- Abschlussbericht - Stefan Löffler, Hans-Dieter Wolf, Christian Gerlich und Heiner Vogel

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Transkript:

Institut für Psychotherapie und Medizinsche Psychologie Vorstand: Prof. Dr. Dr. H. Faller (komm.) 97070 Würzburg, Klinikstraße 3 - Abschlussbericht - Entwicklung und Validierung eines generischen Screening-Instruments zur Identifikation von beruflichen Problemlagen und des Bedarfs an berufsorientierten und beruflichen Rehabilitationsleistungen Stefan Löffler, Hans-Dieter Wolf, Christian Gerlich und Heiner Vogel Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Universität Würzburg, Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, Klinikstraße 3, 97070 Würzburg Auftraggeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung und Deutsche Rentenversicherung Laufzeit: 01.01.2005 bis 31.10.2007

Inhaltsverzeichnis 1 ZUSAMMENFASSUNG... 4 2 HINTERGRUND UND ZIELE... 6 3 PROJEKTABLAUF... 7 4 VORGEHEN... 10 4.1 Literatur- und Internetrecherche... 10 4.2 Bestandsaufnahmen... 11 4.2.1 Bestandsaufnahme in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation... 11 4.2.2 Bestandsaufnahme bei den sozialmedizinischen Diensten der Rentenversicherungsträger... 12 4.3 Testversion des Würzburger Screenings... 13 4.4 Pre-Test... 13 4.5 Datenerhebungen zur Testkonstruktion und -validierung... 14 4.5.1 Datenerhebung bei der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken... 14 4.5.2 Datenerhebung in den Kooperationskliniken des Umsetzungsprojektes C1... 16 4.5.3 Datenerhebung in den Indikationen Pneumologie und Psychosomatik... 20 5. ERGEBNISSE... 22 5.1 Literatur- und Internetrecherche... 22 5.2 Bestandsaufnahmen... 25 5.2.1 Bestandsaufnahme in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation... 25 5.2.2 Bestandsaufnahme bei den sozialmedizinischen Diensten... 28 5.3 Itemauswahl... 30 5.4 Konstruktion des Würzburger Screenings... 31 5.4.1 Rücklauf und Stichprobenbeschreibung... 32 5.4.2 Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse... 32 5.5 Validierung des Würzburger Screenings mit der Stichprobe in den Kliniken von Projekt C1... 36 5.5.1 Rücklauf und Stichprobenbeschreibung... 36 5.5.2 Drop-out-Analyse der Validierungsstichprobe... 38 5.5.3 Ergebnisse der Faktorenanalyse mit der Validierungsstichprobe... 39 5.5.4 Test-Retestreliabilität... 40 5.5.5 Überprüfung der prädiktiven Validität... 41 5.5.5.1 Vorhersage der Rückkehr zur Arbeit sechs Monate nach Rehabilitationsaufenthalt... 41 5.5.5.2 Weitere Zusammenhänge mit längerfristigen Behandlungsergebnissen... 48 5.5.6 Überprüfung der kriterienbezogenen Validität... 52 5.5.6.1 Zusammenhänge mit berufsbezogenen Skalen... 52 5.5.6.2 Zusammenhänge mit gesundheitsbezogenen Fragebogen... 56 5.5.6.3 Zusammenhänge mit dem SIBAR-Fragebogen... 57 5.5.6.4 Zusammenhänge mit der SPE-Skala... 60 5.5.6.5 Zusammenhänge mit der sozialmedizinischen Prognose Arzt/Therapeut. 60 2

5.5.7 Differentielle Validität... 62 5.5.7.1 Indikationsunterschiede... 62 5.5.7.2 Geschlechtsunterschiede... 63 5.5.7.3 Altersunterschiede... 64 5.6 Validierung mit der Stichprobe der Antragsteller bei der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken... 65 5.6.1 Rücklauf und Stichprobenbeschreibung... 65 5.6.2 Vorhersage des Erwerbsstatus bei der Stichprobe der Reha-Antragsteller... 67 6 DISKUSSION UND FAZIT... 68 7 PUBLIKATIONEN UND VORTRÄGE... 73 8 LITERATUR... 75 TABELLEN- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS... 79 3

1 Zusammenfassung In dieser Arbeit wird die Entwicklung und Validierung des Würzburger Screenings vorgestellt, eines generischen Screening-Instruments zur Identifikation von beruflichen Problemlagen und des Bedarfs an berufsorientierten und beruflichen Rehabilitationsleistungen. Es soll sowohl bei der Zuweisungssteuerung in den sozialmedizinischen Diensten als auch bei der Behandlungsplanung in Einrichtungen zur medizinischen Rehabilitation zum Einsatz kommen. Das Projekt wurde im Förderbereich Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation im Rahmen der Umsetzung der Ergebnisse des Förderschwerpunkts Rehabilitationswissenschaften vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Deutschen Rentenversicherung gefördert. Die Laufzeit des Projekts dauerte von Januar 2005 bis Oktober 2007. Das Projekt gliederte sich in inhaltlich ähnliche, aber unterscheidbare Teilvorhaben. In zwei bundesweiten Bestandsaufnahmen in den sozialmedizinischen Diensten der Rentenversicherungsträger und den Einrichtungen / Fachabteilungen der medizinischen Rehabilitation wurde nach dem Einsatz von Screening-Verfahren zu beruflichen Problemen gefragt. Weniger als die Hälfte der sozialmedizinischen Dienste und etwa 57% der Rehabilitationseinrichtungen gaben an, Screenings zu diesem Themenbereich einzusetzen. Die genannten Instrumente waren zumeist entweder lang, für andere Zwecke entwickelt oder nicht in ihrer Qualität als Screening evaluiert worden. Deshalb erschien es sinnvoll, ein neues Screening-Verfahren für die Identifikation von beruflichen Problemlagen zu entwickeln. Aus den Ergebnissen einer Literatur- und Internetrecherche wurde eine Testversion des Würzburger Screenings zusammengestellt. Dabei wurden hauptsächlich Items berücksichtigt, welche sich in früheren Studien als gute Prädiktoren für eine gelungene / nicht gelungene Wiedereingliederung ins Erwerbsleben nach Rehabilitationsaufenthalt erwiesen haben. Die Testversion des Würzburger Screenings wurde zur Validierung in acht Kliniken der medizinischen Rehabilitation in den Indikationsbereichen Orthopädie, Kardiologie, Pneumologie und Psychosomatik sowie im sozialmedizinischen Dienst der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken eingesetzt. Mit Hilfe einer explorativen Faktorenanalyse konnten die drei Skalen Berufliche Belastungen, Subjektive Erwerbsprognose und Interesse an berufsbezogenen Therapieangeboten identifiziert werden. Die interne Konsistenz und die Test-Retest-Reliabilität der Skalen sowie die Trennschärfe der Items waren zufriedenstellend. Mit Hilfe eines einfachen Algorithmus bestehend aus dem Erwerbsstatus zu Rehabilitationsbeginn und der Kurzskala Subjektive Erwerbsprognose gelang eine korrekte Klassifikation von 86% der Personen, die sechs Monate nach Beendigung der Reha- 4

bilitationsmaßnahme nicht erwerbstätig waren (Sensitivität). Von den Personen, die an den Arbeitsplatz zurückkehrten, konnten 82% korrekt identifiziert werden (Spezifität). Bei der Konstruktvalidierung ergaben sich zwischen den Skalen des Würzburger Screenings und weiteren berufs- und gesundheitsbezogenen Fragebögen z. B. mit der Skala Berufliche Sorgen (IRES-BS) aus dem IRES-Fragebogen (Indikatoren des Reha-Status, Gerdes & Jäckel, 1992) Zusammenhänge im mittleren Bereich. Bei dem Würzburger Screening handelt es sich um ein kurzes, reliables und valides Instrument, welches sowohl bei der Reha-Zugangssteuerung durch den sozialmedizinischen Dienst als auch bei der Aufnahmeuntersuchung in der Reha-Klinik eingesetzt werden kann. Mit dem im Manual (siehe Anhang 2) näher beschriebenen Algorithmus kann der Erwerbsstatus sechs Monate nach Rehabilitationsaufenthalt indikationsübergreifend sehr gut vorhergesagt werden. Die drei Skalen des Würzburger Screenings können einen wichtigen Beitrag bei der Identifikation von beruflichen Problemlagen und dem Bedarf an berufsbezogenen Rehabilitationsangeboten leisten. 5

2 Hintergrund und Ziele Hauptziel der medizinischen Leistungen in der Rehabilitation ist es, die negativen Folgen einer Krankheit für die soziale Teilhabe zu verhindern bzw. zu verringern (Fuchs, 2003). In den letzten Jahren wurden in der medizinischen Rehabilitation verstärkt berufsbezogene Behandlungsmaßnahmen entwickelt, welche die Rückkehr des Patienten in die Erwerbstätigkeit ermöglichen bzw. erleichtern sollten. Laut einer Studie von Hansmeier, Müller-Fahnow, Radoschewski, Vogt & Lang (2002) fühlte sich mehr als ein Drittel der Antragsteller auf medizinische Rehabilitation der ehemaligen BfA und mehr als 50% der Antragsteller der ehemaligen LVAen durch ihren Gesundheitszustand in der Ausübung ihres Berufes stark beeinträchtigt. Neben krankheitsbedingten Faktoren können berufsbezogene Probleme durch verschiedene Aspekte verursacht bzw. beeinflusst werden. Dazu zählen u. a. persönlichkeitsbedingte Faktoren, die allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt sowie aktuelle betriebliche Gegebenheiten wie die wirtschaftliche Lage des Unternehmens oder Konflikte zwischen den Mitarbeitern. Werden die im individuellen Fall relevanten Problemlagen nicht rechtzeitig erkannt und adäquat in die Behandlung einbezogen, besteht die Gefahr unnötiger Frustration, des Arbeitsplatzverlustes oder einer Frühberentung. Dem Bedarf an berufsbezogenen Maßnahmen in der medizinischen Rehabilitation steht ein Mangel an differenzierten Instrumenten zur Erfassung berufsbezogener Problemlagen gegenüber (Koch, Hillert & Geissner, 2007). Da die Ressourcen in der medizinischen Rehabilitation begrenzt sind, sollten aufwändige und kostenintensive berufsbezogene Behandlungsmaßnahmen möglichst gezielt und bedarfsorientiert eingesetzt werden. Es wäre von Vorteil, wenn bereits der Leistungsträger gezielt Antragsteller mit beruflicher Problemlage in Kliniken zuweisen könnte, die berufsbezogene Therapieangebote anbieten. Zumindest sollte aber zum Zeitpunkt der Aufnahme des Patienten in eine Rehabilitationsklinik ein Abgleich zwischen den jeweiligen berufsbezogenen Problemen und den der Klinik zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten erfolgen. Screening-Verfahren, soweit sie hinreichend praktikabel und valide sind (vgl. Neuderth & Vogel, 2002), bieten die Möglichkeit, berufliche Probleme frühzeitig bei Antragstellung bzw. Rehabilitationsbeginn zu identifizieren. Bei einem Screening handelt es sich um ein ökonomisches diagnostisches Verfahren, das lediglich eine grobe Zuordnung erlaubt und dem eine ausführliche Diagnostik folgen sollte (Woike, 2003). Das Ziel des vorliegenden Projekts bestand darin, ein Screening-Instrument zu entwickeln, mit dessen Hilfe Aussagen getroffen werden können, ob ein Antragsteller / Patient im Rahmen seiner medizinischen Rehabilitation berufsbezogene Maßnahmen benötigt. Art und Umfang dieser Maßnahmen müssen im Bedarfsfall mit 6

aufwändigeren diagnostischen Verfahren festgestellt werden. Das Screening soll indikationsübergreifend verwendbar und einfach in der Handhabung sein. Der Einsatzbereich soll sowohl die Zuweisungssteuerung bei den sozialmedizinischen Diensten als auch die Behandlungsplanung in Einrichtungen zur medizinischen Rehabilitation umfassen. 3 Projektablauf Die Projektlaufzeit begann am 01.01.2005. Zu Projektbeginn wurde Hans-Dieter Wolf als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit 75% Stellenumfang eingestellt. Ab 01.01.2007 betrug der Stellenumfang von Herrn Wolf 25%. Der Vertrag von Herrn Wolf endete am 31.05.2007. Zum 01.10.2005 wurde Herr Stefan Löffler ebenfalls als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit 50% Stellenumfang eingestellt. Der Stellenumfang wurde ab 01.04.2007 auf 25% reduziert, die Stelle lief zum 31.10.2007 mit dem Projektende aus. Von Januar bis Juli 2005 erfolgte eine Literatur- und Internetrecherche zur Sichtung des aktuellen Forschungsstandes. Von März bis Juli 2005 wurde anhand der Ergebnisse der Literatur- und Internetrecherche und der Bestandsaufnahmen eine Screening-Testversion entwickelt. Tabelle 1 gibt einen Überblick über den zeitlichen Rahmen des Projektes. Im Juli 2005 wurden die bis dato erfolgten Arbeitsschritte zur Entwicklung des Screening-Instrumentes dem wissenschaftlichen Beirat präsentiert. Den Mitgliedern des Beirats gilt unser ganz besonderer Dank für ihren fundierten Rat und ihre Unterstützung. Außerdem wurde das Projekt bei einer Projektgruppensitzung des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger in Berlin vorgestellt. Von Juli bis Oktober 2005 erfolgte zusammen mit den Projekten PORTAL 1 (Prof. F.M. Radoschewski & Prof. W. Müller-Fahrnow, Charité Berlin), dem Umsetzungsprojekt C3 2 (Dr. S. Neuderth, Universität Würzburg) sowie dem Zentrum Patientenschulung 3 (Prof. H. Faller, Universität Würzburg) eine bundesweite Bestandsaufnahme zum Einsatz von Screening-Instrumenten zur Erfassung von berufsbezogenen Problemlagen in der medizinischen Rehabilitation. Der Versand der Fragebogenpakete erfolgte über die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und den damaligen Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), für 1 PORTAL: PartizipationsOrientierte Rehabilitation zur Teilhabe am Arbeitsleben (M. F. Radoschewski & W. Müller-Fahrnow, Charité Berlin) 2 Umsetzungsprojekt C3: Konzepte für die systematische Sammlung und wissenschaftliche Bewertung von Interventionsbausteinen zur gezielten Bearbeitung beruflicher Problemlagen während der medizinischen Rehabilitation (S. Neuderth et al., Universität Würzburg) 3 Umsetzungsprojekt A2: Zentrum Patientenschulung (H. Faller et al., Universität Würzburg) 7

deren Unterstützung wir uns hiermit herzlich bedanken. Im November 2005 erfolgte die Auswertung der Bestandsaufnahme. Im Dezember 2005 wurde bei denjenigen Einrichtungen, welche sich bei der bundesweiten Bestandsaufnahme in der medizinischen Rehabilitation zu einer weiteren Zusammenarbeit bereit erklärt hatten, eine schriftliche Nachbefragung durchgeführt. Zwischen August und September 2005 erfolgte eine schriftliche Befragung der sozialmedizinischen Dienste aller 22 Landesversicherungsanstalten (LVA), der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), der Bahnversicherungsanstalt, der Seekasse und der Bundesknappschaft zum Einsatz von Screening-Verfahren zur Erfassung von berufsbezogenen Problemlagen in der medizinischen Rehabilitation. Im November 2005 wurde die Bestandsaufnahme in den sozialmedizinischen Diensten ausgewertet. Von Oktober 2005 bis August 2007 erfolgte die Datenerhebung (inklusive Sechs- Monats-Katamnese) in den sechs Kooperationskliniken des Umsetzungsprojektes C1 4 (PD Dr. Dr. A. Hillert, Medizinisch-Psychosomatische Klinik Roseneck Prien, Prof. M.E. Beutel, Universität Mainz & Dr. R.J. Knickenberg, Bad Neustadt an der Saale). Im Februar/März 2006 wurde in der DRV Unterfranken eine Datenerhebung zur statistischen Überprüfung der Testversion durchgeführt. Die Auswertung der Daten wurde im Juli 2006 abgeschlossen. Im April 2006 wurden die bisher erfolgten Arbeitsschritte dem wissenschaftlichen Beirat präsentiert und der erste Zwischenbericht eingereicht. Von September 2006 bis Oktober 2007 erfolgte die Datenerhebung in der Hochgebirgsklinik Davos für die Indikation Pneumologie. Von November 2006 bis Oktober 2007 wurde die Datenerhebung in der Psychosomatischen Klinik Reinhardstal, Bad Wildungen-Reinhardshausen, durchgeführt. Im Januar 2007 wurden die aktuellen Ergebnisse der Auswertung des Würzburger Screenings dem wissenschaftlichen Beirat präsentiert. Im April 2007 wurden die Katamnesedaten der Antragsteller von der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken in anonymisierter Form an das Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie weitergeleitet. Die Abgabe des zweiten Zwischenberichts erfolgte im April 2007. 4 Umsetzungsprojekt C1: Entwicklung und Evaluation eines indikationsübergreifenden Schulungsmoduls zur beruflichen Orientierung in der medizinischen Rehabilitation mit niederschwelligen Zugang (A. Hillert, Medizinisch-Psychosomatische Klinik Roseneck, M.E. Beutel, Universität Mainz, R.J. Knickenberg, Bad Neustadt an der Saale) 8

Über den gesamten Berichtszeitraum war die RFB-Methodenberatung (Prof. H. Faller, Dipl.-Psych. Wilmar Igl, Dipl.-Psych. Michael Schuler) regelmäßig in den Entwicklungsprozess des Screening-Fragebogens einbezogen. Die Mitglieder der Methodenberatung nahmen am ersten Beiratstreffen teil. Es wurde mit ihnen u. a. Rücksprache beim Studiendesign, der Itemauswahl, dem Umgang mit missing data und der Reliabilitätsprüfung gehalten. Tabelle 1: Zeitplan Quartale 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Literatur und Internetrecherche X X X Bestandsaufnahme in Kliniken und sozialmedizinischen Diensten Entwicklung einer Testversion X X Datenerhebung in Indikationen Orthopädie und Kardiologie (inkl. Katamnese) Datenerhebung in der DRV Unterfranken Datenerhebung für die Indikationen Pneumologie und Psychosomatik (inkl. Katamnese) Statistische Validierung des Würzburger Screenings Anfertigen des Abschlussberichts X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X 9

4 Vorgehen Das Projekt gliederte sich in verschiedene Teilschritte: In Kapitel 4.1 wird die Literatur- und Internetrecherche zur Gewinnung eines Itempools für das Screening beschrieben. Aus den Ergebnissen der Literatur-Recherche wurde eine Testversion des Screenings entwickelt, welche in 4.2 dargestellt wird. Des Weiteren wurden bundesweit die sozialmedizinischen Dienste der Rentenversicherungen und die medizinischen Rehabilitationseinrichtungen nach dem Einsatz von Screening-Instrumenten zur Identifikation von beruflichen Problemlagen befragt (siehe Kapitel 4.3). Die Testversion des Würzburger Screenings wurde in einem Pre-Test überprüft (siehe Kapitel 4.4). In Kapitel 4.5 wird auf die Datenerhebungen in acht medizinischen Rehabilitationskliniken der Indikationsbereiche Orthopädie, Kardiologie, Pneumologie und Psychosomatik und in der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken zur psychometrischen Überprüfung des Screenings eingegangen. 4.1 Literatur- und Internetrecherche Die Literatur- und Internetrecherche zu bereits bestehenden oder eingesetzten Screening-Instrumenten war ursprünglich parallel zu den bundesweiten Bestandsaufnahmen in Rehabilitationseinrichtungen bzw. in den sozialmedizinischen Diensten der Rentenversicherungsträger geplant. Die Literatur-Recherche erfolgte jedoch schon vor der Bestandsaufnahme, weil die zusammen mit dem Projekt POR- TAL (Radoschewski & Müller-Fahrnow) sowie den beiden Umsetzungsprojekten des Förderschwerpunkts Rehabilitationswissenschaften A2 (Faller et al.) und C3 Neuderth et al.) durchgeführte Bestandsaufnahme sich vom ersten Quartal 2005 in das dritte Quartal 2005 verschob. Die Recherche wurde somit zur maßgeblichen Grundlage für die Auswahl der verwendeten Items, da zur ersten Sitzung des Projektbeirats im Juli 2005 bereits eine Test-Version des zu entwickelnden Screenings vorgestellt werden sollte. Die Recherche erstreckte sich über die ersten beiden Quartale des Jahres 2005. Es wurden Suchaufträge im Online-Katalog der Universitätsbibliothek Würzburg, in den Datenbanken CCMed, Medline, PsycINFO, PSYNDEX(plus) und PubMed sowie mit der Internet-Suchmaschine Google durchgeführt. Dabei wurde nach den Suchwörtern Screening, (medizinische) Rehabilitation, vocation(al), work, Beruf und questionnaire in unterschiedlichen Kombinationen und Trunkierungen recherchiert. 10

4.2 Bestandsaufnahmen Über zwei Bestandsaufnahmen in den Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation und den sozialmedizinischen Diensten der Rentenversicherung wurde untersucht, ob, in welchem Umfang und mit welchen Instrumenten nach beruflichen Problemen bzw. berufsbezogenen Rehabilitationsbedarf in Rehabilitationseinrichtungen und bei der Antragsprüfung gescreent wird. 4.2.1 Bestandsaufnahme in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation In einer bundesweiten, flächendeckenden Bestandsaufnahme sollte untersucht werden, ob und wenn ja, welche Screening-Instrumente zur Erfassung berufsbezogener Problemlagen in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen bisher zum Einsatz kamen. Es wurde eine schriftliche Befragung bei den rentenversicherungseigenen und federführend belegten Einrichtungen / Fachabteilungen der medizinischen Rehabilitation durchgeführt. Dabei wurden sowohl stationäre als auch ambulante medizinische Rehabilitationseinrichtungen aller Indikationsbereiche angeschrieben. Die Umfrage fand in Kooperation mit den Projekten PORTAL (PartizipationsOrientierte Rehabilitation zur Teilhabe am ArbeitsLeben) sowie den beiden Umsetzungsprojekten C3 und A2 (siehe dazu Kapitel 2) des Förderschwerpunkts Rehabilitationswissenschaften statt, welche ebenfalls eine bundesweite Befragung in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen durchführten. Dadurch wurden ein ökonomisches Vorgehen sowie eine möglichst geringe Belastung der teilnehmenden Einrichtungen gewährleistet. Das Fragebogenpaket der beteiligten Projekte wurde über die Deutsche Rentenversicherung Bund damals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) an die Rehabilitationseinrichtungen versandt. Als Adressbasis diente die Datenbank des Qualitätssicherungsverfahrens der Deutschen Rentenversicherung. Die Rehabilitationseinrichtungen konnten den ausgefüllten Fragebogen anonymisiert direkt an den Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften am Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Universität Würzburg schicken. Dort wurden die Daten über einen Fragebogenscanner eingelesen und das weitere Datenmanagement der beteiligten Projekte durchgeführt. 11

Diejenigen Einrichtungen, welche sich für eine weitere Zusammenarbeit bereit erklärt hatten, wurden um die Zusendung der bei ihnen verwendeten berufsbezogenen Screening-Instrumente gebeten. Methoden Über den Fragebogen Berufliche Orientierung, welcher von den Projekten PORTAL und den beiden Umsetzungsprojekten C2 und C3 gemeinsam erstellt worden war, erfolgte die Bestandsaufnahme zu berufsbezogenen Screening-Verfahren in der medizinischen Rehabilitation. Dabei wurden Fragen zu folgenden Bereichen aufgenommen (vgl. Anhang 3): Einsatz von Screening-Verfahren Umfang des Einsatzes Art der eingesetzten Screening-Verfahren 4.2.2 Bestandsaufnahme bei den sozialmedizinischen Diensten der Rentenversicherungsträger Die Erhebung sollte klären, ob und in welchem Umfang die sozialmedizinischen Dienste der Rentenversicherungsträger bereits Screening-Instrumente zur Erfassung berufsbezogener Problemlagen verwenden. Deshalb erfolgte eine schriftliche Befragung der sozialmedizinischen Dienste der damaligen 26 gesetzlichen Rentenversicherungsträger (22 Landesversicherungsanstalten (LVA), BfA, Bahnversicherungsanstalt, Seekasse und Bundesknappschaft). Methoden Der Fragebogen (s. Anhang 4), der an die sozialmedizinischen Dienste der Rentenversicherungsträger versendet wurde, enthielt Fragen zu folgenden Bereichen: Einsatz von Screening-Verfahren Einsatz bei Begutachtung medizinischer und / oder beruflicher Rehabilitationsanträge Einsatz durch Prüfarzt und / oder Gutachter Anzahl der Fragen des Screening-Instruments Bearbeitungszeit des Screening-Instruments 12

Eigenentwicklung vs. Fremdentwicklung Publikation des Instruments Umfang des Einsatzes Wenn es sich bei den eingesetzten Screening-Verfahren um selbst entwickelte Instrumente handelte, wurden die sozialmedizinische Dienste darum gebeten, diese mit dem ausgefüllten Fragebogen an die Universität Würzburg zu senden. 4.3 Testversion des Würzburger Screenings Aus den Ergebnissen der Literatur- und Internetrecherche (s. Kapitel 5.1) wurde eine Testversion des Würzburger Screenings erstellt. Die Testversion bestand aus 18 I- tems und sollte anschließend in verschiedenen Rehabilitationseinrichtungen und der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken psychometrisch überprüft werden (s. Kapitel 4.5). Der Aufbau dieser Testversion sowie die einzelnen Items werden in Kapitel 5.2 genauer vorgestellt. 4.4 Pre-Test Vor Beginn der Datenerhebungen in den Einrichtungen des Kooperationsprojekts C1 und bei der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken sollte das Screening in einem Pre-Test auf Praktikabilität, Verständlichkeit und klinische Relevanz überprüft werden. Die ursprünglich im Projektantrag dafür vorgesehene Fallzahl von N = 15 wurde vom Projektbeirat im Rahmen der ersten Beiratssitzung als zu gering erachtet. Im Rahmen der Voruntersuchung im Projekt C1 haben daher in einer Kalenderwoche alle neu eingewiesenen Patienten der Kooperationseinrichtungen den Screening- Bogen bearbeitet. Im Anschluss an die Bearbeitung wurden die Teilnehmer von Projektmitarbeitern zu Verständlichkeit, Praktikabilität und Umfang des Fragebogens befragt. Insgesamt nahmen 188 Patienten an der Vorerhebung teil. Nach Angaben der Projektmitarbeiter in den Kliniken war das Screening in der Durchführung praktikabel und wurde von den Rehabilitanden als verständlich und relevant eingeschätzt. 13

4.5 Datenerhebungen zur Testkonstruktion und -validierung 4.5.1 Datenerhebung bei der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken Die Screening-Testversion wurde zur psychometrischen Überprüfung in der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken eingesetzt. Die Antragsteller auf medizinische Rehabilitation füllten das Screening vor dem Erhalt des Zuweisungsbescheid aus. In Absprache mit der Ärztlichen Leitung der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken wurde die Testversion des Würzburger Screenings (siehe Kapitel 5.2) um die Items 17 und 18 Haben Sie Interesse, berufliche Probleme im Rahmen der Reha-Maßnahme zu bearbeiten? bzw. Haben Sie Interesse, an einer berufsbezogenen Schulungsgruppe teilzunehmen? gekürzt. Damit sollte Unklarheiten bei denjenigen Antragstellern vorgebeugt werden, deren Antrag auf Rehabilitation später abgelehnt wurde. Die Screening-Testversion sollte sowohl von Antragstellern bearbeitet werden, deren Bescheid durch Begutachtung erfolgte als auch von Antragstellern, bei denen die Entscheidung nach Aktenlage durch den Prüfarzt getroffen wurde. Prüfärzte wie auch Gutachterärzte füllten für jeden Teilnehmer einen Arztfragebogen aus (s. Anhang 6). Den Antragstellern, deren Zuweisung nach Aktenlage entschieden wurde, wurde ein Fragebogenpaket zugesendet, welches sich aus dem codierten Fragebogen Fragen zum Arbeitsleben, dem Anschreiben und der Einverständniserklärung zusammensetzte. In Tabelle 2 sind die im Fragebogen Fragen zum Arbeitsleben enthaltenen Skalen aufgelistet, von denen angenommen wurde, dass sie für die Konstruktvalidierung des Würzburger Screenings von besonderer Bedeutung waren. 14

Tabelle 2: Der Fragebogen Fragen zum Arbeitsleben Verfahren Soziodemographische Variablen Autoren Soziodemographischer Kerndatensatz (VDR, 1999) Skalen N Skalen Arztfragebogen 9 B-Leist Berufliche Leistungsfähigkeit IRES Indikatoren des Reha-Status AVEM Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster FBTM Fragebogen zur berufsbezogenen Therapiemotivation Koch et al. (2007) Gerdes & Jäckel (1992) 1 Berufliche Sorgen (Skala 41) Schaarschmidt & Fischer (1996) Zwerenz et al. (2005) 2 3 Berufliche Leistungsfähigkeit Verausgabungsbereitschaft Distanzierungsfähigkeit Erfolgserleben im Beruf Veränderungsabsicht 7 Negative Behandlungserwartung Items N 7 7 5 6 6 6 5 Diejenigen Antragsteller, deren Zuweisung durch Begutachtung entschieden wurde, erhielten vom Gutachterarzt in der DRV-Unterfranken den codierten Kurzfragebogen zur beruflichen Situation ausgehändigt. Der Fragebogen Kurzfragebogen zur beruflichen Situation bestand aus: Würzburger Screening soziodemographische Angaben zur familiären und beruflichen Situation entsprechend dem soziodemographischen Kerndatensatz (VDR, 1999) Die Daten zu Rehabilitationsbescheid, Rehabilitationsantritt, Erwerbsstatus und Arbeitsunfähigkeitszeiten aus den Versichertenkonten der an der Studie beteiligten Rehabilitanden wurden von der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken ein Jahr nach der Datenerhebung in anonymisierter Form zur Datenauswertung an das Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Universität Würzburg, Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, übermittelt. 15

4.5.2 Datenerhebung in den Kooperationskliniken des Umsetzungsprojektes C1 In den sechs Kooperationskliniken des Umsetzungsprojektes C1 erfolgte die Datenerhebung zur statistischen Überprüfung der Screening-Testversion. Zwei Rehabilitationseinrichtungen behandelten Rehabilitanden der Indikation Kardiologie und vier der Indikation Orthopädie (s. Anhang 5). Die Erhebung erfolgte in vier Phasen, wobei sich Kontroll- und Interventionsgruppen des Projektes C1 abwechselten. Patienten in den Interventionsgruppen nahmen zusätzlich zur normalen Rehabilitationsbehandlung an der von C1 entwickelten indikationsübergreifenden Schulungsgruppe zur beruflichen Orientierung teil. Von jeder Klinik waren N = 240 Datensätze geplant. Alle Rehabilitanden der Klinik mit den entsprechenden Indikationen erhielten zu Beginn ihres Rehabilitationsaufenthalts (T0) den Screening-Testentwurf. Rehabilitanden, die keine Einverständniserklärung zur Teilnahme an der Studie gegeben hatten, wurden ausgeschlossen. Ebenso wurden von Seiten des C1-Projektes bestimmte Einschlusskriterien für die Teilnahme an der neuentwickelten Interventionsmaßnahme im Rahmen des Projektes C1 und somit an der gesamten Studie festgelegt: Alter < 60 Erfüllung von 2 aus 11 Kriterien subjektiver beruflicher Belastung bzw. einer selbst eingeschätzten ungünstigen Erwerbsprognose (Items 5-16 der Testversion des Würzburger Screenings, die Items 9-16 wurden zu diesem Zweck dichotomisiert) Erwerbstätigkeit in Vollzeit oder Teilzeit, in Ausbildung oder gegenwärtige Arbeitslosigkeit keine vorzeitige EU-Rente auf Zeit oder auf Dauer Von den Rehabilitanden, die eine oder mehre dieser Einschlusskriterien nicht erfüllten, wurde in der Regel nur das Würzburger Screening zu Reha-Beginn erhoben. Zusammen mit den Rehabilitanden, von denen keine Einverständniserklärung für die Studienteilnahme vorlag, sowie den Rehabilitanden, die aus Kapazitätsgründen nicht an der Studie teilnehmen konnten, wurden die Daten zu einer separaten Stichprobe zusammengefasst, welche als Grundlage zur Konstruktion der Endversion des Würzburger Screenings diente (s. dazu Tabelle 3). Tabelle 3 gibt einen Überblick über die drei Stichproben der Studie, die jeweiligen Indikationen und die Voraussetzungen für die Aufnahme in die jeweilige Stichprobe. 16

Tabelle 3: Erläuterungen zu den verschiedenen Stichproben der Studie Funktion Stichprobe Testkonstruktion Kooperationskliniken C1 Testvalidierung Klinik Kooperationskliniken C1 + Zusatzerhebungen Voraussetzung nur Screening Screening + mind. ein weiterer Fragebogen Indikation Kardiologie Orthopädie Kardiologie Orthopädie Psychosomatik Pneumologie Testvalidierung Antragsteller Antragsteller DRV Unterfranken Screening + Arztbogen gemischt Die zweite Stichprobe, bestehend aus den Datensätzen der Kooperationskliniken des C1-Projektes, von denen neben dem Würzburger Screening noch mindestens ein weiterer Fragebogen vorlag, und den Datensätzen aus den Zusatzerhebungen (s. Abschnitt 4.5.3.), wurde zur Faktorenreplikation und weiteren Validierung herangezogen (s. Tabelle 3). In Tabelle 4 werden die zu den jeweiligen Messzeitpunkten zum Einsatz kommenden Skalen aufgeführt. Tabelle 4: Zu den verschiedenen Messzeitpunkten eingesetzte Messinstrumente (T0) Reha-Beginn (T1) wenige Tage nach T0 Arbeit und Gesundheit (1) (T2) Reha-Ende Arbeit und Gesundheit (2) (T3) 6-Monats-Katamnese Arbeit und Gesundheit (3) Screening Screening Screening (modifiziert) Soziodem. Daten Berufliche Sorgen IRES Berufliche Sorgen IRES Berufliche Sorgen IRES ABB ABB B-Leist B-Leist B-Leist AVEM AVEM AVEM FBTM HADS HADS HADS SF-12 SF-12 SF-12 Arztfragebogen Behandlungszufriedenheit Behandlungszufriedenheit Weiterbehandlung 17

Die Studienteilnehmer sollten ein bis zwei Tage nach dem Ausfüllen des Würzburger Screenings (T1) den Fragebogen Arbeit und Gesundheit (1) ausfüllen. Tabelle 4 listet die in der Klinikstichprobe zum Einsatz kommenden Skalen auf. Dazu wurden noch sieben soziodemographische Angaben aus dem soziodemographischer Kerndatensatz (VDR, 1999) erhoben (s. dazu auch Anhang 5). Zum Ende des Rehabilitationsaufenthalts (T2) füllten die Teilnehmer den Fragebogen Arbeit und Gesundheit (2) aus (vgl. Tabelle 4 und Anhang 5). Neben etablierten Skalen enthielt er auch zehn Fragen zur beruflichen Behandlungszufriedenheit. Die behandelnden Ärzte bearbeiteten zum Zeitpunkt T2 einen Arztfragebogen bestehend aus neun Items (vgl. Anhang 5). 18

Tabelle 5: In den Klinikstichproben zum Einsatz kommende Skalen Verfahren Autoren Skalen N Skalen Items Berufsbezogene Verfahren ABB Arbeitsbeschreibungsbogen B-Leist Berufliche Leistungsfähigkeit IRES Indikatoren des Reha-Status AVEM Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster FBTM Fragebogen zur berufsbezogenen Therapiemotivation Gesundheitsbezogene Verfahren HADS-D Hospital Anxiety and Depression Scale SF-12 Fragebogen zum Gesundheitszustand Neuberger & Allerbeck (1978) 1 Arbeitszufriedenheit 10 Koch et al. (2007) Berufliche Leistungsfähigkeit 7 Gerdes & Jäckel (1992) Schaarschmidt & Fischer (1996) 1 Berufliche Sorgen (Skala 41) 5 11 Zwerenz et al. (2005) 4 Herrmann et al. (1995) Bullinger & Kirchberger (1998) 2 Subjektive Bedeutsamkeit der Arbeit 66 Beruflicher Ehrgeiz 6 Verausgabungsbereitschaft 6 Perfektionsstreben 6 Distanzierungsfähigkeit 6 Resignationstendenz bei Misserfolg Offensive Problembewältigung 6 Innere Ruhe und Ausgeglichenheit Erfolgserleben im Beruf Lebenszufriedenheit 6 Erleben sozialer Unterstützung 6 24 Veränderungsabsicht 7 Rentenbegehren 7 Negative Behandlungserwartung Aktive Bewältigungsorientierung 14 Angst 7 Depression 7 12 Körperliche Gesundheit 12* Psychische Gesundheit Anmerkung: * alle 12 Items des SF-12 gehen unterschiedlich gewichtet in beide Skalen ein 2 6 6 6 6 5 5 12* 19

Schließlich wurden sechs Monate nach Rehabilitationsaufenthalt (T3), diejenigen Rehabilitanden, von denen ein kompletter Klinikdatensatz vorlag (Würzburger Screening, Arbeit und Gesundheit (1), Arbeit und Gesundheit (2) und Arztfragebogen) der Katamnese-Fragebogen Arbeit und Gesundheit (3) zugeschickt. Bei dem Fragebogenpaket handelte es sich um die gleichen Fragebögen und Fragebogenskalen wie bei Arbeit und Gesundheit (2). Hinzu kamen noch der ABB (Neuberger & Allerbeck, 1980) sowie Fragen zur medizinischen Weiterbehandlung nach dem Rehabilitationsaufenthalt (vgl. Tabelle 4). Für eine Kreuz- und Konstruktvalidierung mit dem Screening-Instrument SIBAR (Bürger & Deck, 2007) wurden das Würzburger Screening und der SIBAR-Fragebogen parallel in einer orthopädischen Klinik (Klinik Wetterau, Bad Nauheim) und einer kardiologischen Klinik (Weser Klinik, Bad Pyrmont) den Rehabilitanden der letzten Interventionsgruppen zu Beginn der Maßnahme vorgelegt. 4.5.3 Datenerhebung in den Indikationen Pneumologie und Psychosomatik Ursprünglich waren für die Untersuchungen in den beiden Kooperationsprojekten C1 und C2 Kliniken mit den Indikationsbereichen Orthopädie, Kardiologie, Pneumologie und Psychosomatik vorgesehen. Die Studie C1 wurde jedoch nachträglich auf Kliniken der Indikationen Kardiologie und Orthopädie begrenzt. Da das Screening- Instrument im Projekt C2 indikationsübergreifend einsetzbar sein soll, war es notwendig, weitere Indikationen in die Überprüfung des Screening-Instrumentes einzubeziehen. So wurden zwei zusätzliche Erhebungen in den Bereichen Pneumologie und Psychosomatik durchgeführt, bei denen das Würzburger Screening zur Validierung eingesetzt wurde. In der Psychosomatischen Klinik Reinhardstal (Bad Wildungen) bearbeiteten die beteiligten Rehabilitanden neben dem Würzburger Screening dieselben Fragebögen Arbeit und Gesundheit (1) und Arbeit und Gesundheit (2) wie in den Kooperationskliniken des Umsetzungsprojektes C1 (s. Tabelle 5, zum Ablauf vgl. Tabelle 4). Ebenso füllten die behandelnden Ärzte/Therapeuten den Arztfragebogen aus. Im Rahmen der Follow-up-Befragung sechs Monate nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme wurde ebenfalls der Fragebogen Arbeit und Gesundheit (3) verwendet. Für die Test-Retest-Reliabilitätsprüfung wurde das Würzburger Screening von den Rehabilitanden zusätzlich wenige Tage vor Beginn des Rehabilitationsaufenthalts ausgefüllt. 20

Zur Validierung des Würzburger Screenings für die Indikation Pneumologie wurden Rehabilitanden der Hochgebirgsklinik Davos-Wolfgang (Schweiz) im Rahmen ihrer Rehabilitationsmaßnahme und zur Katamnese ein halbes Jahr nach Ende der Rehabilitation rekrutiert. Zum Einsatz kamen dieselben Fragebögen wie in den anderen Indikationen (vgl. Tabelle 5, zum Ablauf vgl. Tabelle 4). Die Testversion des Würzburger Screenings sollte wie bei der Indikation Psychosomatik auch in der pneumologischen Erhebung zum Zwecke der Test-Retest-Reliabilitätsprüfung den Rehabilitanden zweimal vorgelegt werden. Das erste Mal sollte das Screening wenige Tage vor Rehabilitationsbeginn den Rehabilitanden per Post von der Hochgebirgsklinik Davos zugesandt werden, zum zweiten Mal sollten die Rehabilitanden zu Beginn des Rehabilitationsaufenthaltes das Screening ausfüllen. Leider wurde klinikintern versäumt, die Testversion des Würzburger Screenings zu Beginn des Rehabilitationsaufenthaltes von den Rehabilitanden ausfüllen zu lassen, so dass im gesamten Datensatz der Indikation Pneumologie das Würzburger Screening nur vor Rehabilitationsbeginn vorhanden ist. 21

5. Ergebnisse Im Folgenden werden die Ergebnisse der einzelnen Projektbestandteile beschrieben. Kapitel 5.1 enthält eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Literatur- und Internetrecherche, deren Resultate zur Itemauswahl für die Testversion des Screenings herangezogen wurden (5.2). Die Ergebnisse der beiden Bestandsaufnahmen werden in Kapitel 5.3 dargestellt. In Kapitel 5.4 werden die Schritte zur Konstruktion der endgültigen Version des Würzburger Screenings und die Validierungsergebnisse erläutert. 5.1 Literatur- und Internetrecherche Die Recherche zeigte, dass es für die Feststellung des Bedarfs an berufsbezogenen Maßnahmen in der medizinischen Rehabilitation keine verbindlichen und klar definierten Standards gibt (Koch & Hillert, im Druck). Berufliche Problemlagen sind kein einheitliches theoretisches Konstrukt, auch fehlt noch ein ausführliches und validiertes Testinstrument, welches berufliche Problemlagen und den Bedarf an berufsbezogenen Rehabilitationsleistungen erfasst. Die meisten Forschungsarbeiten in diesem Bereich suchten deshalb nach Indikatoren, welche die (Nicht)Rückkehr ins Erwerbsleben möglichst präzise vorhersagen konnten und interpretierten dies als wichtiges Bestimmungsmerkmal für die Erfassung von beruflichen Problemlagen und den Bedarf an berufsbezogenen Maßnahmen. Diejenigen Studien, in denen prognostische Faktoren zur Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit untersucht wurden, zeigten, dass v. a. die Selbsteinschätzung der Rehabilitanden von hoher prädiktiver Bedeutung bzgl. ihrer (Nicht-)Rückkehr in das Arbeitsleben waren (Slesina, 2005). Während zu den prädiktiven Eigenschaften von objektiven medizinischen Parametern keine einheitlichen Ergebnisse vorlagen, deutete vieles darauf hin, dass soziodemografische Faktoren wie Alter, AU-Zeiten oder Geschlecht und psychosoziale Faktoren (Angst und Depressivität) neben der subjektiven Einstellung des Rehabilitanden einen prädiktiven Wert für die (Nicht-)Rückkehr ins Arbeitsleben besitzen (Schott, 2005). Mittag und Raspe (2003) konstruierten eine Skala zur Messung der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit (SPE-Skala) und überprüften die Validität und Reliabilität des Instruments bei über 4.000 LVA-Versicherten aus dem Stadtgebiet Lübeck. Die SPE-Skala besteht aus nur drei Items (s. Tabelle 6, Items A, B und C). Die Items ergaben eine fast perfekte Guttman-Skala (Range 0 bis 3). Es konnten unter anderem Zusammenhänge mit Maßen der beruflichen Leistungsfähigkeit, der körperlichen Funktionskapazität und mit dem psychischem Status gefunden werden. Zur Vorhersage der Erwerbstätigkeit über einen Prognosezeitraum von fünf Jahren nach Befra- 22

gung mit der SPE-Skala wurden von Mittag et al. (2006) die Outcomedaten aus den Versichertenkonten der regionalen LVA herangezogen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Rentenantrag zu stellen und auch berentet zu werden bei einem Versicherten mit einem SPE-Wert von 3 gegenüber einem Versicherten mit dem Wert von 0 um das achtfache erhöht ist. Tabelle 6: Items und Literaturquellen Literaturquelle Mittag und Raspe (2003) Mittag und Raspe (2003), Bürger et al. (2001) Bürger et al. (2001) A B C D E F Item Sehen Sie durch Ihren Gesundheitszustand Ihre Erwerbsfähigkeit dauerhaft gefährdet? Tragen Sie sich zurzeit mit dem Gedanken, einen Rentenantrag (Frührente aus Gesundheitsgründen) zu stellen? Wenn Sie an Ihren Gesundheitszustand und Ihre berufliche Leistungsfähigkeit denken: Glauben Sie, dass Sie bis zum Erreichen des Rentenalters berufstätig sein können? Haben Sie einen Rentenantrag gestellt? Wie bald nach Abschluss der Reha-Maßnahme hoffen Sie, Ihre berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen? Innerhalb von Waren Sie in den letzten 12 Monaten krankgeschrieben? Mittag et al. (2001) G Wie stark ist Ihr berufliches Leistungsvermögen eingeschränkt? Budde und Keck (2001) H Glauben Sie, dass bei der Wiederaufnahme Ihrer beruflichen Tätigkeit Probleme auftreten werden? Viele Items, für die im Rahmen der Literaturrecherche Belege ermittelt wurden, wurden in mehreren Untersuchungen eingesetzt und überprüft (siehe Tabelle 6). Mit I- tem C konnten z. B. bei Bürger et al. (2001) 96% der nicht erfolgreich Wiedereingegliederten zwölf Monate nach Ende der Rehabilitation vorhergesagt werden. Außerdem wurden in der Untersuchung von Bürger et al. (2001) 96% der erfolgreich Wiedereingegliederten mit Item D, 88% mit Item E und 86% mit Item F richtig vorhergesagt. Mit Item G konnten Mittag et al. (2001) zusammen mit dem Alter und der ärztlichen Einschätzung der beruflichen Beeinträchtigung in 85% der Fälle eine korrekte Vorhersage des Erwerbstatus der Patienten ein Jahr nach einem kardiologischen Ereignis (Herzinfarkt oder Bypass-Operation) treffen. Die Erwerbstätigkeit konnte zu 90% richtig prognostiziert werden und die Nichterwerbstätigkeit zu 76%. Mit der Abfrage der Eigenerwartung beruflicher Reintegrationsprobleme (Item H) konnten Budde und Keck (2001) 83% der Patienten bzgl. ihrer (Nicht-)Rückkehr zur Arbeit korrekt klassifizieren. 23

Maurischat und Mittag (2004) untersuchten in ihrer Studie Kardiologie-Rehabilitanden im Hinblick auf deren Rückkehr zur Arbeit. Dafür entwickelten sie den Fragebogen zur beruflichen Rollenqualität (FRQ-B), bestehend aus 21 Items, von denen elf Items der Skala Belastungen am Arbeitsplatz und zehn Items der Skala Belohnungen am Arbeitsplatz zugeordnet waren. Für beide Skalen ergab sich eine Sensitivität von 89%, die Skala Belohnung erreichte dabei eine Spezifität von 37% und die Skala Belastung eine Spezifität von 21%. Streibelt et al. (2007) entwickelten ein Screening-Instrument zur Feststellung des Bedarfs an medizinisch-beruflich orientierten Maßnahmen (SIMBO). Dabei konnten sie über eine multiple logistische Regression sieben Prädiktoren (Alter, Erwerbsstatus, Arbeitsfähigkeit, Fehlzeiten zwölf Monate vor der Maßnahme, schmerzbezogene Beeinträchtigungen im Beruf, berufliche Prognose, Erwartungen bezüglich der Teilnahme an berufsbezogenen Maßnahmen) identifizieren, welche in der Lage sind, berufliche Problemlagen vorherzusagen gemessen über eine Kombination aus der Empfehlung berufliche Leistung prüfen und der Einschätzung eingeschränkter Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben aus dem ärztlichen Entlassungsbericht. Die korrekte Vorhersage voraussichtlicher beruflicher Problemlagen durch SIMBO ist mit 77% der Fälle deutlich höher als mit der Vorhersage dieser Problemlagen durch die Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung in einer Bewilligungsstichprobe der Deutschen Rentenversicherung Westfalen. In einer klinikübergreifenden orthopädischen Stichprobe lag die Übereinstimmung zwischen dem Screening und der klinischen MBO-Bedarfsstellung bei 74 bis 78%. Das Umsetzungsprojekt SIBAR - Screening-Inventar zur Erfassung des Bedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der medizinischen Rehabilitation (Bürger, Deck & Fuhrmann, 2006; Bürger & Deck, 2007) weist Parallelen zum Würzburger Screening auf, unterscheidet sich jedoch in den methodischen Arbeitsschritten. Teilweise werden identische Items verwendet, da beide Arbeitsgruppen bei der Itemauswahl auf die gleichen Studien zur Erfassung der subjektiven Erwerbsprognose zurückgegriffen haben. Die Validierung und Erprobung von SIBAR erfolgte an mehreren tausend Rehabilitanden verschiedener Rehabilitationseinrichtungen und Indikationen und bei Antragstellern auf Rehabilitation der Rentenversicherung Nord, Rheinland-Pfalz und Braunschweig-Hannover. Das Screening umfasst wie das Würzburger Screening drei Skalen. Die SIBAR-I-Skala zur Vorhersage des Frühberentungsrisikos besteht aus neun I- tems. Dabei werden folgende Inhalte erhoben: 24

aktuelle Krankschreibung Krankschreibung in den vergangenen 12 Monaten Arbeitslosigkeit in den vergangenen 12 Monaten Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit dauerhafte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit Einschätzung zur Weiterausübung der beruflichen Tätigkeit Einschätzung der Rückkehr ins Erwerbsleben Einschätzung zur Berufstätigkeit bis zum Erreichen des Rentenalters gedankliche Beschäftigung mit einem Antrag auf Rente Weiterhin beinhaltet der SIBAR-Fragebogen eine Einschätzung der beruflichen Situation (SIBAR-II-Skala) sowie einer Frage, wie hilfreich berufsbezogene Therapienangebote wären (SIBAR-III-Skala). Wenn ein Rehabilitand bzw. Antragsteller auf zwei der drei SIBAR-Skalen auffällig ist, wird er als behandlungsbedürftig eingeschätzt. Das Würzburger Screening wurde mit dem SIBAR-Bogen kreuz- und konstruktvalidiert. Nähere Einzelheiten dazu finden sich in Kapitel 5.5.6.3. Zusammenfassung Da bislang klar definierte Standards bezüglich einer Definition des Bedarf an berufsbezogenen Maßnahmen und berufliche Problemlagen fehlten, wurden bisher hauptsächlich Studien zur Prognose des Erwerbsstatus nach Rehabilitationsaufenthalt durchgeführt, wobei sich besonders die subjektive Erwerbsprognose als guter Prädiktor herausgestellt hatte. Nach der kurzen SPE-Skala zur Messung der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit von Mittag und Raspe (2003) wurden in den vergangenen beiden Jahren neben dem Würzburger Screening mit SIMBO und SIBAR zwei weitere Erhebungsinstrumente entwickelt, die die Zuweisungssteuerung bzw. Behandlungsplanung in der medizinischen Rehabilitation optimieren sollen. 5.2 Bestandsaufnahmen 5.2.1 Bestandsaufnahme in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation Es wurden insgesamt 1.127 Einrichtungen über die Deutsche Rentenversicherung angeschrieben. Davon antworteten 763 Einrichtungen, das entspricht einer Rücklaufquote von 68%. Von diesen führten 518 Einrichtungen stationäre Rehabilitation und 25

89 ambulante Rehabilitation durch, während 128 Einrichtungen angaben, sowohl stationäre als auch ambulante Rehabilitationsmaßnahmen anzubieten. 301 Einrichtungen (39,4%) der 763 Einrichtungen, die antworteten, gaben an, berufsbezogene Screening-Verfahren zu verwenden. Von 437 Einrichtungen (57,3%) wurde der Einsatz derartiger Screening-Verfahren verneint, und 25 Einrichtungen (3,3%) antworteten nicht auf die Frage. Bei Aufschlüsselung des Einsatzbereichs auf stationäre und ambulante Einrichtungen sowie Einrichtungen, die sowohl stationär als auch ambulant arbeiten, wird ersichtlich, dass im stationären Bereich seltener Screening-Verfahren eingesetzt wurden (39,1%) als im ambulanten Bereich (43,7%). Am höchsten war der Anteil mit 55,2% in Einrichtungen, die sowohl stationäre als auch ambulante Rehabilitationsmaßnahmen anbieten (vgl. Abbildung 1). 100 90 3,3 Prozent 80 70 60 50 40 30 20 57,3 60,9 56,3 39,4 39,1 43,7 44,8 55,2 Missing Nein Ja 10 0 Gesamt Stationär Ambulant Beides Abbildung 1: Einsatz von Screening-Verfahren in Prozent in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen 90% der an der Befragung beteiligten Einrichtungen gaben an, berufsorientierte Interventionen durchzuführen (vgl. hierzu Umsetzungsprojekt C3). Von diesen Einrichtungen wendeten 44,6% ein oder mehrere Screening-Verfahren zur Identifikation beruflicher Problemlagen an. In stationären Einrichtungen waren es 43,2%, in ambulanten Einrichtungen 45,5% und in Einrichtungen mit ambulanten und stationären Angebot 48,6%. Bei der Frage, welche Screening-Verfahren zur Identifikation beruflicher Problemlagen in den Einrichtungen Anwendung finden, wurden von 292 Einrichtungen insgesamt 461 Verfahren genannt. Dabei waren Mehrfachnennungen möglich und erfolgten auch zahlreich. So gaben etwa 23% an, zwei Verfahren einzusetzen, 11% wendeten drei und 4% gar vier Verfahren an (vgl. Abbildung 2). 26

300 Anzahl Kliniken 250 200 150 100 50 0 180 68 31 13 9 1 2 3 4 Misssing Anzahl Screeningverfahren Abbildung 2: Anzahl der eingesetzten Screening-Verfahren in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen Es wurde ein sehr breites Spektrum an Verfahren genannt. In Tabelle 7 sind die Verfahren kategorisiert und nach Anzahl der Nennungen geordnet. Am häufigsten (29,7%) wurden nicht näher bezeichnete Fragebögen genannt. Bei 84 der allgemeinen Fragebögen wurde weiterhin angegeben, dass es sich hierbei um eine Eigenentwicklung handelte. Es folgen Anamnesegespräche (20,4%), standardisierte Tests (18,7%), Profilvergleichsverfahren (10%) und fachspezifische Untersuchungen (8,2%). In geringerem Umfang wurden nicht näher spezifizierte Fragebögen zu Arbeit und Beruf (3,5%), Anamnesefragebögen (3,0%), Arbeitsplatzbeschreibungen (2,4%), Belastungserprobungen / Arbeitstherapie (2,2%) und Basisdokumentationen (2,0%) verwendet. Die 80 Einrichtungen, die sich bereit erklärt hatten, im Anschluss an diese Bestandsaufnahme detaillierte Nachfragen zu beantworten, wurden unter anderem darum gebeten, die bei ihnen eingesetzten Screening-Verfahren zur Feststellung von beruflichen Problemlagen an das Institut für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Universität Würzburg, Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften, zu schicken. Insgesamt gingen leider nur zwei Screening-Instrumente ein. Es blieb dabei unklar, wie mit Hilfe des Screenings die Einteilung der Personen mit oder ohne berufliche Probleme erfolgte. Einer der Fragebögen war mit vier Seiten sehr umfangreich und enthielt mehrere freischriftlich zu beantwortende Fragen. Neben soziodemographischen Angaben wurde nach der beruflichen Perspektive für die Zeit nach der Rehabilitation, nach beruflichen Stärken, gesundheitlichen Einschränkungen, Schwierigkeiten im Beruf und Zielen für die Arbeitstherapie gefragt. Der andere Fragebogen war mit zwei Seiten weniger umfangreich und enthielt auch Fragen zur be- 27