Werte für Menschen, Tiere und Umwelt Fachinformation Equines Cushing Syndrom (ECS) synlab.vet
Equines Cushing Syndrom (ECS) Der Hyperadrenocortizismus des Pferdes wird als equines Cushing Syndrom (ECS) bezeichnet. Fast immer ist ein Hypophysenadenom der Pars Intermedia die Ursache für ein Cushing-Syndrom beim Pferd. Meist tritt die Erkrankung bei älteren Pferden auf, es kommen aber auch Erkrankungen bei Pferden unter 20 Jahren vor. Bei jüngeren Pferden werden Fellveränderungen seltener gesehen. Da die für die Erkrankung sonst typischen Konditionen alt und Hirsutismus fehlen, besteht die Gefahr das ECS bei diesen Tieren zu übersehen. Symptome Hirsutismus (verzögerter, unvollständiger oder langsamer Fellwechsel, häufig mit langen gelockten Haaren) ist für den Besitzer oft ein auffälliges Symptom. Meist wird in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass die Pferde schon seit einiger ECS betrifft meistens aber nicht nur ältere Pferde. Zeit vermehrt schwitzen und unter Apathie, Klarheit schafft die ACTH-Bestimmung. Leistungsschwäche und/oder Gewichtsabnahme leiden. Dabei sind oft Fettablagerungen in Kruppe, Hals und vor allem supraorbital zu finden. Fortgeschrittene Fälle können unter einer generalisierten Muskelatrophie leiden. Ein Großteil der Patienten zeigt Polydipsie/Polyurie. Auch ein Auftreten von Hufreheschüben unbekannter Genese kann einen Hinweis auf ECS geben. Sekundär kommt es oft zu einer erhöhten Infektanfälligkeit, zu Steroiddiabetes, Kreislaufproblemen, Krämpfen und Beeinträchtigungen des Visus. Stuten entwickeln manchmal Fertilitätsstörungen. Physiologie der ACTH-Synthese ACTH ist ein Polypeptid, bestehend aus 39 Aminosäuren. Die ersten 18 Aminosäuren sind Träger der vollen biologischen Aktivität. Grundsätzlich wird ACTH in den corticotropen Zellen der Pars Distalis und in den melanotropen Zellen der Pars Intermedia der Adenohypophyse gebildet (und zwar aus einem gemeinsamen Precursor, dem 33kDa pro-opiolipomelanocortin (pro-olmc) durch enzymatische Spaltung.
Pars distalis: In der Pars distalis gibt es einen Hauptsyntheseweg, sowie Nebenwege mit unterschiedlichen Intermediärprodukten. Die Hauptprodukte dieser Synthese sind ACTH 1-39 und daneben das γ 3 -MSH (γ 3 -Melanozytenstimulierendes Hormon) das β-end (β-endorphin) und das γ-lph (γ-lipotropin). Pro-OLMC-Peptidsynthese in der Pars distalis gesunder Pferde (nach Froin et al. 1998) 33 kda pro-olmc 24 kda pro MSH 27 kda pro -MSH/ACTH 17 kda pro ACTH/ -LPH -LPH -LPH -END 3 -MSH ACTH -MSH Pars intermedia: Die Biosynthese in der Pars intermedia läuft in leicht abgewandelter Form ab. ACTH entsteht hier aus dem 24,5 kda pro γmsh und dem 14,7 kda C-terminalen Fragment. Es wird zu 98% in α-msh und CLIP (Corticotropin like intermediate lobe peptide, ACTH 18-39) weiter gespalten und führt auf diese Weise nicht zu einer Stimulation der Nebennierenrinde. Pro-OLMC-Peptidsynthese in der Pars intermedia gesunder Pferde (nach Froin et al. 1998) 33 kda pro-olmc 24 kda pro -MSH 14,7 kda C-terminales Fragment/ 24,5 kda pro -MSH -LPH -LPH -END ACTH 3 -MSH -MSH CLIP -MSH
Unter dem Einfluss von ACTH wird in der Nebennierenrinde Cortisol gebildet und sezerniert. Ein negativer Feedback- Mechanismus über Glucocorticoidrezeptoren auf den corticotropen Zellen der Pars distalis führt zu einer Verminderung der ACTH-Sekretion. Im Hypothalamus werden die Synthese und die Sekretion von CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) und AVP (Arginin-Vasopressin) vermindert. Die melanotropen Zellen der Pars intermedia verfügen nicht über Glucocorticoid-Rezeptoren, somit gibt es dort auch keinen negativen Feedback-Mechanismus über Cortisol. Diese Zellen werden über hypothalamisches Dopamin tonisch inhibitorisch kontrolliert. Rückkopplungsmechanismus über Cortisol in der Pars distalis und der Pars intermedia (nach Froin et al. 1998) Pars distalis Corticotrope Zellen Glucocorticoid-Rezeptoren Pars intermedia Melanotrope Zellen Dopamin-Rezeptoren - ACTH Cortisol + Cortisol Nebennierenrinde Pathogenese/Pathophysiologie In fast allen Fällen beruht das ECS auf Neoplasien der melanotropen Zellen der Pars Intermedia der Hypophyse. Die Folge ist eine vermehrte Bildung von biologisch aktivem ACTH bei gleichzeitigem Fehlen der negativen Rückkopplung, da die melanotropen Zellen der Pars Intermedia keine Glucocorticoid-Rezeptoren besitzen (vgl. nachfolgende Diagramme). Ferner wird über niedrige Dopamin-Konzentrationen in der Pars Intermedia bei Pferden mit ECS berichtet. Dies führt zu einer Erhöhung des Serum ACTH-Spiegels um das bis zu 600-fache. Anders als zu erwarten muss der Cortisol-Serumspiegel bei der labormedizinischen Untersuchung nicht erhöht sein. Das Problem ist vielmehr im Verlust der diurnalen Rhythmik der Cortisolsekretion mit der Folge eines relativen Zuviels an Cortisol zu sehen. Nicht alle beobachteten Symptome lassen sich mit den bisherigen Erkenntnissen befriedigend erklären. Einige Autoren meinen, dass die tumorös entartete Pars intermedia bei entsprechender Expansion den Druck auf den Hypothalamus erhöht, sowie auf die kapillären und neuralen Verbindungen zwischen Hypophyse und Hypothalamus. Da der Hypothalamus unter anderem den Fellstoffwechsel, die Körpertemperatur und den Appetit steuert, könnten demnach diese Vorgänge durch Druck beeinflusst werden. Mögliche Folge: Hirsutismus, Schwitzen und Appetitlosigkeit. Druck auf den Sehnerv könnte zur Visus-Beeinträchtigung führen.
Eines der Leitsymptome beim ECS sind Reheschübe ungeklärter Genese. Die Erfahrung zeigt, dass durch exogen angewandte Corticosteroide Hufrehe ausgelöst werden kann wenngleich nicht regelmäßig. Außerdem liegt der Serum-Cortisolspiegel trotz hohem ACTH-Spiegel häufig im Normbereich. Es bleibt also zu klären, inwieweit ein Verlust der diurnalen Rhythmik in der Cortisolsekretion ursächlich für die Hufrehe ist. Polyurie und Polydipsie werden meist zusammen mit dem bei fortgeschrittener Pathologie häufig auftretenden sekundären Steroiddiabetes gesehen und können ebenfalls mit der veränderten Cortisolsekretion (Folge: Hyperglykämie) in Zusammenhang gebracht werden. Labordiagnostik Beim gesunden Tier wird die ACTH-Ausschüttung aus dem Hypophysenvorderlappen über eine negative Rückkopplung durch Cortisol gehemmt. Da diese beim ECS-Patienten nicht stattfindet, ist in der Regel ein deutlich erhöhter ACTH-Spiegel im Blut nachweisbar. Der Nachweis dieses Parameters in Kombination mit klinischen Symptomen lässt meist eine eindeutige Einschätzung der Erkrankung zu. In Fällen mit zweifelhaften Serumwerten kann der Dexamethason-Suppressionstest einen Verdacht erhärten (s. unten). Bei normalem Serum-ACTH und einem positiven Dexamethason-Suppressionstest kommt differentialdiagnostisch eine beim Pferd allerdings äußerst selten auftretende Nebennierenrinden-Neoplasie in Frage. Falls etwa während eines akuten Reheschubes die Corticosteroid-Gabe bedenklich erscheint, kann alternativ ein TRH-Stimulationstest durchgeführt werden. Beide Tests können grundsätzlich auch kombiniert eingesetzt werden. ACTH-Plasmaspiegel In Studien variieren die ACTH Plasmanormwerte für Pferde geringfügig, liegen insgesamt betrachtet jedoch in einem Bereich < 50 pg/ml. Bei synlab.vet wird mit einem Referenz-Bereich bis 40 pg/ml gearbeitet. In der Literatur werden verschiedene ACTH-Plasmaspiegel bei gesunden Pferden und Ponys festgestellt. Eine Autorengruppe findet unterschiedliche Werte bei Messungen im Herbst und Frühjahr. Möglicherweise existiert für ACTH eine Jahresrhythmik. Unsere Erfahrungen bei synlab.vet unterstützen diese Beobachtungen. Eine Befundinterpretation im Herbst sollte daher mit Vorsicht erfolgen. Januar 2003 Pferde: 13,4 32,4 pg/ml; Ponies: 8,1 36,9 pg/ml Mai 2003 Pferde: 13,8 22,2 pg/ml; Ponies: 12,0 33,1 pg/ml September 2002 Pferde: 25,6 140 pg/ml; Ponies: 34,9 479 pg/ml September 2003 Pferde: 20 236,0 pg/ml; Ponies: 30,6 192 pg/ml (Nach Donaldson et al. 2005)
Weitere Labordiagnostische Befunde Sekundär sind meist eine Hyperglykämie und eine mäßige Hyperinsulinämie zu finden. Die Alkalische Phosphatase, Leberenzyme und Triglyceride sind bei länger bestehender Erkrankung ebenfalls häufig erhöht. Um solche möglichen Sekundäreffekte abzuklären, wird ein Screening Pferd empfohlen. Soll zusätzlich gegen ein equines metabolisches Syndrom (EMS) abgegrenzt werden, empfiehlt sich die Bestimmung des Serum-Insulinspiegels (vgl. auch Fachinformation Equines Metabolisches Syndrom auf.) Material Laborparameter Material Bemerkung ACTH EDTA-Plasma gefroren EDTA-Blut möglichst schnell abzentrifugieren, das Plasma in ein Röhrchen geben, mit EDTA-Plasma beschriften und einfrieren Insulin Screening Pferd Serum gekühlt EDTA-Blut und Serum Weiterführende Diagnostik Dexamethason-Suppressions-Test Testdurchführung 1. Bestimmung des Basis-Cortisolwertes (0-Wert) 2. Intramuskuläre Dexamethason-Injektion von 40µg/kg KGW 3. Bestimmung des Cortisolwertes nach 19 20 Stunden (Cortisol1) Testinterpretation Bei gesunden Pferden sinken die Cortisolwerte um ca. 80% und bleiben über mindestens 20 Stunden auf den tiefsten Werten supprimiert. Ein nur wenig oder gar nicht supprimierter 20 Stundenwert spricht für ein ECS. Material 2 X Serum Dexamethason zur i.m. Injektion TRH Stimmulationstest Testdurchführung 1. Bestimmung des Basis-Cortisolwertes (0-Wert) 2. Intravenöse Injektion von 0,2mg TRH/100kg KGW (langsam) 3. Bestimmung des Cortisolwertes 15 Min. nach TRH-Injektion 4. Bestimmung des Cortisolwertes 60 Min. nach TRH-Injektion
Testinterpretation Bei gesunden Pferden fällt der Cortisolspiegel nach einem anfänglichen Anstieg innerhalb von 60 Minuten etwa auf den Basalwert zurück. Steigt der Cortisolspiegel nach 15 Minuten um ca. 90% und liegt nach 60 Min. immer noch 50% über dem Basalwert so spricht dies für ECS. Material 3 X Serum TRH zur i.v. Injektion Differentialdiagnose Besonders bei jüngeren Pferden kann ein ECS im Anfangsstadium einem metabolischen Syndrom (EMS) ähnlich sein. Leistungsverlust kann ein erstes Anzeichen für ein EMS sein. Es werden ebenfalls Fetteinlagerungen speziell an Kamm, Kruppe und bei männlichen Tieren am Präputium gesehen. Auch diese Tiere fallen häufig durch eine rezidivierende Hufrehe ungeklärter Genese auf und Polydipsie-Polyurie ist ein häufiges Symptom. Therapie Pergolid Der Dopamin-Rezeptor-Agonist Pergolid ist zurzeit das Therapeutikum der Wahl zur Behandlung des ECS. Da die melanotropen Zellen der Pars intermedia über hypothalamisches Dopamin tonisch inhibitorisch kontrolliert werden, bietet sich ein Dopaminagonist zur Therapie des ECS an. Durch Pergolid wird die vermehrte Abgabe von ACTH gehemmt. Die Patienten zeigen meist eine deutliche Verbesserung der Symptomatik. Das Medikament verhindert jedoch nicht das progradiente Fortschreiten der Grunderkrankung. Auch fehlen bislang Kenntnisse über die optimale Dosierung und über die Notwendigkeit einer lebenslangen oder in Intervallen durchgeführten Medikation. Studien in der Humanmedizin weisen darauf hin, dass es unter Pergolid- Therapie vermehrt zu Herzklappenfibrosen kommt. Es stellt sich die Frage, ob Pferde davon auch betroffen sind. Cyproheptadin Bei Cyproheptadin handelt es sich um einen Serotonin-Antagonisten. Es wirkt Appetit steigernd und antiallergisch. Seine Anwendung bei der Therapie des ECS wird kontrovers diskutiert. Serotonin-Antagonisten bewirken eine Verminderung der CRH-Ausschüttung und darüber eine Hemmung der ACTH Sekretion. Wahrscheinlich wird jedoch kein Einfluss auf die autonome ACTH-Produktion der Pars intermedia-neoplasie genommen. Berichte über Behandlungserfolge sind eher verhalten. Trilostan Auch über die Therapie mit Trilostan werden Erfolge berichtet. Trilostan ist ein 3β-Hydroxysteroid- Dehydrogenase-Hemmer und hemmt reversibel die Bildung von Cortisol in der Nebennierenrinde. Bekannt ist Trilostan als Therapeutikum der Cushing-Erkrankung beim Hund. Klinische Symptome, wie Polyurie/Polidipsie und Hufrehe und insbesondere Lethargie (Symptome, die bei einer verstärkten Cortisolsekretion aus der Nebennierenrinde beobachtet werden) besserten sich häufig unter Trilostan-Therapie. Da der Angriffspunkt des Medikaments die Nebennierenrinde ist, muss von einer reinen Symptom-Behandlung ausgegangen werden.
Fazit Auch heute noch wird die Erkrankung häufig nicht erkannt, vor allem bei jungen Pferden. Einige Fragen zum Zusammenhang von Pathogenese und Symptomatik sind noch ungeklärt. Die Therapie mit Pergolid ist momentan die Methode der Wahl und führt vielfach zur Besserung der Symptome, eine Heilung der Erkrankung ist jedoch bislang medikamentös nicht möglich. Literaturhinweise und weitere Informationen erhalten Sie bei ina-luz@synlab.de.