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- Dominic Kaufer
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1 Rechtsanwälte und Notar Dr. Niemann & Kollegen Göttingen Waageplatz 2 Telefon: (0551) Telefax: (0551) Homepage: kanzlei@niemann-rechtsanwaelte.de Dr. Helmuth Niemann Fachanwalt für Arbeitsrecht Ulrich Amthauer Fachanwalt für Familienrecht u. Notar Christian-Karsten Rohde Fachanwalt für Arbeitsrecht Carsten Paulini Fachanwalt für Familienrecht Bei allen Schreiben und Zahlungen angeben In Kooperation mit: Steuerberater Dr. Jens Beissel Göttingen, Waageplatz 2 Newsletter April 2011 Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns, Ihnen unseren Newsletter für April dieses Jahres zusenden zu können. In diesem Newsletter haben wir wieder für Sie aktuellste arbeitsgerichtliche Rechtsprechung aufgearbeitet und hoffen, dass wir hiermit Ihr Interesse wecken können. 1. Anspruch auf Strukturausgleich nach Herabgruppierung, BAG, Urteil vom AZR 726/09 In dem von uns erfolgreich geführten Revisionsverfahren vor dem BAG ging es um eine Problematik, die mit der Überleitung von Beschäftigten vom BAT in den TVöD zusammenhängt. Anders als der BAT sieht das Vergütungssystem des TVöD und des TV-L einen Bewährungs- oder Fallgruppenaufstieg und eine Vergütungserhöhung mit zunehmendem Lebensalter grundsätzlich nicht mehr vor. Kinderbezogene Entgeltbestandteile werden nur noch gezahlt, wenn Besitzstandsregelungen Anwendung finden. Für aus dem Geltungsbereich des BAT in den TVöD im Oktober 2005 übergeleitete Beschäftigte haben die Tarifvertragsparteien teilweise einen Strukturausgleich vereinbart, Bankverbindungen: Postbank Hannover (BLZ ) Sparkasse Göttingen (BLZ ) USt.-IdNr. DE
2 Dr. Niemann & Kollegen 2 um den Verlust der Einkommenserwartungen in Bezug auf die Höhergruppierung und die Vergütung nach Lebensaltersstufen abzumildern, und bestimmt, dass der Strukturausgleich ab dem 1. Oktober 2007 zu zahlen ist. Im TVÜ-Bund haben sie in einer Tabelle zu jeder Vergütungsgruppe für bestimmte Lebensaltersstufen und die Stufe 1 sowie die Stufe 2 des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt. Hierbei wurde für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppen, Lebensaltersstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeit) grundsätzlich auf den abgestellt. Entsprechende Regelungen finden sich auch in den übrigen Überleitungstarifverträgen (TVÜ-VKA und TVÜ- L). Der Arbeitgeber hat den in den TVöD übergeleiteten Kläger 2007 herabgruppiert und in der Folgezeit den Strukturausgleich nicht mehr gezahlt. Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Strukturausgleich nach Herabgruppierung zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfüllte der Kläger am Stichtag auch das Merkmal «Ortszuschlag Stufe 2», befand das Gericht. Er wurde nur aufgrund seiner Unterhaltspflicht für zwei Kinder nicht der Stufe 2, sondern der Stufe 4 zugeordnet. Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht der Beklagten verheiratete Beschäftigte mit Kindern vom Anspruch auf Strukturausgleich ausnehmen wollen, hätten sie aufgrund der sachlich nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung gegenüber verheirateten Beschäftigten ohne Kinder die Grenzen ihrer Regelungsbefugnis überschritten. Die in den Überleitungstarifverträgen des öffentlichen Dienstes vorgesehenen Stichtagsregelungen für die Zahlung eines Strukturausgleiches beziehen sich auf die Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt. Fallen die Voraussetzungen später weg und haben die Tarifvertragsparteien keine Regelung hierzu getroffen (wie z. Β. bei einer Herabgruppierung verheirateter Arbeitnehmer mit Kindern, denen vor der Überleitung ein Ortszuschlag der Stufe 3 zustand), können den Strukturausgleich gleichwohl beanspruchen. 2. Sachgrundlose Befristung trotz eines lange Zeit zuvor zurückliegenden Arbeitsverhältnisses möglich, BAG, Urteil vom AZR 716/09 Für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist es grundsätzlich erforderlich, dass ein sachlicher Grund vorliegt, der die Befristung rechtfertigt ( 14 Abs.1 Teilzeit- und Befristungsgesetz). Nach Abs.2 ist es jedoch zulässig, für zwei Jahre einen befristeten Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zu schließen. Innerhalb dieses Zeitraumes ist eine 3-malige Verlängerung möglich. Diese sachgrundlose Befristung ist jedoch unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
3 Dr. Niemann & Kollegen 3 Bislang war ungeklärt, ob die sachgrundlose Befristung auch dann ausgeschlossen ist, wenn das Beschäftigungsverhältnis schon lange Zeit zurückliegt. Das Bundesarbeitsgericht entschied nun, dass jedenfalls dann, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als 3 Jahre zurückliegt, eine sachgrundlose Befristung möglich ist. Eine Missbrauchsgefahr der sachgrundlosen Befristung sei nicht mehr gegeben, wenn eine derart lange Zeit verstrichen sei. Liegt ein früheres Arbeitsverhältnis mehr als 3 Jahre zurück, ist eine sachgrundlose Befristung für maximal 2 Jahre nach 14 Abs. 2 S. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz zulässig. 3. Zugang eines Kündigungsschreibens bei einem Einwurf nach Uhr erst am Folgetag, LAG Köln, Urteil vom Sa 721/10 Eine Kündigung geht zu, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Ein Brief gelangt in den Machtbereich, wenn er in den Briefkasten eingeworfen wird. Unter gewöhnlichen Umständen leert ein Empfänger seinen Briefkasten täglich zu üblichen Zeiten. Ungeklärt ist bislang, zu welchen Zeiten üblicherweise ein Briefkasten geleert wird, da nach der Privatisierung der Postzustellungsdienste nicht mehr nur vormittags Briefe eingeworfen werden. Das LAG Köln musste sich mit dieser Frage beschäftigen. Ein Arbeitgeber hatte durch Boten das Kündigungsschreiben um Uhr einwerfen lassen. Das LAG Köln entschied, dass diese Kündigung erst am Folgetag zugegangen sei. Um diese Zeit rechne niemand mehr mit dem Einwurf von Briefen. Das Gericht differenzierte jedoch auch nach der Größe der Stadt. In größeren Städten sei mit Briefzustellungen jedenfalls bis Uhr zu rechnen. Der Einwurf eines Briefes nach 14 Uhr führt in aller Regel nicht mehr zu einem Zugang an dem Tag des Einwurfes.
4 Dr. Niemann & Kollegen 4 4. Falsche Anrede ist nicht ohne weiteres eine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft einer Bewerberin mit Migrationshintergrund, Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom Ca 908/11 1 AGG verbietet die Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft. Eine Frau bewarb sich um eine Arbeitsstelle und fügte dem Bewerbungsschreiben ein Bewerbungsfoto bei. Bei der Ablehnung verwechselte das Unternehmen das Geschlecht und begann mit den Worten Sehr geehrter Herr. Die Bewerberin hatte einen Migrationshintergrund und berief sich auf eine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft. Aus dem Bewerbungsfoto habe das Unternehmen eindeutig auf das weibliche Geschlecht schließen können. Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage ab, da nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass es sich um einen schlichten Fehler bei der Bearbeitung des Schreibens handele. Weitere Anhaltspunkte für eine Diskriminierung habe die Bewerberin nicht vorgetragen. Die falsche Anrede in einem Ablehnungsschreiben einer Bewerbung ist für sich genommen keine Diskriminierung der Bewerberin wegen ethnischer Herkunft. 5. Kündigung wegen mehrjähriger Freiheitsstrafe, BAG, Urteil vom AZR 790/09 Eine Kündigung durch den Arbeitgeber ist im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nach 1 grundsätzlich nur dann möglich, wenn ein verhaltensbedingter, personenbedingter oder betriebsbedingter Grund vorliegt. Wird der Arbeitnehmer zu einer Freiheitsstrafe wegen einer Straftat verurteilt, die nicht mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängt, stellt sich die Frage, ob ein personenbedingter Grund vorliegt. Ein Arbeitnehmer war zunächst für 6 Monate in Untersuchungshaft und wurde danach zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 7 Monaten verurteilt. Die Bewährung einer früheren Freiheitsstrafe widerrief das Strafgericht. Ein offener Vollzug war zunächst nicht vorgesehen. Die Arbeitgeberin besetzte die Stelle neu und kündigte dem Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht hielt die Kündigung für rechtmäßig. Bei einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, habe ein Arbeitgeber in aller Regel das Recht, den Arbeitsplatz neu zu besetzen, da es ihm unzumutbar sei, so lange an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten.
5 Dr. Niemann & Kollegen 5 Bei der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren wegen einer Straftat, die nicht mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang steht, ist grundsätzlich ein personenbedingter Kündigungsgrund gegeben. 6. Keine Haushaltsbefristung bei der Bundesagentur für Arbeit, BAG, Urteil vom AZR 728/09 Wie bereits erwähnt ist für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich ein sachlicher Grund erforderlich. 14 Abs.1 S. 2 Nr. 7 Teilzeit- und Befristungsgesetz erwähnt als Befristungsgrund den Haushaltsplan, der eine Befristung rechtfertigt. Die Bundesagentur für Arbeit berief sich gegenüber einem Arbeitnehmer auf diesen Befristungsgrund, da der Haushaltsplan für 2008 Mittel für 5800 befristete Stellen vorsähe und sie den Kläger aus diesen vergüte. Das BAG erklärte die Befristung für unwirksam. Die Bundesagentur für Arbeit könne sich nicht auf diese Vorschrift berufen. Die Möglichkeit der Haushaltsbefristung privilegiere den öffentlichen Dienst gegenüber der Privatwirtschaft. Das Arbeitsverhältnis habe im öffentlichen Dienst weniger Bestandsschutz als Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft. Diese Ungleichbehandlung sei jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn der öffentliche Arbeitgeber den Haushaltsplan nicht selbst erstelle. Bei der Bundesagentur für Arbeit werde der Haushaltsplan jedoch durch den Vorstand aufgestellt, der gleichzeitig die Bundesagentur für Arbeit als Arbeitgeber vertrete. Damit habe er es in der Hand, den Sachgrund der Haushaltsbefristung selbst zu schaffen. Eine solche Privilegierung der Bundesagentur für Arbeit in ihrer Doppelrolle als Haushaltsplangeber und Arbeitgeber sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die Bundesagentur für Arbeit kann sich nicht auf den Befristungsgrund der Haushaltsbefristung berufen. Dies dürfte auch für alle öffentlichen Arbeitgeber gelten, die ihren Haushaltsplan selbst aufstellen.
6 Dr. Niemann & Kollegen 6 7. Kündigung wegen Nazi-Vergleichs, Hess. LAG, Urteil vom Sa 243/10 Beleidigungen können einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen. Dieses gilt insbesondere dann, wenn die Verleumdung in der Öffentlichkeit erfolgt. Ein Arbeitnehmer beschuldigte seinen Arbeitgeber und dessen Prozessbevollmächtigten in einem gerichtlichen Verfahren wie gedruckt zu lügen. Er komme sich vor, wie im Dritten Reich. Hierauf kündigte der Arbeitgeber erneut. Das LAG bestätigte die Wirksamkeit dieser Kündigung. Zwar gelte das Grundrecht der Meinungsfreiheit, doch werde dieses durch das Recht auf persönliche Ehre beschränkt. Der Vergleich heutiger betrieblicher Verhältnisse mit den Vorgehensweisen der nationalsozialistischen Terrorsysteme und den Arbeits- und Konzentrationslagern beleidige den Arbeitgeber aufs Schwerste und verharmlose gleichzeitig das Unrecht in der Zeit des Faschismus. Der Vorwurf, dass der Arbeitgeber wie gedruckt lüge und sich der Arbeitnehmer wie im Dritten Reich vorkäme, ist geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. 8. Altersgestaffelte Urlaubsansprüche des MTV Einzelhandel Nordrhein-Westfalen verstoßen gegen das AGG, LAG Düsseldorf, Urteil vom Sa 1274/10 (nicht rechtskräftig) Das AGG verbietet eine Diskriminierung wegen des Alters. Eine Ungleichbehandlung ist nur dann möglich, wenn sachliche Gründe diese rechtfertigen. Der Manteltarifvertrag Einzelhandel Nordrhein-Westfalen staffelt die Anzahl der jährlichen Urlaubstage nach dem Lebensalter. Das LAG Düsseldorf erklärte diese Altersstaffelung für unwirksam. Sie verstoße gegen 10 AGG. Ein legitimes Ziel für die Ungleichbehandlung sei nicht erkennbar. Insbesondere fördere diese auch nicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das LAG ließ die Revision zum BAG zu, so dass diese Entscheidung nicht rechtskräftig ist. Altersgestaffelte Urlaubsansprüche in Tarifverträgen können (vorbehaltlich einer endgültigen Entscheidung des BAG) eine Diskriminierung wegen Alters darstellen und damit unwirksam sein.
7 Dr. Niemann & Kollegen 7 Wir hoffen, dass wir wieder für Sie praktisch relevante Fälle verständlich aufbereiten konnten. Sofern Sie die Zusendung weiterer Newsletter nicht mehr wünschen, bitten wir um eine kurze Mitteilung. In diesem Fall werden wir Sie selbstverständlich aus unserem -Verteiler löschen. Wir wünschen Ihnen eine erholsame und sonnige Osterzeit. Mit freundlichen Grüßen Dr. Niemann & Kollegen
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