Rechtsanwälte und Notar Dr. Niemann & Kollegen 37073 Göttingen, d. 09.12.09 Waageplatz 2 Telefon (0551) 48 59 28 Telefax (0551) 4 51 99 www.niemann-rechtsanwaelte.de niemann-rechtsanwaelte@t-online.de Dr. Helmuth Niemann Ulrich Amthauer Fachanwalt für Familienrecht u. Notar Dr. Franc Pfahl Christian-Karsten Rohde Carsten Paulini Rechtsanwalt Newsletter 3-2009 In Kooperation mit: Steuerberater Dr. Jens Beissel 37073 Göttingen Waageplatz 2 Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns, Ihnen nunmehr den dritten Newsletter dieses Jahres zusenden zu können. In diesem Newsletter haben wir wieder für Sie die aktuellste arbeitsgerichtliche Rechtsprechung aufgearbeitet und hoffen, dass wir hiermit Ihr Interesse wecken können. 1. Mithören von Telefongesprächen, BAG vom 23.04.09, 6 AZR 189/08 Den Inhalt eines Telefongespräches zwischen zwei Personen zu beweisen, ist praktisch unmöglich. Nicht selten ermöglicht einer der Gesprächsteilnehmer deswegen das heimliche Mithören des Gespräches. Ziel ist es, den Zeugen zum Beweis in einem späteren Gerichtsverfahren zu benennen. Als Zeuge taugt der heimliche Mithörer jedoch nicht.
Dr. Niemann & Kollegen 2 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht bei heimlich mitgehörten Telefonaten grundsätzlich ein Beweisverwertungsverbot. Das Persönlichkeitsrecht des anderen Gesprächsteilnehmers gehe hier vor. Ein solches Beweisverwertungsverbot besteht nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts jedoch dann nicht, wenn eine Person bei einem Anruf nichts dazu beigetragen hat, dass Dritte das Telefongespräch mithören können. Der zufällig mithörende Dritte kann als Zeuge später vor Gericht vernommen werden. Das Interesse des Anrufers an der Durchsetzung seiner Rechte sowie das Interesse der Allgemeinheit an einer richtigen gerichtlichen Entscheidung überwiegen das Persönlichkeitsrecht des anderen Gesprächspartners. Hört eine Person ein Telefongespräch zufällig mit, kann diese Person als Zeuge für den Inhalt des Gesprächs vor Gericht vernommen werden. Hat jedoch einer der Gesprächsteilnehmer das Mithören zielgerichtet ermöglicht, besteht ein Beweisverwertungsverbot. 2. Geschlechtsdiskriminierung, BAG vom 28.05.09, 8 AZR 536/08 Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist ein Dauerthema. Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet eine Ungleichbehandlung, sofern das Geschlecht nicht unverzichtbare Voraussetzung für die Arbeitstätigkeit ist. Ein Arbeitgeber suchte nun gezielt für ein Gymnasium eine Frau, da es sich um ein Mädcheninternat handelte und mit der Tätigkeit auch ein Nachtdienst verbunden war. Ein männlicher Bewerber fühlte sich diskriminiert und klagte auf Schadensersatz. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass es einem Arbeitgeber freistehe festzulegen, welche Arbeiten auf einem zu besetzenden Arbeitsplatz erbracht werden sollen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts sei in diesem Fall zulässig gewesen, da die Tätigkeit in dem Mädcheninternat mit Nachtdiensten verbunden werden konnte. Das weibliche Geschlecht der Stelleninhaberin stelle eine wesentliche und entscheidende Anforderung dar. Für die Besetzung einer Betreuerstelle in einer Schule stellt das Geschlecht ein entscheidendes Merkmal dar, wenn die Tätigkeit mit dem Nachtdienst in einem Mädcheninternat verbunden ist.
Dr. Niemann & Kollegen 3 3. Weiterbeschäftigungsanspruch, BAG vom 15.04.09, 3 AZB 93/08 Nicht selten wird in einem Kündigungsschutzverfahren beantragt, den gekündigten Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens weiter zu beschäftigen. Weigert sich ein Arbeitgeber, trotz eines entsprechenden Urteils des Arbeitsgerichts, den Arbeitnehmer tatsächlich weiter zu beschäftigen, stellt sich die Frage, in wie weit dies mit der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Ein Arbeitgeber berief sich nun darauf, dass das Urteil über die Weiterbeschäftigung mit der Formulierung zu den bisherigen Bedingungen als Angestellter zu unbestimmt sei. Das Bundesarbeitsgericht hielt die Formulierung für ausreichend. Der Titel müsse nicht so genau sein, dass er sich auf ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeiten beziehe. Hierauf habe ein Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch, da dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht zustehe. Es gäbe keine rechtliche Handhabe, um den Arbeitgeber durch eine Entscheidung, den Arbeitnehmer zu beschäftigen, in einer eng begrenzten Weise zu verpflichten. Um diesem Gesichtspunkt gerecht zu werden, sei es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich sei. Einzelheiten der Art der Beschäftigung oder sonstige Arbeitsbedingungen müsse der Titel nicht enthalten. Die Verurteilung des Arbeitgebers im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Angestellter ist grundsätzlich bestimmt genug. Eine Zwangsvollstreckung ist möglich. 4. Zeugenvernehmung in der Berufungsinstanz, BGH vom 14.07.09, VIII ZR 3/09 Ein erstinstanzliches Gericht hatte einen Zeugen vernommen und ein entsprechendes Urteil verkündet. Hiergegen legte die unterlegene Partei Berufung ein. Das Berufungsgericht vernahm den Zeugen nicht erneut, bewertete dessen Aussage jedoch als unergiebig und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Der Bundesgerichtshof sah in diesem Verhalten eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es sei nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es den Zeugen erneut vernommen hätte. Der BGH verwies die Angelegenheit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Würdigt das Berufungsgericht eine Zeugenaussage anders als das erstinstanzliche Gericht, ohne den Zeugen selbst zu vernehmen, liegt darin ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör der benachteiligten Partei.
Dr. Niemann & Kollegen 4 5. Verdachtskündigung, BAG vom 23.06.09, 2 AZR 474/07 Eine Verdachtskündigung setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu den Vorwürfen anhört. Fehlt eine solche Anhörung, ist die Verdachtskündigung unwirksam. Das Arbeitsgericht muss jedoch gleichwohl prüfen, ob die vom Arbeitgeber vorgetragenen Verdachtsmomente geeignet sind, die Kündigung als Tatkündigung zu rechtfertigen. Gelangt das Arbeitsgericht zu der Überzeugung, dass der Arbeitnehmer die Tat tatsächlich vollbracht hat, ist die Kündigung trotz der fehlenden Anhörung als Tatkündigung gerechtfertigt und damit wirksam. Gelangt das Arbeitsgericht zur Überzeugung, dass der Arbeitnehmer die Straftat tatsächlich begangen hat, ist die Kündigung gerechtfertigt, obwohl der Arbeitgeber wegen des Verdachts gekündigt hatte, ohne den Arbeitnehmer hierzu anzuhören. 6. Geschlechtsspezifische Diskriminierung, LAG Köln, 06.04.09, 5 TA 89/09 Befristete Arbeitsverhältnisse enden mit Ablauf der Befristung. Grundsätzlich besteht kein Recht des Arbeitnehmers, die Verlängerung zu verlangen. Verlängert ein Arbeitgeber das befristete Arbeitsverhältnis jedoch deswegen nicht, weil die Arbeitnehmerin schwanger geworden ist, kann ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorliegen. Trägt eine schwangere Arbeitnehmerin vor, dass ihr befristete Arbeitsverhältnis nach Mitteilung der Schwangerschaft nicht verlängert worden sei, während die anderen befristeten Arbeitsverhältnisse aller vergleichbaren Arbeitnehmer verlängert worden seien, liegen ausreichende Indizien für eine Umkehr der Beweislast gem. 22 AGG vor. Es ist somit Aufgabe des Arbeitgebers zu beweisen, dass kein diskriminierendes Handeln vorgelegen hat. Wird das befristete Arbeitsverhältnis einer Mitarbeiterin nicht verlängert, nach dem sie dem Arbeitgeber die Schwangerschaft mitgeteilt hat, während bei allen anderen vergleichbaren Arbeitnehmern das Arbeitsverhältnis verlängert wurde, liegt hierin ein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts.
Dr. Niemann & Kollegen 5 7. Abmahnung, BAG vom 19.02.09, 2 AZR 603/07 Für eine verhaltensbedingte Kündigung ist grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses wird regelmäßig auch die Wirksamkeit einer zuvor erteilten Abmahnung überprüft. Sieht ein Tarifvertrag vor, dass ein Arbeitnehmer vor Erteilung der Abmahnung anzuhören ist, so kann eine Abmahnung wegen eines derartigen formellen Verstoßes unwirksam sein. Das Bundesarbeitsgericht urteilte nun, dass trotz der Unwirksamkeit der Abmahnung der Arbeitnehmer gleichwohl gewarnt sei, so dass im Wiederholungsfall eine Kündigung erfolgen könne. Trotz der Unwirksamkeit der Abmahnung aus bloßen formellen Gründen, kann ein Arbeitnehmer nicht schließen, dass der Arbeitgeber sein Verhalten toleriere. Eine verhaltensbedingte Kündigung erfordert grundsätzlich eine zuvor erteilte wirksame Abmahnung. Ist die Abmahnung jedoch nur aus formalen Gründen unwirksam, kann im Wiederholungsfall auf das gleiche Fehlverhalten eine Kündigung gestützt werden. Wir hoffen, dass wir wieder für Sie praktisch relevante Fälle verständlich aufbereiten konnten. Wir nutzen die Gelegenheit, uns für das entgegengebrachte Vertrauen zu bedanken und Ihnen eine frohe und besinnliche Adventszeit, erholsame Feiertage und alles Gute für das kommende Jahr zu wünschen. Sofern Sie die weiteren Newsletter nicht mehr wünschen, bitten wir um eine kurze Mitteilung. In diesem Fall werden wir Sie selbstverständlich aus unserem E-Mail-Verteiler löschen. Mit freundlichen Grüßen Dr. Niemann & Kollegen