Fluidmechanik I. Sommersemester 2010 Vorlesung:

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Transkript:

Fluidmechanik I Sommersemester 2010 Vorlesung: Zeit: Dienstag 10:00-11:3011:30 und Donnerstag 17:15-18:00 Ort: MW 2001 Übung: Zeit: Donnerstag 15:30-17:00 Ort: MW 2001 Gruppenübung siehe Web Manuskript und Übungsunterlagen: Fachschaft oder www.aer.mw.tum.de/lehre/fluidmechanik1/index.de.php Kontakt: fm1@aer.mw.tum.de 1

Aerodynamische Formoptimierung Die Umströmung von Bobs ist geprägt von Ablösungen, deren Ursache im Energieverlust infolge der Wandreibung und einem zu steilen Druckanstieg in Strömungsrichtung liegt. Während die Wandreibung im Wesentlichen davon abhängt, ob die Strömungsgrenzschicht laminar oder turbulent verläuft, ist die Strömungsablösung Form- bedingt. laminar Grundform Kopfform Taillierung des Rumpfes Heckeinzug Bodenfreiheit und Anstellwinkel turbulent t turbulent mit Ablösung Ablösung Detailoptimierung Abweiser Bremskasten und Kufen Nachlauf/Heckdruck Wandschubspannungsvermindernde Maßnahmen Integration der Bobbesatzung Einflusses der Eiskanalwände 2

Ausgangsform CAD Modell Strömungsanalyse CFD Windkanal Fahrversuch 3

4

Formvariante auscad Modell Windkanalmodell Maßstab 1:3 5

6

CD A [m 2 ] 0.050 0.045 0.040 0.035 0.030 0025 0.025 0.020 0.015 0.010 0.005 0.000 RefBob InnoBob cowling helmet FB RB FR RR FA RA components 7

Evolution der Aerodynamik: nach Hucho (2005) 8

9

Die Zweiphasen-Überschalldüse wurde von H. P. Schwefel /KLOC-70/ entwickelt. Es handelt sich um ein wichtiges Teilstück für ein Kleinkraftwerk für Raumfahrzeuge. Das Ergebnis ist eine völlig überraschende Düsenform, deren Wirkungsgrad bei fast 80% liegt. Die konische Ausgangsform hatte einen Wirkungsgrad von nur 55%. 10

Gliederung: Physik der Fluide Mit welchen Stoffen haben wir es zu tun? Was sind Fluide? Gasdynamik Wie verhalten sich kompressible Fluide? Welche besonderen Phänomene treten t auf? Kinematik Wie kann man die Bewegung von Fluiden beschreiben? Navier-Stokes- Gleichungen Die volle Komplexität! Erhaltungs- sätze Wie kann man die Bewegung g von Fluiden Strömungen haben ein Turbulenz vorhersagen? Eigenleben! Bernoulli- Gleichung Ein sehr nützlicher Zusammenhang zwischen Druck und Geschwindigkeit! Technische Strömungen Handwerkszeug! 11

1. Einleitung Ziele der Fluidmechanik: Qualitatives Verständnis der Umströmung oder Durchströmung von Körpern Zurückführung komplexer Strömungen auf Elementarströmungen Quantitative Vorhersage von Strömungen: - Kräfte (Druckkräfte, Reibungskräfte) auf Körper - thermische Belastungen (Kühlung) - Strömungsverluste (Rohrleitungen) - detaillierte Strömungsvorhersage (Wetter, Verbrennungsoptimierung, aerodynamischer Entwurf) Grundlagenverständnis d zur besseren Modellierung (vereinfachte mathematische Beschreibung) komplexer Strömungen Optimierung und Beeinflussung von Strömungen 12

1. Einleitung Methodik zur quantitativen Vorhersage von Strömungen: Physikalisches Modell: Eigenschaften des Fluides Mathematisches Modell: Erhaltungsgleichungen, vereinfachte Erhaltungsgleichungen, Näherungslösungen Numerische Lösung: Diskretisierung der Gleichungen, Lösung (i. allg.) nicht als geschlossen Funktion sondern als Werte an endlich vielen Punkten im betrachteten Gebiet Experimentelle Lösung: Visualisierung, quantitative Messung mit Meßsonden oder optischen Verfahren, Ähnlichkeitsprinzip p 13

1. Einleitung Fluide: 1 m Gase: enthält ca. 3 6 25 10 Moleküle Gase: dominiert durch mechanischee Kollisionen (Normaldruck, Raumtemperatur) 1m Flüssigkeiten: enthält ca. 3 9 34 10 Moleküle (Normaldruck, Raumtemperatur) Flüssigkeiten: dominiert durch intermolekulare Potentiale 14

1. Einleitung Sichtbarer Effekt der Molekülbewegung ist die Brownsche Bewegung: 15

2. Physik der Fluide 2.1 Kontinuumsprinzip Makroskopische Betrachtung: Box 1: Fluidelement Fluidelement (FE) repräsentiert die über das inkrementelle Volumenelement dv und das inkrementelle Zeitelement dt statistisch gemittelte Bewegung der Fluid-Moleküle Mathematische Beschreibung durch die Kontinuumsprinzip: o der Ort eines FE wird durch einen mathematischen Punkt dargestellt o ein Strömungsgebiet wird dicht durch FE ausgefüllt o Eigenschaften von FE werden durch Funktionen des Orts und der Zeit 16

2. Physik der Fluide 2.1 Kontinuumsprinzip Anwendbarkeit des Kontinuumsprinzips: Für Gase charakterisiert durch Knudsenzahl (Martin Knudsen 1871-1949) mittlere freie Weglänge Kn L charakteristische Abmessung des Strömungsproblems (z.b. Rohrdurchmesser) Kontinuum Kn 0.01 Gleitströmung 0.01 Kn 0.1 Übergangsgebiet 0.1 Kn 10 freie Molekülbewegung 10 Kn 17

2. Physik der Fluide 2.1 Kontinuumsprinzip Beispiel: Airbag-Sensor Spaltbreite D 5 10 5 m Luft bei Normaldruck Knudsenzahl Kn Strömung im Gleitströmungsgebiet 10 7 m 0,01 18

2. Physik der Fluide 2.1 Kontinuumsprinzip Box 2: Fluidelement, Ortsvektor 19

2. Physik der Fluide 2.2 Feldgrößen Größe Eigenschaft Symbol Einheit kg / m Dichte Skalar 3 Druck Skalar Temperatur Skalar Geschwindigkeit Vektor p 2 Pa T K u 1 u u 2 u 3 N / m m / s dynamische Viskosität ität Skalar kg /( ms ) kinematische Viskosität Skalar m 2 / s 20

2. Physik der Fluide 2.2 Feldgrößen Beispiele: 1,2 kg T 293K p 101325Pa 3 m dynamische Viskosität 10 3 kg ms kinematische Viskosität 10 6 kg ms 3 T 293KK p 101325 Pa 1000 kg / m 6 kg dynamische Viskosität 1810 ms 6 kg kinematische Viskosität 1510 ms Luft bei, : Dichte Wasser bei, : Dichte 21

2. Physik der Fluide 2.2 Feldgrößen Zwischen Dichte, Temperatur T und Druck p besteht in der Kontinuumsbeschreibung ein thermodynamischer Zusammenhang: die Zustandsgleichung Für ideale Gase p R T mit der Gaskonstanten ( p, T ) R 287 J kgk 22

2. Physik der Fluide 2.2 Feldgrößen Box 3: Deformation fest, flüssig 23

2. Physik der Fluide 2.2 Feldgrößen Box 4: Scherströmung, Reibung 24

2. Physik der Fluide 2.2 Feldgrößen Newtonsches Fluid: Linearer Zusammenhang zwischen Schubspannung und Deformationsrate (Bezeichnungen laut Skizze) d du dt dx Die dynamische Viskosität ität läßt sich für Gase aus deren molekularen l Eigenschaften ableiten 1 2 25

2. Physik der Fluide 2.2 Feldgrößen Allgemeinere Zusammenhänge zwischen Schubspannung und Deformationsrate: Bingham Fluid dilatantes t Fluid Newtonsches Fluid pseudoplastisches Fluid d / dt 26

2. Physik der Fluide 2.3 Grenzflächen Zwischen zwei verschiedenen, nicht mischbaren Fluiden bildet sich eine Grenzfläche, über die hinweg Dichte und Druck einen Sprung aufweisen können. 27

2. Physik der Fluide 2.3 Grenzflächen Der Drucksprung muß im stationären (zeitunabhängigen) Zustand zu einer Normalspannung in der Grenzfläche führen, daher gibt es im allgemeinen in Grenzflächen eine Oberflächenspannung. Stationärer, kugelförmiger g Tropfen in Luft: In der Flüssigkeit gegenseitig anziehende intermolekulare Kräfte An der Grenzfläche werden alle Flüssigkeitsmoleküle nach innen gezogen, die Grenzfläche kontrahiert Stationäres Kraftgleichgewicht für den aufgeschnittenen Tropfen: 2R p p R I p p I A A 2 R 2 p A p I 28

2. Physik der Fluide 2.2 Feldgrößen Selbstkontrolle: 1. Was ist das wesentliche e der Kontinuumsbeschreibung e bu von Fluiden ude? 2. Unter welcher Voraussetzung ist die Kontinuumsbeschreibung gültig? 3. Was ist ein Fluidelement? 4. Wie kommt Reibung in Fluiden zustande? 5. Wodurch zeichnet sich ein Newtonsches Fluid aus? 6. Betrachte ein Gas in einem geschlossenen Behälter. Wieso besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Gastemperatur und Druck (den man an den Behälterwänden messen kann)? 7. Was hält einen Flüssigkeitstropfen zusammen? 29