Aggressionen in der Kindertherapie

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Aggressionen in der Kindertherapie Behandlungstechnische Probleme beim Umgang mit Aggression Hans-W. Saloga Ambacher Str. 9 ~ 81476 München Tel: 089-74575694 saloga@kj-psychotherapie-saloga.de 1

Worum es geht: Der 5jährige Eberhard stand mit mir vor dem Sandkasten und entdeckte im Regal die Playmobil-Krokodile. Er war hell begeistert. Es sind dies etwa 15 cm lange, recht naturgetreu aus Kunststoff gefertigte Krokodile, deren Kiefer mit spitzen Zähnen versehen sind und die sich bewegen lassen. Eberhard öffnete also das Maul eines Krokodils, kam fauchend auf mich zu und sagte, ich solle meinen Finger ins Maul des Krokodils legen. Ohne lange zu überlegen tat ich das und blitzartig presste Eberhard die Kiefer des Krokodils zusammen. Seine Augen leuchteten. Die spitzen Zähne bohrten sich in meinen Finger, es schmerzte schauderhaft und begann auch gleich zu bluten. Ich riss Eberhard das Krokodil aus der Hand und spürte, wie mich eine unendliche Wut überkam, als ich den grinsenden Jungen sah, der sich freute, mir seine jetzige Überlegenheit zu zeigen. 2

I. Therapievariable mit Relevanz zum Thema: 1) Der therapeutische Rahmen und seine Handhabung 2) Der Therapeut die Persönlichkeit des Analytikers II. Technische Probleme im Umgang mit der Aggression im psychoanalytischen Prozess: 1) Die analytische Situation wiederherstellen 2) Auslöser für Aggression in der direkten Beziehung 3) Agieren und Inszenieren von Konflikten 4) Eltern und Institutionen 3

Der analytische Rahmen I unwandelbare Konstante, beinhaltet Haltung des Analytikers sowie Raum- und Zeitfaktoren; Rahmen als Sandkasten gesehen Patienten dürfen den Rahmen angreifen Therapeut muss ihn wahren Klare Regeln, die unverrückbar feststehen, zb nicht körperlich wehtun 4

Der analytische Rahmen II Veränderungen des Rahmens bzw seiner Bestandteile Einfluss auf den psa Prozess Erkennen von Veränderung / Gefahr des blinden Mitagierens Gegenübertragung: Ich möchte Rahmenbedingungen verändern Analyse der Phantasien Beispiele Rückzug auf neutrale Regeln vor deren Einführung/Erörterung Bestimmen oder Erarbeiten von Rahmenbedingungen? Rahmen macht Handeln wahrnehmbar Wunsch nach vorzeitigem Stundenende Nachgeben? Mitbringen von Hunden oder Freunden; rauchen, kiffen etc. 5

Der analytische Rahmen III Patient spürt im Umgang mit den Rahmenbedingungen die Redlichkeit, Ernsthaftigkeit und Stabilität des Therapeuten; testet, fordert heraus, misst den Therapeuten am Rahmen (bw/ubw) Therapeut zwanghaft unflexibel Rahmen als Mittel, vorsichtige Distanz zum Pat halten zu können, zerfließend, symbiotisch Rahmenbedingungen schwer zu ertragen, Vermeidung von aggressiver Auseinandersetzung um die Rahmenbedingungen, Mitagieren, Manipulation Verhinderung von Loslösung und Trennung Rahmenbedingungen finden, die wir später konsequent und eindeutig vertreten können 6

Persönlichkeit des Analytikers I Psychoanalytiker sind voller Empathie, können sich grenzenlos einfühlen! Was macht sie so anfällig für Grenzüberschreitungen ihrer Patienten, aggressive Attacken? Warum ist die Fähigkeit zum Aushalten von negativen Übertragungen, aggressiven Attacken kurz: der Tatsache, nicht immer geliebt zu werden so relativ schlecht ausgebildet? Angst, nicht mehr geliebt zu werden Aushalten von aggressiven Attacken fällt schwer! Versuch, symbiotische Übertragungsbeziehungen einzugehen und in harmonischer Verschränkung zu verharren! 7

Persönlichkeit des Analytikers II Der Psychotherapeut aggressiver Patienten sollte die augenblickliche Übertragungs-Gegenübertragungs-Konstellation immer dann besonders kritisch reflektieren, wenn er sich im Umgang mit seinem Patienten sehr wohl fühlt und unter dem Eindruck steht, es entstehe eine sehr harmonische Beziehung zwischen ihnen. Schutz vor abrupten destruktiven Durchbrüchen der Patienten ist eine sofortige Deutung von negativen Übertragungsmanifestationen! Auch eine zureichend gute Ausbildung (Lehranalyse) befreit uns nicht von blinden Flecken, kann uns jedoch die Grenzen unserer Möglichkeiten bewusst machen! Auch im Rahmen unserer Eigenkonflikte können wir trotzdem ausgezeichnete analytische Arbeit leisten! Wichtig ist, immer darum zu wissen, was die aggressiven Attacken unserer Patienten mit uns machen und was wir uns selbst zumuten können! 8

Die analytische Situation wiederherstellen Kinder bringen Material über kreative Techniken, zb das Spielen, dh sie agieren und wir agieren mit. Es geht nicht um blindes re-agieren, sondern Unbewusstes in Bewusstes, in Sprachliches zu verwandeln. Es wird notwendig, Hass auszuhalten, negative Gefühle zu containern, nicht Aushaltbares auszuhalten. Es ist notwendig, eigene Grenzen einzuschätzen, rechtzeitig Schlusspunkte zu setzen. Ein guter Therapeut ist nicht der, der möglichst lange und geduldig aushält, dass auf ihn eingedroschen wird! Das würde zu einer masochistischen Rolle führen, die spätere positive Identifizierungen verhindert. 9

Der 5jährige Eberhard stand mit mir vor dem Sandkasten und entdeckte im Regal die Playmobil-Krokodile. Er war hell begeistert. Eberhard öffnete also das Maul eines Krokodils, kam fauchend auf mich zu und sagte, ich solle meinen Finger ins Maul des Krokodils legen. Ohne lange zu überlegen tat ich das und blitzartig presste Eberhard die Kiefer des Krokodils zusammen. Seine Augen leuchteten. Die spitzen Zähne bohrten sich in meinen Finger, es schmerzte schauderhaft und begann auch gleich zu bluten. Ich riss Eberhard das Krokodil aus der Hand und spürte, wie mich eine unendliche Wut überkam, als ich den grinsenden Jungen sah, der sich freute, mir seine jetzige Überlegenheit zu zeigen. 10

Die analytische Situation wiederherstellen Kein ausreichendes Einlassen auf das Agieren, Verweigern der Übertragungsbeziehung es kann kein psychodynamischer Prozess entstehen, kein Verstehen, kein Containment. Das Kind muss in der Therapie Halt und Sicherheit erfahren, ihm muss ein äußerer Rahmen gegeben werden. Gleichzeitig aber muss die Bereitschaft bestehen, ihm ins Chaos zu folgen. Zauberlehrling -Phänomen analytisch arbeiten Möglichkeit der Gegenübertragung wahrnehmen und kontrollieren zu können Situationen schaffen, die das ermöglichen. 11

Wissen um geringe Toleranz des Patienten für Angst und Spannung aber: Nicht zum willfährigen Opfer werden! Erfahrung beim Patienten, - dass es nicht nur s/w, Täter/Opfer gibt - dass sich der Therapeut nicht zerstören lässt, ggf Widerstand und evtl Gegenaggression leistet, aber trotzdem Sicherheit von Liebe und Zuneigung gewährleistet. Gefahr der Erregungsüberflutung beim Therapeuten Unterdrückung und Verbot vom Aggr.-manifestationen statt Analyse Jede negative Übertragung hat auch positive Ausprägungen, dh in den destruktiven Formen von Aggression die libidinösen Beimischungen zu erkennen. 12

Agieren und Inszenieren von Konflikten 13

Eltern und Institutionen Therapie mit Kindern (und Jugendlichen) bedeutet, auch Arbeit mit Eltern soz. Umfeld (Erzieher, Lehrer) Erwartungen, Wünsche, Information, Einbeziehung in Therapie, Patentrezepte, Verhaltensanweisungen, Ruhigstellung per Pharmaka Zu Beginn der Therapie Erarbeitung eines realistischen therapeutischen Rahmens (Patient Eltern andere Bezugspersonen). Für erfolgreiche Kindertherapie reicht nicht das Verstehen der elterlichen Neurose und der psychodyn Zusammenhänge, es müssen auch Umstrukturierungen möglich sein, ein Leidensdruck der Eltern muss spürbar vorhanden und bearbeitbar sein. Beleidigungen und Unverschämtheiten von Eltern sollten deutlich zurückgewiesen werden. Das ist für die Therapie des Kindes, aber auch für die Rolle als Therapeut und den Erhalt der Selbstachtung notwendig. 14