Struktur und strukturelle Störung

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Transkript:

Struktur und strukturelle Störung Struktur ist definiert als die Verfügbarkeit über psychische Funktionen, welche für die Organisation des Selbst und seine Beziehungen zu den inneren und äußeren Objekten erforderlich sind. Strukturelle Störungen beinhalten die unzureichende Verfügbarkeit über diese Funktionen, bzw. ihre Vulnerabilität. Strukturelle Störungen sind meist die Folge frühkindlicher Beziehungsstörungen. nach RUDOLF, 2005, S. 58) 1

Das Selbst bezeichnet das ganzheitliche Gefüge von psychischen Dispositionen. Sie umfassen alles, was im Erleben und Verhalten des Einzelnen regelhaft, repetitiv abläuft (bewusst oder unbewusst). Nähe zu Begriffen wir Charakter, Identität, Persönlichkeit. Disposition: Anlage, Angelegtheit; individuell unterschiedliche, relativ konstant wirkende Bereitschaft zu bestimmten Verhaltensweisen, Symptomen und anderen Eigenarten

OPD-2 Strukturachse Selbstwahrnehmung und Objektwahrnehmung Steuerung des Selbst und der Beziehungen Emotionale Kommunikation nach innen und außen Innere Bindung und äußere Beziehung 3

Strukturdimensionen der OPD-2 Selbst- und Objektwahrnehmung Das Selbst wahrnehmen Die Objekte wahrnehmen Steuerung Das Selbst regulieren Den Bezug zum Objekt regulieren Emotionale Kommunikation Emot. Kommunikation nach Innen Emot. Kommunikation mit Anderen Bindung An innere Objekte gebunden sein Einführung OPD-2 An äußere Objekte gebunden sein 42 4

Selbstwahrnehmung und Objektwahrnehmung Das Selbst wahrnehmen 1.1 Selbstbild reflektieren und ausdifferenzieren Die Objekte wahrnehmen 1.4 Selbst-Objekt-Differenzierung: Eigene Gedanken, Bedürfnisse, Impulse von denen Anderer unterscheiden 1.2 Eigene Affekte differenzieren 1.5 Andere in ihren verschiedenen Aspekten, d.h. ganzheitlich wahrnehmen 1.3 Eigene Identität entwerfen und weiterentwickeln 1.6 Ein realistisches Bild von Anderen entwerfen können Einführung OPD-2 Das Selbst regulieren 2.1 Sich von Impulsen distanzieren, Impulse steuern und integrieren 2.2 Sich von Affekten distanzieren und Affekte regulieren 2.3 Sich von Kränkungen distanzieren, Selbstwert regulieren Steuerung Den Bezug zum Objekt regulieren 2.4 Die Beziehung vor eigenen störenden Impulsen schützen; intrapsychische statt interpersonelle Abwehr 2.5 In Beziehungen die eigenen Interessen aufrechterhalten und die Interessen Anderer angemessen berücksichtigen 2.6 Die Reaktionen Anderer antizipieren 1 5

Emotionale Kommunikation nach innen Emotionale Kommunikation Emotionale Kommunikation mit anderen 3.1 Eigene Affekte generieren und erleben 3.4 Emotionale Kontaktaufnahme: Gefühle andern gegenüber zulassen, Besetzungen wagen, Wir-Gefühl erreichen (Reziprozität) 3.2 Eigene Phantasien entwerfen und nutzen 3.5 Eigene Affekte zum Ausdruck bringen, sich von den Affekten anderer erreichen lassen 3.3 Die eigene Körperwahrnehmung bzw. das Körperselbst emotional beleben 3.6 Empathie erleben Einführung OPD-2 An innere Objekte gebunden sein 4.1 Internalisierung: Positive Selbstrepräsentanzen, positive Objektrepräsentanzen, positive objektbezogene Affekte aufbauen und erhalten können 4.2 Positive Introjekte: Für sich sorgen, sich beruhigen, trösten, helfen, schützen, für sich eintreten 4.3 Variable trianguläre Bindungen: Unterschiedliche innere Objektqualitäten; Zuwendung zum Einen ist nicht Abwendung vom Anderen Bindung An äußere Objekte gebunden sein 4.4 Bindungsfähigkeit: sich emotional an andere binden können (Dankbarkeit, Fürsorge, Schuld, Trauer) 4.5 Hilfe annehmen: Unterstützung, Versorgung, Sorge, Anleitung, Entschuldigung von anderen annehmen können 4.6 Sich aus Bindungen lösen und Abschied nehmen können 44 6

Kriterien für die Einschätzung des Strukturniveaus: gut integriert mäßig integriert gering integriert desintegriert 7

Strukturniveau: gut integriert Relativ autonomes Selbst strukturierter psychischer Binnenraum, in dem sich intrapsychische Konflikte abspielen können Fähigkeit zur Selbstreflexion und realitätsgerechten Wahrnehmung des anderen Fähigkeit zur Selbststeuerung Empathiefähigkeit ausreichend gute innere Objekte zentrale Angst: die Zuneigung des Objekts zu verlieren. 8

Strukturniveau: mäßig integriert Die intrapsychischen Konflikte sind destruktiver selbstentwertende und autodestruktive Tendenzen Schwierigkeit, Selbstbild und Identität zu gewinnen Übersteuerung und eingeschränkte Selbstwertregulierung Objektbilder sind auf wenige Muster eingeengt wenig empathiefähig dyadische Beziehungen sind vorherrschend zentrale Angst: das wichtige Objekt zu verlieren 9

Strukturniveau: gering integriert Wenig entwickelter psychischer Binnenraum und geringe Differenzierung psychischer Substrukturen Konflikte sind interpersonell statt intrapsychisch Selbstreflexion fehlt Identitätsdiffusion; Intoleranz für negative Affekte Impulsdurchbrüche und große Kränkbarkeit Abwehr: Spaltung, Idealisierung, Entwertung fehlende Empathie und eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit innere Objekte sind vorwiegend verfolgend und strafend zentrale Angst: Zerstörung des Selbst durch den Verlust des guten Objekts oder durch das böse Objekt 10

Strukturniveau: desintegriert Die fehlende Kohärenz des Selbst und die überflutende Emotionalität werden durch Abwehrmuster im Sinne postpsychotischer, posttraumatischer, perverser Organisationsformen überdeckt Selbst- und Objektbilder erscheinen konfundiert Empathisches Objektwahrnehmen so gut wie unmöglich Verantwortung für eigenes impulsives Handeln wird nicht erlebt (die Dinge geschehen einfach) Zentrale Angst: symbiotische Verschmelzung von Selbst und Objektrepräsentanzen mit der Folge des Selbstverlustes 11