S3-Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit - eine neue Herausforderung für die mikrobiologische Diagnostik

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Transkript:

DIAGNOSTIK S3-Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit - eine neue Herausforderung für die mikrobiologische Diagnostik Manfred Kist Nationales Referenzzentrum für Helicobacter pylori Abteilung Mikrobiologie und Hygiene, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg Zusammenfassung Im Januar 2009 wurde eine nationale S3-Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Mitarbeit u. a. der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) publiziert. Zielgruppen der Leitlinie sind vor allem praktizierende Allgemeinmediziner, Internisten, Gastroenterologen, Rheumatologen und Pädiater aber auch Medizinische Mikrobiologen. Für Mikrobiologen sind besonders die Abschnitte Diagnostik, Resistenztestung, Therapieindikationen, Therapieschemata sowie Besonderheiten der H. pylori-infektion im Kindesalter interessant. Invasive diagnostische Methoden sind Urease-Schnelltest, Histologie, Kultur und PCR, letztere zum Nachweis des Erregers und Resistenz-assoziierter Mutationen. Nicht invasive Methoden sind Harnstoff- Atemtest, Stuhl-Antigentest und die laborbasierte Serologie. Dabei erreicht die mikrobiologische Erregeranzucht mit 100% die höchste Spezifität und die Histologie mit 80-98% die höchste Sensitivität. Für die H. pylori- Diagnostik werden ausgenommen bei Ulcus duodeni zwei positive Testergebnisse empfohlen. Bereits nach dem ersten Therapieversagen steigen die Resistenzquoten gegen Metronidazol und Clarithromycin auf über 50%, die der Zweifachresistenzen auf über 30%. Eine Resistenztestung bereits nach erstmaligem Therapieversagen wird deshalb empfohlen, vorausgesetzt es erfolgt eine Kontrollendoskopie. Da nach mehrmaligem Therapieversagen Metronidazol- und Clarithromycinresistenzen in über 80%, Zweifachresistenzen in über 50% auftreten, ist hier regelhaft eine Endoskopie mit Biopsieentnahme für Kultur und Empfindlichkeitstestung angezeigt. Absolute Therapieindikation sind peptische Ulkuskrankheit, auch abgeheilte Ulzera, und MALT Lymphom des Magens im Frühstadium. Die Leitlinie rät ausdrücklich von der alleinigen (nicht-invasiven) H. pylori Testung mit anschließender Eradikationstherapie (test & treat) ab. Es sollen nur solche Therapieschemata angewendet werden, die in Studien in mindestens 80% erfolgreich waren. Für die Erstbehandlung wird nach wie vor Tripel-Kombinationstherapien aus PPI, Clarithromycin mit Amoxicillin oder Metronidazol empfohlen. Kann nach zweimaligem Therapieversagen nicht endoskopiert werden, muss eine Zweitlinientherapie ohne vorherige Resistenzbestimmung bereits eingesetzte Antibiotika und individuelle Intoleranzen des Patienten berücksichtigen. Die Helicobacter-Infektion im Kindesalter unterscheidet sich von der Infektion des Erwachsenen durch eine deutlich geringere Prävalenz, Kinder von Immigranten ausgenommen, die Seltenheit H. pylori assoziierter Malignome, eine hohe primäre Resistenz gegen Clarithromycin und die geringe Assoziation zu Bauchweh. Wichtigste Neuerungen der neuen S3-Leitlinie im Bezug auf frühere Leitlinien aber auch im internationalen Vergleich sind - die erstmalige Empfehlung, bei Erwachsenen bereits nach dem ersten Therapieversagen eine mikrobiologische Untersuchung mit Sensibilitätstestung anzustreben - die erstmalige Empfehlung, bei Kindern grundsätzlich nur antimikrobielle Schemata auf der Basis einer vorherigen Sensibilitätstestung einzusetzen - die dadurch bedingte Ausweitung des diagnostischen Routinespektrums der H. pylori-infektion auf mikrobiologische Verfahren, und schließlich - der daraus verstärkt entstehende Anspruch an die mikrobiologische Labordiagnostik, entsprechende Untersuchungen auch in exzellenter Qualität und flächendeckend vorzuhalten Hintergrund Im Januar 2009 wurde eine nationale S3-Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Mitarbeit einer Reihe von Fachgesellschaften, darunter die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) publiziert [1]. S3-Leitlinien sind systematische, evidenzbasierte Konsensus-Leitlinien, die auf den methodischen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (http://www.awmf.org/) basieren. Sie stellen aktuell die höchste Entwicklungsstufe evidenzbasierter Leitlinien dar. Die letzte entsprechende Nationale Leitlinie Diagnose und Therapie der Helicobacter pylori Infektion stammt von 1996 und wurde damals noch als S1- Leitlinie ohne mikrobiologische Beteiligung ebenfalls unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) erarbeitet [2]. Die genannten hohen Anforderungen einer S3- Leitlinie können wegen des umfangreichen organisatorischen Aufwands in der Regel nur von Leitlinien auf nationaler Ebene erfüllt werden. Internationale Leitlinien basieren deshalb häufiger auf vereinfachten Konsensusverfahren. Der letzte entsprechende Internationale Konsensus (Maastricht Konsensus III) wurde 2007 publiziert und MIKROBIOLOGE 20.Jg. 2010 41

beruht im Wesentlichen auf den Ergebnissen der Konsensuskonferenz eines Internationalen Expertengremiums, das unter Federführung der European Helicobacter pylori Study Group (EHSG) im Jahr 2005 in Florenz stattfand [3]. Trotz ihres weniger streng geregelten Entstehungsprozesses können Internationale Konsensuspapiere außerordentlich wertvoll sein in Bereichen, die eher allgemeine Gültigkeit besitzen, wie Pathogenese und Klinik sowie Epidemiologie einer Erkrankung oder bei der Festlegung von Therapieindikationen. Sie haben aber zwangsläufig da ihre Schwächen, wo z. B. nationale Ressourcen und medizinische Standards die Möglichkeiten von Diagnostik und Therapie bestimmen. Hierzu müssen im Internationalen Konsensuspapier oft Empfehlungen abgegeben werden, die sich an diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten des schwächsten Gliedes in der Kette orientieren. Dabei entstehen nicht selten Kompromisse, die nationale Möglichkeiten zur optimalen Diagnostik und Therapie einer Erkrankung nicht ausreichend berücksichtigen können und somit eine unnötige Qualitätsminderung der medizinischen Versorgung einheimischer Patienten mit sich bringen. An dieser Stelle können nationale Leitlinien u. a. korrigierend wirken, indem alle Empfehlungen sich auch an den tatsächlichen medizinischen Standards eines Landes orientieren und somit auch die praktische Umsetzung von Leitlinienpapieren realitätsnäher erfolgen kann. Die Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit soll im Folgenden in Auszügen referiert werden. Dabei werden schwerpunktmäßig solche Bereiche behandelt, die für medizinische Mikrobiologen besonders relevant erscheinen. Für das vollständige Studium der Leitlinie wird auf die Originalpublikation [1] bzw. den Text auf der Homepage der AWMF (s. oben) verwiesen. Zielgruppen der Leitlinie sind praktizierende Ärzte in Niederlassung und Klinik sowie Medizinische Mikrobiologen, wobei in der ersten Gruppe explizit Allgemeinmediziner, Internisten, Gastroenterologen, Rheumatologen und Pädiater angesprochen sind. Die Leitlinie gliedert sich in die folgenden Themenkomplexe I. Epidemiologie II. Diagnostik, Typisierung, Resistenzlage, Resistenztestung III. Indikationen zur Therapie bei benignen Erkrankungen IV. Prävention und Therapie neoplastischer Magenerkrankungen (MALT-Lymphom, Ca) V. Therapie der Helicobacter pylori-infektion VI. Besonderheiten der H. pylori-infektion bei Kindern und Jugendlichen VII. Nicht mit H. pylori-assoziierte gastroduodenale Ulkuskrankheiten Für die medizinische Mikrobiologie sind insbesondere die Themenkomplexe II, III, V und VI fachlich bedeutsam. Diagnostik, Typisierung, Resistenzlage, Resistenztestung Für die Diagnostik einer H. pylori-infektion stehen Invasive Methoden und Nicht invasive Methoden zur Verfügung. Folgende werden als ausreichend evaluiert angesehen um in der Infektionsdiagnostik eingesetzt zu werden: Invasive Methoden (setzen eine Gastroskopie voraus) Urease-Schnelltest Histologie Kultur PCR bzw. RealTime PCR zum Nachweis des Erregers PCR bzw. RealTime PCR zum Nachweis von resistenz-assoziierten Mutationen des Erregers Nicht invasive Methoden (setzen keine Gastroskopie voraus) Harnstoff-Atemtest (UBT) Stuhl-Antigentest (nur monoklonale Antikörper) Antikörpernachweis im Serum (nur laborbasiert) Tabelle 1: Testcharakteristika der für die H. pylori Diagnostik empfohlenen infektionsdiagnostischen Verfahren (nach [1]) Invasiv Nicht invasiv Sensitivität (%) Spezifität (%) Kultur 70-90 100 Histologie 80-98 90-98 Urease-Schnelltest 90-95 90-95 PCR 90-95 90-95 Harnstoff-Atemtest 85-95 85-95 Stuhl-Antigentest (mak) 85-95 85-95 IgG-Serumantikörper 70-90 70-90 Tabelle 1 zeigt die in der Leitlinie angegebenen Testcharakteristika der empfohlenen Verfahren. Dabei wird der mikrobiologischen Erregeranzucht mit 100% die höchste Spezifität und der Histologie mit 80-98% die höchste Sensitivität zugeordnet. Für die Anwendung und die Interpretation der verschiedenen Testverfahren ist zu berücksichtigen, dass mit Ausnahme der Serologie eine (auch vorübergehend) geringe Kolonisationsdichte zu falsch negativen Ausfällen im UBT, im Stuhlantigen-ELISA, bei der Kultur und in der Histologie führen kann. Geringe Kolonisationsdichten treten vor allem auf unter Protonenpumpeninhibitor (PPI)- Therapie, Antibiose, in Mägen nach Teilresektion, bei Schleimhautatrophie sowie bei Magenkarzinom und MALT. Deshalb empfiehlt die Leitlinie: Für eine zuverlässige H. pylori-diagnostik sollten folgende Mindestzeitintervalle ohne H. pylori-suppressive Therapie eingehalten werden: 2 Wochen nach Ende einer PPI-Therapie und 4 Wochen nach vorangegangener Eradikationstherapie oder sonstiger Antibiotikatherapie. Hinzu kommt eine in Deutschland, verglichen mit anderen Ländern, relativ geringe Prävalenz der H. pylori-infektion, insbesondere im Kindesalter; was wiederum einen relativ geringen positiven prädiktiven Wert positiver Befunde bedingt. Deshalb empfiehlt die Leitlinie: 42 MIKROBIOLOGE 20.Jg. 2010

Für eine zuverlässige H. pylori-diagnostik sollten 2 positive Testergebnisse vorliegen. Bei diskrepanten Befunden ist ein weiteres Diagnoseverfahren hinzuzuziehen. Bei Ulkus duodeni ist bereits ein einziges positives Testergebnis für die Therapieentscheidung ausreichend. Im Zusammenhang mit dem Risiko von Komplikationen und Folgekrankheiten der H. pylori-infektion wurde immer wieder ein Einfluss bakterieller Pathogenitätsfaktoren wie CagA, bestimmte VacA-Allele, IceA, BabA und OipA beschrieben. Zumindest die Präsenz von CagA und aktivem VacA kann dabei auch über spezifische Serumantikörper nachgewiesen werden. Allerdings unterliegen alle Komplikationen mehr oder weniger einem Wechselspiel aus Erregereigenschaften, Wirtseigenschaften und Lifestyle-bedingten Einflüssen (z. B. Rauchen, Ernährung). Weiterhin hat die Kenntnis entsprechender Virulenzfaktoren noch keine gesicherten Konsequenzen für das klinische Management, sodass nach Ansicht der Experten die routinemäßige Untersuchung auf Virulenzfaktoren deshalb nicht angezeigt ist. Wann ist Kultur und Resistenztestung von H. pylori angezeigt? Die Kultur und Sensibilitätstestung von H. pylori aus Magenbiopsien ist kein Selbstläufer, sondern erfordert Fachpersonal mit einer gewisse Erfahrung im Umgang mit dem relativ empfindlichen und anspruchsvollen Erreger sowie die strikte Einhaltung bestimmter Techniken im Labor. Insgesamt ist auch heute noch die mikrobiologische Untersuchung auf H. pylori zwar nicht schwierig aber zumindest arbeitsaufwendig und im positiven Fall auch relativ kostenintensiv. Dieser Umstand begünstigte weltweit das Bestreben in der Therapie der H. pylori- Infektion ohne Mikrobiologie auszukommen. In Ländern wie Italien und Spanien werden entsprechende Untersuchungen deshalb routinemäßig praktisch nicht durchgeführt. Dies begünstigte auf der anderen Seite gerade in diesen Ländern Studien, häufig industriell gefördert, zur Behandlung von Patienten nach Therapieversagen mit immer neueren Zweit- und Drittlinienantiinfektiva, mit denen erwartungsgemäß Therapieerfolge auch ohne vorhergehendes Antibiogramm zu erzielen sind. Ein solches Vorgehen erhöht allerdings auch das Risiko einer frühzeitigen Resistenzentwicklung gerade gegen Zweit- und Drittlinienantiinfektiva. Mit der bundesweiten deutschen Sentinelstudie ResiNet zu Entwicklung und Risikofaktoren der antimikrobiellen Resistenz bei H. pylori konnte gezeigt werden, dass bereits nach dem ersten erfolglosen Therapieversuch die Resistenzquoten gegen die am häufigsten verwendeten Antibiotika Metronidazol und Clarithromycin auf über 50%, und Zweifachresistenzen gegen beide Antibiotika in über 30% auftreten [4]. Andererseits heißt das allerdings auch, dass ca. 50% noch sensibel sind und somit nicht automatisch Zweit- und Drittlinienantibiotika zum Einsatz kommen müssten. Somit ist eine Resistenztestung nach dem ersten Therapieversagen auch in dieser Hinsicht sinnvoll, als dass dadurch eine unnötige Resistenzentwicklung bei Reserveantibiotika vermieden werden kann. Die Leitlinie formuliert deshalb: Eine Resistenztestung nach erstmaligem Therapieversagen und eine auf die Empfindlichkeitstestung gestützte Zweitlinientherapie sind geeignet, eine Resistenzentwicklung bei Reserveantibiotika zu minimieren. Sie werden deshalb immer dann nach dem ersten Therapieversagen empfohlen, wenn eine erneute Endoskopie erfolgt. Nach mehr als einmaligem Therapieversagen sind Resistenzquoten gegen Metronidazol und Clarithromycin von über 80% zu erwarten, Zweifachresistenzen in über 50% [4]. Hinzu kommen weitere Resistenzen gegen Zweitlinienantibiotika, am häufigsten gegen Chinolone, seltener gegen Rifabutin. Somit erscheint spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Kultur und Sensibilitätstestung zwingend geboten. Als Testmethode wird der E-Test (oder entsprechende Verfahren) empfohlen. Die Leitlinie vermerkt deshalb: Sofern keine Endoskopie nach dem erstmaligen Therapieversagen erfolgte, sollte bei erneutem Therapieversagen regelhaft eine Endoskopie mit Biopsieentnahme für Kultur und Empfindlichkeitstestung durchgeführt werden Der Etest sollte in der Routinediagnostik zur Sensibilitätstestung von H. pylori eingesetzt werden Für die eradikationsrelevanten Antibiotika Clarithromycin, Rifabutin, Levofloxacin, Tetracyclin und Amoxicillin sind die wichtigsten jeweiligen molekularen Mechanismen der Resistenzentwicklung bekannt. Teilweise können hier bereits molekulare Resistenznachweise geführt werden, falls die klassische Bakteriologie versagt. Dies gilt nicht für Metronidazol, somit bleibt dafür nur die phänotypische Testung als zurzeit einzige Möglichkeit um eine entsprechende Resistenz zu erkennen. Wann sollte eine H. pylori-infektion bei Erwachsenen behandelt werden? Nach wie vor ist die peptische Ulkuskrankheit eine absolute Therapieindikation. Dies gilt auch für bereits abgeheilte Ulzera. Ebenso wird das MALT Lymphom des Magens im Frühstadium grundsätzlich mit einer Eradikationstherapie behandelt. Bei bereits länger bestehenden dyspeptischen Beschwerden unklarer Genese kann eine Eradikation versucht werden, allerdings sollten Patienten darüber aufgeklärt werden, dass nur bei 5-10% der erfolgreich Behandelten eine dauerhafte Besserung der Beschwerden zu erwarten ist. Weitere fakultative Indikationen sind die Idiopathische Thrombozytopenische Purpura (ITP) sowie die asymptomatische H. pylori-positive Gastritis, falls im letzteren Fall eine zukünftige NSAR- oder ASS-Medikation vorgesehen ist oder eine Indikation zur Karzinomprävention besteht. Eine H. pylori-eradikation mit dem Ziel der Vorbeugung eines Magenkarzinoms kann durchgeführt werden. - bei Patienten mit korpusdominanter H. pylori Gastritis, - bei Verwandten 1. Grades von Patienten mit Magenkarzinom - und bei Patienten mit Magenadenomen oder hyperplastischen Polypen MIKROBIOLOGE 20.Jg. 2010 43

Die Leitlinie rät ausdrücklich von der alleinigen (nichtinvasiven) H. pylori Testung mit anschließender Eradikationstherapie (test & treat) ab, da bei niedriger und weiter abnehmenden H. pylori Prävalenz das Risiko einer Überdiagnostik besteht, weiterhin die Endoskopie in Deutschland gut verfügbar ist und kostengünstig durchgeführt werden kann und zudem für die nicht invasive Primärdiagnostik ausschließlich serologische Verfahren zugelassen sind. Letztere halten insbesondere Gastroenterologen in diesem Zusammenhang für nicht zuverlässig genug, um eine bestehende Infektion sicher nachzuweisen. Welche Empfehlungen sind bei einer antimikrobiellen Therapie der H. pylori-infektion beim Erwachsenen zu beachten? Die Leitlinie sieht dazu vor, dass nur solche Therapieschemata angewendet werden sollen, für die in randomisierten, kontrollierten Therapiestudien bei ITT-Analyse eine Eradikationsrate von mindestens 80% gezeigt wurde. Für die Erstbehandlung werden wie in früheren Leitlinien und Konsensusbeschlüssen Tripel-Kombinationstherapien aus PPI, Clarithromycin mit Amoxicillin (französische Tripeltherapie) oder Metronidazol (italienische Tripeltherapie) in den bisher gängigen Dosierungen empfohlen (s. Tabelle 2). Neu sind folgende Regelungen: Aus Gründen der Wirksamkeit und Verträglichkeit kann die Therapie mit Clarithromycin und Metronidazol (italienische Tripeltherapie) vorgezogen werden (nur solange Metronidazol-Resistenz < 40%) Als alternative Erstlinienprotokolle können eine sequenzielle Therapie (s. Tabelle 2) ebenso wie andere Vierfachtherapien (PPI, Amoxicillin, Metronidazol, Clarithromycin) ohne Sequenzaufbau berücksichtigt werden. Beide neu aufgenommene Regelungen bedürfen eines Kommentars aus mikrobiologischer Sicht: Tabelle 2: Empfohlene empirische Erstbehandlung der H. pylori-infektion. Dosisangaben in mg. Empfohlene Erstlinientherapien (empirisch) PPI + Clarithromycin 2x250-500 mg + Metronidazol 2x400-500 mg PPI + Clarithromycin 2x500 mg + Amoxicillin 2x1000 mg PPI + Amoxicillin 2x1000 mg, gefolgt von PPI + Clarithromycin 2x500 mg + Metronidazol 2x500 mg PPI + Clarithromycin 2+250-500 mg + Metronidazol 2x500 mg + Amoxicillin 2x1000 mg (Vierfachtherapie) Tage ad 1: Für die italienische Tripeltherapie konnte zwar in einzelnen Studien eine geringfügig größere Wirksamkeit gezeigt werden, allerdings steht diesem Vorteil der Nachteil einer verstärkten Mutagenität von Metronidazol entgegen. Aufgrund dessen können vermehrt mutationsbedingte Resistenzen z. B. gegen das im gleichen Therapieschema verwendete Clarithromycin auftreten. Davon unberührt bleibt eine simultane Resistenzentwicklung gegen Metronidazol als zweitem der für die Eradikationstherapie 10 10 5 5 10 essentiellen Antiinfektivum, die ebenfalls bei der französischen Tripeltherapie nicht zu befürchten ist. ad 2: die primäre Keimzahlreduktion durch die vorausgehende Amoxicillin-Monotherapie reduziert die statistische Wahrscheinlichkeit einer mutationsbedingten Resistenz gegen Clarithromycin und Metronidazol in der folgenden Sequenz und erscheint somit auf den ersten Blick aus mikrobiologischer Sicht sinnvoll. Allerdings könnte dieser Effekt durch die vermehrte Mutagenität von Metronidazol konterkariert werden. Dies macht weitere Studien zu dieser Therapieform erforderlich, die diesen Punkt berücksichtigen. Die genannte Vierfachtherapie, vergleichbar mit dem Prinzip der Tuberkulosebehandlung, erscheint ebenfalls auf den ersten Blick plausibel, allerdings ist sie bei H. pylori mit dem Risiko der unmittelbaren Entwicklung einer Clarithromycin/Metronidazol-Doppelresistenz verbunden, was bei der Wichtigkeit beider Antibiotika nicht akzeptabel scheint. Für die Zweitlinientherapie führt die Leitlinie aus, dass diese im Erwachsenenalter auch ohne vorherige Resistenzbestimmung durchgeführt werden kann, und die Auswahl des Eradikationsschemas zur Zweitlinientherapie die in der Erstlinientherapie eingesetzten Antibiotika einschließlich der Wahrscheinlichkeit einer Resistenzinduktion und individuellen Intoleranzen des Patienten berücksichtigen muss. Unter Einbeziehung der gesamten Leitlinie (siehe Kapitel zur Diagnostik) reduzieren sich diese Empfehlungen auf die Fälle, bei denen keine Kontrollendoskopie nach der Ersttherapie erfolgt. Die Leitlinie schlägt für solche Fälle einer nicht resistenzbasierten Eradikationsbehandlung nach dem ersten Therapieversagen geeignete Therapieschemata vor (s. Tabelle 3). Nach dem zweiten Therapieversagen ist nach der Leitlinie (s. oben) in jedem Fall vor weiteren Behandlungsversuchen eine Resistenztestung erforderlich. Allerdings findet sich in der Leitlinie auch die folgende Formulierung: Nach 2-maligem Versagen einer H. pylori- Therapie muss eine Vorstellung bei einem Spezialisten für eine weitere individualisierte Therapie erfolgen Tabelle 3: Zweitlinienschemata für Fälle, bei denen nach der ersten Therapie keine Kontrollendoskopie durchgeführt wird, bzw. keine endoskopische Kontrolle erfolgen kann. Empfohlene Zweitlinientherapien (empirisch) Tage PPI + Amoxicillin 2x1000 mg + Levofloxacin1x500 mg 10 PPI + Amoxicillin 2x1000 mg + Rifabutin 2x150 mg 10 PPI + Levofloxacin 1x500 mg + Rifabutin 2x150 mg 10 PPI + Amoxicillin 3x1000 mg + Metronidazol 3x500 mg 10 3xPPI (doppelte Dosierung) + Amoxicillin 3x1000 mg 14 44 MIKROBIOLOGE 20.Jg. 2010

Bei Würdigung des gesamten Leitlinientextes kann eine individualisierte Therapie i. d. R. nur auf der Basis einer Resistenztestung durchgeführt werden, wobei ggf. besondere klinische Gegebenheiten, wie Medikamentenunverträglichkeiten aber auch beeinflussbare Therapiehindernisse wie Rauchen oder eine unzureichend eingestellte diabetische Stoffwechsellage zu berücksichtigen sind. Wenn in begründeten Einzelfällen (Endoskopiehindernis) auf eine Resistenztestung verzichtet werden muss, sollten ebenfalls die in Tabelle 3 aufgeführten Kombinationen eingesetzt werden. Welche abweichenden Empfehlungen sieht die Leitlinie für das Kindesalter vor? Die Helicobacter-Infektion im Kindesalter unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von der Infektion des Erwachsenen, so - ist H. pylori bei Kindern eher selten die Ursache unklarer abdomineller Beschwerden ( Bauchweh ), - ist die H. pylori-prävalenz bei Kindern deutscher Herkunft deutlich niedriger als bei Erwachsenen (das bedeutet eine größere Unschärfe der nicht invasiven Diagnostik), - die Prävalenz bei Kindern von Immigranten deutlich höher (hier besteht die Gefahr der Übertherapie), - kommen H. pylori assoziierte Malignome nicht vor, - besteht eine deutlich höhere primäre Resistenz gegen Clarithromycin bei einem gleichzeitig altersbedingt eingeschränkten Antiinfektiva-Spektrum. Dies macht einige abweichende Empfehlungen erforderlich, die im Folgenden zitiert und erläutert werden: Ein invasiver oder nicht invasiver diagnostischer Test auf H. pylori sollte bei Kindern und Jugendlichen nur durchgeführt werden, wenn im Falle eines positiven Testergebnisses eine Therapie vorgesehen ist Besonders bei Kindern stellt die weitergehende Diagnostik und Therapie eine Belastung dar, die nur gerechtfertigt ist, wenn das Kind daraus unmittelbaren Nutzen zieht. Ein nicht invasiver diagnostischer Test auf H. pylori bei asymptomatischen Kindern und Jugendlichen sollte allein aufgrund einer jetzigen oder früheren H. pylori-infektion bei Personen in der Hausgemeinschaft nicht durchgeführt werden Ein positives Ergebnis provoziert unnötige Ängste und würde möglicherweise zu einer nicht indizierten Therapie bei symptomlosen Kindern führen Rezidivierende Bauchschmerzen bei einem Kind oder Jugendlichen sind allein keine Indikation, mit einem nicht invasiven Test auf eine H. pylori- Infektion zu untersuchen. Rezidivierende Bauchschmerzen im Kindesalter sind häufig und nur in seltenen Fällen ursächlich mit einer H. pylori-infektion assoziiert Wenn bei Kindern mit starken Oberbauchbeschwerden eine Gastroskopie durchgeführt wird, sollten Biopsien für Histologie entnommen werden, bei Verdacht auf eine H. pylori-infektion, ein Urease-Schnelltest und Kultur angelegt werden Dieses Vorgehen ergibt sich aus der Empfehlung, dass H. pylori bei Kindern ausschließlich antibiogrammbasiert antimikrobiell behandelt werden soll. Eine Untersuchung auf eine H. pylori-infektion bei Kindern mit therapierefraktärer Eisenmangelanämie sollte durchgeführt werden, wenn andere Ursachen (okkulter Blutverlust, Zöliakie, Parasitenbefall) ausgeschlossen sind Es gibt keine gesicherte Evidenz dafür, dass die H. pylori-infektion eine kausale Rolle beim plötzlichen Kindstod oder bei Otitis media, chronischer Urtikaria, ITP, Kleinwuchs und Nahrungsmittelallergie im Kindes- und Jugendalter spielt Für das diagnostische Vorgehen ist auf folgende Besonderheiten zu achten: Verfahren zum Nachweis von spezifischen Antikörpern gegen H. pylori in Serum, Vollblut, Urin oder Speichel sind zur Diagnostik einer Infektion bei Kindern nicht geeignet Vor Behandlung einer H. pylori-infektion bei Kindern und Jugendlichen sollte eine antibiotische Empfindlichkeitstestung nach kultureller Anzucht des Keimes durchgeführt werden (primäre Clarithromycinresistenz > 20%) Letzteres wird begründet mit einer inzwischen hohen Clarithromycinresistenzquote (ca. 20%-30%) bei kindlichen H. pylori-isolaten in Deutschland und weil Reserveantibiotika bei Kindern teilweise kontraindiziert sind. Deshalb sollte vor jeder Behandlung eine antimikrobielle Empfindlichkeitstestung vorliegen.. Hinsichtlich der Behandlungsindikationen gelten für Kinder die folgenden Empfehlungen: Bei Kindern und Jugendlichen mit nachgewiesener H. pylori-infektion und folgenden Komplikationen muss eine Keimeradikation angestrebt werden: Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni, MALT-Lymphom. Bei Kindern und Jugendlichen mit nachgewiesener H. pylori-infektion und folgender Konstellation sollte eine Keimeradikation angestrebt werden: erosive Gastritis und Duodenitis, ungeklärte Eisenmangelanämie, Ulkus oder Magenkarzinom bei Verwandten 1. Grades Die Test & Treat - Strategie sollte bei symptomatischen Kindern und Jugendlichen nicht durchgeführt werden d. h. keine Behandlung ohne gesicherte Indikation! Bei Kindern und Jugendlichen mit alleiniger H. pylori-gastritis, die nach Therapie weiter infiziert sind, aber keine Symptome mehr haben, muss keine erneute Eradikationstherapie durchgeführt werden Welche Therapieregime sind für Kinder geeignet? Die Primärtherapie bei Kindern erfolgt wenn möglich bereits nach Antibiogramm, wobei die gleichen Antibiotika (Amoxicillin, Clarithromycin, Metronidazol) wie bei Erwachsenen eingesetzt werden. MIKROBIOLOGE 20.Jg. 2010 45

Bei H. pylori-infektion mit einem Keim, der gegen Clarithromycin und Metronidazol resistent ist, muss eine individuelle Therapieentscheidung in Abhängigkeit vom Alter des Kindes und Resistenzergebnis auf Reserveantibiotika gefällt werden Schlussfolgerungen Die neue S3-Leitlinie ist im Gegensatz zu früheren Leitlinien erstmals unter Beteiligung von Mikrobiologen erarbeitet worden. Dies führte zu einer stärkeren Berücksichtigung typisch mikrobiologischer Aspekte, wie dem Problem der Resistenzentwicklung bei gleichzeitig eingeschränktem Spektrum der verfügbaren antimikrobiellen Substanzen oder der speziellen Abwägung des Einsatzes von Antiinfektiva im Hinblick auf Nebenwirkungen und ökologischen Konsequenzen. Die wichtigsten Neuerungen der neuen S3-Leitlinie im Bezug auf frühere Leitlinien aber auch im internationalen Vergleich sind - die erstmalige Empfehlung, bei Erwachsenen bereits nach dem ersten Therapieversagen eine mikrobiologische Untersuchung mit Sensibilitätstestung anzustreben - die erstmalige Empfehlung, bei Kindern grundsätzlich nur antimikrobielle Schemata auf der Basis einer vorherigen Sensibilitätstestung einzusetzen - die dadurch bedingte Ausweitung des diagnostischen Routinespektrums der H. pylori-infektion auf mikrobiologische Verfahren, und schließlich - der daraus verstärkt entstehende Anspruch an die mikrobiologische Labordiagnostik, entsprechende Untersuchungen auch in exzellenter Qualität und flächendeckend vorzuhalten Ausblick Bei der H. pylori-infektion in Deutschland zeichnen sich aktuell zwei Entwicklungen ab. Einerseits wird von Seiten der niedergelassenen Gastroenterologen ein stetiger Rückgang des Anteils H. pylori-positiver Patienten beobachtet, der sicher teilweise auf die inzwischen weit verbreitete Eradikationstherapie zurückzuführen ist. Da eine erfolgreiche Eradikation nicht zwangsläufig und - abgesehen von der peptischen Ulkuskrankheit - eher selten mit einer dauerhaften Besserung der klinischen Beschwerden einhergeht, lässt sich der zunehmende Anteil H. pylorinegativer Patienten mit fortbestehenden Magenbeschwerden erklären. Diese Entwicklung wird weitergehen, und damit wird zusammen mit der abnehmenden Infektionsprävalenz im Kindesalter die medizinische Relevanz von H. pylori bei Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltrakts quantitativ an Bedeutung verlieren. Andererseits nimmt der Anteil mehrfach und vielfach resistenter H. pylori zu. Diese Entwicklung ist sowohl für die behandelnden Ärzte als auch für das mikrobiologische Labor eindeutig erkennbar und gibt Anlass zu der Sorge, dass die konservative Therapie der H. pylori Infektion zunehmend an ihre natürlichen Grenzen stößt. Dies gilt bevorzugt für solche Patienten, bei denen gleichzeitig eine Penicillin-Allergie besteht. Die Ursache für diese breite Zunahme hochresistenter H. pylori-isolate beruht zu einem großen Teil auf einem großzügigen Einsatz von Zweit- und Drittlinien-Antiinfektiva bei der ungezielten Therapie bereits ab dem 1. Therapieversagen. In diesem Zusammenhang ist die Mikrobiologie verstärkt gefordert, durch eine breit verfügbare und qualitativ hoch stehende Diagnostik dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Literatur 1. Fischbach W, Malfertheiner P, Hoffmann JC, Bolten W, Bornschein J, Götze O, Höhne W, Kist M, Koletzko S, Labenz J, Layer P, Miehlke S, Morgner A, Peitz U, Preiss JC, Prinz C, Rosien U, Schmidt WE, Schwarzer A, Suerbaum S, Timmer A, Treiber G, Vieth M. Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit. Z Gastroenterol. 2009 Jan;47(1):68-102. 2. Caspary WF, Arnold R, Bayerdörffer E, Behrens R, Birkner B, Braden B, Domschke W, Labenz J, Koletzko S, Malfertheiner P, Menge H, Rösch W, Schepp W, Strauch M, Stolte M. Diagnose und Therapie der Helicobacter pylori Infektion. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Z Gastroenterol. 1996; 34:392-401 3. Malfertheiner P, Megraud F, O'Morain C, Bazzoli F, El-Omar E, Graham D, Hunt R, Rokkas T, Vakil N, Kuipers EJ. Current concepts in the management of Helicobacter pylori infection: the Maastricht III Consensus Report. Gut. 2007; 56: 772-81 4. Kist M, Glocker E. ResiNet a nationwide German sentinel study for surveillance and analysis of antimicrobial resistance in Helicobacter pylori. Eurosurveillance 2004; 9: 44-46. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Manfred Kist NRZ für Helicobacter pylori Abt. Mikrobiologie und Hygiene Universitätsklinikum Freiburg Hermann-Herder-Str. 11 79104 Freiburg E-Mail manfred.kist@uniklinik-freiburg.de 46 MIKROBIOLOGE 20.Jg. 2010