigstens zwei Studien wurde gezeigt, dass der Anteil der Positivbefunde aus Stuhlkulturen bei Patienten mit akuter, unkom 230 Der Gastroenterologe 3 2012
Zusammenfassung Abstract plizierter Diarrhö in der Routinediagnostik lediglich um 2% liegt. Warnhinweise, die auf einen komplizierten Verlauf hinweisen, sind F profuse Diarrhö und/oder massives Erbrechen, F Blutbeimengungen im Stuhl oder blutig-schleimige Durchfälle (Ruhr), F hohes und/oder anhaltendes Fieber, F ausgeprägte Allgemeinsymptome. Hier ist eine gezielte Diagnostik und ggf. auch eine initiale Chemotherapie erforderlich. Weitere Indikationen zur gezielten Diagnostik sind chronische bzw. chronisch-rezidivierende Durchfälle und Durchfälle bei Immunsupprimierten. In diesen Fällen sollte eine gründliche mikrobiologische Aufarbeitung des Stuhles inklusive einer umfangreichen parasitologischen Untersuchung erfolgen. Therapie Die wichtigsten therapeutischen Maßnahmen beim unkomplizierten Reisedurchfall sind symptomatisch. Hier stehen vor allem Symptomenlinderung sowie Flüssigkeits- und Elektrolytersatz im Vordergrund. Oft erfolgt dies durch orale Rehydrationslösungen, die Glukose und Elektrolyte enthalten. Bei ansonsten gesunden Patienten ohne wesentliche Zeichen einer Dehydratation kann eine adäquate Flüssigkeits- und Elektrolytbalance ohne Weiteres mit Limonaden, Suppe und Salzstangen erreicht werden. Rehydrierung. Bei Patienten mit drohender Dehydrierung bzw. zugrunde liegenden Begleiterkrankungen sind jedoch aggressivere Methoden notwendig. In solchen Fällen ist eine gezielte intravenöse oder orale Rehydrierung indiziert. Hierbei ist die orale Therapie mit Rehydratationslösungen (ORS) bei wesentlich geringerem Aufwand und Preis häufig ebenso effektiv wie intravenöse Maßnahmen. ORS fördert die Resorption von Natrium und Wasser im Dünndarm über die Aktivierung des Glukose-Natrium- Kotransporters, dessen Funktion auf der gleichzeitigen Anwesenheit von Natrium und Glukose im Darm beruht. Dieser Mechanismus wird in aller Regel nicht durch Entzündungen oder Toxine außer Kraft gesetzt. Auf dem Markt sind neben der WHO-Formulierung zahlreiche weitere ORS-Lösungen erhältlich, hierunter sind auch speziell für pädiatrische Patienten konzipierte Produkte. Diät. Diätetische Maßnahmen sind ein weiterer Aspekt beim Management der akuten Diarrhö. Milchprodukte sollten weitgehend vermieden werden, da vor allem virale und bakterielle Infektionen einen passageren Laktasemangel hervorrufen, der über die unverdaute Laktose zu weiteren Durchfällen, Blähungen und voluminösen, schaumigen Stühlen führen kann. Ebenso ist auf Koffein und Alkohol zu verzichten, die beide Frequenz und Volumen des Stuhlganges erhöhen. Eine Nulldiät ist unnötig. Stattdessen sollten die Patienten zur Aufnahme kurzkettiger Kohlenhydrate ermuntert werden, wie Kartoffeln, Nudeln, Reis, Bananen oder Suppen. Peristaltikhemmer. Sehr schnell symptomatisch wirksam sind Peristaltikhemmer. Hier ist Loperamid der bekannteste Wirkstoff. Dieses Medikament sollte jedoch von Laien nicht kritiklos und vor allem nicht zu lange eingesetzt werden darf, da es sonst zu Komplikationen bis hin zum toxischen Megakolon kommen kann. Bei Infektionen durch invasive Erreger mit Blutabgang oder Fieber ist die Substanz kontraindiziert, da die Lähmung der Darmmotilität zu einer längeren Verweildauer der Erreger im Intestinaltrakt führt. Adsorbenzien. In der Gruppe der Adsorbenzien liegen für Wismutsubsalicylat die meisten Daten vor. In vielen Studien konnte eine relativ rasche Reduktion der Diarrhöfrequenz gezeigt werden. Die Substanz ist jedoch in den meisten europäischen Ländern nicht zugelassen. Zudem führt die Einnahme zur reversiblen Schwarzfärbung von Stuhlgang und Zunge. Für andere Adsorbenzien wie Kaolin, Pektin oder medizinische Kohle gibt es keine überzeugenden klinischen Studien. Tanninalbuminat/Ethacrinlactat. Eine empfehlenswerte Möglichkeit der symptomatischen Therapie der Reisediarrhö bietet die Kombination von Tannin Gastroenterologe 2012 7:228 233 DOI 10.1007/s11377-011-0603-4 Springer-Verlag 2012 Diarrhö nach Reisen außerhalb Deutschlands Zusammenfassung Mit ca. 60% aller Fälle gehört akute Diarrhö in der Primärversorgung von Patienten nach Auslandsaufenthalt zu den am häufigsten genannten Symptomen. Weltweit stehen bakterielle Infektionen als Ursache akuter Durchfälle an erster Stelle, hier weit überwiegend durch enterotoxigene Escherichia coli (ETEC). Da die Verläufe häufig selbstlimitierend sind, können diagnostische und therapeutische Maßnahmen in der Mehrzahl der Fälle auf ein vernünftiges Mindestmaß beschränkt werden. Diagnostik und Management sollten sich vor allem am klinischen Erscheinungsbild orientieren. In der Prophylaxe stehen heute mehrere Maßnahmen mit nachgewiesener, jedoch begrenzter Effektivität zur Verfügung, die auch einander ergänzend eingesetzt werden können. Schlüsselwörter Diarrhö Escherichia coli Akutmanagement Prophylaxe Impfung Travellers diarrhea Abstract Diarrhea is a major health hazard for persons travelling from industrialized countries to the developing world and occurs in approximately 60% of cases. Although frequently self-limiting, it effectively stops activities during travel and after returning. Bacterial infections are the most common cause of travel diarrhea, in particular enterotoxicogenic Escherichia coli (ETEC) is frequently found. In most cases, diagnostic procedures can be kept simple and empirical treatment should be pragmatic and symptom-oriented. Pretravel counselling needs to offer effective measures for prophylaxis. Several measures with proven, although limited efficacy are available and can be offered either alone or in combination. Keywords Diarrhea Escherichia coli Disease management Preventive measures Vaccination albuminat und Ethacrinlactat. Hierbei weist Tanninalbuminat adstringierende, schleimhautschützende und sekretionshemmende Eigenschaften auf, während Ethacrinlactat durch anticholinerge und spasmolytische Eigenschaften die Darm Der Gastroenterologe 3 2012 231
Schwerpunkt: Gastroenterologische Reisemedizin Tab. 3 Antibiotische Therapie bei Reisedurchfall Erreger Antibiotikum Alternative Kommentar Campylobacter Azithromycin Doxycyclin 1 500 mg für 5 Tage 1 200 mg für 7 Tage Clostridium difficile Entamoeba histolytica Enteritissalmonellen Giardia lamblia Shigellen Vibrio cholerae Yersinien Metronidazol 4 250 500 mg für 7 14 Tage Tinidazol 2 1 g für 7 Tage Anschließend Paromycin 3 500 mg für 7 Tage Ciprofloxacin 2 500 mg für 7 Tage Tinidazol 2 1 g für 3( 7) Tage Azithromycin 1 500 mg für 5 Tage Doxycyclin 1 200 mg für 4 5 Tage Ciprofloxacin 2 500 mg für 7 Tage passage verlangsamt und die Rückresorption von Wasser fördert. Neben dem gewünschten Effekt der deutlichen Reduktion der Stuhlfrequenz wird die Darmschleimhaut geschützt und gleichzeitig die Vermehrung von potenziell pathogenen Keimen verhindert. Antibiotika. Die probatorische antibiotische Therapie zeigt bei der akuten, unkomplizierten Diarrhö gegenüber Placebo eine etwas beschleunigte Restitution [7]. Hierbei wird insbesondere der Einsatz des nichtresorbierbaren Antibiotikums Rifaximin diskutiert, das explizit für diese Indikation zugelassen ist. Leider liegen keine Vergleichsstudien mit rein symptomatischen Therapeutika wie z. B. Tanninalbuminat/Ethacrinlactat vor. Bei dringend erforderlicher Symptomenfreiheit z. B. wegen besonderer beruflicher Aufgaben des Erkrankten oder eines insgesamt schlechten Gesundheitszustandes kann die Gabe von Rifaximin durchaus gewinnbringend sein. Offensichtlich gibt es unstrittige Indikationen zur antibiotischen Therapie (. Tab. 3). Hierbei sind auch lokale Resistenzmuster zu berücksichtigen. So sind Vancomycin oral 4 250 mg für 7 14 Tage Metronidazol 3 500 750 mg für 10 Tage Anschließend Paromycin 3 500 mg für 7 Tage Cotrimoxazol 2 960 mg für 7 Tage Metronidazol 2 g/tag für 3 Tage oder 3 250 mg für 10 Tage Ciprofloxacin 2 500 mg für 7 Tage Cotrimoxazol 2 960 mg für 4 Tage Doxycyclin 1 200 mg für 7 Tage beispielsweise in Asien und Ostafrika erworbene Shigellen häufig resistent gegen Aminopenicilline, Cotrimoxazol, aber auch gegen Ciprofloxazin. Speziell auch bei der komplizierten Reisediarrhö gibt es Patienten, die eindeutig von einer antibiotischen Therapie profitieren. Hier ist bei der probatorischen Therapie eine Behandlung mit Azithromycin über 3 Tage anzuraten. Im Falle einer Infektion mit C. difficile sind Metronidazol oder Vancomycin die Mittel der Wahl. Probiotika. Bei rezidivierenden Infektionen liegen sehr ermutigende Ergebnisse mit Probiotika vor, insbesondere mit Saccharomyces und Lactobacillus, die im Anschluss an eine antibiotische Therapie gegeben werden. Dies scheint die Wiederansiedlung der intestinalen Mikroflora zu fördern und somit eine erneute Ausbreitung von C. difficile zu verhindern. Prophylaxe Bei Toxinnachweis und Verdacht auf pseudomembranöse Kolitis Bei symptomatischer Infektion Bei Immunsuppression (Malignome, AIDS, Leberzirrhose etc.) und im Alter >65 Jahre und <1 Jahr Bei symptomatischer Infektion Prophylaktische Maßnahmen gegen Reise durchfall sind vor allem notwendig bei besonders Exponierten (Beschäftigte im Gesundheitswesen, in der Katastrophenhilfe, in Flüchtlingscamps, bei Projekten von Hilfsorganisationen), bei Reisenden, für deren Tätigkeit Diarrhö inakzeptabel ist (Geschäftsleute, Militär, Politiker etc.) und bei Personen, die durch Diarrhö besonders gefährdet sind (chronisch Kranke, kleine Kinder, Alte etc.). Für jede dieser Gruppen stehen Prophylaxemaßnahmen zur Verfügung, die eine messbare Effektivität aufweisen. Diese können bei entsprechendem Bedarf auch kombiniert angewendet werden (z. B. orale Impfung und Einnahme von Tanninalbuminat/Ethacrinlactat). Ein allgemeingültiges Patentrezept zur Prophy laxe der Reisediarrhö existiert jedoch nicht. Im Folgenden werden verschiedene Konzepte empfohlen, die durchaus auch ergänzend eingesetzt werden können. Hygiene und Diät. Koche es, schäle es oder vergiss es. Dies ist das Mantra jeder reisemedizinischen Beratung zur Prophylaxe der Reisediarrhö. Auch wenn der prinzipielle Sinn dieser Maßnahme unbestritten ist, zeigen sich in der Praxis sehr schnell erhebliche Einschränkungen in ihrer effektiven Umsetzung. Zum einen zählt das Erleben der lokalen Küche für viele Reisende zum kulturellen Genuss einer Reise dazu. Zum anderen sind strikte Diätmaßnahmen oft nicht durchzuhalten. Dies führt zu erheblichen Complianceproblemen bei dieser Empfehlung. Weiterhin ist in mehreren Studien gezeigt worden, dass zumindest bei Pauschaltouristen das Essverhalten keinen wesentlichen Einfluss auf die Inzidenz der Diarrhö hat [1, 3, 8, 9]. Somit sind ggf. weitere prophylaktische Maßnahmen zu erwägen. Rifaximin. Aktuelle Studien zeigen eine hohe Effektivität von Rifaximin in der Prophylaxe der Reisediarrhö [10]. Im Vergleich zu dem bisher zur Chemoprophylaxe empfohlenen Ciprofloxacin scheint eine etwas geringere Effektivität gegen invasive Enterobakterien zu bestehen, jedoch ist bedingt durch die fehlende Resorption auch das Nebenwirkungsspektrum deutlich geringer. Jedoch sollte diese Strategie nur im Ausnahmefall angewendet werden; das Präparat ist für diese Indikation in Deutschland auch nicht zugelassen. Bedenken betreffen vor allem potenzielle Nebenwirkungen, die Beeinflussung 232 Der Gastroenterologe 3 2012
der Darmflora und Entwicklung von Resistenzen. Probiotika. Seit langem in der Prophylaxe der Reisediarrhö diskutiert, sollen sie das Darmmilieu im Sinne eines Infektionsschutzes verändern und die Ansiedlung pathogener Keime erschweren. Studien mit Saccharomyces zeigen eine Effektivität von 11% bei der Reduktion der Reisediarrhö [10]. Wird die regelmäßige Einnahme vom Reisenden akzeptiert, kann hier immerhin ein messbarer Schutz erreicht werden. Impfungen. Einen besonderen Stellenwert hat der vor einigen Jahren in Deutschland zugelassene, aktive orale Totimpfstoff gegen Cholera, da hiermit gleichzeitig ein Schutz gegen das hitzelabile Toxin von ETEC erreicht werden kann. Bei weitgehendem Fehlen von Nebenwirkungen liegt der Schutz gegen Cholera bei 85%, der gegen ETEC-Diarrhö bei ca. 70% [12]. Da der Impfstoff schon seit längerem in Skandinavien zugelassen ist, liegen ausreichende Erfahrungen zur Reaktogenität und protektiven Effektivität vor. Aufgrund der hohen Erregervariabilität beim Syndrom Reisedurchfall ist die Effektivität der Impfung etwas eingeschränkt; sie wird auf ca. 50% geschätzt. In Anbetracht der hohen Inzidenz des Reisedurchfalls ist auch diese Schutzrate mit einer sehr hohen Zahl an verhinderten Krankheitsepisoden verbunden. Tanninalbuminat/Ethacrinlactat. Die regelmäßige Einnahme der Kombination von Tanninalbuminat und Ethacrinlactat scheint einen vergleichsweise hohen Schutz gegen Reisediarrhö zu bieten, der in vergleichenden Untersuchungen bis 38% betrug. Der durch die Kombination ausgeübte, schützende Effekt auf die Darmschleimhaut scheint auch gegen invasive Erreger zu wirken. Wesentliche Nebenwirkungen sind nicht beschrieben. Somit ist die prophylaktische Einnahme von Tanninalbuminat und Ethacrinlactat derzeit eine Maßnahme mit großem messbarem Effekt gegen Reisediarrhö. Fazit für die Praxis F Akute Reisediarrhö ist in der Praxis ein häufiges Problem, das jedoch häufig ohne großen Aufwand behoben werden kann. F Eine gründliche Anamnese und Untersuchung ist bei der Festlegung einer Verdachtsdiagnose von entscheidender Bedeutung; meist ist keine weitere Diagnostik notwendig. F Häufig ist bei der akuten Diarrhö eine symptomatische Therapie mit oralem Flüssigkeitsersatz ausreichend. F Der Übergang zur komplizierten Diarrhö, bei der umfangreichere Diagnostik und antibiotische Therapie indiziert sind, darf nicht verpasst werden. F In der Prophylaxe ist die Beachtung von Hygienemaßnahmen wichtig, jedoch gibt es erhebliche Probleme mit der Umsetzung. F Zusätzlich stehen für die Prophylaxe mehrere Maßnahmen mit nachgewiesener Effektivität zur Verfügung, die auch einander ergänzend eingesetzt werden können. F Eine antibiotische Prophylaxe ist aus derzeitiger Sicht nur in Ausnahmefällen zu empfehlen. Korrespondenzadresse PD Dr. Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin Jägerstr. 67, 10117 Berlin jelinek@bctropen.de Interessenkonflikt. Der Autor gibt an, dass er Honorare und Aufwandsentschädigungen für Vorträge, Gutachten, Durchführung von Studien und Beratungstätigkeit von folgenden Firmen erhalten hat: Baxter, Cellestis, Crucell, GlaxoSmithKline, Intercell, Ixodes, Lilly Pharma, Novartis Vaccines, r-biopharm, Sanofi Aventis Pasteur MSD, Sekisui Virotech, Sigmatau. Literatur 1. Steffen R (2005) Epidemiology of traveller s diarrhea. Clin Infect Dis 41: 536 540 2. DuPont HL, Olarte J Evans DG et al (1976) Comparative susceptibility of Latin American and United States students to enteric pathogens. N Engl J Med 295: 520 1521 3. Von Sonnenburg F, Tornieporth N, Waiyaki P et al (2000) Risk and aetiology of diarrhoea at various tourist destinations. Lancet 356: 133 134 4. Steffen R, Lobel HO (1994) Epidemiologic basis for the practice of travel medicine. J Wildern Med 5: 56 66 5. 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