Die kleinen Monster, die das Leben schwer machen Stationäre Therapie von Zwangsstörungen

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Einleitung 11 I. THEORETISCHER TEIL 15

Transkript:

Die kleinen Monster, die das Leben schwer machen Stationäre Therapie von Zwangsstörungen Dr. Simone Pfeuffer, Prof. Dr. Ulrich Voderholzer Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg Prien am Chiemsee, 10. Mai 2014 Seite 1

Fallbeispiel: Thomas (Name geändert), 16 Jahre Gymnasiast, erste Zwänge mit 13 Jahren Befürchtung, sich mit Krankheiten anzustecken, zu sterben, sich selbst oder andere zu infizieren Exzessives Scannen des Bodens nach rotbraunem Fleck, bes. außerhalb der Wohnung, dabei Zählrituale u. magisches Denken Er darf nicht 6, 11, 16, 21 und 26 Mal kontrollieren oder sich etwas Gutes tun, sonst passiert Eltern ein Unglück Häufiges Händewaschen und Reinigen Depression Ambulante Behandlung nicht mehr ausreichend Seite 2

Inhalt Krankheitsbild Ätiologie State of the Art Therapie Stationäres Therapiekonzept Seite 3

Merkmale von Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen Prävalenz 1-3 % Jungen : Mädchen, ca. 1,5-2 : 1 Fallbeschreibungen vor 6. LJ, Diagnose frühestens ab 6 LJ Scham, Verheimlichung seitens der Eltern (Einbezug) Einsicht des Übertriebenen, Unsinnigen (Ich-Dyston) kann insbesondere bei Kindern fehlen Hohe Chronizität (> 40 %) hohe Komorbidität, vor allem Tics, ADHS, Angststörungen, Depression Übersicht bei Voderholzer, Müller, Külz, Psychup2date 2014; Schwartz et al. JOCD 2014; Chronizität: Walitza et al. Deutsches Ärzteblatt 2011 Seite 4

Alter bei erstem Auftreten von Zwängen dänische Studie, Acta Psychiat Scand 2004; Zahl der Patienten Häufigkeitsgipfel erster Symptome zwischen 10 und 12 Jahren; 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 29 31 36 40 42 Alter bei Beginn der Symptome Seite 5

Häufigste Zwangshandlungen bei Kindern/Jugendlichen Waschen 69 Kontrollieren 36 Ordnen Wiederholen Zählen 20 20 18 0 20 40 60 80 [%] Nach Wewetzer et al. 2014, Geller et al. 1998 Seite 6

Beispiele und Häufigkeit typische Zwangsgedanken bei Jugendlichen Verschmutzung (42 %): z.b. die Türklinke ist mit HIV verseucht Aggressive und sexuelle Gedanken (26 %): ich werde meine kleine Schwester erstechen Symmetrie/Ordnung (20 %): meine Schuhe müssen in einer ganz bestimmten Reihenfolge im Schuhschrank stehen Zufälliges Unglück (13%): ich könnte eine andere Person vom Steg in den Chiemsee stossen Magisches Denken (11%): wenn ich auf rot-bräunliche Flecken trete, könnte meiner Mutter etwas schreckliches zustoßen Seite 7

Typische (Meta)-Kognitionen bei Zwangsstörung Überschätzung der eigenen Verantwortung Überschätzung von Risiken Überschätzung der Bedeutung von Gedanken Gedanken-Handlungsfusion Perfektionismus Gefühl des nicht Richtigen, des unvollständigen ( not just right -Gefühl) Wells 2001; Simons et al. 2012; Ravid et al. 2014 Seite 8

Zwangsstörungen im Jugendalter Krankheitsbild Ätiologie State of the Art Therapie Stationäres Therapiekonzept Seite 9

Persönlichkeitsfaktoren Kognitive Faktoren Unsicherheit, Ängstlichkeit Mangelndes Selbstwertgefühl Perfektionismus, Not just right- Gefühl, etc..) Biologische Faktoren Genetische Faktoren Serotonerge Dysfunktion Basalganglienschädigungen Multifaktorielle Ätiologie von Zwangsstörungen Lernerfahrungen Konditionierung Soziale und familiäre Faktoren Leistungsdruck Schulischer Stress Konflikte Eltern Traumata, Missbrauch life events Baxter et al. 1998 Zwangsrituale als Beruhigung Gefühl der Sicherheit u. Kontrolle (negative Verstärkung) Übersicht bei Förstner, Külz, Voderholzer 2011, Kohlhammer Seite 10

Chorea minor Sydenham Wochen - Monate nach Infektion mit β- hämolysierenden Streptokokken Gruppe A Hyperkinesien Hände, Schlund, Gesicht, Muskelhypotonie, Hyporeflexie, Müdigkeit Zwangssymptome (Zählzwänge) in bis zu 50 %, gelegentlich Psychosen Autoimmunreaktion gegen Protein von Neuronen in Thalamus und Caudatum 6-13 J., sehr selten Erwachsene bis 40 Bildgebung inkonsistent, 1 Studie entzündliche Schwellung der Basalganglien Thomas Sydenham (1624-1689) Seite 11

Basalganglien und Zwangsstörung OCD bei Striatumnekrose nach Mycoplasemeninfektion Termine et al., Brain & Development 27 (2005) 62-65 Akutstadium der Enzephalitis Nachuntersuchung 17-j. Junge, Motorische Unruhe, Hyperkinesien, Zwangsgedanken, zwanghaftes Sprechen über die Gedanken mit anderen Seite 12

Neuropsychologische Auffälligkeiten bei Zwangsstörungen, in zahlreichen Studien belegt (Külz, Hohagen, Voderholzer 2003; Voderholzer et al. 2014, J Obsessive Compulsive an Realted Disorders Fronto-striatale Regelkeishypothese Problemlösefähigkeit Ant. cingulum Striatum Visuo-konstruktive Fähigkeiten visuelles Gedächtnis Kognitive Umstellungsfähigkeit präfrontaler Cortex Orbitofrontaler Cortex Fluiditäts leistungen Seite 13

Nach erfolgreicher KVT können Zwangspatienten Netzwerke im Gehirn besser aktivieren, wenn sie Aufgaben durchführen, die Flexibilität erfordern (Freyer, Voderholzer 2011; Psychological Medicine 41: 207-216) Hirnaktivierung bei Zwangspatienten im Vergleich mit Kontrollbedingung Vor KVT Nach KVT Seite 14

Zwangsstörungen im Jugendalter Krankheitsbild Ätiologie State of the Art Therapie Stationäres Therapiekonzept Seite 15

Leitlinien Zwangsstörungen Zwangsstörungen bei Erwachsenen: Leitlinien der APA (2007), Nice (2005), DGPPN (2013) Keine aktuellen Leitlinien Zwangsstörungen für Kinder und Jugendliche, sollen aber entwickelt werden (Wewetzer, Walitza) Leitlinien der AACAP (Amerikanische Gesellschaft für Kinderund Jugendpsychiatrie), 2012 Seite 16

Therapie Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen: State of the Art Zitate: Voderholzer & Hohagen (Hrsg.): Therapie psychischer Erkrankungen: State of the Art; 9. Auflage 2013/2014, pp 252-262; S-3-Leitlinie Zwangsstörungen) Therapie der 1. Wahl: Kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition Medikamentöse Therapie der 1. Wahl: SSRI (Sertralin und Fluvoxamin in Deutschland zugelassen) Indikation SSRI: komorbide schwere Depression, fehlendes Ansprechen oder Ablehnung KVT, Zwangsgedanken im Vordergrund Therapieresistenz: Seite 17

Remissionsrate bei Kindern und Jugendlichen mit Zwangsstörung in einem RCT (N=112; March et al., JAMA 2004) 70 60 50 40 ** * * = 0.03 = 0,002 * 30 20 10 0 Placebo SSRI KVT allein kombiniert (n=28) (n=28) (n=28) (n=28) Seite 18

Schweregrad [Y-BOCS] Verlauf der Wirkung von SSRI bei Zwangsstörungen am Beispiel von Fluoxetin 25 Tollefson et al., Arch Gen Psychiatry 1994;51:559-567 Placebo 20 15 * ** ** * ** ** ** ** ** ** ** ** ** 20 mg 40 mg 60 mg 10 N=355 Patienten mit Zwangsstörung 5 0 Woche 0 1 3 5 7 9 11 13 Seite 19

Genaue Hinweise medikamentöse Therapie SSRIs sind Medikamente I. Wahl Sertralin, ab dem 8. LJ zugelassen Fluvoxamin ab dem 8. LJ zugelassen Clomipramin (AD)sollte trotz vergleichsweiser guter Wirksamkeit aufgrund des NW-Spektrums nur als dritte Wahl eingesetzt werden. In Deutschland ab 5 Jh. zur Beh. v. Enuresis, aber nicht zur Behandlung von Zwangsstörungen zugelassen. Dosierungsempfehlungen: entsprechen weitgehend denen des Erw.-alters, die höher sind als zum Beispiel in der Behandlung von depressiven Störungen. (Empfehlung bei Kindern: therapeutisches Drugmonitoring ). Wirkungseintritt v. SSRIs u. Clomipramin ca. erst nach 4-10 Wochen, Beurteilung des therapeutischen Effekts sollte nicht vor Ablauf v. 8-12 Wochen erfolgen Keine Wirkung Umstellung auf anderes SSRI keine Symptomreduktion, dann Gabe eines Neuroleptikums( insbes. bei komorbider Tic-Störung z.b. Aripiprazol) Dauer der Pharmakotherapie: längerfristige Planung. Absetzversuche sehr langsam, bei guter Symptomreduktion nicht vor 6 Monaten sinnvoll. Seite 20

Nachteile medikamentöser Therapie Compliance von Betroffenen und auch der Eltern? (Spiegelmessungen) Attribution des Behandlungserfolg auf Medikament, keine Selbstwirksamkeitserfahrung: Medikamente und Psychotherapie möglichst nicht parallel beginnen! Nebenwirkungen: Übelkeit, Unruhe, Schlafstörungen; sexuelle Funktionsstörungen, Schwitzen, Induktion suizidaler Gedanken möglich Langfristige Effekte auf das Gehirn beim Menschen unbekannt! tierexperimentell Adaptationsvorgänge des Serotoninsystems nachgewiesen, die ein späteres Absetzen erschweren könnten Seite 21

Seite 22

Fluoxetin-Behandlung bei jugendlichen Primaten erhöht lange nach Beendigung der Gabe die Serotonintransporter möglicher Faktor, der Disposition zu Depression erhöht!!! Antidepressiva induzieren langanhaltende Veränderungen im ZNS, die möglicherweise dazu führen, daß man sie auch weiter benötigt Seite 23

Aktuelle Meta-analyse zur KVT bei Zwangsstörungen: Cognitive-behavioral therapy for obsessive-compulsive disorder: A metaanalysis of treatment outcome and moderators; Olantunji et al.; 2013, J Psychiatric Research 47: 13-41. Effektstärken bei Kindern u. Jugendlichen am größten Fazit: Therapie allgemein sehr wirksam, je jünger die Patienten, umso wirksamer Mittleres Alter Seite 24

Exposition von Zwängen bei kleinen Kindern unter Einbezug der Eltern 30 24,47 24,5 24 Kontrollgruppe (keine Katamnese) 20 10 Exposition mit Reaktionsverhinderung 12,29 11,5 10,56 0 Effektstärke 1,69 vor Therapie nach Therapie nach 1 Monat nach 3 Monaten

Zwangsstörungen im Jugendalter Krankheitsbild Ätiologie State of the Art Therapie Stationäres Therapiekonzept Seite 27

Therapie Zwangsstörungen Vermittlung des Therapierationales Aufdringlicher Gedanke Bedeutung Gefühl Neutralisieren Bin ich durch einen rotbräunlichen Fleck gelaufen? Ich muß das um jeden Preis verhindern. Angst/ Unruhe Boden scannen. Händewaschen, Duschen u. Kleidung wechseln. Seite 28

Kognitiv-behaviorale Gruppentherapie Zwangsstörungen Medizinische Behandlung Pharmakotherapie Therapeuten begleite Exposition Training sozialer Fertigkeiten GSK Körperorientierte Verfahren Therapeutisches Klettern Therapieprogramm Zwangsstörungen: Modulares, integratives, psychotherapeutisches Konzept! Gestaltungstherapie, Messpainting Einzelpsychotherapie Bezugs-Co-Therapie Behandlung komorbider St. Depression, Trauer, Angst, Esstörung Achtsamkeit Seite 29

Exposition bei Zwangsstörungen Zu Beginn begleitet, ausreichende Dauer (mind. 2 Stunden) in vivo, d.h. außerhalb des Therapiezimmers, wenn möglich auch im häuslichen, familiären Umfeld Patient entscheidet, Therapeut ermutigt (niemals zu etwas zwingen!) Graduiert!, Beginn mit mittelschwerer Situation Stichtagsregelungen! (nach Exposition kein Schritt zurück, Übung in Eigenregie wiederholen) Seite 30

Exposition am Beispiel von Thomas Absichtliches Reinlaufen in rot-bräunliche Flecken Kleidung und Schuhe anlassen, komplette Kontamination, im Zimmer rumlaufen, in den Kleiderschrank fassen, Kontakt zu anderen Danach nicht Füße, Händewaschen oder Duschen Am nächsten Tag gleiche Schuhe und Kleidung wieder anziehen, Bettzeug nicht wechseln Seite 31

Exposition bei Zwangsgedanken Gedanken aufschreiben Gedanken in der Sitzung aussprechen Situationen aufsuchen, die Gedanken triggern (Messer- Übung) Zwangsgedanken aufnehmen und immer wieder anhören, bis Habituation eintritt Seite 32

Exposition ist nicht Alles, aber ohne Exposition ist meist Alles Nichts! Seite 33

Weiterentwicklung der Psychotherapie bei Zwangsstörungen Neue Studien 2013/2014 Achtsamkeitsübungen bei Zwangsgedanken (Wahl et al., Cog Ther Res 2014, in press) Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie nach Exposition (Külz, Voderholzer, et al.; Verhaltenstherapie und Psychosoziale Praxis 2013; 45: 327-344) ACT bei Zwangsgedanken (Dehlin et al., Behav Modif 2013, online) Gedanken nicht bewerten Gefühle akzeptieren Handeln nach Werten Fördert Exposition u. Abbau von Vermeidung Modifiziertes Expositionskonzept, Verhaltensexperimente, Hinterfragen Metakognitionen Seite 34

Seite 35

Einige Kernbotschaften Zwänge häufiger als sie denken, Scham, fehlende Explo-ration, Angst vor Therapie verhindern Diagnosestellung KVT mit Exposition ist die wirksamste Therapie, wirksamer als Medikamente, sie hat nachhaltigen Effekt Es geht in der Verhaltenstherapie natürlich nicht nur um Zwänge! (Funktionalität!) Exposition ist nicht alles, aber ohne Exposition ist oft alles nichts 80 90 % der Patienten, die in ambulanter Psychotherapie waren haben diese Therapie nicht erhalten Bei Stationärer Therapie Störungsspezifisches Setting sinnvoll (trainiertes Team + Lernen u. Solidarität Mitpatienten) 27 Seite 36